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Hypothekenkrise
Neues Desaster bei Merrill Lynch
Der Merrill-Bulle wird geschlachtet
17. Januar 2008 Egal, ob die Anleger vom Thema Kreditkrise die Nase voll haben und lieber darüber reden möchten, wie sich ihr Wertpapiervermögen stetig vermehrt, es geht nicht unbedingt nach ihrem Willen. Denn die amerikanische Hypotheken- und Finanzkrise geht nicht zu Ende und hält die Märkte im Griff, ob sie nun wollen oder nicht.
Das wurde an diesem zunächst rosigen Donnerstag deutlich, als der Hypothekenfinanzierer First Horizon und die Investmentbank Merrill Lynch ihre Zahlen für das vierte Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres vorlegten.
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14,1 Milliarden Dollar neue Abschreibungen
Waren die Zahlen von Merrill Lynch schon für das dritte Quartal desaströs (vgl. Kreditkrise: Mitnichten vorbei), so fielen sie für das vierte Quartal nicht besser aus. Stand von Juli bis September unter dem Strich ein Minus von 2,3 Milliarden Dollar, so fiel dieser im Schlussquartal im fortgeführten Geschäft mit 9,8 Milliarden Dollar oder 12,01 Dollar je Aktie mehr als viermal so hoch aus.
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Im Vorjahr hatte die Bank noch einen Gewinn von 2,2 Milliarden Dollar ausgewiesen, und von Thomson Financial befragte Analysten hatten mit einem weit geringeren Minus von 3,19 Milliarden Dollar oder 4,93 Dollar je Aktie gerechnet.
Nach bisherigen Abschreibungen im Zusammenhang mit der amerikanischen Immobilienkrise in Höhe von rund acht Milliarden Dollar musste Merrill Lynch im vierten Quartal noch einmal Wertberichtigungen in Höhe von insgesamt 14,1 Milliarden Dollar vornehmen. Für das Gesamtjahr summieren sich die mit der Hypotheken-Krise verbundenen Verluste bei Merrill damit auf 23 Milliarden Dollar.
Nettoeinnahmen zu -ausgaben
Die Einnahmen, die mit den Abschreibungen verrechnet werden, lagen im Schlussquartal bei minus 8,2 Milliarden Dollar nach plus 8,4 Milliarden Dollar im Vorjahr. Dies machte auch einen Anstieg des Zinsüberschusses um 44 Prozent auf 1,546 Milliarden Dollar praktisch gegenstandslos.
Im Gesamtjahr beläuft sich der Verlust damit auf 7,78 Milliarden Dollar. Dies ist der erste Jahresverlust seit 1989, der inflationsbereinigt 350 Millionen Dollar betrug und der zweite seit dem Börsengang 1971.
Die Tatsache, dass sich die Hypothekenkrise so nachhaltig bei Merrill Lynch niederschlägt, ist dem Umstand zu verdanken, dass die Bank weit mehr Kredite in den Büchern behielt und weit weniger verkaufte als andre Banken. Zudem hatte man sich mit dem Erwerb des Subprime-Spezialisten Franklin Ende 2006 völlig verkalkuliert. Eine gewisse Note bringt zudem die Tatsache in die Angelegenheit, dass Unternehmensgründer Charles Merrill 1929 seinen Ruf beschädigte, als er Anlegern kurz vor dem großen Börsenkrach zum Verkauf von Aktien riet.
„Ergebnisse völlig inakzeptabel“
Die Ergebnisse seien völlig inakzeptabel, sagte der neue Merrill Lynch-Chef John Thain in New York. Er fügte allerdings hinzu, dass das Institut in den letzten Wochen seine Liquidität und die Bilanz deutlich gestärkt habe. Am Dienstag hatte das Unternehmen über den Einstieg dreier ausländischer Investmentfonds für insgesamt 6,6 Milliarden Dollar berichtet. Bereits im Dezember hatte sich Merrill Lynch mit dem Verkauf eigener Aktien eine Kapitalspritze von 6,2 Milliarden Dollar besorgt.
Die Aktie verliert vorbörslich 3,4 Prozent auf 53,20 Dollar. Analysten bewerteten die Zahlen gemischt. Der Verlust sei höher als vorhergesagt, die Abschreibungen indes in dem Umfang erwartet worden, sagte Peter Boockvar von Miller Tabak & Co in New York. Ob damit alle Unwägbarkeiten aus der Merrill-Bilanz bereinigt seien, lasse sich aber nicht sagen. „Jetzt fangen die Leute erst an, wirklich zu begreifen, wie tiefgreifend diese Krise ist“, sagte Angus Campbell von Capital Spreads in London.
Hypothekenfinanzierer in Nöten
Allerdings versuchten die Banken derzeit erfolgreich, Investoren an Bord zu holen. Deshalb sei es eher unwahrscheinlich, dass es Kürzungen bei den Dividenden geben werde, was wiederum positiv für die Anleger sei. Angesichts der Tatsache, dass die Citigroup erst in dieser Woche die Dividende im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent senkte, eine durchaus optimistische Sichtweise.
Merrill Lynch ist nicht alleine mit seinen Nöten. Auch der Hypothekenfinanzierer First Horizon hat im abgelaufenen Quartal einen deutlich höheren Verlust eingefahren als erwartet. Wie das Institut am Donnerstag mitteilte, betrug der Nettoverlust im vierten Quartal 248,6 Millionen Dollar oder 1,97 Dollar pro Aktie. Analysten hatten mit lediglich 0,88 Dollar pro Aktie gerechnet. Im Vorjahresquartal machte das Unternehmen noch einen Gewinn von 76,5 Millionen Dollar.
Und auch First Horizon kürzte die Dividende, und zwar um satte 56 Prozent. First Horizon musste eine Risikovorsorge von 156,5 Millionen Dollar bilden. Auch wenn dies kleinere Dimensionen sind als bei Merrill: Angesichts von Einnahmen von 319 Millionen Dollar im vierten Quartal sind die Summen für das Unternehmen sehr schmerzhaft.
Baugenehmigungen auf niedrigstem Stand seit 1991
Die Gründe und Aussichten sind leicht ausgemacht. Die schlechten Nachrichten zum amerikanischen Immobilenmarkt reißen nicht ab. So ist die Zahl der Baugenehmigungen in den Vereinigten Staaten im Dezember deutlich stärker als erwartet gesunken. Die auf das Jahr hochgerechnete Zahl der Genehmigungen seien um 8,1 Prozent auf 1,068 Millionen gefallen, teilte das amerikanischen Handelsministerium am Donnerstag in Washington mit.
Hier hatte die Prognose nur auf ein Minus von 2,6 Prozent gelautet. Im Vormonat war ein Rückgang von 0,7 Prozent (vorläufig: minus 1,5 Prozent) verzeichnet worden.
Die Baugenehmigungen gelten als Indikator für künftige Baubeginne, deren Zahl im Dezember um 14,2 Prozent auf annualisierte 1,006 Millionen Häuser fiel. Damit wurde das niedrigste Niveau seit über 16 Jahren verzeichnet. Im Vorfeld der Veröffentlichung hatten von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen lediglich einen Rückgang um 5,0 Prozent prognostiziert.
Wie das amerikanische Handelsministerium am Donnerstag mitteilte, wurde der zunächst für den Vormonat gemeldete Rückgang um 3,7 Prozent zudem auf minus 7,9 Prozent revidiert. Im Jahresvergleich sind die Baubeginne im Dezember um 38,2 Prozent zurückgegangen.
Miese Prognosen für den Häusermarkt
Die Analysten der Rating-Agentur Fitch gehen zudem davon aus, dass der Verkauf neuer Häuser im laufenden Jahr gegenüber 2007 um bis zu 10 Prozent einbrechen wird. Gründe
seien das geringe Interesse der Amerikaner und die strengeren Regeln bei der Kreditvergabe. Hinzu käme die steigende Anzahl von Zwangsversteigerungen, die das Angebot auf dem Markt weiter erhöhe.
Im besten Fall sänken die Verkaufszahlen neuer Häuser nur um fünf Prozent, was Fitch für etwas wahrscheinlicher hält. Andere Schätzungen sehen die Entwicklungen am amerikanischen Markt noch dramatischer. So geht der Branchenverband Mortgage Bankers Association davon aus, dass 2008 15 Prozent weniger neue Häuser verkauft werden. Auch für bereits bestehende Häuser rechnet der Verband mit einem Rückgang von 13 Prozent.
Fragwürdige Interpretationen
In Frankfurt stürzte die Merrill-Aktie um 4,5 Prozent auf ein neues Vier-Jahres-Tief von 36 Euro ab. Angesichts der weiter schwelenden Krise sind Prognosen als Makulatur zu betrachten. Bevor sich das Unternehmen nicht deutlich sichtbar erholt, ist auch mit einer nachhaltigen Kurserholung kaum zu rechnen. Zumal Merrill Lynch weitere Wertberichtigungen nicht ausschließt. Er könne nicht garantieren, dass Merrill weitere Abschreibungen im Zuge
der Hypothekenkrise verhindern kann, sagte Firmenchef John Thain dem Fernsehsender CNBC.
Der nach positiven Nachrichten hungernde Markt stürzt sich am Donnerstag indes auf die Zahl der Erstanträge auf Leistungen im Rahmen der amerikanischen Arbeitslosenversicherung, die in der Woche zum 12. Januar auf saisonbereinigter Basis unerwartet um 21.000 auf 301.000 gefallen sind, während Volkswirte einen Anstieg um 18.000 erwartet hatten.
Mit diesem dritten Rückgang in Folge erreichte die Zahl der Erstanträge das niedrigste Niveau seit nahezu vier Monaten. Beobachter werten die Daten als ein ermutigendes Zeichen angesichts der Sorge vor einer Rezession in den Vereinigten Staaten. Indes ist Arbeit nicht alles, wenn man die Schulden nicht bezahlen und nicht konsumieren kann - zumal die Zahl der registrierten Arbeitslosen um 46.000 Personen höher ausfiel als erwartet, die Arbeitslosigkeit mithin also .............
(Text gekürzt)