Indiens lange Aufholjagd

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Indiens lange Aufholjagd

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14.11.06 07:13
HANDELSBLATT, Dienstag, 26. September 2006, 09:14 Uhr
Wirtschaftsleistung zieht an

Indiens lange Aufholjagd

Von Rajat Gupta, Senior Partner der Wirtschaftsberatung McKinsey

Wie China vor 15 Jahren steht Indien heute an einem Wendepunkt. Ein großer Teil zur Öffnung der Wirtschaft ist getan. Doch nur wenn die bevölkerungsreichste Demokratie weitere ökonomische und soziale Reformen schafft, kann das Land zu einer der wirtschaftlichen Supermächte werden. Ein Essay.


Wie China vor 15 Jahren steht Indien heute an einem Wendepunkt. Nachdem ein großer Teil der anfänglichen harten Arbeit zur Öffnung der Wirtschaft getan ist, muss die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt nun entscheiden, ob sie das Tempo des Wandels bremsen oder die nächste Stufe der Reformen angehen will. Indien kann am Rande der Weltwirtschaft stehen oder, wie China es getan hat, einen Platz in der Champions League anstreben.

Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat Indien große Fortschritte gemacht. Innerhalb von 15 Jahren hat es sich von einer unterentwickelten, landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaft zu einer Wirtschaft gemausert, die auf Wissen und Dienstleistungen basiert. Die Statistiken sind eindrucksvoll: Die reale Wirtschaftsleistung hat sich seit 1991 verdoppelt, die aktuellen Wachstumsraten liegen bei sieben Prozent pro Jahr. In einigen Sektoren hat Indien eine Basis von Weltklasse aufgebaut – Informations- und Biotechnologie, Pharma, Autoindustrie. Hier ist Indien zum bevorzugten Ziel internationaler Investoren geworden. Ausländische Direktinvestitionen erreichen jetzt über sechs Mrd. US-Dollar jährlich, während sie in den frühen 90er-Jahren noch bei 100 Mill. Dollar lagen.

Eine Mittelklasse von 100 Millionen konsumstarken Haushalten, die ein verfügbares Pro-Kopf-Einkommen von 5000 Dollar haben, ist entstanden und hat die Nachfrage belebt. Die Zahl der Flugreisenden beispielsweise hat sich in zehn Jahren versechsfacht, der Auto- und Motorradabsatz verdoppelt. 120 Mill. Inder nutzen ein Mobiltelefon, vor vier Jahren waren es erst 45 Mill.

Dieser rasche Fortschritt war die unmittelbare Folge von vielen Liberalisierungsschritten. Die Frage ist nun, ob Indien weiter restrukturiert und einen größeren Teil der Bevölkerung in den Genuss von Wohlstand kommen lässt. Man darf nicht vergessen, dass ein Drittel der Bevölkerung noch mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen muss.

Indiens Potenzial für weiteres Wachstum hängt von drei Bedingungen ab. Die erste ist das wirtschaftliche Umfeld, unterstützt von entwickelten Finanzmärkten und der erwiesenen politischen Stabilität. Fast das gesamte politische Spektrum stützt die wirtschaftliche Liberalisierung, fünf wechselnde Koalitionsregierungen haben nichts getan, um sie zurückzurollen. Wechselkurse, Inflation und Zinsen haben in den vergangenen fünf Jahren kaum geschwankt. Der Geldmarkt ähnelt dem in stärker entwickelten Ländern. Indiens Demokratie, seine freie Presse und sein Rechtssystem stärken die Attraktivität für Auslandsinvestoren.

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Lesen Sie weiter auf Seite 2: Demographische Trends müssen bewältigt werden

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Die zweite Bedingung: Die demographischen Trends müssen bewältigt werden. Sie bieten das Potenzial, umfangreiche zusätzliche Nachfrage und auch zunehmende Reserven an heimischem Kapital zu schaffen. Die Intelligence Unit des Economist prognostiziert, dass 544 Mill. Inder in den nächsten sechs Jahren in die Mittelklasse aufrücken. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Verbraucherzuwachses, der für die Entwicklungsländer vorausgeschätzt wird. Doch lauern hier auch Gefahren, wenn das Jobwachstum nicht Schritt hält.

Drittens entwickelt Indien starke Unternehmen, die von Dienstleistungen zur Industrie diversifizieren, darunter auch eine wachsende Gruppe international tätiger Unternehmen. Multinationale Unternehmen aus dem Ausland investieren in indischen Branchen, in denen dereguliert wurde, und steigern so die Wettbewerbsfähigkeit.

Indien könnte angesichts all dessen sagen, es habe nun genug getan und weitere schwierige Reformen seien nicht nötig. Doch das wäre ein Unglück.

Denn anhaltendes Wachstum bleibt aus verschiedenen Gründen gefährdet. Ohne einen weiteren Reformanstoß könnte Indien zurückfallen. Am gefährlichsten ist die geradezu explosive Bevölkerungszunahme. Indien wird 2035 voraussichtlich das bevölkerungsreichste Land der Erde sein und ist heute schon das mit der größten Anzahl junger Menschen: 20 Prozent der unter 24-Jährigen leben in Indien. Dieses Bevölkerungswachstum kann eine Chance sein, weil es ein nahezu unbegrenztes Angebot an Arbeitskräften und Nachfrage darstellt.

Aber was geschieht, wenn nicht genügend Jobs vorhanden sind? Um ein zweistelliges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, das aus Beschäftigungsgründen notwendig ist, braucht Indien eine ganze Serie weiterer Wirtschafts- und Sozialreformen. Drei Aufgaben sind vorrangig: Die maßvolle Deregulierung bestimmter prioritärer Industrien, ein Anstoß für bessere Infrastrukturen und die Ermutigung von industrieller Produktion neben den wissensbasierten Dienstleistungen.

Sinnvolle Deregulierung war ein wichtiger Teil der Wirtschaftsreformen der vergangenen 15 Jahre. Aber immer noch bleiben zu viele Hemmnisse. Die Weltbank schätzt, dass leitende Manager zwölf Prozent ihrer Zeit mit regulatorischen Fragen verbringen, während es in China nur acht Prozent sind. Deregulierung ist vor allem im Einzelhandel, im Rüstungssektor, in den Medien und im Finanzbereich notwendig. Indien muss noch einen weiten Weg zurücklegen, bis es bei der Produktivität zu China aufschließt. Im Zuge der Marktöffnung kann ausländisches Kapital einfließen, das die Effizienz steigert.

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Lesen Sie weiter auf Seite 3: Maßvolle Deregulierung der Arbeitsmarktgesetze

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Was Deregulierung bewirken kann, hat sich in der Autoindustrie gezeigt, wo die Produktivität zwischen 1992/93 und 1999/2000 um 256 Prozent gestiegen ist und die Beschäftigung um elf Prozent zugenommen hat, weil die Regeln für ausländischen Wettbewerb gelockert wurden. Auch die Privatisierung von Staatsunternehmen ist hilfreich.

Die Arbeitsmarktgesetze sind ein weiterer Fall, wo maßvolle Deregulierung nötig ist. Alle Arbeiter sollten ähnliche Rechte genießen wie Gewerkschaftsmitglieder, aber es sollte mittleren und großen Firmen gestattet sein, ihre Belegschaft ohne staatliche Genehmigung zu verringern. Bislang darf ein Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten niemanden entlassen, ohne vorher die Genehmigung der regionalen Regierung einzuholen.

Viel mehr muss geschehen, um die Infrastrukturen voranzubringen, sowohl „weiche“ wie im Bildungs- und Gesundheitswesen als auch „harte“ wie für Verkehr und Energieversorgung. Um ehrlich zu sein: Indiens bisherige Entwicklung hat trotz, nicht dank seiner Infrastruktur stattgefunden. Dafür wird das Land zu Recht kritisiert. In den vergangenen 15 Jahren hat Indien im Schnitt 4,4 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Infrastruktur investiert, China dagegen 25,7 Prozent.

Die gute Nachricht ist, dass es in jüngster Zeit einen Anstieg gab. Für die nächsten fünf bis sieben Jahre sind Investitionen in Höhe von rund 300 Mrd. Dollar angekündigt, und die müssen unbedingt verwirklicht werden. Teil dieser Aufgabe ist es, das nötige Kapital bereitzustellen. Sparen muss ermutigt, das öffentliche Defizit verringert werden. Daneben muss Indien auch ausländische Quellen erschließen, was wiederum verlangt, Beschränkungen für Direktinvestitionen im Schienen- und Luftverkehr aufzuheben.

Indien kann nicht länger erwarten, leistungsfähiger als seine Wettbewerber zu sein, wenn es die Industrie nicht stärkt. Der gute Ruf als Standort für High Tech und für unternehmensnahe Dienstleistungen ist berechtigt, und Indien wird hier viele neue Jobs schaffen. Allein das Outsourcing von Unternehmensaktivitäten sowie die IT-Aktivitäten werden sich bis 2010 verdreifachen. Doch sie allein werden nicht die Jobs bieten können, die zur Verbesserung der Lage in den ländlichen Gebieten nötig sind. Dort sind die Durchschnittseinkommen zweieinhalbmal niedriger als in den Städten. Arbeitsintensive Industrien sind in Indien unterentwickelt. 2002 waren rund 6 Mill. Menschen in der Industrie beschäftigt, während es 160 Mill. in China waren.

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Lesen Sie weiter auf Seite 4: Sozialsystem muss sich auf Bildung und Gesundheit konzentrieren

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Wenn Indien seine grundsätzlichen Stärken nutzt, kann es seine Industriegüterexporte um 300 Mrd. Dollar steigern und bis 2015 zusätzliche 25 bis 30 Mill. Arbeitsplätze schaffen. Priorität sollten die Nahrungsmittel verarbeitende Industrie, baunahe Bereiche, Autoteile, elektronische Produkte und Spezialchemie genießen. In diesem Kontext spielen die weitere Stärkung der Sonderwirtschaftszonen und die Einführung der Mehrwertsteuer eine Rolle, die ein konsistentes Zoll- und Abgabensystem erlauben wird.

Im Sozialsystem muss Indien sich auf Bildung und Gesundheit konzentrieren. Heute leben 35 Prozent von Indiens 1,1 Mrd. Menschen in Armut. Die meisten Inder können nichts zum Wachstum ihres Landes beitragen, weil ihnen dafür Bildung und berufliche Fertigkeiten fehlen. Das unzureichende Gesundheitssystem tut ein Übriges. Fortschritte auf diesen Gebieten werden das Leben der Inder dramatisch verbessern.

Indiens Bildungswesen steht auch im Vergleich zu China nicht gut da. 40 Prozent der Inder sind Analphabeten, in China sind es nur zehn Prozent. Die Reformen müssen in der Grundschule beginnen. Bei der höheren Bildung muss das System offener werden, um mehr jungen Menschen den Zugang zu ermöglichen, und die Qualität muss sich verbessern. Public-Private-Partnerships für die Ausbildung von Industriearbeitern sind empfehlenswert, und die Regierung sollte in einigen Regionen ausprobieren, welche Verbesserungen möglich sind, wenn Zulassung, Gebühren, Einstellung und Evaluierung den Instituten völlig freigestellt werden.

Kurz gesagt: Indien muss mehr Studenten mit den Qualifikationen ausbilden, die in der globalen Wirtschaft benötigt werden. Obwohl Indien heute bereits jährlich Hunderttausende Hochschulabsolventen zählt, erreicht Studien von McKinsey zufolge nur ein kleiner Prozentsatz von ihnen die Qualifikationen, die für eine zufrieden stellende Leistung in globalen Unternehmen nötig sind.

Was das Gesundheitswesen anbelangt, werden in Indien jährlich 375 professionelle Spitzenkräfte ausgebildet – so viel wie allein einige Institute in Deutschland oder den USA qualifizieren. Gleichzeitig hat Indien heute die größte Zahl von Aids-Infizierten, 5,2 Mill. Menschen. Seine Geburtensterblichkeit ist doppelt so hoch wie die in China, das auch eine deutlich höhere Lebenserwartung hat. Sauberes Wasser ist ein unerreichbarer Luxus für viele.

Der Staat gibt weniger als ein Prozent des BIP für das Gesundheitswesen aus. Wenn Indien eine starke und gesunde Erwerbsbevölkerung bekommen soll, müssen dringend mehr und bessere öffentliche Einrichtungen des Gesundheitswesens geschaffen werden. Die notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen sind nicht leicht zu erreichen. Sie werden auch nicht bei allen Betroffenen auf Gegenliebe stoßen, andernfalls wären sie bereits vollzogen. Aber sie sind wichtig. Wenn Indien sie entschlossen und mit Vertrauen verwirklicht, kann es einen Platz unter den wirtschaftlichen Supermächten einnehmen.


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Älter aber sehr fundiert

 
14.11.06 09:54
Neue Weltmacht IndienDie Republik am Ganges wird den Prognosen führender Wirtschafts- und Finanzfachleute zufolge der globale Wachstumsmotor der Zukunft. In Indien werden bald mehr Menschen leben als in China. Indische Dienstleistungsfirmen in der Informationstechnologie sind schon heute weltweit führend. Bald werden auch indische Autos auf den Straßen der Welt rollen. Indien ist Nuklearmacht, hat die viertgrößte Armee der Welt und muß nicht mehr wie oft in seiner langen Geschichte damit rechnen, als weiches Ziel unter fremde Herrschaft zu geraten.Von Hans WagnerEM 09-04 · 29.09.2004
Indiens lange Aufholjagd 2907130 
Straßenszene aus Delhi 

EM – „ Wenn China erwacht, wird die Erde beben“ ist ein häufig zitierter Ausspruch Napoleons. An Indien hatte der Franzosenkaiser anscheinend nicht gedacht. Obwohl oder vielleicht auch weil ein Teil des benachbarten Subkontinents bis wenige Jahre vor Napoleons Machtergreifung zu Frankreich gehört hatte. Heute müßte der Franzosenkaiser umdenken. Das neue China heißt Indien, es ist die kommende Weltmacht und wird in absehbarer Zeit China überflügeln.

Das Wirtschaftswunder in der Volksrepublik China verdankt seine rasante Entwicklung nach Ansicht führender Volkswirtschaftsexperten vor allem vier Faktoren: einer inländischen Sparquote von 43 Prozent, den überall sichtbaren und eindrucksvollen Fortschritten beim Aufbau seiner Infrastruktur, steigenden ausländischen Direktinvestitionen und dem enormen Potential hart arbeitender billiger Arbeitskräfte.

In Indien wirken andere Wachstumsfaktoren als in China

Mit China verglichen hat Indien auf den ersten Blick nur Nachteile aufzuweisen: Seine Sparquote liegt bei lediglich 24 Prozent, die Infrastruktur des Landes ist in katastrophalem Zustand, und die Direktinvestitionen ausländischer Konzerne erreichten 2003 nur rund vier Milliarden Dollar, während nach China 53 Milliarden flossen.

Diese Nachteile haben die Entwicklung Indiens zu einer heraufkommenden Weltmacht aber nicht aufgehalten. Das Land hat andere Wachstumsfaktoren aufzuweisen. Mit seiner Entscheidung, den Dienstleistungen erste Priorität einzuräumen, hat Indien die Hindernisse Sparquote, Infrastruktur und Direktinvestitionen weitgehend ausgeglichen, die seine Industriestrategie so lange behinderten. Stattdessen nutzt das Land nun seine anerkannten Stärken: gut ausgebildete Arbeitskräfte, Fachwissen auf dem Gebiet der Informationstechnologie und gute Kenntnisse der englischen Sprache. Damit hat Indien seine chronische Schwäche auf dem Feld der Industrie mehr als ausgeglichen. Es wird zum Dorado für alle zukunftsträchtigen Dienstleistungen in der Informationstechnologie. Immer mehr westliche Firmen verlagern im Sparfieber ganze Geschäftsprozesse wie die Buchhaltung, die Kundenverwaltung und besonders gern die Computer-Betreuung in das Niedriglohnland Indien.

Manchmal werden die Aufgaben dort von den Ausländern noch in Eigenregie erledigt. Der größte europäische Software-Hersteller SAP beispielsweise läßt aus Kostengründen immer häufiger in Bangalore programmieren - aber von eigenen Leuten. Viele der sogenannten Offshoring-Aufträge gehen aber ganz an Fremdfirmen in Indien. Die weltweit tätige strategische Unternehmensberatung Bain schätzt, daß der Offshoring-Markt bis 2006 in Indien um 57 Prozent zulegen wird.

Betroffen sind längst nicht mehr nur einfache Programmier- oder Datenerfassungsjobs. Selbst Journalisten werden neuerdings „outgesourct“. So hat der Nachrichtendienst Reuters gerade sechs Redakteure verpflichtet, die anhand von Pressemitteilungen Meldungen über amerikanische Firmen verfassen - vom südindischen Bangalore aus.

China dagegen ist bei den meisten privaten Dienstleistungen schwach – vor allem im Einzelhandel, Vertrieb und bei professionellen Dienstleistungen wie Buchhaltung, medizinischer Versorgung, Unternehmens- und Rechtsberatung. Positive Ausnahmen sind Telekommunikation und Luftfahrt.

In der sogenannten entwickelten Welt machen Dienstleistungen heute nach verschiedenen Branchenanalysen mindestens 65 Prozent der gesamten Wirtschaft aus. Gelingt es Indien diese ungewöhnlich erfolgreiche Entwicklung mithilfe seines modernen Dienstleistungssektors fortzusetzen, dann stehen viele alte Industrienationen vor gewaltigen Herausforderungen. Seit nämlich wissensbasierte Arbeit von Dienstleistern per Mausklick überallhin exportiert werden kann, haben sich die Spielregeln geändert. Viele Dienstleistungen werden handelbar, nicht nur am unteren Ende der Wertschöpfungskette, also bei Telefondienstleistern, den sogenannten Callcentern, und bei der Datenerfassung, sondern verstärkt auch am oberen Ende, wo Programmierer, Ingenieure, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Berater und Ärzte arbeiten. Eine dienstleistungsgestützte Entwicklung wie in Indien vergrößert das globale Spielfeld der Wettbewerber. So entsteht neuer Druck auf Beschäftigung und Reallöhne in entwickelten Ländern.

Indien wendet sich von der bisherigen protektionistischen Handelspolitik ab

Indien will allerdings nicht nur als Dienstleister punkten, sondern künftig auch eine bessere Position als Handelsnation erreichen. Dafür baut das Land Barrieren ab. Eine neue Strategie zur Förderung des Agrarhandels soll beispielsweise die Absatzprobleme der indischen Landwirtschaft lindern. Für Agrarproduzenten soll außerdem der Import von Maschinen erleichtert werden. Aber auch das produzierende Gewerbe soll es künftig leichter haben zu exportieren. Handelsminister Kamal Nath hat angekündigt, Zollprozeduren für Exporteure zu vereinfachen. Zudem will Nath Anreize für Investitionen in die Infrastruktur schaffen. Nach den Worten des Ministers möchte Indien seinen Anteil am Welthandel von derzeit 0,8 Prozent bis 2009 verdoppeln. Dafür müßten die Exporte in den nächsten fünf Jahren um jeweils 20 Prozent wachsen. Diese Pläne sind eine deutliche Abkehr Indiens von seiner bisherigen protektionistischen Handelspolitik.

Indien wurde in der Vergangenheit oft vorgeworfen, daß es im Gegensatz zu China den Aufbau einer Exportindustrie versäumt habe. Die indischen Ausfuhren machen nur ein Zehntel seines Bruttoinlandsproduktes aus. In China beträgt dieser Anteil ein Drittel. Jetzt baut Indien nach dem Vorbild Chinas Exportförderzonen auf, in denen ausländische Firmen bevorzugt investieren können.

Als Nachteil für die heimische Exportwirtschaft sieht Minister Nath neben bestehenden Handelsbarrieren auch die unterentwickelte Infrastruktur an, die zu Verzögerungen beim Transport führe. „Das ist bei Dienstleistungen wie Software egal, aber bei Gemüse oder Milch ist es kritisch“, sagte er kürzlich in einer Rede. Nath liebäugelt mit der Öffnung des Marktes für ausländische Handelsketten. Sein Kalkül ist es offenbar, daß dieser Schritt Investitionen in Lagerkapazitäten und Transportwege nach sich ziehen könnte. Große, internationale Handelskonzerne, so die Erwartung, würden einen Teil der nötigen Infrastrukturmaßnahmen mitfinanzieren.

Der indische Großkonzern Tata auf dem Sprung ins internationale Geschäft

Eines der interessantesten Unternehmen Indiens ist der Konzern Tata. Er gilt als ehrgeizigster Mischkonzern des Landes. Dem Familienunternehmen mit 210.000 Beschäftigten gehören Kraftwerke und Modegeschäfte, Buslinien und Hotels, wie das berühmte Taj Mahal Hotel in Bombay, Telefongesellschaften und Internetanbieter. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei knapp 18 Milliarden Dollar. Als vor zehn Jahren mit Ratan Tata ein Enkel des Firmengründers die Konzernspitze übernahm, bestand die Gruppe seiner Geschäfte aus fast 300 miteinander zerstrittenen Firmen, die einen mickrigen Gewinn erwirtschafteten und nicht einmal ein gemeinsames Logo besaßen. Der neue Chef leitete radikale Strukturreformen ein, verkaufte ganze Geschäftssparten, konsolidierte das Kerngeschäft, entließ Tausende von Mitarbeitern und installierte eine neue Führung. Der „unbewegliche Elefant“, wie der junge Firmenchef sein Unternehmen bezeichnete, wurde auf neue Herausforderungen getrimmt. „Wir haben die Notwendigkeit erkannt, global wettbewerbsfähig zu werden“, erklärte der oberste Manager des Unternehmens schon damals bei der Übernahme der Geschäfte.

Tata ist zum Beispiel die unbestrittene Nummer eins auf dem indischen Stahlmarkt. Die Firma Tata Steel ist das größte indische Stahlunternehmen. Derzeit übernimmt es für 286 Millionen Dollar das Stahlgeschäft des bisherigen Konkurrenten Natsteel aus Singapur. Vor kurzem hatte das Unternehmen Tata bereits die Lkw-Sparte des südkoreanischen Konzerns Daewoo Motor übernommen. Ratan Tata macht ernst mit seinen Ankündigungen, ein weltweit tätiges Unternehmen zu werden. „Durch den Kauf von Natasteel erhalten wir Zugang zu wichtigen asiatischen Märkten“, erklärte der Geschäftsführer von Tata Steel Muthuraman. Die aufgekaufte Konkurrenz Natsteel ist immerhin bereits in China, Malaysia, Thailand, den Philippinen, Australien und Vietnam im Geschäft.

Roboter setzen Indiens Autos zusammen – verkauft werden sie bereits nach England

In Poona oder Pune, wie es heute heißt, hat Tata eine moderne Automobilfabrik hochgezogen. In der Hügellandschaft 170 Kilometer südostwärts von Bombay setzen Roboter in einer Werkshalle profilierte Bleche millimetergenau zusammen und verschweißen die Nähte. Moderne Pressen stanzen Hauben und Kotflügel. Computergesteuerte Düsen sorgen in steril verschlossenen Kammern für perfekte Lackqualität. „90 Prozent der Arbeit wird von Robotern erledigt“, sagt Venkataramani Sumantran. Er ist Chef der Pkw-Sparte von Tata. Der indische Autohersteller hat in Pune viel Geld in die Automatisierung der Produktionsprozesse investiert. Das Blech, das für die Karossen verarbeitet wird, kommt aus Korea, die Maschinen bezieht Tata aus Deutschland und Japan. Firmenchef Sumantran sagt stolz: „Wir setzen hier auf Qualität.“

Die Limousinen heißen „Indica“. Der Name steht selbstbewußt für „Indian Car“. Die blitzblanken Autos, die im Minutentakt vom Band rollen, wurden von indischen Ingenieuren mit Hilfe italienischer Designer nach modernsten Vorbildern konzipiert. Die gesamte Entwicklung kostete 350 Millionen Dollar. In einem westlichen Industrieland wären die nötigen Investitionen drei mal so teuer gewesen. Vor sechs Jahren, 1998, ging die Indica-Produktion in Serie. Heute werden die Wagen bereits exportiert: als Rover nach Großbritannien.

Mit neuen Modellen will die Tata-Gruppe Schritt für Schritt den europäischen Markt erobern. Noch vor wenigen Jahren hätte niemand so etwas für möglich gehalten, denn indische Produkte waren für ihre mindere Qualität berüchtigt. „Tata setzt neue Zeichen für Indiens globalen Aufbruch“, sagt Subodh R. Majumdar, Abteilungsleiter bei der Deutsch-Indischen Handelskammer in Delhi.

Das Unternehmen expandiert auch immer stärker in neue Geschäftsfelder wie Telekommunikation und Informationstechnologie. Das Kronjuwel von Tata ist schon heute der global operierende IT-Dienstleister Tata Consultancy Services (TCS), der allein im Haushaltsjahr 2003/2004 weit über eine Milliarde Dollar Umsatz erzielen wird. TCS wuchs in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 40 Prozent pro Jahr und unterhält heute eigene Büros in 32 Ländern der Erde. Zu seinen Kunden gehören die größten Konzerne der Welt wie General Electric, BP oder Citibank.

Der Erfolg der indischen IT-Industrie zieht mittlerweile eine Reihe von Firmengründungen nach sich. Im vergangenen Jahr sind 112 neue entstanden. Im Geschäftsjahr 2002/2003 waren es noch 47.

„Indien hat das Potential, eine führende Wirtschaftsmacht zu werden.“

Wenn sich Indien wie beschlossen in anderthalb Jahren dem Weltmarkt öffnet und die Zollschranken fallen, will Ratan Tata in allen Geschäftssektoren gegen die internationale Konkurrenz bestehen. Das geht nur mit guter Qualität und niedrigen Kosten. Auf diesen Feldern setzen einige Tata-Unternehmen die etablierte Konkurrenz schon heute unter Zugzwang. Tata Steel zum Beispiel ist der preiswerteste Stahlerzeuger in Indien und prüft den Einstieg in neue Märkte in China, Südkorea, Thailand sowie der Ukraine. Die Tata-Tochter Titan, die anfangs Uhren mit einer Schweizer Lizenz herstellte, hat die ausländische Konkurrenz von vielen Märkten verdrängt. Mit einer Jahresproduktion von über sieben Millionen Uhren ist Titan der sechstgrößte Hersteller von Markenuhren weltweit und verkauft seine Produkte in 40 Länder.

„Indien hat das Potential, eine führende Wirtschaftsmacht zu werden“, sagt Ratan Tata stolz. Aber Indien ist schon heute eine Macht. Ein Dutzend indischer Konzern-Dynastien, die etwa ein Viertel des indischen Bruttoinlandsproduktes erzeugen, freuen sich auf die globale Herausforderung.

Es sind Firmen, die man bald überall auf der Welt kennen wird, wenn sich Indiens Aufbruchpläne erfüllen. Sie heißen Birla und Ambani, Mittal und Bajaj. Sie haben die Weichen gestellt, um in der ersten Liga spielen zu können. Gemeinsam mit den Bossen der Informations- und Technologie-Industrie von Infosys, Wipro und Bharti sorgen sie für einen Höhenflug der indischen Wirtschaft.

Der neue indische Ministerpräsident will das Reformtempo des Landes beschleunigen

In den traditionellen Industrieländern des Westens wird man die Auswirkungen der wachsenden Volkswirtschaften Indien und China von Jahr zu Jahr mehr zu spüren bekommen. Durch den Export von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer sinkt schon seit einiger Zeit der Bedarf an Büroflächen dramatisch. Das stürzt die großen Immobilienfonds von einer Krise in die nächste. Der Bedarf an Büroflächen wird nach den Prognosen international tätiger Beratungsfirmen wie McKinsey in den nächsten Jahren sowohl in den USA als auch in Westeuropa drastisch zurückgehen, weil immer mehr Unternehmen hochqualifizierte Arbeitsplätze in Niedriglohnländer wie Indien verlagern. Dem Marktforschungsunternehmen Forrester Research zufolge werden durch diese Verlagerung in den USA bis 2015 rund 3,5 Millionen und in Deutschland rund 1,1 Millionen Büroarbeitsplätze verloren gehen.

Nach Meinung von Wissenschaftlern der „Universität von Kalifornien“ in Berkeley ist diese Zahl jedoch noch viel zu niedrig gegriffen. Sie kommen in einer Hochrechnung zu dem Schluß, daß bis 2015 rund 14 Millionen hoch qualifizierte Arbeitsplätze in den USA wegfallen werden. Dadurch würden rein rechnerisch mehr als 300 Millionen Quadratmeter Bürofläche nicht mehr gebraucht.

Indien wird in drei Jahren Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsmacht ablösen

Die Steigerungsraten der indischen Volkswirtschaft zeigen die großen Reserven, die in dem im Aufbruch befindlichen Land mobilisiert werden können. Es sind derart viele Investitionen gleichzeitig zu tätigen, daß ständig Hochkonjunktur herrscht. Mit einem Wachstum von 8,2 Prozent im Haushaltsjahr 2003/2004 ist Indien zum neuen Konjunkturmotor Asiens geworden, auf Augenhöhe mit China, wo es ähnliche Zuwächse gibt. Viele Experten sehen den indischen Subkontinent, dessen Wachstum von Binnennachfrage und von seiner global tätigen Dienstleistungswirtschaft gleichermaßen angetrieben wird, sogar auf der Überholspur.

„Wir haben phantastische Wachstumsreserven“, schwärmt nicht ohne Grund Sunil Sinha vom Indischen Wirtschaftsinstitut National Council of Applied Economic Research (NCAER). „Wir müssen aber ausländische Investitionen heranziehen und die exportorientierten Branchen damit stimulieren.“

Nach einer Untersuchung der Investmentbank Goldmann Sachs wird Indien spätestens 2007 Deutschland als Wirtschaftsmacht überholen. Noch leben 300 Millionen Inder unter dem Existenzminimum. Das ist jeder dritte. Diese Menschen wollen sauberes Wasser, Schulen, ärztliche Versorgung und sie suchen Arbeitsplätze in einer Wirtschaft, die einer rasant wachsenden Mittelschicht rasch Wohlstand bringt.

Die indische Regierung will nun mit deutlichen Erleichterungen für in- und ausländische Investoren das Wirtschaftswachstum des Landes weiter antreiben. Aber sie will auch die Steuern erhöhen, unter anderem auf Dienstleistungen und den Wertpapierhandel. Dadurch soll mehr Geld in die chronisch leeren Staatskassen fließen.Mit dem Geld plant die neue linksgerichtete Regierung von Manmohan Singh, milliardenschwere Förderprogramme für die Armutsbekämpfung und die ländliche Entwicklung zu finanzieren.

So kündigte die Regierung bereits deutlich höhere Ausgaben für Bildung an. Dazu kommen die Abschaffung von Einfuhrzöllen für Computer, höhere Steuerfreibeträge, Hilfen für besonders unterentwickelte Bundesstaaten, ein ländliches Infrastrukturprogramm und Bewässerungsprojekte, die Bereitstellung von Mikrokrediten sowie Subventionen für Biotechnologie. Den Ärmsten des Landes werden Arbeitsplätze, Häuser und Stromversorgung versprochen.

Die indische Filmindustrie ist längst Weltspitze

Die sich am stärksten entwickelnde Filmindustrie auf der Welt ist in Bollywood zu Hause. Bollywood, mit dieser naiv anmutenden Wortschöpfung bezeichnet Indien seine gigantische Traumfabrik, die an der Westküste des Landes, in Bombay, ihren Sitz hat. Bollywood ist zusammengesetzt aus dem Namen der Stadt Bombay und dem Mekka der US-Filmindustrie Hollywood. Die indischen Filmschaffenden empfinden „Bollywood“ als einen Kosenamen für ihre eigene indische Filmproduktion, die Jahr für Jahr Milliarden Euro einspielt.

Während Nordamerika, Europa und der gesamte übrige Globus nahezu flächendeckend von Streifen aus der amerikanischen Hollywoodproduktion überflutet werden, behauptet sich in Indien eine eigene Film- und Musikproduktion. Es ist nachgerade ein kinematografisches Universum, das sich zwischen Indus und Ganges ausbreitet und die Filmleinwände und Fernsehschirme der über eine Milliarde zählenden Inder versorgt. Mit jährlich über 900 produzierten Filmen (Hollywood 670) ist die indische Filmindustrie die größte der Welt. Dem übrigen Eurasien ist der Zugang bislang jedoch weitgehend verwehrt geblieben.

Sinkende Grundwasserstände könnten die Wachstumsaussichten gefährden

Als Risiko für die Wachstumsprognose Indiens könnte sich das Wetter entpuppen. Ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes kommt nach wie vor aus der Landwirtschaft. 58 Prozent der Inder leben auf dem Land. Und nur eine günstige Monsun-Saison wie im Jahr 2003 kann das Wirtschaftswachstum hoch halten.

Ein großes Problem ist die Trockenheit der Böden. Die Grundwasserspiegel in ganz Asien sinken dramatisch. Darauf hat kürzlich Tushaar Shah, Forschungsleiter des Internationalen Wassermanagement Instituts in Colombo (Sri Lanka), im Magazin „New Scientist“ hingewiesen.

Indische Bauern pumpten demnach jährlich 200 Kubikkilometer Wasser zur Oberfläche - ein Hundertstel der Ostsee. Immer tiefer müßten sie dafür bohren, denn schon eine halbe Million der ursprünglichen, handgegrabenen Brunnen seien in Indien trocken. Aus bis zu einem Kilometer Tiefe werde das Wasser heute gepumpt. Mehr als ein Viertel aller indischen Landwirtschaftsbetriebe seien abhängig von Grundwasser, das in den nächsten Jahrzehnten zu verschwinden drohe, warnt Shah. Im südlichsten Bundesstaat Tamil Nadu sei dies schon Realität, so Kuppannan Palanisami von der dortigen landwirtschaftlichen Universität. Der gesunkene Grundwasserspiegel habe hier bereits 95 Prozent der von Kleinbauern genutzten Brunnen trockengelegt. Die Behörden befürchteten, daß die Wasserknappheit das Land von Getreideimporten abhängig machen wird.

Die neue indische Regierung hat 100 Milliarden Rupien (1,8 Milliarden Euro) für Investitionen in Brunnen und Bewässerungsanlagen vorgesehen. Mit 22,5 Milliarden Rupien wird der ländliche Wohnungsbau gefördert. Die Banken sollen das Kreditvolumen für Landwirte um 30 Prozent auf 1,1 Billionen Rupien erhöhen. Außerdem schaffte die Regierung eine Steuer auf Traktoren ab. Das dadurch zusätzlich verfügbare Geld werde den Konsum der Landbevölkerung steigern, sagt Jon Thorn, Fondsmanager bei India Capital Fund in Hongkong. „Die Nachfrage nach Bewässerungsanlagen und Düngemitteln wird steigen, die Leute werden auch mehr konsumieren.“

Insgesamt steht allen Widrigkeiten zum Trotz die Landwirtschaft in Asien nach Ansicht internationaler Agrarfachleute vor einem noch nie da gewesenen Aufschwung. Die Chinesen haben ähnliche Fördermaßnahmen eingeleitet wie die Inder. Damit laufen in den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt Produktionsprogramme für den Anbau von mehr Nahrungsmitteln an. Sie sollen die Ernährung der wachsenden Menschenzahlen sichern, aber auch die Einkommen der Landwirte verbessern. Schon in den kommenden sechs bis zwölf Monaten sollen die Menschen auf dem Land die Hilfen deutlich spüren. „Sie werden einen wahren Geldsegen erleben“, sagt Sean Darby, Asien-Chefstratege beim Finanzdienstleister Nomura Securities in Hongkong. Damit, so die Erwartung der Regierung in Delhi, wird eine enorme Kaufkraft entstehen. Vor Augen haben die indischen Wirtschaftsfachleute ein ähnliches Programm in Indonesien, das dort zu einem enormen Schub beim Wirtschaftsaufschwung geführt hat.

Die Nuklearmacht Indien hat die viertgrößte Armee der Welt – jetzt wird sie modernisiert

Trotz des erfolgreichen Friedensprozesses mit dem Nachbarn Pakistan plant die indische Regierung, die Militärausgaben um bis zu 30 Prozent zu erhöhen. Mit dem Geld soll die viertgrößte Armee der Welt modernisiert werden.

Traditionellerweise kooperiert Indien dabei vor allem mit Rußland. Die Verteidigungsminister beider Länder haben vor kurzem in der indischen Hauptstadt ein Rüstungsabkommen unterzeichnet. Für 1,6 Milliarden Dollar kauft Indien zunächst den Flugzeugträger Admiral Gorshkow sowie 12 Kampfflugzeuge des Typs MiG-29. Der Flugzeugträger ist allerdings bereits 29 Jahre alt und eigentlich reif für die Ausmusterung. Rußland hat jedoch zugesichert, die Admiral Gorshkov komplett zu überholen.

Auch Amerika buhlt um bessere Beziehungen zum aufstrebenden Indien. In Washington will man das Land offenbar sogar als Nuklearmacht akzeptieren. Sechs Jahre nachdem zur Strafe für Atomtests Sanktionen gegen Indien verhängt worden waren, hob die US-Regierung vor wenigen Tagen die Exportbeschränkungen für zivile Nuklear- und Raumfahrttechnologie auf. Die Einigung sei nur ein erster Schritt bei der Verbesserung der strategischen Beziehungen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Staaten.

Indien und die USA wollen in einem nächsten Schritt, so war zu hören, über eine Kooperation bei der Raketenabwehr beraten. Delhi drängt die USA seit längerem, den Export von Raketenabwehrsystemen zu erlauben.

Indien strebt ganz offenkundig nach den Insignien einer Großmacht. Dazu gehört auch ein ständiger Sitz bei den Vereinten Nationen. Um ihn zu erlangen, hat sich Delhi mit den gleichgesinnten Staaten Brasilien, Japan und Deutschland verbündet.

Eines der Geheimnisse des Aufschwungs ist Indiens stark wachsende Bevölkerung

Das Land am Ganges blickt auf eine weit über fünftausend Jahre währende Geschichte zurück. Die Induskultur zählt zu den ältesten der Menschheit. Indien waren jedoch sehr oft Untertan fremder Großreiche. Die erste Eroberung erfolgte im zweiten Jahrtausend v. Chr. mit dem Eindringen der Arya oder Arier. In das später buddhistisch und hinduistisch geprägte Indien drangen auch danach immer wieder fremde Heere ein: zum Beispiel die Perser, (Siehe dazu EM 07-03 DIE PERSER), Alexander der Große, afghanische Eroberer, Araber. Sie brachten den Islam nach Indien.

Der aus dem heutigen Nordiran stammende Nomadenführer Nadir dehnte 1739 das Perserreich wieder einmal bis nach Indien aus. Er besiegte den im Land herrschenden Großmogul und plünderte Delhi. Dabei erbeuteten die persischen Truppen den legendären Pfauenthron und den riesigen Diamanten Kohinoor, dessen Name auf Hindustani „Berg des Lichts“ bedeutet. Es ist ein 108-Karäter, der später von den Briten erbeutet und nach London gebracht wurde. Auf dem Pfauenthron nahmen die persischen Herrscher Platz. Er wurde schließlich sogar zum Synonym ihrer Regentschaft.

Indien war immer so etwas wie ein weiches Ziel. 1857 gelangte es unter britische Kolonialherrschaft, 1947 wurde es aufgeteilt in Pakistan und in das heutige Indien. Nicht wenige Inder, zumindest in den führenden Schichten, verspüren angesichts dieser Vergangenheit eine gewisse heimliche Sehnsucht nach Macht und Anerkennung. Darüber berichten Wirtschaftsfachleute, Diplomaten und auch Touristen. Offen gezeigt wird diese Sehnsucht aber nicht.

Doch nun steht Indien zum erstenmal in seiner Geschichte kurz davor, echte Weltgeltung zu erlangen. Das Land hat gute Chancen, mittelfristig zum globalen Wachstumsmotor Nummer eins aufzusteigen. „Obwohl sich Investoren und Unternehmen derzeit auf China konzentrieren, dürfte Indien längerfristig die größere Wachstumsstory werden“, heißt es in einer aktuellen Analyse der Investmentbank Goldman Sachs. Das Institut erwartet, daß das Wirtschaftswachstum des Landes bereits ab 2015 dauerhaft über dem Chinas liegen wird.

Laut Goldman Sachs wird die Wirtschaft Indiens zwischen 2015 und 2020 im Schnitt um knapp sechs Prozent pro Jahr wachsen und damit schneller als die chinesische. Der Vorsprung weite sich danach wonach? sogar aus. Voraussichtlich erreiche das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2050 mit knapp 30.000 Milliarden Dollar bereits 66 Prozent der Leistung Chinas. Indien sei dann nach dem Reich der Mitte und den USA die weltweit drittgrößte Volkswirtschaft. - 2003 betrug Indiens BIP 600 Milliarden Dollar, das Chinas 1.500 Milliarden Dollar und das der USA 11.000 Milliarden Dollar. Das ist die Ausgangsbasis kurz nach der Jahrtausendwende.

Ein wichtiger Grund für die höhere Wachstumsdynamik Indiens gegenüber China ist laut Goldman Sachs der stetige Bevölkerungszuwachs. Während die Zahl der Chinesen 2030 ihren Höhepunkt erreiche und dann zurückgehe, wachse Indien bis 2050 mit einer annähernd konstanten Rate. Mit 1,46 Milliarden Menschen ziehe der Subkontinent 2034 an China vorbei. „Unter den großen Schwellenländern ist Indien das einzige mit einer auf absehbare Zeit wachsenden Bevölkerung“, so die Studie. Besonders profitiere das Land von einem im Vergleich mit ähnlichen Ländern sehr gut entwickeltem Bildungssystem. Daraus zöge insbesondere der IT-Sektor großen Nutzen.

Heute lebt noch rund ein Fünftel der Weltbevölkerung in den Industrieländern. 2050 wird dieser Anteil kaum mehr über zehn Prozent liegen. Kein einziger europäischer Staat wird dann mehr Einwohner haben als zum Beispiel die Philippinen (derzeit rund 85 Millionen). Diese Entwicklung wird vor allem von den bevölkerungsreichen Ländern China und Indien bestimmt. Wenn die heutigen Schwellen- und Entwicklungsländer bis zur Mitte des Jahrhunderts den Sprung zur Industrienation geschafft haben, rechnen Experten damit, daß es auch zu einer deutlichen Verschiebung der globalen Machtverhältnisse kommen wird.

permanent:

Indien & Rohstoffboom

 
14.11.06 12:57

Bisher wurde der  Rohstoffboom immer in einem Atemzug mit China genannt, wenn man sich allerdings nachfolgende Daten anschaut wird man Indien wohl stärker mit in die Rechnung einbeziehen müssen. Kurzfristig kann es im Rohstoffzyklus sicher immer wieder Rückschläge geben, mittelfristig denke ich wird der Boon anhalten, angefeuert vom Wachtum in China und Indien:

Eine Mittelklasse von 100 Millionen konsumstarken Haushalten, die ein verfügbares Pro-Kopf-Einkommen von 5000 Dollar haben, ist entstanden und hat die Nachfrage belebt. Die Zahl der Flugreisenden beispielsweise hat sich in zehn Jahren versechsfacht, der Auto- und Motorradabsatz verdoppelt. 120 Mill. Inder nutzen ein Mobiltelefon, vor vier Jahren waren es erst 45 Mill.................................

Die zweite Bedingung: Die demographischen Trends müssen bewältigt werden. Sie bieten das Potenzial, umfangreiche zusätzliche Nachfrage und auch zunehmende Reserven an heimischem Kapital zu schaffen. Die Intelligence Unit des Economist prognostiziert, dass 544 Mill. Inder in den nächsten sechs Jahren in die Mittelklasse aufrücken. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Verbraucherzuwachses, der für die Entwicklungsländer vorausgeschätzt wird. Doch lauern hier auch Gefahren, wenn das Jobwachstum nicht Schritt hält.

Gruß

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Indien und China

 
21.11.06 14:17
spalter:

Vorschläge zum partiziperen ? o. T.

 
21.11.06 14:23
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Hu Jintao zu Besuch in Indien

 
21.11.06 14:28

Hu Jintao zu Besuch in Indien

Erster chinesischer Staatsbesuch seit zehn Jahren

Der chinesische Präsident Hu Jintao ist am Montag zu einem viertägigen Staatsbesuch in Indien eingetroffen. Vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden asiatischen Riesen wird immer bedeutender. Politisch besteht dagegen weiter ein beträchtliches Misstrauen.


By. Delhi, 20. November

Der chinesische Präsident Hu Jintao hat, vom Apec-Gipfel in Hanoi kommend, am Montag einen viertägigen Staatsbesuch in Indien begonnen. Es ist der erste Besuch auf diesem Niveau seit zehn Jahren, und er markiert den Höhepunkt des «Indisch-Chinesischen Freundschaftsjahres». Beide Länder werden daher bemüht sein, die freundschaftlichen Seiten in ihren Beziehungen hervorzustreichen. Dafür bietet sich namentlich der wirtschaftliche Austausch an. Der Handel dürfte in diesem Jahr 20 Milliarden Dollar erreichen, was einer Verzehnfachung in fünf Jahren entspricht.

Freundschaftliche Fassade

Bereits ist Indien auch das Land mit den meisten Infrastrukturprojekten chinesischer Firmen. Es wird erwartet, dass - neben einer Reihe weiterer Abkommen - ein Investitionsschutzabkommen paraphiert wird. Die Gespräche für ein Freihandelsabkommen dürften zumindest in einem regionalen Rahmen nach dem Besuch in eine konkrete Phase treten. China drängt auch auf besseren Marktzugang seiner Produkte und Dienstleistungen, namentlich bei den Flug- und Seehafenprojekten, von denen es heute ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss Chinas aus international ausgeschriebenen Infrastrukturvorhaben ist ein Hinweis darauf, dass hinter der freundschaftlichen Fassade nach wie vor ein tiefes Misstrauen besteht.

44 Jahre nach dem Grenzkrieg zwischen den beiden Ländern ist für die meisten strittigen Demarkationslinien - mehr als tausend Kilometer - noch immer keine Einigung erzielt worden. Eine bilaterale Grenzkommission berät seit 1988 darüber, ist aber bis heute zu keinem Ergebnis gekommen. Zehn Tage vor der Ankunft Hu Jintaos hatte Pekings Botschafter in Delhi in einem Interview erklärt, China betrachte den indischen Gliedstaat Arunachal Pradesh - ein Territorium von zweimal der Grösse der Schweiz - als Teil seines Landes. Dies hat in Delhi zornige Reaktionen provoziert, mit dem Grundton, dass Indien dieses Territorium im äussersten Nordosten des Landes nie preisgeben werde.

In Bezug auf die strategische Partnerschaft Indiens mit den USA, und namentlich den möglichen Abschluss eines Abkommens zur Lieferung von Nukleartechnologie, äusserte sich Pekings Vertreter vorsichtiger. Er anerkannte das Recht Indiens, Atomenergie zu entwickeln. Es müssten dabei lediglich die Regeln der Nichtweiterverbreitung beachtet werden; diesbezüglich hat Indien eine reine Weste. Zweifellos wird das Abkommen mit den USA beim Besuch des chinesischen Präsidenten zur Sprache kommen, und Indien hofft, dass China im Rahmen der Nuclear Supplier Group (NSG) einen positiven Konsens unterstützen wird.

China-Beobachter, von denen es auch in Delhi viele gibt, meinen, dass Peking dem Abkommen relativ gelassen entgegensieht und dabei keine Einkreisungspläne von Seiten der USA wittert. Zweifellos spielt in diesem Kalkül auch Chinas Verhältnis mit Pakistan eine Rolle. Hu Jintao wird von Indien aus nach Islamabad weiterreisen, und es wird erwartet, dass er dort mehrere Abkommen zur nukleartechnischen Zusammenarbeit unterzeichnen wird. Diese war in der Vergangenheit immer vom Verdacht begleitet gewesen, dass China Pakistan indirekt auch bei dessen atomarer Aufrüstung behilflich ist. Falls die USA ihre scharfe Anti-Proliferations-Gesetze für Indien durchlöchern, könnte es Peking in Zukunft weniger schwerfallen, seinerseits gegenüber Pakistan ähnliche Ausnahmen zu machen.

Angst vor zu viel Einfluss in der Region

Überhaupt ist es nicht China, sondern Indien, dass Einkreisungsängste hegt. Dies betrifft nicht nur Chinas enge Beziehungen mit Islamabad, sondern auch Pekings rege diplomatische Tätigkeit in der Region. Mit Bangladesh hat China ein Verteidigungsabkommen abgeschlossen, und an Indiens Ost- und Westflanke in Burma und Pakistan baut China grosse Hafenanlagen, die einmal auch als Marinebasen genutzt werden könnten. Inzwischen hat Peking sogar begonnen, sich für eine Mitgliedschaft in der Organisation der südasiatischen Länder (Saarc) zu interessieren, mit dem Argument, die tibetische Himalaja-Region sei Teil Südasiens. Indien sähe darin zweifellos eine Gefährdung seiner hegemonialen Rolle in der Region. Dies mag ein Grund sein, warum es die zahlreichen Exil-Tibeter nicht allzu hart anfasst, wenn diese in den nächsten Tagen gegen Hus Besuch protestieren werden. Bereits am Montag zog ein Protestzug durch Delhis Strassen, bei dem Freiheit für Tibet gefordert und Hu bezichtigt wurde, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

permanent:

Nach meiner Auffassung sind

 
21.11.06 14:30
Rohstoffe die beste Möglichkeit der Partizipation.

Gruß

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spalter:

gracias o. T.

 
21.11.06 15:04
brokeboy:

ich bin ja fast immer bullish

 
21.11.06 16:10
... aber indien ist definitiv zu weit gelaufen - da steht uns ungemach ins haus!
permanent:

@brokeboy

 
21.11.06 19:56
Ich will mich ja nicht am indischen Aktienmarkt einkaufen.

Gruß

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Ab durch die Mitte

 
21.11.06 20:04
HANDELSBLATT, Dienstag, 21. November 2006, 18:30 Uhr
China und Indien

Ab durch die Mitte

Von Andreas Hoffbauer und Oliver Müller

Gebannt beobachtet die Welt den Aufstieg zweier asiatischer Riesen, die mehr als ein Drittel der Menschheit vereinen. Manager und Politiker treibt die Frage um, ob der behäbige indische Elefant zu dem wirtschaftlich enteilten chinesischen Drachen aufschließen kann. Angesichts des Tauwetters zwischen den alten Rivalen drängt eine neue Frage in den Vordergrund.


Indiens lange Aufholjagd 2922606
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Indiens lange Aufholjagd 2922606
200051)" target=_new rel="nofollow" rel="nofollow" class="showvisited">Indiens lange Aufholjagd 2922606Indien und China wollen bis 2010 ihren Handel verdoppeln. Quelle: Reuters

PEKING/DELHI. Könnten China und Indien die Welt noch mehr verändern, wenn sie enger miteinander kooperieren? Unter diesem Blickwinkel ist der dreitägige Indien-Besuch von Chinas Staatschef Hu Jintao, der gestern begann, für Europa von Relevanz. „Wenn sich in Asien 1,3 Milliarden Chinesen mit 1,1 Milliarden Indern vertragen, wird die Welt auf jeden Fall friedlicher“, findet Dingli Shen von Schanghais Fudan Universität.

Es ist die erste Reise eines chinesischen Präsidenten zum großen Nachbarn seit zehn Jahren. Sie solle das Vertrauen und die Kooperation beider Staaten vertiefen helfen, heißt es im Pekinger Außenministerium. Doch unter der Oberfläche von konzilianter Rhetorik und boomendem Handel hält sich ein hartnäckiger Bodensatz von Misstrauen.

Hu erwartet ein kühlerer Empfang als seinen Premier Wen Jiabao im Vorjahr. „Zusammen können wir eine Führungsposition in der Welt erringen“, hatte Wen bei seinem Indienbesuch kühn verkündet. Bündelten die aufstrebenden Mächte ihre Ressourcen, breche das „asiatische Jahrhundert“ wirklich an. Doch die damals begründete „strategische Partnerschaft“ mit Delhi hat bislang kaum an Substanz gewonnen. Ein ungelöster Grenzstreit, Erbe einer bitteren indischen Kriegsniederlage 1962, und strategische Rivalitäten lasten weiter auf den Beziehungen.

Kurz vor Hus Ankunft provozierte Chinas Botschafter dessen Gastgeber mit der Bemerkung, Arunachal – ein indischer Bundesstaat dreimal größer als die Schweiz – sei Territorium der Volksrepublik. Prompt schob sich in der indischen Presse die Frage nach Chinas Bedrohungspotenzial in den Vordergrund. „Die Atmosphäre hat sich eingetrübt“, urteilt der Außenpolitikexperte C. Raja Mohan, „die politischen Beziehungen bleiben leider so zerbrechlich wie eh und je.“ Obwohl sich beide Seiten auf einen Mechanismus zur Beilegung ihrer Grenzstreitigkeiten geeinigt haben, erwarten Experten in diesem Punkt bei Hus Besuch keinen Durchbruch.

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Lesen Sie weiter auf Seite 2: Professoren in China warnen vor zu großen Hoffnungen

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Sie sehen sogar Potenzial für neue Spannungsfelder. „Wenn zwei benachbarte, stark wachsende Entwicklungsländer eine ähnliche Position im internationalen Gefüge einnehmen, werden unweigerlich neue Probleme auftauchen, selbst wenn die alten gelöst werden“, sagt Zhao Gancheng vom Institut für International Studies in Schanghai.

Auslöser gibt es viele: Zu Chinas Unmut gewährt Indien dem Dalai Lama und einer tibetischen Exil-Regierung Asyl. Außerdem passt Peking die neue Nähe zwischen Delhi und Washington nicht. Indien dagegen fürchtet, China könne lebenswichtige Flüsse wie den Brahmaputra in seinen ausgedörrten Norden umleiten. Mit Sorge beobachtet das Land, wie Peking seine wirtschaftliche Kraft nutzt, um südlich des Himalajas Bangladesch, Myanmar, Nepal und Sri Lanka in seinen Bannkreis zu locken.

Am argwöhnischsten verfolgen Regierung und Öffentlichkeit Chinas selbstgewissen Vormarsch in Pakistan. Hu besucht Indiens Erzfeind im Anschluss und verhandelt in Islamabad Themen mit größerer Substanz: ein Freihandelsabkommen etwa und Pläne zum Bau eines Energiekorridors über den Hindukusch. Darüber will das rohstoffhungrige Reich der Mitte Öl und Gas aus dem Persischen Golf beziehen und die sensiblen Straßen von Malakka und Taiwan umgehen.

Selbst Professoren in China warnen vor zu großen Hoffnungen. „Indien könnte nicht ganz glücklich sein mit dem Ausgang des Besuchs“, sagt Zhang Li von der Sichuan Universität. Vor allem, falls Hu im Anschluss ein Atomabkommen mit Pakistan schmiedet. Die Lieferung von sechs chinesischen Kernkraftwerken an den Proliferations-Sünder ist im Gespräch. Das würde das nukleare Wettrüsten auf dem Subkontinent anheizen – und die Amerikaner irritieren. Diese haben Indien ein ziviles Nuklearabkommen versprochen, das im Senat gerade eine wichtige Hürde nahm. Auch militärisch arbeiten die beiden Demokratien immer enger zusammen.

Für Optimisten mindern indes wachsende wirtschaftliche Verflechtungen Chinas und Indiens gegenseitige Ängste. „Unser Verhältnis hat sich radikal zum Besseren gewandelt“, meint Swaran Singh, Professor an Delhis Nehru Universität, „gemeinsame Interessen und ökonomische Vernunft gewinnen Schritt für Schritt die Oberhand.“ Falls Hus Besuch kleine atmosphärische Verbesserungen schafft, werde die Verzahnung der boomenden Volkswirtschaften durch Investitionen und Handel beschleunigt. Analysten zufolge würde dies beide als Investitionsziele noch attraktiver machen – und sie vor einem möglichen Abschwung der Weltwirtschaft schützen helfen.

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Lesen Sie weiter auf Seite 3: Der Weg nach „Chindia“ ist noch weit

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Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Indien entwickeln sich rasant. Der bilaterale Handel überschreitet dieses Jahr die 20-Mrd.-Dollar-Grenze. Die benachbarten Riesen, die vor 15 Jahren noch kaum miteinander handelten, werden zum schlagkräftigen Doppelpack. „China und Indien repräsentieren die Zukunft Asiens – und ziemlich sicher die der Weltwirtschaft“, glaubt Stephen Roach, Chef-Ökonom von Morgan Stanley.

Lange boomten die zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt nebeneinander her, doch zunehmend zündet die wirtschaftliche Dynamik auch über ihre Grenzen. Indiens Vize-Industrie-Minister Ashwani Kumar ist dem Mode-Konzept „Chindia“ verfallen und fordert: „Wir müssen die Synergien zwischen unseren Volkswirtschaften stärken.“ Vor dem Indien-Besuch von Chinas Staatschef Hu Jintao haben beide Seiten ihre Ziele höher gesteckt: Schon 2010 soll der Warenaustausch auf 50 Mrd. Dollar angekurbelt werden. 2015 soll das Doppelte davon erreicht sein.

Engere Handels- und Investitionsbeziehungen werden daher beim heutigen Gipfel zwischen Hu und Indiens Premier Manmohan Singh im Mittelpunkt stehen. Doch hinter den positiven Zahlen klaffen Missverhältnisse, welche die Kluft zwischen beiden Volkswirtschaften andeuten: Während China für Indien bereits der zweitgrößte Handelspartner nach den USA ist und angesichts der Steigerungsraten bald Nummer eins werden könnte, rangiert Indien in der Rangfolge von Chinas Handelspartnern unter ferner liefen.

Vor allem liefert Indien hauptsächlich Rohstoffe nach China wie Eisenerz und Baumwolle. Daraus gefertigte chinesische Computer, Textilien und Haushaltsgeräte schwappen nach Indien zurück. „Wegen der Schwäche unserer verarbeitenden Industrie exportieren wir Jobs nach China“, klagt D.K. Nair, Generalsekretär des Verbands der indischen Textilindustrie.

Für die produzierende Industrie spiele die Infrastruktur nun einmal eine wichtige Rolle, erklärt Michael Cannon-Brookes, für Indien und China zuständiger Manager bei IBM in Peking. „Da ist China ganz klar im Vorteil.“ Ausländische Konzerne haben eine Vorliebe für Standorte wie Schanghai oder Shenzhen: Mit rund sechs Mrd. Dollar hat Indien im Vorjahr nur ein Zehntel der Direktinvestitionen Chinas angezogen. Allerdings sollen dieses Jahr nach vorläufigen Schätzungen bereits zwölf Mrd. Dollar ins Land strömen. Und Indien erobert den Globus bislang nicht mit Socken und Handys, sondern ist mit dem Export von Dienstleistungen in die Weltwirtschaft gestartet. Dieser Bereich benötigt deutlich weniger Kapital als das verarbeitende Gewerbe.

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Lesen Sie weiter auf Seite 4: Schulterschluss der Giganten wird zum Wettlauf der Rivalen

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Doch unter dem Druck von Hunderten Millionen unterbeschäftigter Landarbeiter vollzieht die Politik einen Strategie-Schwenk: Um Beschäftigung für Ungelernte zu schaffen, soll neben den florierenden Wissensindustrien eine arbeitsintensive, exportorientierte Leichtindustrie entstehen – nach chinesischem Modell. Um das zu ermöglichen, will die Regierung 350 Mrd. Dollar in die Infrastruktur pumpen. Um die Folgen redet Vize-Minister Kumar nicht herum: „Noch wachsen unsere Länder weitgehend komplementär“, stellt er fest. „Aber wir werden künftig unausweichlich auch zu Wettbewerbern um Weltmarktanteile, Technologie, Kapital und Rohstoffe.“

Leicht wird der Schulterschluss der Giganten zum Wettlauf der Rivalen. Schon gibt es Dissonanzen: China drängt auf ein bilaterales Freihandelsabkommen, Indien weicht aus und überzieht die Volksrepublik mit Anti-Dumping-Klagen. Chinesische Firmen beschweren sich über Sonderzölle und Investitionshürden im Nachbarland. Weltkonzerne aus Hongkong wie Hutchinson Whampoa ziehen dort aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ bei Hafenprojekten den Kürzeren, und ein Manager des Telekomausrüsters Huawei beschwert sich: „In letzter Sekunde werden unsere Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen immer ohne Gründe rausgeworfen.“

Hu und Singh wird der Gesprächsstoff nicht ausgehen. Die Wirtschaft ist ohnehin kaum aufzuhalten: Huawei hat wie alle westlichen Rivalen ein Softwareentwicklungszentrum in Bangalore, Lenovo ist in Indien bereits die Nummer zwei auf dem Computermarkt. Gleichzeitig bauen IT-Firmen wie Infosys, TCS, Satyam und Wipro, Autozulieferer wie Bharat Forge und Maschinenbauer wie Larsen&Toubro (L&T) Büros und Fabriken in China.

L&T empfängt Hu Jintao sogar mit einem Werbespruch direkt an Delhis „India Gate“, der Bände spricht über das wachsende Selbstvertrauen indischer Unternehmer im Umgang mit China: Darauf wird ein gigantischer Chemie-Reaktor aus eigener Fertigung eingeschifft. „Für China. Made in India“, steht auf dem Plakat.


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stefan64:

State Bank of India WKN 903136

 
21.11.06 23:16
bisher der einzige "Inder" den ich mal hatte, habe ganz guten Profit damit gemacht, ist aber schon ne Weile her, z.Z.habe ich keine Meinung dazu,ist einer der großen Player im Bankenbereich und hat sich in den letzten 4 Monaten fast verdoppelt

Stefan64

permanent:

Asiens Riesen proben Schulterschluss

 
22.11.06 12:45
HANDELSBLATT, Mittwoch, 22. November 2006, 12:12 Uhr
China und Indien

Asiens Riesen proben Schulterschluss

Von Oliver Müller

China und Indien wollen ihre Beziehungen vom Ballast der Vergangenheit befreien. Regelmäßige Spitzentreffen, die Eröffnung neuer Konsulate und ein Zehn-Punkte-Plan sollen tief sitzendes Misstrauen abbauen. Partnerschaftlich wollen die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt die Globalisierung meistern.


DELHI. „Wir sind echte Partner“, beteuerte Chinas Staatschef Hu Jintao am Dienstag nach einem Treffen mit Indiens Premier Manmohan Singh. „Im Interesse von Frieden und Wohlstand in Asien und der ganzen Welt müssen wir unsere Freundschaft ausbauen.“ Die Beziehungen seien „irreversibel“ auf dem Weg zur Besserung, erklärten beide Politiker.

Die Anführer der zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt betonten die globale Bedeutung des bilateralen Verhältnisses – ein Indiz für Chinas und Indiens Selbstverständnis als aufstrebende politische und wirtschaftliche Schwergewichte. Singh widersprach der gängigen Ansicht, das Streben beider Länder nach Marktanteilen, Rohstoffen und Einfluss in der Welt bringe sie auf Kollisionskurs: „Es gibt genug Raum für unsere Länder, gemeinsam zu wachsen und Anteile an globalen Ressourcen zu gewinnen.“

Die Schlüsselrolle bei der Überwindung alter Feindseligkeiten fällt der raschen Intensivierung von Investitions- und Handelsströmen zwischen den Boom-Nationen zu. Diese wollen ihren bilateralen Handel bis 2010 mit Hilfe eines Aktionsprogramms von derzeit 20 auf 40 Mrd. Dollar verdoppeln und Investitionshürden für Firmen im Nachbarland schleifen. Zum Vergleich: Trotz Steigerungsraten von über 30 Prozent wächst der deutsch-indische Handel dieses Jahr voraussichtlich nur auf zehn Mrd. Dollar.

Als wichtigstes Indiz von Tauwetter werten indische Analysten die Absicht beider Staaten, außer bei Forschungs- und Technologie-Projekten auch bei der zivilen Nutzung von Atomenergie zusammenzuarbeiten. „Das ist ein positives Signal“, sagte Außenstaatssekretär Shiv Shankar Menon auf die Frage, ob er dies als Pekings Zugeständnis an Indiens Nuklear-Deal mit den USA sehe. Dieser hebt Indiens internationale Ächtung in Nuklearfragen auf, ohne dass das Land dem Nicht-Proliferationsvertrag beitritt.

Weil er auch für ein potenziell gegen China gerichtetes Heranrücken Indiens an Amerika steht, stand Peking dem Atompakt bislang skeptisch gegenüber. China ist ein wichtiges Mitglied der Nuclear Supplier's Group, deren Zustimmung Indien für den Bezug von Nuklearmaterial noch benötigt. Um den Energiehunger ihrer rasant wachsenden Volkswirtschaften zu stillen, verfolgen China und Indien die weltweit aggressivsten Pläne zum Bau neuer Atommeiler.

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Lesen Sie weiter auf Seite 2: Indiens Vorbehalte wegen Chinas engem Verhältnis zu Pakistan sind jedoch nicht verflogen.

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Indiens Vorbehalte wegen Chinas engem Verhältnis zu Pakistan sind jedoch nicht verflogen. Delhi wäre höchst unzufrieden, sollte Hu dem Erzfeind bei der bevorstehenden Weiterreise nach Islamabad wie verlautet neue Atommeiler anbieten. „Aber Indiens Verhältnis zu China ist nach Hus Besuch hier nicht länger Geisel der Beziehungen mit Pakistan“, sagte Swaran Singh von Delhis Nehru Universität.

Allerdings lauert auch in den bilateralen Beziehungen weiter Konfliktpotenzial, und dieses erschwert wirtschaftliche Verflechtungen. Verhandlungen über die seit dem Krieg 1962 ungeklärte Grenzfrage ziehen sich seit 25 Jahren hin. Das verhindert die Öffnung neuer Handelsverbindungen und hält das historische Misstrauen wach. In diesem Punkt brachte der Gipfel keine konkreten Ergebnisse. „Eine schnelle Klärung liegt im strategischen Interesse beider Länder und gäbe unserer Partnerschaft mehr Kraft“, sagte Indiens Premier. Sein Außenstaatssekretär Menon präzisiert: „Wichtig ist, dass diese Frage Fortschritte in anderen Bereichen nicht länger behindert.“

Unter anderem haben beide Länder nun ein Forum zur Diskussion grenzüberschreitender Wasserfragen geschaffen. Dieser Rohstoff ist für China und Indien so wichtig wie Zugang Öl und Gas.


Viel Raum für Zusammenarbeit

Bevölkerungsreich: In Indien und China leben zusammen rund 2,5 Milliarden Menschen, 40 Prozent der Weltbevölkerung.

Kooperationen: In Delhi wurden jetzt 13 Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in Wirtschaft und Landwirtschaft, in der Energieversorgung, in Wissenschaft und Bildung unterzeichnet. Zudem soll die zivile nukleare Zusammenarbeit gemeinsam vorangetrieben werden.

Handelsboom: 2000 lag das bilaterale Handelsvolumen bei knapp drei Mrd. Dollar, in diesem Jahr werden erstmals 20 Mrd. Dollar erreicht. Bis 2010 soll ein Volumen von 40 Mrd. Dollar erreicht werden.


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Neue Töne zwischen Indien und China

 
23.11.06 07:39
Neue Töne zwischen Indien und China
Wachsende Partnerschaft im Zeichen wirtschaftlicher Dynamik

Der erste Indien-Besuch eines chinesischen Präsidenten seit zehn Jahren scheint eine neue Phase der bilateralen Beziehungen einzuläuten. Die beiden Länder wollen vermehrt auf Kooperation setzen, weil sie sich ihrer wachsenden globalen Bedeutung bewusst sind.
 



By. Delhi, 22. November

Nach seinen Gesprächen mit der indischen Führung am Dienstag und Mittwoch wird der chinesische Präsident Hu Jintao am Donnerstag nach Mumbai reisen, bevor er am Donnerstag seinen Besuch in Pakistan beginnt. Das Treffen Hus mit Premierminister Singh brachte keinen Durchbruch bei den jahrzehntealten bilateralen Themen. Dennoch zeigten Tonfall und Wortwahl der gemeinsamen Erklärung in der Frage der Grenzbereinigung eine bisher nicht gehörte Dringlichkeit an. Sie zerstreuten die indischen Befürchtungen über eine Verhärtung der chinesischen Position. Beide Seiten sehen in einer Lösung vielmehr ein strategisches Ziel, und die beiden bevollmächtigten Vertreter sollen ein Rahmenwerk schaffen für eine «endgültige Gesamtvereinbarung».

Annäherung in der Nuklearfrage

Noch deutlicher war der neue Ton in der Frage des indisch-amerikanischen Nuklearvertrags zu erkennen. Auch hier hatten die Pekinger Medien im Vorfeld des Besuchs eine sehr kritische Haltung markiert. Doch statt das Thema im Communiqué auszuklammern, sprach es von der Wichtigkeit nuklearer Zusammenarbeit im Rahmen innovativer und zukunftsorientierter Vorgehen, solange die wirksame Anwendung der globalen Prinzipien der Nichtweiterverbreitung von Nukleartechnologie dabei nicht gefährdet wurde. Der indische Staatssekretär Shiv Shankar Menon wollte daraus noch keine Unterstützung Chinas für den Nuklearvertrag mit den USA herauslesen. Doch im Umkreis seiner Delegation wurde die Bereitschaft Pekings positiv gewertete, die Frage im Rahmen des Energiebedarfs Indiens zu betrachten und nicht durch die Brille der rüstungspolitischen Risiken.

Auch am dritten Tag seines Besuchs liess Hu erkennen, dass China begonnen hat, Indiens wirtschaftliche Potenz in einem neuen Licht zu sehen. Beide Länder verzeichneten derzeit soziale und wirtschaftliche Fortschritte, erklärte Hu vor Wirtschaftsvertretern in Delhi. Beide Staaten seien zudem bereit, wichtige Rollen in der Weltpolitik zu übernehmen. Es war das erste Mal, dass ein chinesischer Präsident sich dazu herabliess, China und den kleineren asiatischen Rivalen weltpolitisch auf die gleiche Ebene zu stellen. Auch im Schlusscommuniqué hiess es, beide Seiten würden in der bilateralen Beziehung eine globale und strategische Bedeutung erkennen. Sie seien nicht Konkurrenten oder Rivalen, sondern Partner.

Diskussion über Wasserprobleme
Es besteht kein Zweifel, dass die wirtschaftliche Dynamik auch die politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern beeinflusst. «Beide Seiten glauben, dass eine umfassende wirtschaftliche Verbindung ein Kernteil ihrer strategischen Partnerschaft ist», heisst es in der gemeinsamen Erklärung. Bis zum Jahr 2010 wollen sie ihren Handelsaustausch von 20 auf 40 Milliarden Dollar verdoppeln. Und die meisten der 13 Verträge, die am Dienstag unterzeichnet worden waren, sollen dazu beitragen. Dazu gehört ein Investitionsschutzabkommen wie auch der Auftrag, die Vorarbeiten zu einem regionalen Freihandelsabkommen voranzutreiben. Die bisherige scharfe Konkurrenz beim Erwerb von Ölfeldern in Drittländern soll durch vermehrte Zusammenarbeit ersetzt werden. Daneben soll auch auf dem Gebiet der Informationstechnologie vermehrt kooperiert werden. In der Landwirtschaft und beim Thema der Nahrungssicherheit wollen die beiden Länder enger zusammenarbeiten.

Ein weiteres Beispiel für eine neue Phase in den bilateralen Beziehungen war die Bereitschaft Pekings, in der Frage der Wassernutzung gemeinsame Expertentreffen vorzusehen. Indien war in den letzten Wochen durch Nachrichten alarmiert worden, wonach China plane, Wasser im tibetischen Oberlauf des Brahmaputra - des grössten Stroms Indiens - in einem riesigen Kanalprojekt für die Bewässerung des wasserarmen Osten des Landes abzulenken.

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Zunächst sind es nur zarte

 
23.11.06 08:49

Annäherungsversuche zwischen Indien und China. Sollte sich hier allerdings die Vernuft durchsetzen und eine fruchtbare Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil durchsetzen, so wird sich die wirtschaftliche und politische Landkarte gewaltig sowie nachhaltig verändern.

Gruß

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In Indien nicht lange fackeln

 
30.11.06 08:51
HANDELSBLATT, Donnerstag, 30. November 2006, 07:05 Uhr
Verhandlungspraxis Indien

In Indien nicht lange fackeln

Von Michael Sauermost, bfai

Was einige als Schlitzohrigkeit und an der Grenze einer seriösen Geschäftsbeziehung empfinden, bezeichnen andere als indische Geschäftstüchtigkeit. Auf jeden Fall kann für erfolgreiche Verhandlungen eine gute Portion Gelassenheit und eine positive Grundeinstellung gegenüber Indien nicht schaden.


Indiens lange Aufholjagd 2939401
Indiens lange Aufholjagd 2939401
Indiens lange Aufholjagd 2939401
Indiens lange Aufholjagd 2939401Indische Frauen im Sari. Foto: dpa

bfai NEW DELHI. Obwohl der Subkontinent mit seinen unterschiedlichen Facetten in seiner Gänze kaum zu erfassen ist, ein paar generelle Tipps lassen sich geben, damit der erste Geschäftsbesuch zumindest nicht zu Missverständnissen führt.

Die Begrüßung erfolgt unspektakulär per Handschlag und Austausch der Visitenkarten, allerdings sollte bei Frauen erst darauf gewartet werden, ob diese ihre Hand zur Begrüßung reichen oder nicht. Im letzteren Fall ist es ratsam, es bei Grußwörtern zu belassen. Es wird allgemein erwartet, älteren Personen besonderen Respekt zu zollen - vielleicht noch stärker, als dies in Deutschland der Fall ist.

Männliche Geschäftsleute sollten sich bei Einladungen Frauen gegenüber äußerst zurückhaltend verhalten. So gilt es beispielsweise alles andere als höflich, der Ehefrau des Gastgebers besondere Aufmerksamkeit zu schenken, auch wenn diese vorher teilnahmslos und scheinbar gelangweilt abseits stand. Bei gesellschaftlichen Anlässen ist es weiterhin meist üblich, dass Männer und Frauen jeweils unter sich bleiben. Diese Konstellation ändert sich erst, wenn längere Freundschaften geknüpft werden.

In Bezug auf Stellungnahmen zur wirtschaftlichen Situation im eigenen Land wechseln Inder bisweilen von einem Extrem ins andere - von einer patriotisch optimistischen Haltung zu teilweise recht harscher Kritik. Der ausländische Beobachter sollte jedoch keinesfalls die geäußerten kritischen Bemerkungen als Stein des Anstoßes nehmen, seine in Indien gesammelten negativen Erfahrungen von der Seele zu reden. Im Gegenteil: Peinlichst genau ist darauf zu achten, den Landesstolz des Gegenübers nicht zu verletzen. Für kritische Berichterstattung finden sich genügend Interessierte auf den alternativen Expatriates-Veranstaltungen. Es empfiehlt sich, sofern der Gesprächspartner nur flüchtig bekannt ist, dem heiklen Thema Pakistankonflikt auszuweichen. Allgemein sind anzügliche Themen auch nach ein paar Gläsern Bier strikt zu vermeiden.

Außenstehende empfinden das Verhalten von Indern untereinander teilweise auf den ersten Blick als unhöflich. Mag es an der Lautstärke der Konversation oder den teilweise spektakulären Gestikulationen liegen: Zunächst meint der Newcomer einen Konflikt ausgemacht zu haben. Dies ist jedoch meist nicht der Fall, was insbesondere dann irreführen kann, wenn bei Verhandlungen mit mehreren Geschäftsleuten die Konversation falsch interpretiert wird.

Auch in Bezug auf Körperkontakt ist der Umgang tendenziell etwas ruppiger, was vom versehentlichen Anrempeln bis hin zum freudigen Schulterklopfen reichen kann. Ebenfalls vom klassischen europäischen Höflichkeitsverständnis weicht ab, dass eine Konversation mitten im Satz unterbrochen wird, wenn das Mobiltelefon läutet. Von all diesen Dingen sollte sich der ausländische Geschäftsreisende nicht beeindrucken lassen und an seinem üblichen Verhaltenskodex festhalten. Dies wird in der Regel auch so von ihm erwartet.

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Lesen Sie weiter auf Seite 2: Die erste Begegnung mit dem Geschäftspartner

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Nur auf besonderem Wunsch des potenziellen Geschäftspartners erfolgt die erste visuelle Begegnung in seinen Büroräumen. Zum einen sind die Büroräume von mittelständischen Unternehmen oft nicht mit adäquaten Empfangsräumen versehen, was jedoch nicht der Hauptgrund dafür ist. Letzterer dürfte eher darin bestehen, dass auf Grund der infrastrukturellen Unzulänglichkeiten in den großen Städten die Anfahrtswege oftmals mühsam und zeitaufwendig sind, oder dass es auch oft für einen Taxifahrer recht schwierig ist, bestimmte Adressen zu finden. Dieses soll dem Gast erspart bleiben.

Im Regelfall findet das erste Treffen deshalb in einem Fünf-Sterne-Hotel statt, wo die infrastrukturellen, klimatischen sowie kulinarischen Ansprüche des ausländischen Partners gewährleistet sind. Spätestens nach dem ersten Treffen dürfte der Geschäftsreisende mit Blick auf seine Armbanduhr festgestellt haben, dass es in Indien eine andere Interpretation von Pünktlichkeit gibt. Sollte es zu einer 15- bis 30-minütigen Verspätung des Gesprächspartners kommen, so sollte dies keinesfalls als persönlicher Affront gewertet werden.

Vielmehr kann diese Erweiterung des Erfahrungshorizonts genutzt werden, indem spätere Geschäftsterminplanungen großzügiger in den Terminplaner eingetragen werden. Auch zu beachten ist, dass Treffen vor zehn Uhr morgens eher unüblich sind. In bezug auf Terminvereinbarung müssen zahlreiche indische Feiertage beachtet werden. In Firmen, die Mitarbeiter verschiedener Religionen beschäftigen, ist dies nicht einfach.

Die Tatsache, dass Englisch zusammen mit Hindi die offizielle Amtssprache des Subkontinents ist und zumindest in den großen Metropolen meist problemlos angewandt werden kann, sollte nicht Anlass zur Entwarnung für etwaige Verständigungsprobleme geben. Zumindest am Anfang haben nicht wenige Ausländer Probleme mit dem "indischen Englisch". Es ist ratsam, die Existenz einer funktionierenden Kommunikationsbasis im Vorfeld sicherzustellen.

Es ist durchaus nicht unüblich, dass gleich bei einem ersten Treffen eine Vielzahl von Fragen im Raum stehen, die der Zuhörer aus Europa aus seiner kulturellen Wertung als indiskret empfindet. Diese beziehen sich auf eine weite Bandbreite an Themen von der Offenlegung finanzieller Fakten bis hin zu äußerst persönlichen Informationen. Dieser Konfrontation sollte mit einem gewissen Maß an Lockerheit begegnet werden. Freunde des Small Talks dürften in jedem Fall auf ihre Kosten kommen.

Die erste Priorität besteht darin, die Rolle des Gegenübers innerhalb seines Unternehmens sowie seine Entscheidungskompetenz herauszufinden. Dies ist oftmals nicht leicht und bleibt bisweilen auch während des ersten Zusammentreffens unklar. In jedem Fall sollten nicht nur die Informationen auf der Visitenkarte zu Rate gezogen werden, von denen einem indischen Geschäftsmann ohnehin bisweilen mehrere zur Verfügung stehen.

Als Referenzen geben lokale Unternehmensvertreter in der Regel eine Liste von Firmennamen, mit denen sie schon kooperiert haben. Dabei werden sämtliche Geschäftsabläufe und Kontaktanbahnungen berücksichtigt und dementsprechend vorsichtig sollten diese Informationen verwertet werden. Vor allem sämtliche Kontakte mit ausländischen Geschäftsleuten, so marginal sie auch gewesen sein mögen, werden gerne aufgebauscht. Darunter fallen insbesondere Beziehungen zu diplomatischen Vertretungen. Im Regelfall gehen ausländische Geschäftsleute positiv gestimmt aus einem ersten Treffen mit dem kommunikativen Partner heraus. Hier empfiehlt es sich, die Anfangseuphorie ein wenig zu zügeln und eine kritische Nachbearbeitung vorzunehmen. Erste Versprechen sollten nicht in die Waagschale geworfen werden.

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Lesen Sie weiter auf Seite 3: Essen mit den Händen

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Bei Geschäftsessen gibt es keine allgemein zu beachtenden oder typischen Tischsitten. So ist die Etikette bei Tisch sehr unterschiedlich und in einer Bandbreite von übertrieben vornehm bis zum Essen mit den Händen und aufdringlicher Geräuschkulisse kann alles beobachtet werden. Es wäre allerdings ein Fehler, von den Tischmanieren auf die Bildung oder den sozialen Rang voreilige Rückschlüsse zu ziehen. Bei Ausländern bewährt sich das Festhalten an den in Europa gängigen Tischsitten, wenn davon abgesehen wird, dass einige Gerichte per se mit der Hand verspeist werden - so beispielsweise die zum Essen gereichten Brote, die in die verschiedenen Curries gedippt werden. Dann bleibt jedoch zu beachten, dass auch Linkshänder mit der rechten Hand speisen müssen, da die linke Hand als unrein gilt.

Inder essen abends in der Regel außerordentlich spät. Findet ein Geschäftsessen nicht im Restaurant sondern im Rahmen einer privaten Einladung statt, ist der landesspezifische Ablauf einer solchen Zusammenkunft zu beachten. Typisch ist beispielsweise eine Einladung um 19.30 Uhr, bei der die Gäste ab 20.00 (nach hinten sind kaum Grenzen gesetzt) eintreffen. Dann werden Drinks serviert und Snacks gereicht, was sich durchaus bis 23.00 hinziehen kann. Wird schließlich das Abendessen (meist in Buffetform) serviert, so ist der Abend fast schon gelaufen: Nach dem Essen verabschieden sich die Gäste meist.

Das Angebot an indischen Speisen ist sehr vielfältig und kommt in der Regel bei ausländischen Besuchern sehr gut an. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, wenngleich die Speisen stärker gewürzt sind, als dies in indischen Restaurants in Deutschland der Fall ist. Bei Fleisch reduziert sich das Angebot meist auf Chicken oder Mutton. Reisende tendieren jedoch dazu, auf dem Subkontinent weniger Fleisch zu verzehren und stattdessen auf die große Auswahl an vegetarischen Gerichten zurückzugreifen. Fisch und Meeresfrüchte sind in der Wintersaison zu empfehlen. Wer seine Experimentierfreudigkeit beispielsweise auf Grund des stressigen Terminkalenders reduzieren möchte, findet mittlerweile auch ein ausreichendes Angebot an bekannten westlichen Gerichten vor.

Das Lieblingsgetränk von Ausländern auf dem Subkontinent ist das erfrischende Fresh Lime Soda. Bei alkoholischen Getränken sind ausländische Marken auf Grund der hohen Einfuhrbelastung unverhältnismäßig teuer. Dies fällt vor allem bei Wein stark ins Gewicht, da dieser nur in äußerst geringem Ausmaß aus lokaler Produktion erhältlich ist. Äußerste Vorsicht ist insbesondere bei Kurzaufenthalten in Bezug auf die hygienischen Aspekte der Nahrungsaufnahme angesagt. Hier können auch Luxushotels nicht immer Entwarnung geben.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die bei Buffets erhältlichen Gerichte im Laufe des Abends mehrfach aufgewärmt werden. Zwar erwartet der indische Gastgeber nicht zwangsläufig, dass eine Gegeneinladung erfolgt, jedoch dürfte die Resonanz positiv sein, wenn sich der ausländische Geschäftspartner mit einem Essen in seinem Hotel revanchiert. <!--nodist-->

Lesen Sie weiter auf Seite 4: Ausgeprägte Form des Ich-Marketings

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Auf dem Subkontinent wird nicht lange gefackelt und die dem Partner zur Verfügung stehenden Karten werden relativ schnell auf den Tisch gelegt. Allein beim Fällen eines Gesamturteils kommt es oft zu Fehlinterpretationen von ausländischer Seite. Maßgeblich sind dafür zwei Gründe verantwortlich: Zum einen unterschätzen internationale Unternehmen die ausgeprägte Form des Ich-Marketing bei ihren indischen Counterparts, was oft als Spiel mit gezinkten Karten interpretiert wird. In überschwänglicher Form werden Geschäftsszenarios kreiert, alles steht in einem positiven Licht und nur ganz selten ist etwas unmöglich.

Auf der anderen Seite dürfen die zahlreichen bürokratischen und sich oft ändernden Auflagen der für das jeweilige Geschäftsfeld zuständigen Behörden nicht unterschätzt werden, unter denen auch der indische Geschäftspartner leidet. Das geschäftliche Netzwerk des Partners - bestehend aus seinem Erfahrungsschatz aus früheren Operationen - sollte unbedingt studiert werden. Staatliche Beziehungen gewichten in diesem Zusammenhang besonders stark. Auch hier gilt: Die Meinung unabhängiger Dritter muss eingeholt werden, um die selbstbewusste Darstellung des Gegenübers zu relativieren oder auch zu bestätigen.

Von Ausländern wird oft bemängelt, dass bei Verhandlungen in Indien das schnelle Geld vor einer langfristigen Geschäftsbeziehung im Vordergrund steht. Es ist sicherlich richtig, dass das manche Partner ein Geschäft auf Teufel komm raus abschließen wollen, um sich kurzfristige Einnahmen vor der Konkurrenz zu sichern. Dennoch darf vor diesem Hintergrund der Grundsatz "Business means Friendship" nicht unterschätzt werden, der auf dem Subkontinent weitaus mehr ins Rampenlicht rückt, als Europäer dies gewohnt sind. Auf der Grundlage einer Geschäftsbeziehung sehen indische Geschäftspartner erst recht eine fruchtbare Ausgangssituation, um weitere - teilweise auch branchenfremde Deals - anzuleiern.

Bei Verhandlungen ausländischer Geschäftsleute ist immer wieder zu beobachten, dass diese bei ihrem indischen Partner zu sehr vom äußeren Erscheinungsbild auf dessen Kompetenz schließen. Auch hier gelten andere Maßstäbe als in Europa. Dies bezieht sich nicht nur auf die Kleidung oder Gestik des Gegenübers sondern auch auf die Größe und Einrichtung des Büros. Diese Determinanten sollten bei der allgemeinen Einschätzung auch berücksichtigt, aber nicht so stark gewichtet werden, wie dies sonst üblich ist. Als Hauptgrund dafür, warum internationale und indische Partner oftmals aneinander vorbeireden und dies allerdings erst später merken, liegt dem Vernehmen nach an den unterschiedlichen Qualitätsvorstellungen - vor allem dann, wenn der indische Counterpart Waren nach Deutschland oder Vorerzeugnisse beziehungsweise Materialien für eine Produktion vor Ort liefern soll.

Viele internationale Lieferanten setzen Handelsvertreter ein, die kaum Marketing-Know-how mitbringen. Vielmehr sollen sie durch ihre Erfahrungen und Beziehungen dabei helfen, die langen und mühsamen Vertriebswege auf dem Subkontinent zu überbrücken. Die Verhandlungen mit dem Handelsvertreter vor Ort sollte der ausländische Firmenvertreter nicht nur im Anfangsstadium oder in längerfristigen Intervallen, sondern auf einer möglichst permanenten Basis führen, um zu verhindern, dass sich eine unerwünschte Eigendynamik entwickelt.

Als besonders heikel, aber interessant, stufen Unternehmen mit Erfahrung im Indiengeschäft die Preisverhandlungen mit den Partnern vor Ort ein. Einerseits handelt es sich dabei um das mit Abstand wichtigste Entscheidungskriterium, andererseits werde allerdings krampfhaft versucht, diese Begebenheit im Gespräch herunterzuspielen. Wenn im Nebensatz die Bemerkung "Geld spielt ja keine Rolle" zu vernehmen sei, sollte vom Gegenteil ausgegangen werden, wird empfohlen. Die Verhandlungen gelten als "knallhart" und die Anfangsgebote in der Regel als zunächst unüberwindbar auseinanderklaffend, was allerdings nichts über den Ausgang der Gespräche aussagen müsse, heißt es. In diesem Verhandlungsstadium sei es ratsam, offen seine Meinung zu sagen.

Allgemein bezeichnen Unternehmen mit Indienerfahrung das Verhandlungsklima auf dem Subkontinent jedoch als angenehm und interessant, was nicht nur daran liegt, dass Englisch als offizielle Geschäftssprache etabliert ist, sondern in erster Linie damit zusammenhängt, dass die Gespräche in der Regel sehr offen und interessant geführt werden. Wichtig dafür ist allerdings eine positive Grundeinstellung gegenüber Indien. Wer schon im Anfangsstadium auf Grund der extremen klimatischen, hygienischen oder infrastrukturellen Defizite eine gewisse Aversion empfinde, solle lieber nicht in Verhandlungen treten, ist immer wieder zu hören.

Nicht unbedingt muss eine außergewöhnliche landesspezifische - vielleicht sogar vermeintlich unseriöse - Vorgehensweise schlecht sein, nur weil sie im Ausland unüblich beziehungsweise nicht praktikabel ist", raten Unternehmen, die in Indien mit auf den ersten Blick unkonventionellen Methoden Erfolg haben. Was einige als Schlitzohrigkeit und an der Grenze einer seriösen Geschäftsbeziehung empfinden, bezeichnen andere als indische Geschäftstüchtigkeit. Aber auch sie weisen dringend auf eine sorgfältige Prüfung der Sachlage hin. Die derzeitigen Rahmenbedingungen brächten große Chancen, aber auch genauso viele Risiken. Auf Grund der kulturellen Unterschiede lassen sich vertrauensvolle Partnerschaften, so ist von alteingesessenen Unternehmen zu hören, erst nach einer sehr langen Beziehung entwickeln. Erst dann könnten unterschiedliche kulturelle Auffassungen, beispielsweise was die Pünktlichkeit von Termingeschäften oder das Qualitätsverständnis angeht, geklärt werden, heißt es.

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Lesen Sie weiter auf Seite 5: "Business means Friendship",

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Geschäftsleute, die über einen längeren Zeitraum hinweg in Indien engagiert sind, zählen in der Regel ihre Businesspartner auch zu ihrem Freundeskreis. Das zeugt keinesfalls von einer mangelnden Kontaktfreudigkeit oder allgemein geringer Beliebtheit. Vielmehr ist dies ein Abbild der landesüblichen Beziehungsstrukturen. "Friendship means Business", lautet die Parole bei privaten Kontakten und anders als in westlichen Industriestaaten wird dieser Zusammenhang auf dem Subkontinent offen ausgesprochen. Erst schockiert, gewöhnen sich ausländische Expatriates nach einer gewissen Zeit an diese Spielregel und lernen, damit umzugehen.

Dies ist jedoch nicht immer leicht. Kommt es zu keinem Abschluss mit dem Partner, so erwartet dieser mit dem Hinweis, "Wir sind doch Freunde", zumindest ein kleines Anschlussgeschäft. Ein Vorzug der indischen Mentalität ist, dass klar und deutlich die Meinung gesagt werden kann, ohne dass der Betroffene beleidigt ist und den Kontakt abbricht. Daher können ausländische Firmen auch ohne Probleme Geschäfte mit Partnern machen, die vorher schon einmal aussortiert wurden. Das gleiche gilt - da identisch - logischerweise auch für private Beziehungen.

Werden auch flüchtige Bekannte bei gesellschaftlichen Anlässen getroffen, so kommt es zu überschwänglichen Begrüßungsszenen, die zwar nicht ernst genommen, sondern mitgemacht werden sollten. Im Dreiergespräch können Freundschaften intensiviert werden, indem der Bekannte gelobt und auf seine reichhaltigen internationalen Kontakte hingewiesen wird.

Das "indische Englisch" ist am Anfang ein wenig gewöhnungsbedürftig, was sich jedoch nach einigen Konversationsübungen legt. Nicht selten kommt es dabei auch zu einem Hindi-Englisch-Mix. Bei Kommunikationsproblemen - beispielsweise mit dem Taxifahrer - ist es ratsam, das Anliegen auf das Wesentliche zu reduzieren und umständliche Höflichkeitsfloskeln zu vermeiden, wie dies auch in Hindi der Fall ist. Im Gegensatz dazu ist die Vertragssprache des Subkontinents eher komplex und für westliche Begriffe teilweise unpräzise. Während beim geschriebenen Wort das Nachhaken völlig normal ist, sollte ein zu häufiges "Wie bitte?" oder "Was?" im privaten Umgang möglichst vermieden werden.

Gastgeschenke sind bei Geschäftsreisen in der Regel unüblich. Soll trotzdem auf diese Weise die Aufmerksamkeit der potenziellen Partner geweckt beziehungsweise erreicht werden, bietet sich das Überreichen von firmenbezogenen "Give-aways" an, die lediglich zur Hälfte den Charakter eines Geschenks aufweisen und ansonsten Marketingzwecken dienen. Bei privaten Einladungen bietet sich das Mitbringen einer guten Flasche Wein an, die entweder auf dem Subkontinent nicht erhältlich oder auf Grund der hohen Zollbelastung unverhältnismäßig teuer ist. Im Notfall kann auch auf einen Strauß Blumen zurückgegriffen werden, die in Straßenläden der großen Städte erhältlich sind.

Das indische Kastenwesen übt auch in den großen Städten immer noch einen großen Einfluss auf die persönlichen Verhaltensmerkmale aus. Als Folge ergibt sich unter anderem ein für europäische Verhältnisse andersartiges allgemeines Verantwortungsbewusstsein. In Firmen ist generell davon auszugehen, dass Angestellte peinlichst genau darauf achten, ein Überschreiten ihrer Entscheidungskompetenz zu vermeiden, wovon teilweise die simpelsten Arbeitsabläufe betroffen sind. Für den Ausländer ist es oft erstaunlich, wie viele Helfershelfer sich in Firmen, aber auch in privaten Haushalten tummeln.

Umgekehrt fehlt auch nicht selten ein Verantwortungsbewusstsein bei den Entscheidungsträgern nach außen hin, da letztendlich alle Abläufe delegiert werden. Dies lässt sich plastisch mit einem Beispiel aus dem stressigen Straßenverkehr in Mumbai verdeutlichen, wo Fahrer zum Hupen, Drängeln und Verkehrsregelüberschreitungen praktisch gezwungen sind und letztendlich den Kopf hinhalten müssen, wenn es zum Unfall kommt. Im privaten Umgang mit Indern ist zu empfehlen, die zahlreichen Hausangestellten bei Einladungen höflich zu ignorieren. Das Einleiten eines Small Talks mit den Servants kann zu Missverständnissen führen und sowohl für den Gastgeber als auch für den Angestellten eine unangenehme Situation darstellen.

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Lesen Sie weiter auf Seite 6: Was Sie sonst noch über Indien wissen sollten

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Der indische Subkontinent besteht aus einem kulturellen Mix, der in den Bereichen Religion, Mentalität, Verhaltensweise und Sprache die unterschiedlichsten Facetten beinhaltet. Die Regierungsverantwortlichen sind zurecht stolz auf den Titel "die größte Demokratie der Welt", denn das Zusammenleben der Milliardenbevölkerung mit ihren unterschiedlichen Gruppierungen verläuft im Großen und Ganzen friedlich. Die größte Ausnahme von dieser Regel stellt die Krisenregion Kaschmir dar, in der es zu regelmäßigen Auseinandersetzungen mit Pakistan und terroristischen Anschlägen kommt.

Der Indienreisende trifft innerhalb des Landes auf regionale Unterschiede. Während Südindien eher ein liberales und offenes Image genießt, werden die Bewohner des Nordens eher als konservativ und zurückhaltend eingeschätzt. Dieser Unterschied spiegelt sich auch in den Metropolen Delhi und Mumbai wieder. Während Geschäfte in der Hauptstadt über Regierungsbeziehungen und entsprechende Zuwendungen abgewickelt werden, regieren in der moderneren südlichen Finanzhochburg schon eher die Gesetze des Marktes. Während im östlichen Bengalen kulturelle Aspekte den Tagesablauf bestimmen, gilt der westliche Bundesstaat Gujarat als außerordentlich geschäftsorientiert.

Indien blieb im wirtschaftspolitischen Kontext lange Zeit nach außen geschlossen, was sich letztendlich als Entwicklungshemmnis in verschiedenen Segmenten - am augenscheinlichsten im Bereich der Infrastruktur - herausstellte. Auch nach der - teilweise WTO-bedingten Öffnung - kämpfen immer noch einflussreiche Lobbyisten gegen den zunehmenden Einfluss aus dem Ausland.

Das Verhältnis zu Deutschland ist sehr gut, auch wenn sich dies noch nicht befriedigend in den bilateralen Handelsströmen und den Investitionsstatistiken widerspiegelt. Bei größeren Investitionen kommen deutsche Unternehmen nicht so sehr zum Zuge wie ihre Counterparts aus den USA. Die eine Seite macht Nachteile beim politischen "Standing" dafür verantwortlich, während die andere eine fehlende Risikobereitschaft der Investoren als Teilursache ausmacht. Auch bei der "modernen Brücke" zwischen Deutschland und Indien, der Akquirierung von IT-Experten, ist noch Verbesserungspotenzial vorhanden. Indische Wirtschaftsvertreter führen nicht nur sprachliche Barrieren dafür an, dass die lokale Computer-Nachwuchsgeneration bislang die Reise nach Großbritannien oder die USA vorzieht. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass dort schon große indische Communities bestehen, die für ein vertrautes Umfeld sorgen.

Indien ist in vielerlei Hinsicht das Land der Extreme par excellence. Klima, Kultur, Religion, Mentalität und auch Geld sind einige der Determinanten, die sich im Wechselspiel polarisieren, was für den Ausländer häufig zu körperlichen sowie mentalen Belastungen führt. Dennoch trifft der in Reiseführern immer wieder zitierte Slogan: "Entweder man liebt Indien oder man hasst es" im Zeitalter der zunehmenden Internationalisierung und in der Welt, in der sich Geschäftsleute im "modernen" Indien bewegen, immer weniger zu.

Fest steht allerdings, dass der Außenstehende ein gesundes Maß an Akzeptanz, Anpassungsfähigkeit sowie ein dickes Fell mitbringen oder sich aneignen muss, wenn er sich längerfristig auf dem Subkontinent orientieren möchte. Trotz der zunehmenden Internationalisierung hat es für die meisten ausländischen Geschäftsleute aus Europa immer noch etwas Exotisches an sich, wenn sie nach einer halbtägigen Flugreise in einer der großen indischen Metropolen aus dem Flugzeug steigen: Mag es an dem tropischen Klima, an den gewöhnungsbedürftigen infrastrukturellen Beschaffenheiten der Flughäfen oder an der Tatsache, dass nahezu alle internationalen Flüge auf dem Subkontinent mitten in der Nacht landen, liegen. Zumindest in den großen Städten lassen sich mittlerweile - allerdings unter Einhaltung verschiedener grundlegender Spielregeln - Geschäftstermine in einem komfortablen und stressfreien Umfeld abhalten.


Weitere Informationen finden Sie bei der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai).


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Indiens Boom polarisiert

 
02.12.06 08:33
HANDELSBLATT, Samstag, 2. Dezember 2006, 07:31 Uhr
Rasantes Wachstum mit Risiken

Indiens Boom polarisiert

Von Oliver Müller

An Indiens Boom scheiden sich die Geister: Pessimisten geben ihm keine Dauer und warnen vor einer riskanten Überhitzung. Optimisten sehen das Land auf dem Weg zu Wachstumsraten wie in China.


DELHI. Die aktuelle Entwicklung gibt den Optimisten Rückenwind: Die Wirtschaft gewinnt unaufhaltsam an Fahrt. Zur Überraschung von Analysten stieg das Wachstum im dritten Quartal um 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der ersten Hälfte des Fiskaljahrs, das noch bis März 2007 läuft, expandierte die Wirtschaft damit um neun Prozent. Diesen Durchschnittswert hat sich die Regierung gerade für den nächsten Fünf-Jahresplan als Ziel gesetzt. Er läuft bis 2011. Gegen Ende der Planphase sollen sogar zweistellige Zuwachsraten erreicht werden.

Viele halten das für überambitioniert. Doch für Surjit Bhalla unterschätzt ein Gros der Analysten Indiens Dynamik: „Alle Faktoren für eine Wachstumsbeschleunigung auf zehn Prozent sind gegeben“, glaubt der Chef von Oxus Research in Delhi. Volkswirte wie Tushar Poddar von Goldman Sachs sehen die jüngsten Daten zumindest als Beleg, dass Indien auf einen dauerhaften Wachstumstrend von rund acht Prozent eingeschwenkt ist. So schnell wächst die Wirtschaft seit drei Jahren. Im Schnitt der zwei zurückliegenden Jahrzehnten waren es nur sechs Prozent.

„Die Beschleunigung hat strukturelle Gründe, sie ist Folge vieler Reformen, welche die Produktivität stark erhöht haben“, glaubt Poddar. Indiens Wirtschaft sei robuster als je zuvor gegen Schocks von außen wie eine schwächere US-Konjunktur und werde auch 2007 und 2008 mit acht Prozent wachsen.

Andere warnen vor einer Überhitzung. Sie sehen die jüngsten Konjunkturdaten als Indiz für weitere Zinserhöhungen. „Die Zentralbank wird die Zinsschraube anziehen, um die Inflation in Schach zu halten“, meint Rajiv Malik von JP Morgan. Dass sich diese bei über fünf Prozent hält, sorgt auch Finanzminister Palaniappam Chidambaram. „Aber eine schnell wachsende Wirtschaft muss mit einem gewissen Preisauftrieb leben“, meint er. „Die Konjunktur wird ihren Schwung halten.“

Lange wurde der Wirtschaftsmotor hauptsächlich vom Konsum getrieben. Doch er feuert auf immer mehr Zylindern: So dürften die Güterausfuhren dieses Jahr erneut um rund ein Viertel auf 126 Mrd. Dollar zulegen. Vor drei Jahren exportierte das Land erst die Hälfte davon.

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Lesen Sie weiter auf Seite 2: „Für dauerhaft hohes Wachstum müssen wir Reformen auf neue Bereiche ausdehnen und beschleunigen.“

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Vor allem setzt aber ein Investitions-Boom ein: 2005 investierten die 1400 größten Firmen des Landes nach Berechnung der Wirtschaftszeitung „Business Standard“ eine Rekordsumme von 1,1 Billionen Rupien (22 Mrd. Dollar) - 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Der „Economic Times“ zufolge planen Unternehmen in den kommenden vier Jahren sogar Investitionen von 9,6 Billionen Rupien. Das wären so viel wie in den vergangenen 15 Jahren zusammen.

Ausländer bringen zusätzlich Kapital ins Land: Die Regierung geht davon aus, dass die Direktinvestitionen in diesem Finanzjahr um die Hälfte auf zwölf Mrd. Dollar anschwellen. Selbst in den Ausbau der maroden Infrastruktur kommt Bewegung: Eine Studie der Deutschen Bank zufolge werden in den kommenden drei Jahren 94 Mrd. Dollar in Häfen, Straßen und Kraftwerke fließen. „In Indien bahnt sich der kräftigste Investitionszyklus der Geschichte an“, folgert Christopher Wood, Asienstratege bei CLSA.

Doch für den HSBC-Volkswirt Robert Prior-Wandesforde häufen sich Indizien für eine Überhitzung: ein aufklaffendes Handelsdefizit, Kapazitätsengpässe, Mangel an Fachpersonal, stark steigende Löhne, Blasen bei Aktienkursen und Immobilienpreisen und Inflationsdruck. Der Analyst rechnet in diesem Jahr zwar erneut mit 8,5 Prozent Wachstum, sagt aber für 2007 eine Abkühlung auf sieben Prozent voraus und warnt: Je länger Regierung und Zentralbank mit dem Anziehen der fiskal- und geldpoliti-schen Zügel zögerten, um so härter werde die Wirtschaft landen. Die sieben kleinen Zinsschritte seit Oktober 2004 gehen ihm nicht weit genug angesichts eines Kreditwachstums von über 30 Prozent pro Jahr. Zudem erschweren teure Sozialprogramme der Links-Regierung die Eindämmung der Staatsverschuldung. Mit 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist sie im internationalen Vergleich hoch; das wirkt zinstreibend.

„Für dauerhaft hohes Wachstum müssen wir Reformen auf neue Bereiche ausdehnen und beschleunigen“, fordert Finanzminister Chidambaram. Doch die erste Hälfte der Legislaturperiode ist abgelaufen, und mit näher rückenden Wahlen erschlafft der ohnehin mäßige Reformwillen der Regierung. Deren Ziel, Wachstumsraten wie in China zu erreichen, bleibt für den Volkswirt einer Schweizer Bank daher Wunschdenken: „Die nötigen Reformen sind politisch kaum durchzusetzen.“


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Die neue Supermacht

 
10.12.06 13:05
Die neue Supermacht (EurAmS)
Indiens lange Aufholjagd 295958810.12.2006 10:08:00
Indiens lange Aufholjagd 2959588
Indiens lange Aufholjagd 2959588
Indiens lange Aufholjagd 2959588
Adieu, Amerika. China und Indien verbünden sich. In Asien wächst ein riesiger Binnenmarkt mit vier Milliarden Menschen heran. Die Weltwirtschaft wird sich bald radikal ändern

von Martin Blümel, Euro am Sonntag

Das "Freundschaftsjahr 2006" geht zu Ende. Es folgt das Jahr des "indisch-chinesischen Tourismus". So will es Chinas Präsident Hu Jintao, und so will es Indiens Premierminister Manmohan Singh. Die beiden Politiker trafen sich in Delhi – der erste Besuch eines chinesischen Präsidenten seit zehn Jahren. Worum es ihnen ging, zeigt der freundliche Slogan für 2007: zuerst kommt das Geschäft, dann die Lösung von Konflikten. Denn eigentlich sind sich die Nachbarstaaten in herzlicher Abneigung zugetan, seit Jahrzehnten gibt es Grenzstreitigkeiten. Doch Hu und Singh setzen Prioritäten. Wirtschaftliche. Sie wollen die Kräfte bündeln, schließlich leben mit 2,4 Milliarden Menschen fast 40 Prozent der Weltbevölkerung in Indien und China. Singhs Vize-Industrieminister Ash-wani Kumar spricht daher schon von "Chindia" und vom "Stärken der Synergien". Bis 2020 soll Chindias Anteil an der Weltwirtschaft von derzeit sieben auf immerhin 17 Prozent steigen. Eine neue Achse in Fernost: Die Deals mit Europa und den Nachbarländern sind längst eingetütet, jetzt wird gemeinsame Sache gemacht.

Um das Ziel zu erreichen, kommt dem Handel zwischen den beiden Ländern eine Schlüsselrolle zu. Denn der ist im Vergleich zum Warenaustausch zwischen den anderen asiatischen Staaten bisher kaum existent. 2005 schickten Inder und Chinesen Waren im Wert von 13 Milliarden Dollar über die gemeinsame Grenze, dieses Jahr sollen es 20 Milliarden sein. Aber: bis 2015 wollen Hu und Singh den Grenzverkehr auf 100 Milliarden Dollar verfünffachen. Das ist kein verwegenes Ziel, denn letztlich folgt die Politik den wirtschaftlichen Realitäten. Die indischen IT-Unternehmen Infosys, TCS und Wipro bauen genauso Büros und Fabriken in China wie Autozulieferer Bharat Forge und Maschinenbauer L&T. Im Gegenzug hat sich Chinas Huawei mit einem Software-Entwicklungszentrum in Bangalore angesiedelt, während gleichzeitig Lenovo auf dem indischen Computermarkt zur Nummer 2 aufstieg. Die Politik zieht jetzt nach. Und versucht selbst Akzente zu setzen. Der Handschlag der Herren Hu und Singh soll etwa helfen, das Energieproblem der beiden Länder zu lösen. Künftig sollen Zukäufe von ausländischen Öl- und Gasfeldern gemeinsam angegangen werden. Auch in den Bereichen Nuklearenergie und Wasserversorgung wollen Indien und China zusammenarbeiten.

So wächst die wirtschaftliche Macht der beiden größten Volkswirtschaften Asiens. Nicht von ungefähr sind die Börsen Bombay und Hongkong die besten des ganzen Kontinents.

Die sino-indischen Verflechtungen sind dabei nur das jüngste Beispiel für das Zusammenwachsen Asiens zu einem Binnenmarkt mit vier Milliarden Einwohnern und einem aktuellen Bruttoinlandsprodukt von zehn Billionen Dollar – rund einem Viertel der gesamten Weltwirtschaftsleistung. China, Indien, Südkorea, Taiwan und Japan heißen die Kernstaaten, deren Binnenhandel neben Konsum und Investitionen zu einem Eckpfeiler der Entwicklung Asiens wird. Denn vom stagnierenden Europa und den schwächelnden USA sind in naher Zukunft weniger Impulse zu erwarten als bisher.

Die Statistiken und Prognosen zeigen die Entwicklung schon jetzt: Der Warenaustausch zwischen den einzelnen asiatischen Ländern stieg in Relation zum Gesamtexport von 35 Prozent im Jahr 1999 auf 40 Prozent im Jahr 2005. Asien ist sich selbst sein bester Handelspartner, die Abhängigkeit von den USA nimmt ab. Und zwar so stark, dass das Wirtschaftsmagazin "The Economist" in einer seiner vergangenen Ausgaben gar bereits die Vereinigten Staaten von Asien ausrufen wollte. Es gibt aber auch kritische Geister, die den Zuwachs des Handels in der Region nicht als Beleg für internes Wachstum sehen wollen. "Das reflektiert hauptsächlich den Handel von Zwischenprodukten für Waren, die dann vor allem nach aussen exportiert werden", meint Michael Spencer, Asien-Chefökonom bei der Deutschen Bank. So lässt etwa Sony seine Notebooks für den europäischen Markt in China zusammenschrauben. Die Chips werden von Taiwan geliefert, die Bildschirme aus Korea, die Batterien aus Japan – eine typisch asiatische Handelskette. Doch nicht alles wird aus der Region hinaus exportiert. Nur noch 18 Prozent der asiatischen Ausfuhren gehen per Containerschiff oder Frachtflieger zum Top-Handelspartner im Westen, den USA. Vor sieben Jahren lag die Quote noch bei 22 Prozent (siehe Diagram Seite 16 unten). Auch die wachsende Bedeutung von Konsum und Binneninvestitionen unterstreichen die geringer werdende Abhängigkeit. In vielen Staaten wurde der Export als Kernstück der Konjunktur abgelöst. Malaysias Aufschwung etwa ist als Extrembeispiel zu 100 Prozent Binnenmarkt-getrieben (siehe Diagramm unten). Quintessenz: Mehr Konsum wird zum Turbo für die Volkswirtschaften.

Dass der intra-asiatische Handel auf Hochtouren läuft, liegt vor allem an China, das mit nahezu allen Ländern des Kontinents bilaterale Handelsabkommen geschlossen hat. Mit den Asean-Staaten rund um Singapur, Malaysia und Thailand will China bis 2015 gar eine Freihandelszone etablieren. Das schmeckt nicht jedem. Gerade die bilateralen Abkommen sind beispielsweise den USA ein Dorn im Auge. US-Finanzminister Hank Paulson und Notenbankchef Ben Bernanke werden die Problem nebst anderen Themen kommende Woche bei ihrem Besuch in Peking adressieren. Ihrer Meinung nach unterlaufen Chinas Aktionen WTO-Abmachungen und gefährden den freien Welthandel. Die Amerikaner nehmen die Reise ernst – es ist die bisher größte aller US-Delegationen, die in das Reich der Mitte fliegt. Jede Menge Pragmatismus und Verhandlungstalent machen die jüngsten Entwicklungen möglich. Beispiel Indien-China: Beim Treffen in Delhi bedurfte es keiner pathetischen Beschwörungen einer neuen gemeinsamen Ära. Beobachter sprachen von äußerst "sachlichen" Gesprächen. Dazu kommt diplomatisches Geschick: Der Zehn-Punkte- Katalog wurde bewusst nicht als "bilaterales Abkommen" etikettiert. Zu groß sind in Indien noch die Sorgen, das Land würde bei zuviel Offenheit von chinesischen Billig-Produkten überschwemmt. Chinas Präsident Hu dürfte dennoch zufrieden sein: mit dem jetzigen Deal könnten immerhin Indiens Anti-Dumping-Klagen gegen den großen Nachbarn ein Ende finden. Ebenso die Gängeleien chinesischer Unternehmen bei der Vergabe großer Infrastrukturprojekte. Zuletzt wurde beispielsweise Hongkongs Hutchinson Whampoa das Führen indischer Häfen aus Gründen der "nationalen Sicherheit" verwehrt. Und auch Lenovo und Huawei wurden nicht gerade mit offenen Armen empfangen.

Aber Widrigkeiten gehören zum asiatischen Wirtschaftsleben dazu. Sie werden hingenommen, ignoriert oder pragmatisch umgebogen. Eine streng reglementierte Wirtschaftsunion nach europäischem Vorbild scheint zunächst nicht nötig, um den Handel zwischen den Ländern des Kontinents zu stärken und die Region zusammenwachsen zu lassen. Das beste Beispiel ist Taiwan. "Unsere Situation mag für Ausländer schizophren wirken", sagt Sheng-Cheng Hu, Taiwans Minister für Wirtschaftsplanung gegenüber Euro am Sonntag. "Unsere wirtschaftlichen Verflechtungen mit China sind so stark wie mit keinem anderen Land der Welt, und das obwohl 800 Raketen auf uns gerichtet sind." Für China ist Taiwan eine abtrünnige Provinz, die Insulaner dagegen streben nach Unabhängigkeit, werden aber international nicht anerkannt. Das hat Konsequenzen für das Wirtschaftsleben. So gibt es für Business-Reisende keine direkten Flugverbindungen zwischen Taipeh und den Wirtschaftszentren Shanghai und Peking. Es muss zeitraubend über Hongkong geflogen werden. Das selbe gilt für die gelben Frachtflieger von DHL Taiwan – alle Flüge nach China gehen über Hongkong. Doch das umständliche Lavieren nehmen die Menschen in Kauf. Es ist erstaunlich, wieviel Geschäft unter solchen Umständen abgewickelt wird: 50 Prozent der Hightech-Produkte in der Volksrepublik China werden unter taiwanesischer Regie zusammengeschraubt, der Chip-Hersteller TSMC baut gerade ein neues Milliarden-Werk in Südchina, 21 Prozent aller Ausfuhren gehen ins Reich der Mitte, eine Million Taiwanesen arbeiten auf dem Festland und DHL Taiwan will ein neues Frachtzentrum am Flughafen bauen – die Warenmengen nach China werden einfach zu groß. Kaum vorstellbar, welches Potenzial noch vorhanden ist, wenn politische Institutionen irgendwann in der Zukunft für einen effizienteren Handel sorgen. Man denke an die frühen Tage der Europäischen Union, als das Nivellieren von Handelsbarrieren zu einem immensen Aufschwung führte. "Auch unter den teils schwierigen organisatorischen Umständen wird Asien immer mehr zu einem gigantischen Wirtschaftsblock", findet daher auch Malcolm Wood, Fernost-Analyst beim US-Geldverwalter Morgan Stanley. "Die Tage sind vorbei, als Asien eine Lungenentzündung bekam, wenn Amerika Schnupfen hatte." Die jüngsten Daten sprechen für Woods These: Während das Wirtschaftswachstum in den USA im dritten Quartal des Jahres auf 2,2 Prozent absackte, blieb das Plus in Asien über das Jahr hinweg stabil bei über acht Prozent. Das soll nach Meinung vieler Experten auch 2007 so sein. "Decoupling" nennen die Wirtschaftsexperten dieses Phänomen, das Abkoppeln der Wirtschaftsentwicklung von der seit Jahrzehnten dominierenden Lokomotive USA. Es wird trefflich darüber gestritten, ob es tatsächlich gelingt und die aktuellen Daten nicht doch nur ein Strohfeuer sind. Die Bandbreite an Meinungen reicht von euphorischem Bejahen über abwägendem "es kommt darauf an" bis hin zu kategorischem Verneinen. Für den Experten Wood sind die wichtigsten Bedingungen jedenfalls erfüllt: "Der direkte Handel mit den USA hat an Bedeutung verloren, die Zinssituation ist in Asien besser, und die Märkte verkraften schlechte Nachrichten aus den USA weit besser als noch in den 90er-Jahren." Beispiel Mai diesen Jahres: Die damaligen Kursverluste haben die Börsen der neuen Wirtschaftsmacht Asien längst aufgeholt.

Indiens lange Aufholjagd 2959588
red
Indiens lange Aufholjagd 2959588
J.B.:

Aktuelle wirtschaftliche Lage Indiens

 
11.12.06 14:05
Aktuelle wirtschaftliche Lage Indiens

Das indische Bruttoinlandsprodukt ist 2005/2006 um 8,4% gewachsen. Die Bruttoinvestitionen machten im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 30,1% des BIP aus.

Auch zukünftig verspricht Indien einer der interessantesten Wachstumsmärkte Asiens, und damit weltweit, zu sein. Eine im Mai 2005 vorgestellte Studie der Deutschen Bank sieht Indien bis zum Jahr 2020 als weltweit am stärksten wachsende Wirtschaftsnation (noch vor China). Bereits heute belegt Indien nach Kaufkraftparität weltweit den 4. Rang.

Besonders begünstigend wirken sich für Indiens Wachstum die demographische Entwicklung aus, steigende Investitionen in Bildung und Infrastruktur und die zunehmende Einbindung in die Weltwirtschaft. Industriesektoren, die dieses Wachstum überproportional stützen, sind die Informations- und Kommunikationstechnologie, die Textilwirtschaft, Automobil- und Teileproduktion und der Pharmabereich.

Quelle: Auswärtiges Amt

mrinal:

Unterschied zwischen Armut und..

 
11.12.06 14:13
Reichtum wachen gewaltig. Ob das langfristig für ein land gesund ist wissen nur die Fachleute. Aber vorübergehende Aktiengescäft ist das Land attraktiv.
permanent:

Die wachsende Lücke zwischen Armut und Reichtum

 
11.12.06 17:22
wird weltweit immer größer leider kann man diese Aussage schon fast eins zu eins auf folgende Formel reduzieren: Die Lücke zwischen den gebildeten und ungebildeten Bevölkerungsschichten eines Landes werden immer größer.
Während weltweit ein Defizit an qualifizierten Arbeitskräften besteht gibt es einen Überhang an ungebildeten Arbeitskräften. Hochqulifizierte können sich aussuchen wo auf der Welt sie anheuern.

Gruß

Permanent
brokeboy:

alle reden vom dow ...

 
11.12.06 18:00
... ich glaube aber nicht, dass der wegknittern wird. beim sentex sehe ich das allerdings ganz anders - die indischen papiere sind derart teuer geworden und dass ihre entwicklung nachhaltig ist müssen sie erst noch beweisen. mir fallen jedenfalls einige aussichtsreichere asiaten ein!
flaka:

@brokeboy

 
11.12.06 21:34
Stimmt schon das Indien recht teuer geworden ist, ich bin noch mit nem Fond investiert, werde jedoch beim nächsten Rücksetzer früh verkaufen. Trotzdem gibt es dort massive Chancen, nach einer Konsolidierung bin ich dann sofort wieder dabei. Da gibt es derzeit eine unheimliche Dynamik die man gut ausnutzen kann.
permanent:

Wissenswertes

 
05.01.07 15:17
Indien: Wissenswertes zum Wachstumsmotor der Weltwirtschaft
11:18 05.01.07

Liebe Leserinnen und Leser,

China und Indien waren bereits im 18. Jahrhundert Weltmächte. Während des
industrialisierenden Aufschwungs Europas und Amerikas rückten die
asiatischen Mächte ins Hintertreffen. Zwei Jahrhunderte später zweifelt
kaum ein Investor mehr an der Rückkehr dieser Giganten an die Weltspitze.
Das 21. Jahrhundert, liebe Leserinnen und Leser, wird das Jahrhundert
Asiens. Und hier allen voran die bevölkerungsreichsten und
wachstumsstärksten Volkswirtschaften China und Indien.

Der Investitionswahnsinn in Chinas boomende Wirtschaft ist mittlerweile
eine weit verbreitete Tatsache. Eine Tatsache ist auch, dass die indische
Wirtschaft in diesem Jahr nach Schätzungen einiger Analysten sogar das
Wirtschaftswachstum Chinas übersteigen wird. Auf der Investitionsebene
hängt Indien dem Reich der Mitte nach wie vor hinterher. Nach wie vor im
Schatten des asiatischen Riesens China, verpuffen bislang häufig die
interessanten Investitionsmöglichkeiten in Indien. Dies wird sich nach
Meinung einiger Experten ändern. Indien verfügt über entscheidende
Vorteile gegenüber den restlichen BRIC Staaten. Der Naissance Capital Ltd
ist es gelungen einige dieser Experten für den INDIA DAY zu gewinnen! Es
ist eine Seltenheit eine solch hochkarätige Besetzung zusammstellen zu
können, die über von den aussichtsreichen Potenzialen Indiens berichten
kann.

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Zur Anmeldung einfach eine Mail an r.hahn@emfis.com

Viele Fakten sprechen für Indien!

Indien hat gegenüber anderen Emerging Markets vor allem gegenüber China


entscheidende Vorteile. Noch relativ wenig Beachtung wird den
politischen und rechtlichen Strukturen des Landes gewidmet. Während in
China mit diktatorischen Mitteln Gesetze häufig überraschend beschlossen
werden, Medienzensur die Transparenz verhindert und gleichzeitig kein
Rechtssystem existiert, erfreuen sich ausländische Investoren in Indien
eher einheimischen Regeln. Aufgrund des historisch britischen Einflussen
herrscht in Indien Demokratie, freie Presse und ein geregeltes
Rechtssystem. Die steigenden Auslandsinvestitionen in Indien sind also
durchaus berechtigt. Auch die englischen Sprachkenntnisse indischer
Mitarbeiter vereinfacht den Marktzugang für ausländische Investoren. Im
sonst so hochgelobten China führt die Sprachbarriere häufig zu einem
entscheidenden K.O. ausländischer Investoren. Die Mittelschicht ist in
Indien viel stärker ausgebaut. Sie bietet ein sehr großes Konsumpotenzial.
Unterstrichen wird der anhaltende Zuwachs der Mittelschicht im
Landwirtschaftssektor. Hier haben indische Landwirte durch den freien
Landbesitz entscheidende Vorteile gegenüber den chinesischen Kollegen, und
können somit stärker am Wachstum partizipieren.

Nichts desto trotz müssen die negativen Seiten Indiens aufgezeigt werden.
Die Infrastrukturprobleme stellen nach wie vor eine große Herausforderung
für die indische Wirtschaft dar. Energie, Verkehr und Businessparks müssen
zu einer Einheit zusammengeführt werden. Aber dieser große Kraftakt, die
Infrastrukturmaßnahmen erfolgreich umzusetzen, bietet für Investoren
unglaubliche Chancen. Das Umwälzen ganzer Regionen führt zu sinkender
Arbeitslosigkeit und somit steigendem Konsum. Die Konsumnachfrage Indiens
ist bereits heute gigantisch hoch. Beschleunigte Infrastrukturmaßnahmen
werden dieses Binnenmarktwachstum zusätzlich ankurbeln. Indien hat einen
entscheidenden Vorteil: Die Volkswirtschaft kann sich mit Hilfe der hohen
Bevölkerungsanzahl und hohen Konsumbedürfnissen aus eigener Kraft
entwickeln. Von diesem Boom wollen ausländische Investoren profitieren und
forcieren diese Entwicklung zusätzlich.

Sie merken, dass ich erst am Anfang einer langen Liste der positiven
Aussichten für Indien bin. Wenn Sie mehr erfahren möchten senden Sie eine
Mail an r.hahn@emfis.com

Indische Investitionen durch günstige Bewertung

Einige Analysten sehen den indischen Markt mit einem durchschnittlichen
Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 20 hoch bewertet. Auf den ersten Blick
erscheint dies im weltweiten Durchschnitt zwischen 16 und 17 als richtig.
Allerdings liegt das Gewinnwachstum eines indischen Unternehmens zwischen
20 und 25%! Somit kann man alle vier Jahre von einer Gewinnverdoppelung
ausgehen. Aus diesem Hintergrund ist der Bewertungsaufschlag indischer
Unternehmen berechtigt. Noch immer sind es meist institutionelle
Investoren, die sich an dem starken Wirtschafts- und Gewinnwachstum
Indiens beteiligen. Auch Sie, liebe Investoren, können an diesem Wachstum
teilhaben. Übrigens bestehen auch außerhald des Aktienmarktes
aussichtsreiche Chancen. Direkt am Heimatmarkt zu investieren ist mit
großen Vorteilen verbunden! In aufstrebenden Ländern ist es unumgänglich
von der mehrjährigen Erfahrung Ihrer Asset Manager vor Ort unterrichtet zu
werden. Eine Fundamental-Analyse des Aktienmarktes aus einem Hochhaus in
Frankfurt oder London reicht hier bei Weitem nicht aus! Lassen Sie sich
also über die gigantischen Möglichkeiten auch gerne persönlich
beraten. Wir schätzen das Marktknow-how unser Pionierpartners Naissance
Capital Ltd. sehr und freuen uns darüber als Partner beim ersten
offiziellen INDIA DAY in Zürich dabei sein zu dürfen! Naissance Capital,
mit Sitz in Zürich, verfügt über eine innovative Fondspalette und
Institutionelle Kunden im Bereich der Emerging Markets. Naissance Jaipur
ist der zweite Offshore-Fonds für Indien und kann seit 2003 auf eine
durchschnittliche Jahresperformance von 34% zurückblicken.

Also melden Sie sich noch heute an, via r.hahn@emfis.com

Bitte lesen Sie auch unseren Jahresausblick 2007 auf EMFIS.com

Herzliche Grüße,
Ihre EMFIS Redaktion
--
Chefredakteur EMFIS
EMFIS Emphasize Emerging Markets
www.emfis.com

permanent:

Indien verspricht gute Geschäfte für deutsche Werk

 
26.02.07 18:24
HANDELSBLATT, Montag, 26. Februar 2007, 18:03 UhrHoher BedarfIndien verspricht gute Geschäfte für deutsche WerkzeugbauerDer anhaltende Boom in der verarbeitenden Industrie treibt die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen in Indien weiter voran. Für das laufende Finanzjahr rechnet die Branche mit einem Umsatzplus von 35%. Das Land ist nach wie vor auf Importe angewiesen. Die Chancen für deutsche Firmen stehen gut.bfai NEU DELHI. Um Qualität und Service zu verbessern, planen die Unternehmen umfangreiche Investitionen. Das Interesse auf indischer Seite an Kooperationen - zunehmend auch bei Forschung und Entwicklung - wächst. In der ersten Hälfte des Finanzjahres 2006/07 (1.4. bis 31.3.) verzeichnete die Branche gegenüber der Vorjahresperiode bereits ein Plus von 40%. Nach Angaben des Fachverbandes Indian Machine Tool Manufacturers Association (IMTMA) verdoppelte sich der Absatz von spanenden Werkzeugmaschinen und der Verkauf von CNC-Bearbeitungszentren legte um 70% zu. Für das Gesamtjahr rechnet IMTMA mit einem Plus von 35%. Die Branche ist in den letzten Jahren im Schnitt um 25% p.a. gewachsen. Das Marktvolumen schätzt der Verband für das laufende Finanzjahr auf 60 Mrd. indische Rupien (iR; rund 1 Mrd. Euro; 1 iR = 0,017 Euro).Die Nachfrage wird laut IMTMA in erster Linie von der Kfz- und Zulieferindustrie vorangetrieben. Da nahezu alle indischen und ausländischen Automobilkonzerne ihr Engagement auf dem Subkontinent ausbauen möchten, prognostiziert der Verband für das kommende Finanzjahr 2007/08 sogar eine weitere Beschleunigung des Wachstums. Sektoren wie die Textil- und Bekleidungsindustrie, die Elektronikfertigung, der Maschinenbau und die Medizintechnik heizen den Bedarf zusätzlich an.Der indische Werkzeugmaschinensektor kann allerdings die Binnennachfrage nur in bestimmten Segmenten befriedigen und ist nach wie vor stark auf Importe angewiesen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte zu erhöhen, müssen laut IMTMA-Informationen die indischen Hersteller bis zum Jahr 2010 zwischen 20 Mrd. und 30 Mrd. iR in Modernisierung und Ausbau ihrer Fertigung investieren. Die Unternehmen versprechen sich davon, den technologischen Vorsprung von Ländern wie Deutschland, den USA oder Japan zu verkürzen und so die Abhängigkeit von Maschinenimporten zu verringern. Gleichzeitig erhoffen sich die Hersteller, ein größeres Exportgeschäft.IMTMA Präsident C.P. Rangachar sieht daher auch bei der Kooperation auf der Forschungs- und Entwicklungsebene zwischen Hochschulen und Produzenten wachsendes Potenzial für ausländische Unternehmen auf dem indischen Markt. Schwerpunke sieht Rangachar vor allem in den Bereichen, in denen Indien nach wie vor einen großen Nachholbedarf hat. Hierzu zählen unter anderem die Materialkonsistenzprüfung und die Verbesserung der Genauigkeit bei der Fertigung von Präzisionswerkzeugen. Zudem will man sich stärker im den Sparten Mechatronik und der Hartbearbeitungsverfahren ("hard machining") engagieren.Es gibt bereits eine Reihe langjähriger Kooperationen zwischen indischen und ausländischen Herstellern. Zu den größten zählt das Joint Venture zwischen dem US-Konzern Kennametal und der Yash Birla Group of India, das bereits seit Mitte der 80er Jahre in Indien produziert. Das deutsch-indische Joint Venture Bahrat Fritz Werner Ltd (BFW) expandiert ebenfalls. Mitte 2006 hatte das Unternehmen den Zuschlag des indischen Automobilkonzerns Maruti Udyog für die Lieferung von 14 Bearbeitungszentren im Wert von 150 Mill. iR erhalten.<!--nodist-->Lesen Sie weiter auf Seite 2: Deutsche erwartet wieder ein erfolgreiches Indiengeschäft <!--/nodist-->Die indischen Hersteller bieten inzwischen die gesamte Bandbreite spanender und umfomender Maschinen an. Der Fertigungsschwerpunkt hat sich in den vergangenen Jahren zugunsten der CNC-gesteuerten Werkzeugmaschinen verschoben. Sie haben inzwischen einen Anteil an der heimischen Produktion von knapp 70%. Grund hierfür sind die wachsenden Anforderungen an das verarbeitende Gewerbe. Denn immer häufiger wird für den Export produziert und dort gelten höhere Qualitätsstandards, die mit Werkzeugmaschinen aus indischer Fertigung oft nicht erreicht werden können. Die rund 450 Branchenunternehmen produzierten 2006 laut IMTMA Maschinen im Wert von 1,2 Mrd. iR. Davon entfielen 87% auf die Sparte der spanenden Maschinen.Indiens Export von Werkzeugmaschinen belief sich 2005/06 zwar auf bescheidene 500 Mill. iR, doch nach Einschätzung von IMTMA sei in immer mehr Ländern ein wachsendes Interesse an heimischen Erzeugnissen erkennbar. Waren es in der Vergangenheit vor allem die direkten Nachbarstaaten, liefert Indien inzwischen häufiger Maschinen nach Südostasien, die Golfregion und sogar die USA. Die indischen Hersteller sind daher immer stärker an Technologiekooperationen mit Unternehmen aus Deutschland, Japan und den USA interessiert, um ihre Produkte fit für den Weltmarkt zu machen. Dies bestätigen auch die Teilnehmer des deutschen Gemeinschaftsstandes auf der diesjährigen "Indian Machinetool Exhibition" (IMTEX) in Bangalore.Sowohl Messeteilnehmer als auch der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) bescheinigen den indischen Anbietern eine deutliche Qualitätssteigerung bei ihren Produkten. Dennoch sieht der Verband auch langfristig gute Lieferchancen für seine Mitglieder, denn "deutsche Werkzeugmaschinen sind wegen ihrer hohen Präzision und Servicefreundlichkeit sehr gefragt." Laut VDW betrifft das in erster Linie Bearbeitungszentren, Schleif- und Poliermaschinen, Drehmaschinen, Fräsmaschinen, Pressen sowie Biege-, Abkant- und Richtmaschinen.Die deutschen Werkzeugmaschinenhersteller dürfen auch 2006 wieder auf ein erfolgreiches Indiengeschäft zurückblicken. In den ersten neun Monaten konnten sie laut statistischem Bundesamt Erzeugnisse im Wert von 173 Mill. Euro auf dem Subkontinent absetzten - ein Plus gegenüber der Vorjahresperiode von 36%. Die deutschen Messeteilnehmer zeigten sich durchweg zufrieden und erwarten für 2007 ein vergleichbares oder sogar noch besseres Ergebnis.Die IMTEX 2007 fand erstmals auf dem Gelände des "Bangalore International Exhibition Centre" (BIEC) statt. Bislang wurde die Leitmesse der indischen Werkzeugmaschinenindustrie an wechselnden Standorten durchgeführt. Das neue Gelände wird vom Fachverband IMTMA gemanagt und soll alle künftigen Auflagen der IMTEX beherbergen. In den insgesamt fünf Messehallen waren 1200 Aussteller aus 25 Ländern vertreten. Ausländische Aussteller belegten etwa die Hälfte der Gesamtausstellungsfläche. Nach Angaben des Veranstalters kamen an den sieben Messetagen 110.000 Fachbesucher.Weitere Informationen finden Sie bei der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai).  
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