Go, Ossi, Go !

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Waleshark:

Go, Ossi, Go !

 
07.11.04 17:36
   
 
 


News - 07.11.04  16:39


Kolumne: Go, Ossi, go!
 
Der Osten hat nichts mehr zu verlieren: Er sollte endlich kämpfen und den Westen herausfordern.


Solche Teenager gibt es nur hier zu Lande: Gerade mal 15 Jahre im gesamtdeutschen Staatenbund, werden die Ostdeutschen morgen pflichtschuldigst ihren Dank an den Westen und seine 1250 Transfermilliarden zu Protokoll geben. Ein paar Fahnen werden aufgezogen, ein paar staatstragende Reden geschwungen - und die Fäuste werden allenfalls im Verborgenen geballt.

Das mag wohlerzogen sein. Vernünftig ist es nicht. Jetzt, mitten in der Pubertät, haben die Neudeutschen die letzte Chance, so richtig rotzig zu sein. Zu verlieren hat Ostdeutschland ohnehin nichts mehr. 15 Jahre nach dem Mauerfall sind die Städte zwar renoviert, die Autobahnen gebaut, aber die Seelen und der Spirit der Menschen scheinen verödet zu sein. Also auf in den Kampf: Würgt uns arroganten Wessis mal so richtig eins rein, liebe Ossis.

Sie zum Beispiel, sehr verehrter Herr Ministerpräsident Dieter Althaus: Warum schreiben Sie nicht allen Vorstandsvorsitzenden großer Automobilkonzerne und -zulieferer einen netten Brief, in dem sie auf die dramatischen Wettbewerbsvorteile eines Standorts wie Eisenach gegenüber Bochum und Rüsselsheim hinweisen? Mehrere hundert Euro weniger Lohn im Monat, rundum flexible Arbeitszeiten, eine junge, mit staatlichen Geldern ausgebildete Belegschaft, kaum Gewerkschaftseinfluss? Sie sind sich zu fein dazu? Das tut man nicht, wenn einen die Brüder und Schwestern im Westen mit Hunderten von Transfermillionen im Jahr subventionieren?

Legen Sie Ihre Scheu ab. Die Mehrheit der Westdeutschen ist an der Vollendung der Einheit ohnehin nicht wirklich interessiert und hat eine eher geringe Meinung von den ostdeutschen Brüdern und Schwestern. Wenn Sie deren Achtung erringen wollen, können Sie das nicht mit Demut, sondern nur mit Erfolgen tun.


Genehmigungen sofort


Warum ist im Westen nahezu unbekannt, dass internationale Großkonzerne in und um Dresden bereits über 8000 global konkurrenzfähige Arbeitsplätze in der Informationstechnologie geschaffen haben? Greifen Sie an, sehr verehrter Ministerpräsident Georg Milbradt: Lassen Sie keine Kamera aus, um diese Botschaft in die Hirne aller 82 Millionen Deutschen zu bekommen. Und fügen Sie gleich hinzu, dass Sie persönlich dafür bürgen, dass ansiedlungswillige Unternehmer innerhalb von vier Wochen alle Genehmigungen bekommen - in allen sächsischen Gemeinden.

Und Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident Matthias Platzeck: Schmeißen Sie zwei Drittel der 80.000 Paragrafen auf den Müll, die Ihnen die westdeutschen Bürokraten übergestülpt haben. Erklären Sie Brandenburg zur bürokratiefreien Zone. Ab sofort, ab dem 9. November 2004. Schon klar, dass dies nicht funktionieren wird, aber was für eine Welle würde das in den Medien geben! Der unerschrockene Deichgraf kämpft gegen die Flutwelle von Gesetzen und Vorschriften, die uns allen das Leben so sehr schwer macht. Wir würden Sie lieben, Herr Platzeck - vermutlich sogar ein paar Westdeutsche.

Kommen wir zu den Bindestrich-Ländern, die sich eigentlich schon wegen ihres Namens fast ausgeknockt haben. Sachsen-Anhalt, welch ein Graus. Keine Thüringer Rostbratwurst, kein Dresdner Stollen, keine Möglichkeit zur Identifikation. Aber immerhin: Wolfgang Böhmer, der Gynäkologe und eher zufällige Ministerpräsident, der deshalb die Situation um so ehrlicher und schonungsloser analysieren könnte.


Einfach losfahren


Langen Sie also zu, sehr verehrter Herr Böhmer: Erklären Sie den Wessis, dass Ihr grüner Rechtsabbiegepfeil auch den westdeutschen Straßenverkehr sehr viel problemloser machen würde. Ist nicht so schwierig: Einfach bei roter Ampel fahren, wenn die Straße frei ist. Das müsste eigentlich auch der dümmste Wessi begreifen können. Vielleicht muss vorher noch eine Studie her, wie viele Minuten an Kreuzungen, die man sinnlos wartet, so verhindert werden können. Und dann erst das von Ihnen so geschätzte ostdeutsche Gesundheitswesen: Da hat die Aachenerin Ulla Schmidt doch richtig ordentlich abgekupfert, oder nicht? Reiben Sie es Ihr unter die Nase - und dem Rest der Nation gleich mit.

Dem sehr verehrten Herrn Ministerpräsidenten Harald Ringstorff wäre eher zu empfehlen, eine Einladung auszusprechen: Wo sonst kann man in Deutschland so angenehm leben wie im reizarmen Klima Mecklenburg-Vorpommerns? Vergessen Sie die Pommes-Frites-Fabriken, konzentrieren Sie all Ihr Tun auf die Freizeit- und Seniorenindustrie. Machen Sie aus Ihrem Land das Altenheim Deutschlands! Bauen Sie Heiligendamms für alle Geldbeutelklassen. Wenn Ihre sturen Mecklenburger nicht mitziehen, holen Sie halt Pflegekräfte aus Polen ins Land. Dass Deutschland altert und vergreist, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Warum sollten die tausend Seen, die unzerstörte Natur und die hübschen Dörfer Meckpomms davon nicht profitieren?

Sie sehen, meine Herren, Ideen gibt es genug. Sie kosten auch gar nicht so viel. Nur Mut. Zu verlieren haben Sie nichts. Zu gewinnen alles: Wenn Sie erfolgreich sind, werden Ihre westdeutschen Landsleute Sie fürchten. Und Ihre ostdeutschen Landeskinder werden Sie achten - weil Sie zwar nicht allen von Ihnen neue Jobs, aber doch immerhin neues Selbstvertrauen zurückgegeben haben.

Margaret Heckel leitet das FTD-Politikressort. Sie schreibt jeden zweiten Montag an dieser Stelle.



Quelle: Financial Times Deutschland

 
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