Der Nikkei auf dem tiefsten Stand seit 21 Monaten und das Sentiment im Keller, lautet das Fazit der gestrigen Sitzung am Kabutocho. Und darf man japanischen Finanzkreisen glauben, schickt sich die Börse an, die Schmerzgrenze von 14000 für den Nikkei noch vor dem Fest testen zu wollen. Der Markt spiegelt die Stimmung in Tokio und ausländische Vorbehalte gegenüber dem sich offensichtlich rapide verschlechternden Status der Wirtschaft und des Finanzplatzes in Japan wider. Es sind nicht so sehr die seit der Überarbeitung der Methoden der Konjunkturerfassung verwirrenden Daten und Äußerungen zum Wachstum, auch nicht die allgegenwärtigen Schatten des öffentlichen Schuldengebirges, die dem neuen Japan-Pessimismus Auftrieb geben. Selbst das abgegriffene Lamento über angeblich erlahmten Reformeifer kann nicht für die desolate Verfassung verantwortlich gemacht werden. Nein, nur der Schreckensruf einer neuen systemischen Finanzkrise vermag die Sorgen in ein Stadium nahezu irrationaler Panik zu eskalieren, wobei im Hintergrund weniger der japanische Finanzplatz, sondern eine harte Landung und ein Meltdown in den USA als Menetekel wirken.
Sicher ist, dass ein Crash in den USA zu diesem Zeitpunkt unabsehbar verheerende Folgen für die japanischen Banken, ihre Kreditkundschaft und damit Konjunktur und Fiskus haben müsste, da sich der Bankenapparat des Inselreichs in einer deutlich schwächeren Verfassung als noch vor sechs Monaten angenommen präsentiert. Noch stehen die Halbjahresberichte einiger weniger Nachzügler unter den Regionalbanken aus. Aber fest steht bereits, dass die 18 Großbanken per Septemberultimo beim Abbau ihres notleidenden Kreditportfolios nur kümmerliche Fortschritte gemacht haben und die 118 Regionalbanken sogar einen massiven Zuwachs erlitten. Kumuliert errechnet sich für die 136 Groß- und Regionalbanken ein nicht ordentlich bedientes Kreditportfolio von 32,9 Bill. Yen (329 Mrd. Euro), ein Zuwachs gegenüber Märzultimo von 1,8%. Gleichzeitig verdoppelte sich das Volumen der Kreditwertberichtigungen gegenüber dem Planansatz auf 2,4 Bill. Yen. Kein Wunder, wenn die Märkte verstimmt reagieren, steuert Japan doch auf einen neuen Insolvenzrekord mit Masseschulden von etwa 25,5 Bill. Yen zu, ein Zuwachs im Zwölfmonatsvergleich von rund 90%.
Pikant im Zusammenhang mit dem Nörgeln an Japans Reformkurs wirkt die Tatsache, dass die eigentlichen Stabilitätsprobleme der Banken weniger von den Kreditkosten als vielmehr vom Aktienmarkt ausgehen, da Banken erstmals ihren Wertpapier- und Immobilienbesitz nicht nominal, sondern zu Marktpreisen einstellen müssen. Und bei einem Topix von hauchdünn über 1300 Punkten dürften 11 der 18 Großbanken bereits Aktienbuchverluste ausweisen, wäre jetzt Bilanzstichtag. Das bekäme weder der Kreditkundschaft noch den Reserven und dem Eigenkapital gut. Aber es kommt noch schlimmer: Ab April darf die öffentliche Hand Banken keine Liquiditätshilfen mehr zustecken, es sei denn, der Gesetzgeber ändert das Finanzstabilisierungspaket vom Oktober 1998. Die Börse nährt also die Krise, auf die sie angeblich reagiert. Und sie übertreibt. Denn nur ein US-Meltdown könnte die Szene so verheeren, dass eine erneute Bankenkrise in Japan droht.