Hans Bernecker: Richtige Zurückhaltung

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jack303:

Hans Bernecker: Richtige Zurückhaltung

 
10.07.02 10:51
Richtige Zurückhaltung  

Hans Bernecker: Richtige Zurückhaltung
Mails/Nachrichten vom 10.07.2002, Bernecker & Cie.

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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
das Zwischenergebnis zur Wochenmitte ist nach der technischen Hausse von Donnerstag/Freitag letzter Woche denkbar bescheiden. Meine Zurückhaltung war mithin richtig. Ich warte unverändert auf die Mehrzahl aller Zahlen zum Halbjahr, um ein einigermaßen vernünftiges Urteil über die Situation der Firmen zu erarbeiten. Das wird ebenfalls nicht leicht, hat aber Perspektive. Die zwei Ansätze dazu lesen Sie in der nächsten AB, wie schon gestern bemerkt. Sie sind zur Zeit die einzigen Denkansätze, die der Markt liefert. Dazu kommt:

Die Botschaft von Bush brachte keine Überraschung, aber eine typisch amerikanische Konsequenz: Nämlich schnelles Handeln. Das ist natürlich alles mit heißer Nadel gestrickt und deshalb nicht präzise, aber es wird etwas getan. Das halte ich für entscheidend. Berlin würde vermutlich erst einmal ein paar Kommissionen und Gutachter einsetzen, Anhörungen veranstalten, Gesetzesinitiativen diskutieren, drei Lesungen im Bundestag abhalten, um anschließend in den Schlichtungsausschuß zu marschieren. In der aktuellen Situation ist mir die Botschaft von Bush lieber, denn sie setzt Eckwerte.

Die Börsentendenz ändert sich vor diesem Hintergrund vorerst nicht. Aber die negative Tendenz der letzten 28 Monate, woraus eine der größten Baisseperioden der Geschichte wurde, erhält damit einen glaubwürdigen Endpunkt. Zum Hintergrund:

Die Arbeitsmarktdaten beiderseits des Atlantiks sind eine Richtlinie. Die Amerikaner legen Schritt für Schritt zu, wenn auch in geringem Tempo, wobei wichtig ist zu wissen: 90 % der Freisetzungen kommen noch aus der Hochtechnologie. 80 % der neuen Arbeitsstellen entstehen in anderen Sektoren. Vor fünf Jahren war es gerade umgekehrt, wie Sie sich vielleicht erinnern. In Deutschland ist eine echte Arbeitsplatzbeschaffung nicht drin. Das gilt trotz Hartz-Kommission und anderen Varianten. Darin dokumentiert sich die unterschiedliche Dynamik, die die Voraussetzung für eine konjunkturelle Erholung ist.

Ohne Zahlen geht keiner aus der Deckung. Das spürten Sie gestern durchweg. Die Hiobsbotschaft von WYETH (früher AMERICAN HOME) ist ein weiterer Baustein in der Pharmabaisse, die noch nicht zu Ende ist. Siehe dazu auch AB Nr. 26/02 mit der dort aufgeworfenen Fragestellung. Umgekehrt: DELL bleibt bei seiner bisher positiven Prognose, was den Kurs gerade halten kann. Das ist keine Kaufbasis.

Und dennoch: Die Markttechnik des Dow Jones zeigt eine durchaus überraschende, positive Konstellation seit etwa drei Tagen. Ich gebe zu, daß dies ebenso überraschend klingt wie noch etwas dürftig aussieht. Sie deckt sich übrigens sehr exakt mit der Lage im DAX. Beide erscheinen fast wie ein Zwilling. Wenn Sie mögen, rufen Sie diese beiden Grafiken per Fax bei mir ab. Anruf genügt. Ich habe die entsprechenden handschriftlichen Vermerke eingezeichnet.

Damit sind wir bei Frankfurt. Hauptthema ist natürlich DT. TELEKOM, und jetzt wird’s spannend. Ron Sommer wird gehen. Aber die Halbjahreszahlen belegen, was ich Ihnen in den letzten Wochen vorab berichtete: + 10 % im Umsatz, + 1 Mrd E. mehr Gewinn im Mobilfunk, gestoppter Abwärtstrend im Festnetz und Schuldenabbau auf 60 Mrd E. auf Jahresende retten Sommer zwar nicht mehr, aber die Entschuldungszahl ist noch nicht das letzte Wort. Gegenwärtig wird über KABEL TV intensiv verhandelt. Knackpunkt ist Voicestream, woran Sommer festhält, aber sein Nachfolger wohl kaum. Übrigens: Die Schuldenreduzierung um 3 Mrd E. per 30.06. erfolgte aus dem Free Cashflow und nicht aus Verkäufen. Meine Berechnung des fairen Wertes von DT. TELEKOM bleibt deshalb unverändert. Ganz heiß wird es jetzt für die Shorter. Der Xetra-Umsatz mit 42 Mio Stück zeigt es. Vielleicht blicken Sie noch einmal in die AB Nr. 25/02, wo ich Ihnen die Möglichkeit beschrieben habe, aus der Schieflage in dieser Aktie einen Vorteil zu ziehen. Auch das ist Börse. Ich halte diese Aktie deshalb für das aktuelle Führungspapier für den gesamten Markt.

Aufpassen bei DT. POST. Die Regulierungsbehörde möchte eine Portosenkung durchsetzen. Die Aktienrechtler stehen bereits Kopf. Darf eine solche Behörde mit folgender Begründung durchzusetzen versuchen: Die Post soll ihre Rationalisierungsfortschritte an die Endverbraucher weiterreichen und damit ein Signal für mehr Wettbewerb geben. DT. POST ist aber eine AG mit freien Aktionären. Die Regulierungsbehörde darf und kann eingreifen, wenn die Portofrage den unmittelbaren Wettbewerb berührt. Ich neige sehr dazu, diese Kontroverse für eine Spekulation zu nutzen. Siehe dazu nächste AB.

Meine Empfehlung heute: Schauen Sie auf diese zwei Aktien mit jeweiliger Mehrheit beim Bund. Ich halte sie für ganz bedeutsam dafür, ob die genannte DAX-Konstellation greifen kann. Tut sie es, sieht es sehr nach einer interessanten Rally aus. Das müßte sich in den nächsten Tagen entscheiden.

Nebenbei: Von allen Technologietiteln halten Sie sich bitte weiterhin fern. Es sei denn, Sie wollen ins Casino. Einzige Ausnahme im Kleinformat: IDS SCHEER (Neuer Markt) bringt heute morgen ein sehr solides Halbjahresergebnis. Umsatz 87 Mio E., was auf einen Jahresumsatz von etwa 180 Mio E. schließen läßt. Ebit-Marge verbessert sich von 5,9 % auf 9,2 %, so daß ein Kurs um 6 E. eine Börsenbewertung von etwa 200 Mio E. zuläßt, was ich für vertretbar halte. Vergleichen Sie diese Relation einmal mit dem noch immer bestehenden Traum der Amerikaner, aber auch einiger Deutscher, die ich ausdrücklich nicht nennen möchte.

Fazit: Was sich rechnet, ist ein Investment. Was sich nicht rechnet, bleibt ein Spiel.

Spannung beim Dollar. Schafft der Euro die Parität oder nicht. Es sieht nach einer Doppelspitze bei 0,9956 aus. Was das heißt, weiß jeder. Ich werte dies als einen Seismograph für die Marktentwicklung in den nächsten zwei bis drei Wochen.

Soviel für heute, bis morgen.

Herzlichst Ihr

Hans A. Bernecker
 




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thx, interessant o.T.

 
10.07.02 11:41
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