T - O N L I N E
Feine Gesellschaft
Fristlose Kündigungen, ein seltsamer Sponsorvertrag - was lief hinter den Kulissen des Börsenneulings?
Telekom-Chef Ron Sommer (51) wusste nichts. Auch sein Marketingvorstand Detlev Buchal (55) hatte keine Ahnung.
Erst aus dem "Wall Street Journal" vom 17. Oktober erfuhren der Aufsichtsratsvorsitzende und der kommissarische Vorstandschef der T-Online International AG von einem spektakulären Deal: Für 60 Millionen Mark hatte sich die Darmstädter Telekom-Tochter als Co-Sponsor bei den weltweiten ATP-Tennisturnieren eingekauft - für drei lange Jahre.
Kein guter Start für den neuen T-Online-Chef Thomas Holtrop (45), der im Januar antritt. Der Sponsorvertrag ist zwar inzwischen gekündigt, doch jetzt streiten sich die Parteien um Zahlungen in Millionenhöhe.
Der Vertrag sei "für T-Online wertlos". So jedenfalls urteilt Jürgen Kindervater (55), verantwortlich für die gesamte Unternehmenskommunikation der Telekom.
Tennis habe längst an Attraktivität verloren und außerdem nütze es T-Online wenig, wenn die Firma, wie vereinbart, bei Turnieren in den USA oder in Fernost Bandenwerbung platzieren dürfe. Internet-Anschlüsse kann sie dort jedenfalls nicht verkaufen.
Was also sollte dieses Geschäft? Und warum wurde es just abgeschlossen, nachdem es im T-Online-Vorstand mehrere Abgänge gegeben hatte? Ein Fall für die interne Revision der Deutschen Telekom.
Anfang November ließ die Telekom vier Topmanagern von T-Online fristlose Kündigungen zustellen. Die Briefe bekamen Jürgen Banzhaf, oberster Justitiar des Hauses, Adalbert Freiherr von Uckermann, Abteilungsleiter Acquisition und Merger, Georg Müller, verantwortlich für das Portalgeschäft, sowie Rolf Gleich, zuständig für Produktmanagement.
Der Vorwurf an das Quartett: Unerlaubte Nebentätigkeit, womöglich zu Ungunsten ihres Arbeitgebers T-Online.
Wenige Tage später, am 10. November, meldete die Telekom mit dürren Worten den nächsten Abgang bei T-Online: "Das Vorstandsmitglied Bernd Reichert-Berg (48), Vertrieb und Service, verlässt das Unternehmen."
Nach dem Ausscheiden von T-Online-Chef Wolfgang Keuntje (43) Ende August sowie dem Ausstieg von Finanzvorstand Christian Hoening (40) und Ralf Eck (38), Vorstand Produktmarketing, war Reichert-Berg das vierte Vorstandsmitglied, das aus ungenannten Gründen die Internet-Firma verließ.
Gerüchte und Mutmaßungen machen seither die Runde. Haben sich T-Online-Manager ungerechtfertigt bereichert? Oder nutzte die Telekom den Sponsorenvertrag nur als Vorwand, um unliebsame Manager vorzeitig loszuwerden?
So viel steht fest: Am 12. Oktober 2000 unterzeichnete Peter Nadler (45), Geschäftsführer der Wetzlarer Firma NetEvent, das Abkommen mit dem Schweizer Rechtevermarker ISL Marketing AG (Luzern). Das 39-seitige "Sponsorship Agreement" sieht vor, dass T-Online vom 13. November bis 1. September 2003 die Tennis Masters Series und den Tennis Masters Cup sponsern und im Internet vermarkten darf. Festpreis: 26,35 Millionen US-Dollar, zahlbar in 16 Raten.
Nadler handelte im Auftrag von T-Online, so sah es eine "Kooperationsvereinbarung zwischen T-Online International AG und NetEvent GmbH" vom 5. Oktober vor. Alleiniger Unterzeichner auf Seiten von T-Online war deren damaliger Vertriebsvorstand Bernd Reichert-Berg.
Ein schwerer Fehler. Das von der T-Online International AG beauftragte Münchener Rechtsanwaltsbüro Lovells Boesebeck Droste hält mit Schreiben vom 6. November fest: "... Dabei hat sich der Verdacht erhärtet, dass das in diesem Zusammenhang für unsere Mandantin tätige Vorstandsmitglied, Herr Bernd Reichert-Berg, unter Missachtung der internen Zustimmungsprozeduren, aber auch ohne die erforderliche Vertretungsmacht gehandelt hat."
Damit nicht genug. Die Firma Net-Event, die für T-Online "online-orientierte Veranstaltungen" und "TV-orientierte Online-Events" plant und durchführt, erwies sich als Interessengemeinschaft von T-Online-Managern.
40 Prozent von NetEvent gehören der am 15. Februar 2000 gegründeten Top Internet Excellence GmbH & Co. KG, Nürnberg. Als Kommanditisten von Top mit jeweils 15.000 Euro Einlage zeichnen die Herren Banzhaf, Gleich, Müller und von Uckermann. Eben jene vier, denen die Telekom fristlos kündigte.
Eine mehr als pikante Konstellation. Haben T-Online-Manager Net-Event Aufträge zukommen lassen und dann selbst profitiert? Sind bei dem Tennis-Sponsorvertrag Provisionen geflossen? Wer wusste vom NetEvent-Engagement der T-Online-Manager?
Jeder der Beteiligten verbreitet seine eigene Version. Und nichts passt zueinander. Die geschassten Manager Gleich und Müller behaupten, der gesamte T-Online-Vorstand habe von der NetEvent-Beteiligung gewusst. Deshalb sei das Engagement mit ihrer Aufgabe bei T-Online verein- bar gewesen. Als Kommanditisten hätten sie ohnehin keinen Einfluss auf das laufende Geschäft von Net-Event nehmen können.
Peter Nadler, dem 60 Prozent von Net-Event gehören, sagt, er habe nicht gewusst, wer hinter Top stand. Auf ausdrückliche Bitte des T-Online-Vorstands habe er den Tennis-Vertrag abgeschlossen, dafür aber keinerlei Provision - üblich sind 10 bis 15 Prozent - erhalten. Freilich hoffte er auf Einnahmen im Zusammenhang mit den Turnieren.
Und Ex-T-Online-Vorstand Reichert-Berg, mittlerweile Vertriebschef der Internet-Firma Caatoosee, betont, der gesamte T-Online-Vorstand habe bereits im Sommer dem Tennis-Sponsoring zugestimmt und NetEvent mit den Vertragsverhandlungen beauftragt. Ihm sei nicht bekannt gewesen, das T-Online-Manager an NetEvent beteiligt gewesen seien.
Nichtwisser und Mitwisser - die Juristen werden es schwer haben, die Aussagen zu entwirren. Fest steht, dass Reichert-Berg allein offenbar nicht berechtigt war, den Sponsorvertrag zu genehmigen. Der Rest ist Grauzone.
Anne Preissner
gruß
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