Jenseits von "embryonaler" und "adulter" Stammzellenforschung: Oliver Brüstle skizzierte in Berlin die Probleme der Eier-Ethik von morgen
Der Embryonale-Stammzellen-Forscher Oliver Brüstle erklärt, warum das Zusammenwachsen von "embryonaler" und "adulter" Stammzellen-Forschung am Menschen als möglicher "Königsweg" die "ethische Problematik" langfristig eliminieren wird - oder der Debatte noch einmal neuen Stoff bescheren wird. Der Adulte-Stammzellen-Forscher Konrad Beyreuther bekommt schon "Muffensausen" bei verbrauchender Eierforschung und berichtet von embryonalen Affenstammzellen, die ohne Befruchtung erzeugt wurden.
Bevor es in der Ethik-Debatte über adulte Stammzellen, embryonale Stammzellen und therapeutisches Klonen ans Diskutieren geht, muss zu aller erst ein Schnellkurs in Sachen Biotechnik absolviert werden, den die Wissenschaftsredakteure und Vortragsredner immer wieder aufs neue bereit halten. An dieses ungeschriebene Protokoll hielt sich auch der Neuropathologe und DFG-geförderte Embryonen-Importeur Oliver Brüstle, der sich mit dem Heidelberger Molekularbiologen und baden-württembergischen "Staatsrat für Lebens- und Gesundheitsschutz" im Rahmen der Vortragsreihe des Einstein-Forums auf dem Podium der Berliner Staatsbibliothek darüber stritt, wie weit man denn nun in der Stammzellentherapie gehen dürfe.
Wo sie herkommen, die embryonalen Stammzellen, was für Eigenschaften und welche Vorteile sie gegenüber adulten Stammzellen haben, und warum sie sich so hervorragend als Zellersatz in der Transplantationsmedizin eignen, auch welche Erfolge man schon mit der Verpflanzung menschlicher embryonalen Stammzellen in Mäuse hatte - wegen der "ethischen Problematik" hatte Brüstle für diese Versuche freilich in die USA gehen müssen- all dies war für die Zuhörer in zackig-perfektem Powerpoint-Format noch einmal aufbereitet worden.
Der Konflikt zwischen der Forschung mit embryonaler und mit adulten Stammzellen, der nicht zuletzt durch das Setting der Veranstaltung - Brüstle vs Beyreuther - noch einmal in Szene gesetzt worden war, sei, so erklärte Brüstle, in seinen Augen ein "Scheinkonflikt". Brüstle glaubt, dass zwar das (in England erlaubte) therapeutische Klonen allein aufgrund der dazu erforderlichen Anzahl von Eizellenspenden niemals klinisch eingesetzt werden kann. Gerade deshalb müsse nun auf dem Wege der Grundlagenforschung mit embryonalen Stammzellen nach Alternativen dafür gesucht werden.
Beim therapeutischen Klonen werden bekanntlich Gewebezellen von Patienten in entkernte Eizellen eingesetzt, so dass das Zytoplasma dieser Eizelle den Kern der Spenderzelle in ein früheres Stadium zurückversetzt - in einigen Fällen so früh, dass ein neues Individuum entstehen kann (wie bei Dolly). Um embryonale Stammzellen zu gewinnen, bricht man den Prozess im Blastozytenstadium ab. Der Kernprogrammierungs-Forschung, so Brüstle, gehe es nun darum, die Mechanismen der Programmierung im Eiplasma zu identifizieren - mit dem Ziel, sie langfristig direkt auf adulte Zellen anzuwenden, um von hier zu einem Stadium zu kommen, das dem pluripotenter Zellen wie embryonaler Stammzellen gleichkommt.
Ein solcher Entwicklungsstand der Adulte-Stammzellen-Forschung wäre aber, zumindest auf der Grundlage des heutigen Diskurses, alles andere als ethisch unbedenklich, worauf Brüstle nicht ohne Süffisanz hinwies:
"Ich glaube, dass gerade aus der adulten Stammzellenforschung und der Reprogrammierungsforschung Fragestellungen auf uns zukommen, die weit über das hinausgehen, was wir im Moment durchmachen, bei der Diskussion um embryonale Stammzellenforschung. "Das Potenzialitätsprinzip, auf das wir heute alles aufbauen, das heißt, dass jede Zelle, die das Potenzial hat, sich in ein Individuum weiter zu entwickeln, für uns ein Mensch ist, dem Menschenwürde zukommt, dieses Prinzip, glaube ich, wird in den nächsten Jahren herausgefordert werden. Und zwar nicht durch die embryonale Stammzellenforschung. Wenn es beispielsweise gelänge, die Faktoren XYZ aus der Eizelle zu identifizieren - und da geht ja die Forschung hin - und diese dann zu transplantieren in eine Hautzelle, wie es ja experimentell schon gemacht wird ... Dann hätten wir eine Zelle, die vielleicht pluri-, vielleicht aber auch totipotent ist. Beweisen werden wir es nie können, denn der Test auf Totipotenz verbietet sich beim Menschen. Wie gehen wir mit so einer reprogrammierten Hautzelle um: Messen wir der Menschenwürde bei?"
Man sieht: für Brüstle ist nicht nur die embryonale Stammzellenforschung eine Übergangslösung, auch die von ihm immer so betitelte "ethische Problematik" wird sich bei der Fusion von embryonaler und adulter Stammzellenforschung quasi von selbst destruieren.
Aber so weit muss man nicht voraus denken. Für Konrad Beyreuther, der übrigens auf den Vorschlag Brüstles hin als Co-Redner eingeladen worden war, genügt der Blick auf die bloße Menge der zur Forschung benötigten Embryonen, um sich von dem Projekt der embryonalen Stammzellenforschung zu distanzieren. "Für die Dolly hat man 200 Embryonen gebraucht, genauer gesagt, 160 oder 150...". Das Problem ist, wie bei anderen Transplantationen auch, die Abstoßung der Implantate. Um dieses zu lösen, könnte man den Menschen in dreitausend verschiedene Abstoßungstypen unterteilen - und ebenso viele Stammzellen-Linien herstellen. Um diese zu erzeugen, bräuchte man jedoch 600 000 bis 800 000 Eier.
Ob befruchtet oder nicht: Verbrauchende Eiforschung, so Beyreuther, bereite ihm Muffensausen und sei ihm genauso zuwider wie verbrauchende Embryonenforschung, und deshalb habe er sich entschieden, nur an erwachsenen Stammzellen zu forschen.
Dass es auch ohne befruchtete Eizellen und ergo ohne Embryonen bereits schaurig-huxleymäßig zugehen könne, demonstriert nicht zuletzt eine von Beyreuther zitierte Forschungsmeldung aus den USA. Wie New Scientist jüngst berichtete, ist es Wissenschaftlern in North Carolina gelungen, embryonale Stammzellen eines Affen zu erzeugen, ohne dazu ein potenzielles Lebewesen zerstören zu müssen: Man hat die Affenzelle einfach durch die Zugabe von Alkohol sich quasi selbst befruchten lassen. Genauer: Es wurde ein Prozess der Parthenogenese (Jungfernzeugung) eingeleitet, bei dem das Ei seinen Chromosomensatz verdoppelt, ohne sich zu teilen. Normalerweise ist eine solche Zelle zwar nicht überlebensfähig - etwas ähnliches wie Stammzellen können offenbar jedoch trotzdem daraus gewonnen werden.
Für die in Zukunft zu erwartenden Diskussionen über Eier-Ethik wird man sich auch mit solchen Techniken bald vertraut machen müssen.
Der Embryonale-Stammzellen-Forscher Oliver Brüstle erklärt, warum das Zusammenwachsen von "embryonaler" und "adulter" Stammzellen-Forschung am Menschen als möglicher "Königsweg" die "ethische Problematik" langfristig eliminieren wird - oder der Debatte noch einmal neuen Stoff bescheren wird. Der Adulte-Stammzellen-Forscher Konrad Beyreuther bekommt schon "Muffensausen" bei verbrauchender Eierforschung und berichtet von embryonalen Affenstammzellen, die ohne Befruchtung erzeugt wurden.
Bevor es in der Ethik-Debatte über adulte Stammzellen, embryonale Stammzellen und therapeutisches Klonen ans Diskutieren geht, muss zu aller erst ein Schnellkurs in Sachen Biotechnik absolviert werden, den die Wissenschaftsredakteure und Vortragsredner immer wieder aufs neue bereit halten. An dieses ungeschriebene Protokoll hielt sich auch der Neuropathologe und DFG-geförderte Embryonen-Importeur Oliver Brüstle, der sich mit dem Heidelberger Molekularbiologen und baden-württembergischen "Staatsrat für Lebens- und Gesundheitsschutz" im Rahmen der Vortragsreihe des Einstein-Forums auf dem Podium der Berliner Staatsbibliothek darüber stritt, wie weit man denn nun in der Stammzellentherapie gehen dürfe.
Wo sie herkommen, die embryonalen Stammzellen, was für Eigenschaften und welche Vorteile sie gegenüber adulten Stammzellen haben, und warum sie sich so hervorragend als Zellersatz in der Transplantationsmedizin eignen, auch welche Erfolge man schon mit der Verpflanzung menschlicher embryonalen Stammzellen in Mäuse hatte - wegen der "ethischen Problematik" hatte Brüstle für diese Versuche freilich in die USA gehen müssen- all dies war für die Zuhörer in zackig-perfektem Powerpoint-Format noch einmal aufbereitet worden.
Der Konflikt zwischen der Forschung mit embryonaler und mit adulten Stammzellen, der nicht zuletzt durch das Setting der Veranstaltung - Brüstle vs Beyreuther - noch einmal in Szene gesetzt worden war, sei, so erklärte Brüstle, in seinen Augen ein "Scheinkonflikt". Brüstle glaubt, dass zwar das (in England erlaubte) therapeutische Klonen allein aufgrund der dazu erforderlichen Anzahl von Eizellenspenden niemals klinisch eingesetzt werden kann. Gerade deshalb müsse nun auf dem Wege der Grundlagenforschung mit embryonalen Stammzellen nach Alternativen dafür gesucht werden.
Beim therapeutischen Klonen werden bekanntlich Gewebezellen von Patienten in entkernte Eizellen eingesetzt, so dass das Zytoplasma dieser Eizelle den Kern der Spenderzelle in ein früheres Stadium zurückversetzt - in einigen Fällen so früh, dass ein neues Individuum entstehen kann (wie bei Dolly). Um embryonale Stammzellen zu gewinnen, bricht man den Prozess im Blastozytenstadium ab. Der Kernprogrammierungs-Forschung, so Brüstle, gehe es nun darum, die Mechanismen der Programmierung im Eiplasma zu identifizieren - mit dem Ziel, sie langfristig direkt auf adulte Zellen anzuwenden, um von hier zu einem Stadium zu kommen, das dem pluripotenter Zellen wie embryonaler Stammzellen gleichkommt.
Ein solcher Entwicklungsstand der Adulte-Stammzellen-Forschung wäre aber, zumindest auf der Grundlage des heutigen Diskurses, alles andere als ethisch unbedenklich, worauf Brüstle nicht ohne Süffisanz hinwies:
"Ich glaube, dass gerade aus der adulten Stammzellenforschung und der Reprogrammierungsforschung Fragestellungen auf uns zukommen, die weit über das hinausgehen, was wir im Moment durchmachen, bei der Diskussion um embryonale Stammzellenforschung. "Das Potenzialitätsprinzip, auf das wir heute alles aufbauen, das heißt, dass jede Zelle, die das Potenzial hat, sich in ein Individuum weiter zu entwickeln, für uns ein Mensch ist, dem Menschenwürde zukommt, dieses Prinzip, glaube ich, wird in den nächsten Jahren herausgefordert werden. Und zwar nicht durch die embryonale Stammzellenforschung. Wenn es beispielsweise gelänge, die Faktoren XYZ aus der Eizelle zu identifizieren - und da geht ja die Forschung hin - und diese dann zu transplantieren in eine Hautzelle, wie es ja experimentell schon gemacht wird ... Dann hätten wir eine Zelle, die vielleicht pluri-, vielleicht aber auch totipotent ist. Beweisen werden wir es nie können, denn der Test auf Totipotenz verbietet sich beim Menschen. Wie gehen wir mit so einer reprogrammierten Hautzelle um: Messen wir der Menschenwürde bei?"
Man sieht: für Brüstle ist nicht nur die embryonale Stammzellenforschung eine Übergangslösung, auch die von ihm immer so betitelte "ethische Problematik" wird sich bei der Fusion von embryonaler und adulter Stammzellenforschung quasi von selbst destruieren.
Aber so weit muss man nicht voraus denken. Für Konrad Beyreuther, der übrigens auf den Vorschlag Brüstles hin als Co-Redner eingeladen worden war, genügt der Blick auf die bloße Menge der zur Forschung benötigten Embryonen, um sich von dem Projekt der embryonalen Stammzellenforschung zu distanzieren. "Für die Dolly hat man 200 Embryonen gebraucht, genauer gesagt, 160 oder 150...". Das Problem ist, wie bei anderen Transplantationen auch, die Abstoßung der Implantate. Um dieses zu lösen, könnte man den Menschen in dreitausend verschiedene Abstoßungstypen unterteilen - und ebenso viele Stammzellen-Linien herstellen. Um diese zu erzeugen, bräuchte man jedoch 600 000 bis 800 000 Eier.
Ob befruchtet oder nicht: Verbrauchende Eiforschung, so Beyreuther, bereite ihm Muffensausen und sei ihm genauso zuwider wie verbrauchende Embryonenforschung, und deshalb habe er sich entschieden, nur an erwachsenen Stammzellen zu forschen.
Dass es auch ohne befruchtete Eizellen und ergo ohne Embryonen bereits schaurig-huxleymäßig zugehen könne, demonstriert nicht zuletzt eine von Beyreuther zitierte Forschungsmeldung aus den USA. Wie New Scientist jüngst berichtete, ist es Wissenschaftlern in North Carolina gelungen, embryonale Stammzellen eines Affen zu erzeugen, ohne dazu ein potenzielles Lebewesen zerstören zu müssen: Man hat die Affenzelle einfach durch die Zugabe von Alkohol sich quasi selbst befruchten lassen. Genauer: Es wurde ein Prozess der Parthenogenese (Jungfernzeugung) eingeleitet, bei dem das Ei seinen Chromosomensatz verdoppelt, ohne sich zu teilen. Normalerweise ist eine solche Zelle zwar nicht überlebensfähig - etwas ähnliches wie Stammzellen können offenbar jedoch trotzdem daraus gewonnen werden.
Für die in Zukunft zu erwartenden Diskussionen über Eier-Ethik wird man sich auch mit solchen Techniken bald vertraut machen müssen.