vorgestern: aus: "DIE WELT"
(http://www.welt.de/daten/2001/02/21/0221fi224282.htx?print=1)
Rekord: Fondsmanager sitzen auf 600 Millionen DM CashAnleger am Neuen Markt hoffen auf eine Kaufoffensive
Von Beatrix Wirth und
Holger Zschäpitz
Berlin - "Wohin mit dem Geld?" Das fragen sich derzeit
nicht nur die privaten Anleger, sondern auch die Profis.
Nach einer Umfrage der WELT sitzen die Manager von
Neuer-Markt-Fonds derzeit auf Bargeldbeständen in Höhe
von mehr als 600 Mio. DM - ein Rekord in der Geschichte
des deutschen Wachstumsmarktes. Viele Marktteilnehmer
hoffen nun, dass die Millionen die Initialzündung für eine
neue Rallye an der Technologiebörse geben können. Alle
Nemax-50-Werte zusammen bringen gut 120 Mrd. DM auf
die Waage. Damit schlummert allein in den Depots der von
Deutschland aus gemanagten Neuer-Markt-Fonds ein
Gutteil des High-Tech-Marktvolumens. Würden die Gelder in den Markt gepumpt
werden, könnte dies den Kursen einen kräftigen Schub nach oben verleihen. Doch so
schnell dürfte der Markt nicht anspringen: Die meisten Fondsmanager, so ergab die
WELT-Umfrage, wollen ihr Pulver vorerst trocken halten.
Bemerkenswert erscheint angesichts der turbulenten Börsenlage die Gelassenheit der
Privatanleger. Trotz der zahlreichen Enttäuschungen und Rückschläge im
rabenschwarzen Jahr 2000 haben sie ihre Liebesaffäre mit dem Neuen Markt nicht
abgeschlossen und geben den Fondsmanagern immer noch neues Kapital an die Hand.
Zwar ist die Euphorie vom Jahresanfang 2001 abgeebbt, dennoch verzeichnen die
Neuer-Markt-Fonds per saldo immer noch leichte Mittelzuflüsse. Da es nur wenige
Neuemissionen gibt, in die das Geld investiert werden könnte, und zudem die Marktlage
nicht zu großen Engagements reizt, haben sich die hohen Cash-Bestände aufgehäuft.
Mancher Neuer-Markt-Fonds mutet derzeit eher wie ein Geldmarktfonds an: So hat der
Postbank Dynamik Neuer Markt eine Bargeldquote von sage und schreibe 20 Prozent.
"Ich fühle mich wohl mit diesem hohen Cash-Bestand", sagt Postbank-Fondsmanager
Uwe Truppel. "Derzeit bin ich lieber zurückhaltend." Die Profis haben die gleichen
Probleme wie die Privatanleger: Gleich reihenweise wurden alte Favoriten wie EM.TV,
Intershop, Brokat oder Adva Optical von ihrem Sockel gestoßen. Ein neuer Trend
zeichnet sich nicht ab. "Mir gehen langsam die Anlageideen aus", gesteht ein
Fondsmanager freimütig. "Die letzten Qualitätstitel wie Aixtron, Qiagen und Pfeiffer
Vacuum sind wahnsinnig teuer. Bei anderen Titeln kann man sich nicht sicher sein, ob
bald die nächste Katastrophe kommt."
Den Anlage-Profis ist die schlechte Stimmung deutlich anzumerken. "Es ist frustrierend,
heute etwas zu kaufen und am nächsten Tag den Titel zehn Prozent billiger zu sehen",
sagt Peter Ott, Fondsmanager bei UBS. Ott hatte zum Jahresanfang 100 Mio. Euro
Cash, seitdem hat er die Hälfte davon investiert. Immerhin schaffte er es, den Markt um
zehn Prozent zu schlagen: Während sein Fonds seit Jahresanfang um 10,6 Prozent im
Minus liegt, verlor der Nemax-50, die Messlatte der Fonds, 21 Prozent.
Glücklich schätzen sich die Manager, deren Fonds auf andere Segmente ausweichen
können. So nutzen etwa Joseph Baumeler von Crédit Suisse und Stefan Müller von
Activest derzeit kräftig die Chancen jenseits des angeknacksten Neuen Marktes. Sie
haben den Anteil von MDax- und Smax-Werten deutlich nach oben gefahren - Müller hält
in seinem Depot 85 Prozent Old-Economy-Werte. Die Taktik ging bei beiden auf:
Müllers Fonds legte seit Anfang 2000 um 9,2 Prozent zu, während andere, nur auf die
Neuen Märkte fokussierte Fonds, mehr als 50 Prozent einbüßten. Baumeler liegt seit
Jahresanfang sogar mit zwölf Prozent vorn.
Doch sollten die Märkte drehen, dürften sich die reinen Technologiefonds in den
Vordergrund schieben. "Dann werden sich auch neue Favoriten herauskristallisieren",
sagt Marc Schädler, Fondsmanager von Nordinvest. Anwärter auf diese Position gibt es
bereits: Heimliche Lieblinge der Profis sind Mühlbauer, Kontron, Medion, Parsytec,
Jetter und CE Computer. Bevor aber die Fondsmanager ihre Kaufoffensive starten, muss
sich die konjunkturelle Lage in den USA aufklären. Raik Hoffmann,
DWS-Fondsmanager, bringt es auf den Punkt: "Der Schlüssel liegt an der Nasdaq."