heibel´s rückblick

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Zick-Zock:

heibel´s rückblick

 
11.10.02 23:26
Liebe Boersenfreunde,

Ihr Autor wurde von seinen Eltern zu einer Woche Urlaub
eingeladen. Seine Eltern hatten bemerkt, dass er in diesem
Jahr noch keinen Urlaub hatte. Somit sitzt Ihr Autor nun auf
Gran Canaria und macht sich Gedanken ueber die Wirtschaft, das
politische System und die Menschen, die all dies geschaffen
haben.

Zum Abendessen teilte sich Ihr Autor eine Flasche guten
Rotwein mit seiner Schwester. Ich hoffe, meine Ausfuehrungen
bleiben dennoch verstaendlich.

Auch hier auf Gran Canaria haben die Menschen die Auswirkungen
der schwachen Konjunktur in Europa und Amerika zu spueren
bekommen. Die Urlauber nutzen lieber die gebuchte Voll- oder
Halbpension, als dass sie am Abend im Strandrestaurant, fern
vom eigenen Hotel, einen frisch gefangenen Fisch verspeisen.
Das Geschaeft „es muito difficile“, sagt Carlos, der
Eigentuemer eines Cafes.


Viel Spass  bei der Lektuere wuenscht

Stephan Heibel


Index      Hoechststand  Aenderung z.   10.10.     Aenderung
                         52/W-Hoch   Schlusskurs  zum 03.10.
Internet         177,29      -64%         63,66        2,93%
S&P 500        1.226,29      -34%        803,92       -1,84%
Nasdaq         2.102,53      -45%      1.163,37       -0,19%

Nasdaq-QQQ        44,00      -52%         21,08        1,64%
Dow Jones     10.673,10      -29%      7.533,95       -2,37%
Volatilitaet      57,31      -19%         46,29        2,96%
30-Jahr Anl.       5,86      -20%          4,71       -0,63%
Gold             327,05       -2%        319,35       -0,85%

Die Besten erwischt es immer zum Schluss: Schauen Sie sich die
Uebersicht an und das grosse Minus im Dow Jones kann nur
darauf hinweisen, dass der aktuelle schmerzhafte Abwaertstrend
bald ein (vorlaeufiges) Ende findet.

Die Volatilitaet steigt, der Blue-Chip-Indikator faellt
staerker als der Nasdaq und Anleihen gelten noch immer als das
non plus Ultra. Die Rendite sinkt weiter. Auf der fast schon
verzweifelten Suche nach den letzten Vermoegenswerten, die
versilbert werden koennen, werden nun Blue Chips und sogar
Gold verkauft.

Ford (F) fiel diese Woche auf ein 10-Jahres-Tief. Die Boerse
fragt sich, ob Ford jemals in der Lage sein wird, seine $120
Mrd. Schulden abzubauen. Sicherlich nicht mit den Null-Prozent
Finanzierungen und auch sicherlich nicht in einem Markt, in
dem der durchschnittliche US-Buerger ohnehin bereits 1,6 Autos
besitzt. Mehr als ein Auto kann er kaum gleichzeitig fahren.

Das Konsumentenvertrauen ist weiter gefallen. Die
Arbeitsmarktdaten sind unter Beschuss: Boese Zungen behaupten,
die 5,6% Arbeitslosigkeit in den USA seien genau so schlimm
wie die knapp 10% in Deutschland, denn die Berechnungsmethode
sei unterschiedlich.

Im Zuge der Globalisierung bin ich sicher, dass Deutschland
irgendwann auf die amerikanische Berechnungsmethode umsteigen
wird, nicht umgekehrt.

Aber, was soll diese Schwarzmalerei? Unter dem Sonnenschirm
von Gran Canaria sehen solche widrigen Umstaende relativ
unbedeutend aus. Stefan Baron, Chefredakteur der
Wirtschaftswoche, hat diese Woche die Situation recht treffend
zusammen- gefasst: Die Talkrunde um Sabine Christiansen, jeden
Sonntag im TV mit meist den gleichen Akteuren zu bewundern,  
sucht in eifrigen Diskussionen nach einer optimalen
Geschwindigkeit der Reformen, waehrend der Tanker Titanic
Deutschland AG schon vor 2 1/2 Jahren von einem Eisberg
gerammt wurde. Die Musik, das politische Geplapper, dauert an.
In den USA ist man schon einen Schritt weiter: Es wird
oeffentlich in Frage gestellt, ob Politik und
Geldmengensteuerung ueberhaupt einen Einfluss auf die
wirtschaftliche Entwicklung haben koennen. Schauen wir doch
einmal die Rahmenbedingungen an.

In den spaeten 90ern konnten Unternehmen agieren, wie es ihnen
passte, nur um ordentlich Profite auszuweisen. Investoren
sprangen auf all diejenigen Aktien von Unternehmen auf, die
Quartal um Quartal ihre eigenen Schaetzungen uebertrafen.

Damals gab es auch einige Unternehmen, die die Blindheit der
Behoerden zum Aufbau eines ordentlichen Geschaeftes nutzten.
So haben beispielsweise Amazon.com, eBay, E*Trade und Yahoo!
in der Hochphase der Interneteuphorie gute IPOs platziert und
sammelten genuegend Cash ein, um selbst eine laengere
Durststrecke zu ueberwinden. Gleichzeitig wurde ein
funktionierendes Geschaeft aufgebaut.

Zugegeben, die Versprechungen der damaligen Zeit waren etwas
zu hoch gegriffen. Amazon.com mit dem Praedikat „weltgroesster
Buchhaendler“ ist nicht gleichbedeutend mit dem Praedikat
„profitabelster Buchhaendler der Welt“. Yahoo!’s
anerkanntermassen breites und qualitativ hochwertiges Angebot
im Internet fuehrt nicht automatisch zu hohen Umsaetzen, denn
Seitenaufrufe lassen sich nur mit einer grossen Nachfrage der
Werbebranche in Geld umwandeln. E*Trade mag das beste Online-
Banking-Angebot haben. Doch wenn nur noch 20% derer Aktien
kaufen, die Ende 1999 oder Anfang 2000 kauften, dann wachsen
auch bei E*Trade die Baeume nicht in den Himmel. Und der
weltgroesste Auktionsmarktplatz eBay ist und bleibt ein
Marktplatz fuer Private und ausgefallene Wuensche. Es ist
keine Resteboerse fuer die Industrie.

Diese Unternehmen haben sich am Markt ihre Nische gesichert.
Wenn auch auf einem viel niedrigeren Umsatzniveau, wie noch im
Jahr 2000 prognostiziert, oder erhofft, (oder war damals
Hoffnung und Prognose das gleiche?), doch das Geschaeft steht.

Sie moechten nun wissen, welche dieser Aktien inzwischen
fundamental fair bewertet sind? Nun, die Antwort auf diese
Frage ist relativ und damit auch relativ unwichtig. Viel
interessanter ist die Frage: Wann werden die Aktien wieder
steigen. Und das hat nicht viel mit einer vernuenftigen
fundamentalen Bewertung zu tun. Denn 1996 bemerkte der damals
noch nicht verblendete Alan Greenspan, dass die Boerse die
vermeintlich unsterbliche Ueberlegenheit der freien
Marktwirtschaft zu einer Einbahnstrasse gemacht hatte. „Wie
bemerken wir, wenn irrationale Uebertreibung Vermoegenswerte
eskalieren, die dann wiederum zu unerwarteten und uebermaessig
verlaengerten Gegenreaktionen fuehren, so wie es in Japan der
Fall ist...?“

Greenspan hatte damals richtig erkannt, dass sein
amerikanisches Wirtschaftssystem sich nach dem Sieg ueber den
Kommunismus in gefaehrlicher Sicherheit waehnte.
Vermoegenswerte wie Aktien wurden mit Preisen bewertet, die
erwartete Gewinne der naechsten 5 Jahre und mehr
beruecksichtigten. Politische oder wirtschaftliche
Unsicherheiten wurden nicht in Betracht gezogen. Warum auch,
es gab ja keine Gefahr mehr. Die letzte Wirtschaftskrise fand
1987 statt, seither gab es nur noch kleinere Verschnaufpausen
im Wachstum. Und neben der globalen wirtschaftlichen Fuehrung
nahmen die USA ja auch die Position der groessten
Militaermacht ein.

Es gibt somit heute viele Teilnehmer am Markt, die noch
niemals eine ordentliche Wirtschaftskrise miterlebt haben –
vielleicht als Kind, jedoch noch nicht wissentlich. Geschweige
denn, dass sich noch jemand an die Zusammenhaenge der
Weltwirtschaftskrise 1930 erinnert. Bleibt uns die
Moeglichkeit, aus den Geschichtsbuechern zu lernen, oder die
Erinnerung unserer Eltern zu strapazieren.

Nun, hier in Gran Canaria konnte ich meinem 71-jaehrigen Vater
nicht so recht die tiefgruendigen Erkenntnisse der Weimarer
Republik und der anschliessenden Weltwirtschaftskrise
entringen. Im Gegenteil, er war es, der mich daran erinnern
musste, dass damals eine Globalisierung wie wir sie heute
haben, nicht existierte. Insbesondere der kritisch betrachtete
Immobilienmarkt wird sich wohl im Zuge der Globalisierung
nicht so einfach einschaetzen lassen, wie dies 1930 der Fall
war. Heute sind die Zusammenhaenge wesentlich komplexer.

Was mich jedoch stutzig machte, waren seine Ausfuehrungen zum
Thema Weimarer Republik mit anschliessender Hyperinflation:
„Nun, unser Vater (also der Grossvater Ihres Autors) hatte mir
spaeter einmal die 10 Mio. Markscheine gezeigt, fuer die man
sich 1929 ein oder zwei Broetchen kaufen konnte. Aber weiter
haben wir ueber die Weltwirtschaftskrise niemals gesprochen.“

Anschliessend kamen in dieser schweren Zeit dann die Nazis an
die Macht. Aber damals war das politische System mit dem
heutigen nicht vergleichbar: Es gab 15 Parteien, die
mitregieren wollten, eine 5% Huerde, wie im heutigen
Bundestag, gab es nicht. Den Beschreibungen meines Vaters
zufolge muss das damals ein einziges Chaos gewesen sein.

Aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und der Nazizeit
wurde anschliessend ein besseres System Deutschland aufgebaut.
Im heutigen System Deutschland sind solche Verfehlungen nicht
mehr moeglich. Also brauchte man die unangenehme Geschichte
wohl in der eigenen Familie nicht mehr durchkauen.

Aber, wie ich bereits oefter bemerkt habe: Jedes erfolgreiche
System wird irgendwann von seinem eigenen Erfolg eingeholt. Im
alten Rom dauerte dies 500 Jahre. Mal sehen, wie lange wir
brauchen.

Aber, was haben wir heute?

1996 hatte Alan Greenspan noch Theorien und Geschichtsbuecher
im Hinterkopf und gab mahnende Worte von sich. „Eine jede
Uebertreibung wird eine Gegenreaktion hervorrufen“, rief er
1996. Die Boerse reagierte mit einem Schreckenstag, ging dann
aber zur Tagesordnung ueber. 1998 jedoch versuchte der Alte
durch gegenteilige Behauptungen Gehoer zu erhalten. Er sprach
fortan von den immensen Errungenschaften und
Effizienzsteigerungen, die durch das neue
Informationszeitalter erzielt wuerden. Uebertreibungen, die
haeufig einhergehen mit Inflation, gab es ploetzlich in seinem
Wortschatz nicht mehr, denn die von ihm immer wieder zitierten
immensen Effizienzsteigerungen rechtfertigten die hohen
Boersenkurse.

So stiegen die Boersenindizes, der Dow Jones und der S&P 500
seit seiner Bemerkung ueber die irrationale Uebertreibung noch
um das DOPPELTE! Und Sir Al, er ist ja inzwischen von der
britischen Queen zum Ritter geschlagen worden, beliess den US-
Leitzins auf niedrigem Niveau. Die Uebertreibung nahm
historische Ausmasse an, die Boersenphantasten fuehlten sich
sicherer denn je zuvor, denn der Cleverste von allen fand ja
immer wieder neue Begruendungen, warum ein solcher Kursanstieg
nicht gefaehrlich sei.

Und so kam, was kommen musste, die Gegenreaktion ist in vollem
Gange. Und, wenn Sir Al schon nicht die Uebertreibung nach
oben vermeiden konnte, warum sollte er dann eine Uebertreibung
nach unten vermeiden koennen? Nein, hier geht es um Angst und
Gier, nicht um Vernunft. Fundamentale Werte setzen sich durch
– es kann mitunter jedoch ein paar Jahre dauern, bis in dem
Wettbuero namens Boerse sich die langfristige Vernunft
durchsetzt.

Warren Buffet sagt: „Aktien steigen wegen der richtigen
Gruende und fallen dann wegen der falschen Gruende.“ Es ist
aber genauso bekannt, dass die Regeln, die fuer eine Hausse
gelten, auch an eine Baisse angepasst werden koennen. Somit
sind die Aktien in den letzten beiden Jahren wegen der
richtigen Gruende gefallen. Warum sollten sie nicht noch ein
wenig wegen falscher Gruende weiter fallen?

Thermometer fuer eine Wirtschaft ist der Finanzsektor, doch
auch dort herrscht eine truebe Stimmung: Morgan Stanley Dean
Witter entlaesst 200 Mitarbeiter, Dresdner Kleinworth
Wasserstein 500, Goldman Sachs eine noch nicht genannte Anzahl
an Mitarbeitern. Dabei haben doch all diese Brokerhaeuser noch
vor kurzem mit ihren Wunderkindern und deren Analysen die Wall
Street mit frischem Kapital versorgt: Noch vor drei Jahren
waren die IPOs dieser Haeuser eine Garantie auf 100%, 200%
oder mehr Profit an nur einem Tag. Etoys, Yahoo! oder
Geocities machten am ersten Handelstag Spruenge von bis zu
300%.

Nur selten kam ein Normalsterblicher an diese damals so
begehrten Emissionen. Die Papiere wurden je nach Wichtigkeit
der Kundenbeziehung unter den besten Geschaeftskunden
verteilt. Ein offenes Wall Street Geheimnis. Bloomberg nannte
einige Namen von mutmasslich Beguenstigten: Kenneth Lay,
ehemaliger Chairman des niedergewirtschafteten Energiegiganten
Enron, Dennis Kozlowsky, ehemaliger CEO des im
Bilanzierungsskandal untergegangenen Konzerns Tyco, Meg
Whitman, CEO von eBay und Aufsichtsratsmitglied von Goldman
Sachs.

Klar, das ist so im Geschaeftsleben: Den besten Kunden muss
man ab und zu etwas Gutes tun. Daran hat sich auch kaum jemand
gestoert, solange an der Boerse auf allen Ebenen Geld zu
verdienen war. Man hielt sich nicht mit Vorhaltungen auf,
solange man die Zeit besser nutzen konnte, um an anderen
Geschaeften Geld zu verdienen.

Heute aber ist es schwer geworden, Nischen zu finden, in denen
noch gut Geld verdient werden kann. Aktien sind out, Anleihen
rentieren sich nicht und Immobilien sind auch schon mit einer
Spekulationsblase versehen. Also haben weit mehr
Finanzmarktteilnehmer nun die Zeit, mit dem Finger auf Andere
zu zeigen.

Ich bin natuerlich erschuettert ueber Enthuellungen ueber die
moralischen Verfehlungen der Finanzjongleure. In meinem
Gesicht koennen Sie geradezu das Entsetzen erkennen. Wie
konnte es passieren, dass solch moralische Verfehlungen an der
Boerse auch noch aufgedeckt werden? Die SEC hat sich dieses
Treiben lange tatenlos angesehen. Wie kann sie nun ploetzlich
so aktiv werden und den Moralapostel spielen?

Nun, das Volk schreit nach Gerechtigkeit. Das Volk ist um $8
Billionen aermer als noch vor 2 1/2 Jahren. Das Volk braucht
nun jemanden, der daran Schuld hat. Denn, an die eigene Nase
fassen und sich der eigenen Gier bewusst werden moechte
eigentlich niemand. Auch die Buerokraten koennen in diesem
System nicht die Schuld tragen, denn sie haben ja stets
sorgsam vor sich hin gearbeitet. Nein, nun werden ein paar
schwarze Schafe aufgeguckt und an den Pranger gestellt.

Der Finanzmarkt ist grausam. Das haben wir alle inzwischen
gelernt. Aber menschliche Eitelkeit ist noch grausamer: Die
eigene Verfehlung braucht einen Suendenbock. Nach dem
Scheitern eines Systems werden als erstes diejenigen
angeprangert, die das System erfolgreich fuer sich zu nutzen
wussten.

Sie, meine Leser, haben Glueck. Ihr Autor hat seine
Verfehlungen fruehzeitig eingestanden. Moralisch mache ich mir
keinen Vorwurf, denn ich habe immer nach bestem Wissen
Empfehlungen ausgesprochen. Ich habe mich geirrt, okay. Ich
habe in den letzten drei Jahren, seit ich kontinuierlich vor
der Boerse warnte, ein paar mal geglaubt, es koennte eine
Trendwende geben. Aber schon bald hat mich die Realitaet eines
Besseren belehrt und ich habe meine Fehleinschaetzung
korrigieren muessen.

Aber es gibt noch immer viele Unbelehrbare, die daran glauben,
dass wir die guten spaeten 90er Jahre bald wieder haben
werden. Wie oft musste ich in den vergangenen Wochen
diskutieren, dass die Bereinigung einer Jahrhunderthausse
nicht binnen 2 1/2 Jahren abgehandelt sein kann. Im
Zahlendschungel vielleicht. Aber in der Psyche des Menschen
nicht.

Nicht der Markt bestimmt die Stimmung, sondern die Stimmung
bestimmt den Markt. Aber was beeinflusst die Stimmung? Angst
und Gier?

Unser Volk fuehlt sich stark: Wir haben nach dem 2. Weltkrieg
unser Land schneller aufgebaut und stiegen zu einer der
groessten Industrienationen auf. Wir haben die
Wiedervereinigung geschafft uns werden uns doch wohl heute
nicht von solchen Kleinigkeiten wie „Rezession“ beeindrucken
lassen, oder?

Da kann man nur sagen: Die Masse des Volkes, und damit auch
die von ihnen gewaehlten Vertreter (oder Politiker) kann nicht
erkennen, dass es Dinge gibt, die einer Realisierung eines
Wunsches entgegenstehen koennen, solange der Blick des
Einzelnen fuer das Unmoegliche verklaert ist.

Und das Individuum benoetigt Zeit, um sich selber mit all
seinen Verhaltensmustern und Charakterzuegen in
aussergewoehnlichen Situationen kennen zu lernen. Gier,
Faulheit, Euphorie, Illusion , Dummheit, Angst, Ignoranz,
Arroganz, ... Welchem dieser Probleme auch immer Sie erliegen
sollten: Die Boerse kennt einen Weg, um Ihnen ueber dieses
Problem viel Geld abzunehmen.

Ein weiterer Punkt, der mich nachdenklich stimmt: Im Rahmen
der Bekaempfung des Boesen haben die Amis viele Rechte der
persoenlichen Freiheit ausgehoehlt. Die Europaeer sind nicht
viel besser und haben einen Vorstoss im Bankensektor versucht:
Bestimmte Informationen ueber Kunden sollten meldepflichtig
werden. Gluecklicherweise haben die Schweiz und die Amerikaner
dies nicht unterstuetzt.

Aber, es stellt sich mir die grundsaetzliche Frage: Sind wir
ein Volk, dass sich seine Regierung schafft? Oder schafft
unsere Regierung ihr Volk? Haben wir noch die Faehigkeit,
unser System so hinzubiegen, wie wir es fuer richtig und
gerecht halten? Oder biegt unser System uns so hin, dass wir
in einst geschaffene Regeln passen?

Ein System, dass alle moeglichen moralischen Verfehlungen
ahndet oder gar von vornherein zu vermeiden versucht laesst
Kreativen nicht die notwendigen Freiraeume, um Neues zu
erforschen und auszuprobieren. Natuerlich gibt es immer wieder
Kreative, die das System zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen
(siehe Lay, Kozlowsky oder Whitman). Es gibt aber auch immer
wieder Erfolgsstories, die sich aus einer solchen Freiheit
entwickeln. Eines jedoch gibt es nicht: Einen Unternehmer, der
sein eigenes Kapital einsetzt und jedoch seinem Wettbewerber
saemtliche relevanten Informationen offen legt. Es muss eine
Grauzone geben.

Vor diesem Hintergrund sehe ich die Entwicklung in den USA
kritisch: Kozlowsky in Handschellen! Wirtschaftskriminalitaet
wird in den USA auf ein Niveau gehievt, das dem Mediengeschrei
waehrend der Hausse nahe kommt. Und damit soll nun das
Vertrauen der Anleger in die Boerse wieder hergestellt werden.
Schoen waere es, wenn es gelaenge.

Ich jedoch moechte mein Geld gerne demjenigen anvertrauen, der
in dem vorhandenen System die noch legalen Schlupfloecher
(Grauzone) besser als seine Wettbewerber fuer sich zu nutzen
weiss. Und da hilft eine Aufdeckungskampagne nicht.

Wir muessen uns also wieder auf die Bedeutung von Freiheit
besinnen: Die einzige Freiheit, die den Namen Freiheit
verdient, ist die, in der wir unser eigenes Glueck in unserer
eigenen Weise erstreben – solange wir nicht andere bei ihrem
Streben nach Glueck stoeren  oder ihnen irgendwelche
Vorschriften machen. Strafe fuer Verfehlungen ist gut, aber
daraus sollten nicht Verhaltensregeln fuer die Allgemeinheit
abgeleitet werden. Doch vor dieser Gefahr stehen die USA, und
teilweise auch Deutschland.  
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