US-Technologiefirmen
Gute Zahlen reichen Investoren nicht
Börse paradox: Viele sehr gute Quartalsdaten von US-Technologiekonzernen haben negative Kursreaktionen zur Folge. Viele der betroffenen Firmen konnten Gewinne und Umsätze kräftig steigern, blieben aber unter den hohen Erwartungen.
DÜSSELDORF. Die Rechnung scheint verlockend simpel: Reagiert die Börse negativ, müssen die Quartalszahlen schlecht sein. Steigen die Kurse, sollte auch die Bilanz gut sein. Doch so einfach ist es diesmal nicht: Viele sehr gute Quartalsdaten von US-Technologiekonzernen haben entgegengesetzte Kursreaktionen zur Folge. Auch in der neuen Woche dürfte es dafür wieder einige Beispiele geben, wenn viele US-Unternehmen über ihr viertes Quartal berichten. Der Grund liegt weniger in den Zahlen an sich, sondern in den sehr unterschiedlichen Firmenbewertungen an der Börse.
Motorola beispielsweise steigerte den Nettogewinn im vierten Quartal vor allem dank besonders flacher Handys um 80 Prozent auf 1,2 Mrd. Dollar. Der Umsatz legte knapp 20 Prozent auf 10,4 Mrd. Dollar zu. Im Schlussquartal lieferte der zweitgrößte Hersteller von Mobiltelefonen 44,7 Mill. Handys aus – so viele wie noch nie. An der Börse brach die Aktie am Freitag jedoch um gut sechs Prozent ein. Der Ausblick des Konzerns bietet dafür keine Erklärung: Im angelaufenen ersten Quartal erwartet Motorola einen Umsatz von 9,3 bis 9,5 Mrd. Dollar. Das ist geringfügig weniger, als Analysten erwartet haben. Im Vergleich zum traditionell starken Jahresschlussquartal ist das aber sehr viel und rechtfertigt nicht die herben Kursverluste.
„Gut ist eben nicht gut genug, wenn die Leute etwas Großartiges erwarten“, sagte Analyst Albert Lin vom Analysehaus American Technology. Das Problem Motorolas ist die Bewertung. Investoren bezahlen das Unternehmen mit seinem 28-fachen Jahresgewinn. Ganz anders sieht es bei Nokia aus. Für den Weltmarktführer blättern Anleger nur den 22-fachen Jahresgewinn hin. Nokia präsentiert seine Bilanz am Donnerstag.
Das Beispiel lässt sich auf viele Unternehmen übertragen. Die meisten Firmen glänzten mit rasanten Zuwächsen bei Umsatz und Gewinn. Doch die Reaktionen an der Börse konnten kaum unterschiedlicher sein. So legte die Aktie des Computerkonzerns IBM gegen den schwachen Gesamttrend zu, obwohl die Umsätze um zwölf Prozent und sogar stärker als erwartet gesunken waren. Auffällig ist aber, dass Investoren für „Big Blue“ nur den 18-fachen Jahresgewinn bezahlen. Das ist für die Branche und dazu noch einen Trendsetter wenig.
Ganz anders bei Yahoo. Der Internetspezialist steigerte im vierten Quartal den Gewinn um 25 Prozent, doch die Aktie brach um 13 Prozent ein. „Was Yahoo dem Nutzer anbietet, ist einzigartig. Doch die Aktie ist überbewertet“, sagte Scott Devitt, Analyst beim Brokerhaus Stifel Nicolaus. Anleger bezahlen Yahoo derzeit mit dem 109-fachen Jahresgewinn. Daran gemessen ist das Gewinnplus zu niedrig.
Noch dünner ist die Luft für Google. Zwar wird das Unternehmen am 31. Januar vermutlich stärkere Zuwächse als Yahoo ausweisen. Doch Investoren bezahlen die Suchmaschine mit dem 165-fachen Jahresgewinn. Sollten die Daten oder der Ausblick nur kleinste Wünsche offen lassen, drohen Kursverluste.
Derart hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse wie bei Yahoo und Google sind seit dem Platzen der Technologieblase selten und auf wenige Technologiefirmen beschränkt. Vor sechs Jahren, als die Börsen in Europa und den USA auf Rekordhochs notierten, waren solche Bewertungen noch üblich. Damals kosteten die Unternehmen durchschnittlich den 65-fachen Jahresgewinn. Seit Anfang 2005 bezahlen Investoren aber nur noch den 20 bis 25-fachen Jahresgewinn. Das ist so wenig wie zuletzt Mitte der neunziger Jahre. Kostete beispielsweise Microsoft Anfang 2000 den 83-fachen Jahresgewinn, so ist es derzeit nur noch 20 mal so viel. Der Software- und Computerspezialist ist inzwischen ähnlich wie ein „reifes“ Unternehmen in der Pharma, Elektro- oder Nahrungsmittelbranche bewertet.
Derartige Vergleiche zeigen, dass die große Masse der Technologie-Unternehmen trotz der Kurssteigerungen in den letzten zweieinhalb Jahren immer noch moderat bewertet sind. Der Grund: Die Firmengewinne legten in den vergangenen Jahren ebenfalls kräftig zu. Doch Ausreißer wie Google und Yahoo, aber auch das Netzwerkunternehmen Sun mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 109 erinnern an die Boomzeiten. Wenn Anleger am morgigen Dienstag bei Sun sehr gute Ergebnisse nicht honorieren sollten, dann sind weniger die Quartalsbilanzen und mehr die Bewertungen Schuld.
Daneben belasten aber auch hohe Erwartungen. So hatte Intel noch im November Umsätze prognostiziert, die der Chiphersteller dann in der vergangenen Woche nicht erfüllen konnte. Als Trendsetter belastete Intel damit die gesamte Technologiebranche. Vom Finanzdatenspezialisten Thomson Financial befragte Analysten gehen davon aus, dass die US-Technologiebranche insgesamt im vierten Quartal 17 Prozent – und damit stärker als fast alle anderen Segmente – zulegen wird. Dieser Wert ist aber 2006 kaum zu halten. „Der Konjunkturzyklus ist in den USA bereits sehr weit fortgeschritten“, warnt Christian Kahler von der DZ-Bank vor einer Abschwächung.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 23. Januar 2006, 09:46 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Gute Zahlen reichen Investoren nicht
Börse paradox: Viele sehr gute Quartalsdaten von US-Technologiekonzernen haben negative Kursreaktionen zur Folge. Viele der betroffenen Firmen konnten Gewinne und Umsätze kräftig steigern, blieben aber unter den hohen Erwartungen.
DÜSSELDORF. Die Rechnung scheint verlockend simpel: Reagiert die Börse negativ, müssen die Quartalszahlen schlecht sein. Steigen die Kurse, sollte auch die Bilanz gut sein. Doch so einfach ist es diesmal nicht: Viele sehr gute Quartalsdaten von US-Technologiekonzernen haben entgegengesetzte Kursreaktionen zur Folge. Auch in der neuen Woche dürfte es dafür wieder einige Beispiele geben, wenn viele US-Unternehmen über ihr viertes Quartal berichten. Der Grund liegt weniger in den Zahlen an sich, sondern in den sehr unterschiedlichen Firmenbewertungen an der Börse.
Motorola beispielsweise steigerte den Nettogewinn im vierten Quartal vor allem dank besonders flacher Handys um 80 Prozent auf 1,2 Mrd. Dollar. Der Umsatz legte knapp 20 Prozent auf 10,4 Mrd. Dollar zu. Im Schlussquartal lieferte der zweitgrößte Hersteller von Mobiltelefonen 44,7 Mill. Handys aus – so viele wie noch nie. An der Börse brach die Aktie am Freitag jedoch um gut sechs Prozent ein. Der Ausblick des Konzerns bietet dafür keine Erklärung: Im angelaufenen ersten Quartal erwartet Motorola einen Umsatz von 9,3 bis 9,5 Mrd. Dollar. Das ist geringfügig weniger, als Analysten erwartet haben. Im Vergleich zum traditionell starken Jahresschlussquartal ist das aber sehr viel und rechtfertigt nicht die herben Kursverluste.
„Gut ist eben nicht gut genug, wenn die Leute etwas Großartiges erwarten“, sagte Analyst Albert Lin vom Analysehaus American Technology. Das Problem Motorolas ist die Bewertung. Investoren bezahlen das Unternehmen mit seinem 28-fachen Jahresgewinn. Ganz anders sieht es bei Nokia aus. Für den Weltmarktführer blättern Anleger nur den 22-fachen Jahresgewinn hin. Nokia präsentiert seine Bilanz am Donnerstag.
Das Beispiel lässt sich auf viele Unternehmen übertragen. Die meisten Firmen glänzten mit rasanten Zuwächsen bei Umsatz und Gewinn. Doch die Reaktionen an der Börse konnten kaum unterschiedlicher sein. So legte die Aktie des Computerkonzerns IBM gegen den schwachen Gesamttrend zu, obwohl die Umsätze um zwölf Prozent und sogar stärker als erwartet gesunken waren. Auffällig ist aber, dass Investoren für „Big Blue“ nur den 18-fachen Jahresgewinn bezahlen. Das ist für die Branche und dazu noch einen Trendsetter wenig.
Ganz anders bei Yahoo. Der Internetspezialist steigerte im vierten Quartal den Gewinn um 25 Prozent, doch die Aktie brach um 13 Prozent ein. „Was Yahoo dem Nutzer anbietet, ist einzigartig. Doch die Aktie ist überbewertet“, sagte Scott Devitt, Analyst beim Brokerhaus Stifel Nicolaus. Anleger bezahlen Yahoo derzeit mit dem 109-fachen Jahresgewinn. Daran gemessen ist das Gewinnplus zu niedrig.
Noch dünner ist die Luft für Google. Zwar wird das Unternehmen am 31. Januar vermutlich stärkere Zuwächse als Yahoo ausweisen. Doch Investoren bezahlen die Suchmaschine mit dem 165-fachen Jahresgewinn. Sollten die Daten oder der Ausblick nur kleinste Wünsche offen lassen, drohen Kursverluste.
Derart hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse wie bei Yahoo und Google sind seit dem Platzen der Technologieblase selten und auf wenige Technologiefirmen beschränkt. Vor sechs Jahren, als die Börsen in Europa und den USA auf Rekordhochs notierten, waren solche Bewertungen noch üblich. Damals kosteten die Unternehmen durchschnittlich den 65-fachen Jahresgewinn. Seit Anfang 2005 bezahlen Investoren aber nur noch den 20 bis 25-fachen Jahresgewinn. Das ist so wenig wie zuletzt Mitte der neunziger Jahre. Kostete beispielsweise Microsoft Anfang 2000 den 83-fachen Jahresgewinn, so ist es derzeit nur noch 20 mal so viel. Der Software- und Computerspezialist ist inzwischen ähnlich wie ein „reifes“ Unternehmen in der Pharma, Elektro- oder Nahrungsmittelbranche bewertet.
Derartige Vergleiche zeigen, dass die große Masse der Technologie-Unternehmen trotz der Kurssteigerungen in den letzten zweieinhalb Jahren immer noch moderat bewertet sind. Der Grund: Die Firmengewinne legten in den vergangenen Jahren ebenfalls kräftig zu. Doch Ausreißer wie Google und Yahoo, aber auch das Netzwerkunternehmen Sun mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 109 erinnern an die Boomzeiten. Wenn Anleger am morgigen Dienstag bei Sun sehr gute Ergebnisse nicht honorieren sollten, dann sind weniger die Quartalsbilanzen und mehr die Bewertungen Schuld.
Daneben belasten aber auch hohe Erwartungen. So hatte Intel noch im November Umsätze prognostiziert, die der Chiphersteller dann in der vergangenen Woche nicht erfüllen konnte. Als Trendsetter belastete Intel damit die gesamte Technologiebranche. Vom Finanzdatenspezialisten Thomson Financial befragte Analysten gehen davon aus, dass die US-Technologiebranche insgesamt im vierten Quartal 17 Prozent – und damit stärker als fast alle anderen Segmente – zulegen wird. Dieser Wert ist aber 2006 kaum zu halten. „Der Konjunkturzyklus ist in den USA bereits sehr weit fortgeschritten“, warnt Christian Kahler von der DZ-Bank vor einer Abschwächung.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 23. Januar 2006, 09:46 Uhr
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Der Einsame Samariter