Mails/Nachrichten vom 19.04.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
dieser Ticker ist die Ergänzung zur heutigen AB. Das Quartal der Wahrheit, wie ich es schon einmal genannt habe, liegt darin: Die zumeist alten Firmenzahlen für die Vergangenheit (inkl. I. Quartal) kollidieren jetzt mit den zumeist positiven Erwartungen für die kommenden 12 oder 24 Monate. Das ist für viele Aktionäre ein ganz schwieriges Minenfeld. Denn sämtliche Zahlen, die Sie zur Zeit lesen/hören, sind letztlich die Schlußphase der Rezession.
Auf der Seite 1 der heutigen AB berühre ich ein Thema, welches Sie mit den Zahlen von gestern aktuell überprüfen können. Ich warnte in der AB vor einer unkritischen Fokussierung auf Technologie. Sie können es nachvollziehen:
Microsoft nennt wahrlich bescheidene Zahlen. Die lasen Sie gestern abend oder heute morgen schon in der Presse. Für Sie gilt: Sind 414 Mrd $ Börsenwert „richtig“ für 32 Mrd $ Umsatz, der nur noch einstellig wächst, wobei der Gewinn noch schwächer zunimmt als der Umsatz? Beantworten Sie diese Frage selbst. Zweiter Fall: Daß die Nokia-Zahlen schlechter ausfallen würden, war wohl jedem klar, der einigermaßen nüchtern geblieben ist. Frage: Sind 100 Mrd E. Börsenwert richtig für 34 Mrd E. Handy-Umsatz? Auch diese Frage müssen Sie selbst beantworten, wenn Sie Nokia-Fan sind. Dritter Fall: Die SAP-Zahlen zeigen ein ähnliches Bild. Umsatz wächst schneller als der Gewinn, also nimmt die Gewinnqualität ab. Börsenwert 48 Mrd E. für 8,4 Mrd E. Jahresumsatz. Das ist die dritte Preisfrage.
Lächeln Sie nicht über den folgenden Vergleich, doch darin steckt viel Sinn: Für SAP bekommen Sie den ganzen MAN-Konzern 12 Mal. Sie lesen richtig. Dieser Gewinn wächst ähnlich wie der von SAP, immer auf Jahresbasis bezogen. Sie erhalten auch 6 Degussa-Konzerne, und weitere Beispiele könnte ich Ihnen nennen. Für Nokia bekommen Sie den ganzen Siemens-Konzern 1 ½ Mal, um in der Technologie zu bleiben, und für Microsoft den GM-Konzern gleich 12 Mal bzw. IBM drei Mal und Philip Morris knapp 4 Mal. Alle diese Oldies sind in der Gewinnqualität kaum noch schlechter als die genannten Titel.
Diese Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Die fairen Werte sehr vieler Technik-Konzerne liegen deutlich niedriger. Sie müssen nicht immer auf den Punkt genau erreicht werden, aber sie zeigen das Problem, mit dem die Märkte in den nächsten Monaten zu tun haben werden.
Ich möchte weder Warren Buffet zitieren oder die Weisheiten von Andre Kostolany: Ich halte einen hohen Anteil der Qualitäts-Aktien mit angemessener Bewertung weiterhin für die wichtigste strategische Entscheidung, die Sie auch jetzt noch treffen müssen. Zwei Worte habe ich bereits mehrfach dafür verwendet: Alle Technik-Aktien haben ein mehr oder weniger großes Erholungspotential, aber sehr geringes Trendpotential.
Die anderen haben ein gutes oder sehr gutes Trendpotential, aber ein verhältnismäßig geringes Erholungspotential.
Die schwierige Woche schließe ich also mit der Erkenntnis: Es war bisher gut, auf aktuelle Dispositionen zu verzichten. Ich warte stur, bis in ca. 2 Wochen ein ernsthafter Überblick möglich wird. Dafür gilt aber schon jetzt: Die Aktien, die trotz der „schwierigen“ Daten den Crash-Kurs vom September nicht unterboten haben/unterbieten, haben eine gute Chance für das beschriebene Erholungspotential. Das löst Kurschancen bis zu 50 % in den nächsten 2 - 3 Monaten aus, aber dann sind Gewinnmitnahmen absolut fällig. Denn dann wäre das Erholungspotential ausgeschöpft. Ihnen steht also ein sehr interessanter Sommer bevor.
Frankfurt wird diesem beschriebenen Rhythmus ebenfalls folgen. Zu den Technologie-Aktien im DAX gilt obiges ohnehin. Interessieren Sie sich eher für die, die keine Schlagzeilen liefern, aber per Saldo gut steigen. Bei der Markttechnik bitte beachten: Die Volatilität liegt bei 20/21 im DAX. Das ist ein gutes Zeichen und rechtfertigt keine besonderen Ängste. Daß die Nahost-Ereignisse in Deutschland stets eine besondere Resonanz finden, habe ich Ihnen seit Januar immer wieder „erzählt“. Auch das wird ein schwieriges Umfeld für die nächsten Monate. Beim Ölpreis kommt es darauf an, daß er nicht länger als 3 Monate das Niveau von 25 $ je Barrel übersteigt. Schwankungen des Ölpreises sind weniger wichtig. Würde aber dieses Preisniveau bis in den Sommer hinein bestehen bleiben, so liegt darin eine ernsthafte Konjunktur-Bremse.
Meine Ölspekulationen halte ich im übrigen ausschließlich aufrecht. Dazu die AB beachten. Gleiches gilt für die Energie-Spekulation, worauf ich in der heutigen AB noch einmal eingehe. Wichtiger:
Die dt. Chemie zeigt nach wie vor die beste Markttechnik. Degussa gestern + 2 %, Henkel erreichte 72 E. und sogar Bayer und BASF legen weiter zu. Fresenius Medical ist die weitere Empfehlung nebst Merck. Alle diese Aktien sind keine Renner, dafür verdienen Sie solides Geld.
Die zwei Ex-Monopolisten, Dt. Telekom und Dt. Post, haben die kritische Phase der erneuten Rückstufungen durch einige Analysten-Teams wohl überwunden. Was mich stört ist allerdings, daß bei ersteren noch immer Material herauskommt, und zwar aus den Beständen der ehemaligen Voicestream-Aktionäre. Bei Umsätzen von 19 Mio Stück ist die Bodenbildung bei 16/17 E. eine mühselige Sache. Das muß einfach abgewartet werden. Bei Dt. Post haben die Tagesumsätze schon wieder nachgegeben, die darauf beruhten, daß einige Fonds den kürzlichen Kritiken maßgeblicher Analyse-Teams gefolgt sind. Ich halte an meiner Einschätzung unverändert fest.
Die Autospekulation stellen Sie bitte etwas breiter auf, meine Zu-/Neukäufe in Beru erreichten bereits 61,90 E. Bitte AB der letzten Woche nachlesen. Die Zahlen von Kolbenschmidt Pierburg, die gestern herauskamen, liegen im gleichen Trend. Dann folgt Dürr als Auto-Ausrüster, siehe dazu gleichfalls die AB. Diese Aktie ist einer der interessantesten Titel dieser Art mit KGV 7 (!) und Weltmarktführer in der relevanten Technologie (Lackiererei).
Tokio hatte ich gestern bereits erwähnt und wiederhole dies heute. Beschränken Sie sich hier ausschließlich auf die Einschätzung der Markttechnik. In etwa 3 - 4 Wochen erwarte ich die ersten vorläufigen Zahlen für die Abschlüsse per 01.04.2002. Aber eine ganze Reihe qualitativ hochwertiger Titel signalisieren eine Ausgangslage, die sich so darstellt, wie in der AB auf Seite 8 dargestellt. Ich bitte um Beachtung.
Der Euro überschritt gestern 89 Cents. Ich erinnere an meine Überlegungen und Informationen sowie Eindrücke, die ich vor vier Wochen auf der Seite 1 der AB artikuliert hatte. Auch dies empfehle ich noch einmal zu lesen. Ergänzend dazu: Sollte sich der Eindruck in Amerika verstärken, daß die amerikanische Wettbewerbsposition zu verbessern sei, so werden die Amerikaner keine Hemmungen haben, den Dollar „etwas zurückzunehmen“. Schauen Sie sich dies in den Charts der vergangenen 20 Jahre einmal an.
Ich wünsche Ihnen damit ein schönes Wochenende und verbleibe bis Montag
herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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