Wer sein Geld erfolgreich anlegen will, muss die Finanzmärkte analysieren. Der erfolgreiche US-Investor Warren Buffett schwört auf das Buch von Benjamin Graham "Geheimnisse der Wertpapieranalyse".
Finanzanalyse
Finanzanalyse hat für das Investieren die Aufgabe, zu liefern und Vorhersagen zu treffen. Sie liefert Informationen über Vergangenheit und Gegenwart und quantifiziert Erwartungen für die Zukunft. Entscheidungen über den Kapitaleinsatz, über die Finanzpolitik einer Gesellschaft und informierte Auswahl von Wertpapieren für Investmentzwecke sind alles Ergebnisse der Finanzanalyse. Zu den analytischen Hilfsmittel, die für diese Zwecke mobilisiert werden, gehören Analysen der (Gesamt) Wirtschaft, des Kapitalmarktes, einzelner Sektoren und spezifischer Wertpapiere.
Wirtschaftsanalyse liefert sowohl kurzfristige (die nächsten vier bis acht Quartale) als auch längerfristige (die nächsten fünf Jahre oder mehr) Projektionen für die gesamte Volkswirtschaft. Dabei geht es um den Ausstoß an Gütern und Dienstleistungen (Sozialprodukt), die Inflation, die Gewinne, die monetäre- und Fiskalpolitik sowie die Produktivität. Sie legt damit die Grundlage für die Zukunftsschätzung in bezug auf Kapitalmarkt, einzelne Sektoren, Industriezweige und einzelne Gesellschaften.
Kapitalmarktanalyse
Kapitalmarktanalyse entwickelt vor allem für die Aktien- und Obligationenmärkte Schätzungen über den Wert und Ertrag. Schätzungen in bezug auf den Aktienmarkt werden für diesen insgesamt entwickelt, wie er durch die bekannten Indizes repräsentiert wird. Schätzungen für den Obligationenmarkt beziehen sich auf das allgemeine Niveau und die Zeitstruktur von Zinssätzen, ferner erwartete Ertragsunterschiede, wie sie sich aus dem Risiko von Kursschwankungen und der Zahlungsfähigkeit des Schuldner ergeben.
Wertpapieranalyse untersucht Industriezweige und Wertpapiere einzelner Gesellschaften – in erster Linie, um die Erwartungen über ihren Wert und Ertrag zu entwickeln und dadurch zu hoch notierte Papiere von den zu niedrig notierten zu unterscheiden.
Sektoranalyse
Zwischen Kapitalmarkt- und Wertpapieranalyse – mit einigen Wesenszügen von beiden – liegt die Sektoranalyse (die auch "Analyse von Wertpapieren mit gemeinsamem Faktor" – "Common Factor Analysis" – genannt wird). Breiter angelegt als Industrie- und Gesellschaftsanalyse kann Sektoranalyse als Brücke zwischen Kapitalmarkt- und Wertpapieranalyse angesehen werden. Im Zusammenhang mit dem Aktienmarkt bestehen Sektoren aus größeren Aktiengruppierungen, die mehrere Industrien ganz oder nur in Ausschnitten umfassen (z.B. entsprechend einem Wirtschaftssektor, nach ihren Wachstumsraten oder der zyklischen Natur ihrer Gewinne).
Wertpapieranalyse entwickelt und präsentiert die Fakten, die für Aktien oder Obligationen wichtig sind, in einer Weise, die den Investor am besten informiert und ihm am nützlichsten ist. Außerdem sucht eine Analyse aus den Fakten und den einschlägigen Standards verlässliche Schlüsse über den inneren Wert und die Risikocharakteristiken eines Wertpapiers zu gewinnen.
Aus diesen Informationen sowie Annahmen über den Zeitraum, bis Kurs und Wert zusammenlaufen werden, kann der Analyst die von einer Aktie zu erwartende Rendite zum augenblicklichen Börsenkurs bestimmen und sich ein gewisses Bild über die Wahrscheinlichkeit machen, dass der erwartete Gewinn tatsächlich eintreten wird. Auf diese Weise liefert die Wertpapieranalyse die Basis, um unter verschiedenen Möglichkeiten einzelner Aktien zum Kauf oder Verkauf auszuwählen. (...)
Die drei Funktionen der Wertpapieranalyse
Die drei Funktionen der Wertpapieranalyse, wie sie in den folgenden Abschnitten im einzelnen behandelt werden, kann man wie folgt kennzeichnen: Beschreibung, Bewertung, Kritik.
Die beschreibende Funktion
Die beschreibende Analyse fasst die für die Aktie wichtigsten Tatsachen zusammen, analysiert sie, interpretiert sie und präsentiert diese Informationen in einer zusammenhängenden, leicht verständlichen Form. Erfolg und Geschicklichkeit, mit der Analyse in dieser beschreibenden Funktion betrieben wird, sind unterschiedlich. Die allereinfachste beschreibende Analyse findet man in den bekannten und unentbehrlichen statistischen Darstellungen der verschiedenen Wertpapierhandbücher und ähnlicher beschreibender Dienste. Hierbei handelt der Analyst mehr als Reporter denn als Analyst. (...)
Eine gründliche beschreibende Analyse muss weitergehen als lediglich die berichteten Zahlen wiederzugeben. In vielen Fällen wird der Analyst verschiedene Anpassungen vornehmen müssen, um für die untersuchten Jahre den Zusammenhang und die Bedeutung der Geschäftsergebnisse besser darzustellen und die Daten für eine Anzahl von Gesellschaften vergleichbar zu machen. (...)
Detaillierte Vergleiche von Gesellschaften im selben Industriezweig gehören ebenfalls hierher. Besonders wichtig ist , dass die beschreibende Analyse die Ertragskraft oder die Fähigkeit, Dividende zu zahlen, in die Zukunft projiziert und sich dabei auf eine spezielle Gruppe (oder Gruppen) von gesamtwirtschaftlichen Annahmen stützt.
Die Bewertungsfunktion
Die zweite Aufgabe der Wertpapieranalyse besteht darin, Schätzungen über den Wert von Aktie und Obligationen zu entwickeln. Erfahrene Analysten sollten in der Lage sein, ein Urteil über die relative Attraktivität der untersuchten Wertpapiere für Investments abzugeben.
Viele Laien glauben, dass erfahrene Wertpapieranalysten, die ihr Geld wert sind, jederzeit verlässliche Schätzungen für jede Aktie oder Obligation entwickeln könnten; dieser Glaube ist weit von der Wahrheit entfernt. Gewisse Zeiten und gewisse Situationen am Wertpapiermarkt sind günstig für ein gesundes analytisches Urteil. In anderen Situationen mag der Analyst nur in bescheidenem Ausmaße in der Lage sein, ein qualifizierte Urteil abzugeben. Noch andere mögen so spekulativ sein, dass Untersuchungen und Schlussfolgerungen des Analysten, obwohl besser als gar nichts, einem so hohen Maße von Ungewissheit unterliegen, dass sie von wenig verlässlichem Wert sind.
Die kritisierende Funktion
Der Analyst hat neben der Bewertung und der Auswahl von Wertpapieren die Aufgabe der Unternehmenskritik. Insoweit fällt ihm eine Führungsrolle zu, und er liefert einen Beitrag zu Finanzwissenschaft und zum Finanzwesen. Breitgefächerte Erfahrung in der Analyse und Bewertung von Wertpapieren sollte dem Analysten den Blick für Politik und Praktiken von Gesellschaften auf dem Gebiet der Finanzen und für Fragen der Kontrolle über Gesellschaften schärfen. Mehr noch: Indem er direkt oder indirekt das Investieren von Kapital leitet, ist der Analyst mit diesen Gegenständen befasst, soweit sie den Investor betreffen. So ist der Wertpapieranalyst daran interessiert, dass Wertpapiere, besonders Obligationen und Vorzugsaktien, mit angemessenen Schutzklauseln versehen sind und – noch wichtiger – dass angemessene Methoden der Durchsetzung dieser Klauseln Teil der allgemein anerkannten Finanz-Praxis sind.
Da eine richtige Präsentierung der Fakten besonders wichtig ist, muss der Analyst besonders kritisch sein, wenn es sich um Buchführungsmethoden und Veröffentlichungspraktiken handelt. Schließlich muss sich der Analyst mit der gesamten Unternehmenspolitik befassen, die den Wertpapierbesitzer berührt. Der Wert des analysierten Papiers mag in den weitem Maße darauf beruhen, wie sich das Management in dem erwarteten wirtschaftlichen und wettbewerblichen Umfeld verhalten wird.
Wenn der Wertpapieranalyst die Attraktivität einzelner Wertpapiere beurteilen will, muss er das zu erwartende Umfeld nicht nur im Bereich der Gesamtwirtschaft, sondern auch auf dem Kapitalmarkt berücksichtigen. Obwohl der Kapitalmarkt noch aus weiteren Wertpapier- oder Finanzmärkten besteht, sind es vor allem der Markt für neu ausgebende Obligationen (New Issue Market for Bonds) und der Sekundärmarkt für Aktien, die von Interesse sind.
Es gibt wenige Institutionen und private Investoren, die nicht Obligationen und Aktien – jedenfalls bis zu einem gewissen Grade – als alternative Möglichkeiten für ein Investment sehen. Allerdings gibt es prozentuale Beschränkungen bei einigen institutionellen Portfolios, die sowohl in Aktien als auch in festverzinsliche Werte investieren können.
Da so viele Investoren die Möglichkeit haben, sich frei zwischen den beiden Märkten zu bewegen, sind Aktien- und Obligationenbörsen miteinander verknüpft. Die Beziehung ist komplex und war zu gewissen Zeiten außerordentlich locker. In der Tat: Wenn man nach dem Kurs-/Gewinnverhältnissen urteilen sollte, die in den oberen Bereichen mancher Bullmarkets an der Tagesordnung waren, scheint es, dass die Aktieninvestoren zu diesen Zeiten die Erträge von Obligationen völlig vergessen hatten. (...)
Bewertung der Aktienbörse
Wenn der Kapitalmarktanalyst eine Vorhersage über die Höhe der Zinssätze entwickelt (oder erhalten) hat, ist er in der Lage , die Bewertung der Aktienbörse vorzunehmen. Um diese Aufgabe zu lösen, muss er als erstes darüber entscheiden, welche Schlüsselfaktoren er voraussagen muss. Mit ihrer Hilfe dann bestimmt er den inneren Wert eines von ihm ausgesuchten Index für die Gesamtbörse, z.B. den des S&P 500 oder des Standart & Poor 400 (Industrials). Bei der Analyse kann er die Aufmerksamkeit ganz auf die Überlegung für die Bewertung der Börse richten.
Bewertungsmodelle für die Gesamtbörse können nach demselben Muster wie für einzelne Aktien entwickelt werden. Der Investmentwert wird im Prinzip bestimmt durch das augenblickliche normale Niveau, Wachstum sowie Stabilität der Ertragskraft und schließlich die normale Auszahlungsrate (für Dividende, „Ausschüttungsquote“).
Die drei hauptsächlichen Schritte bei der Bewertung der Gesamtbörse sind: 1. Vorhersage von Gewinnen, 2. Schätzung der Auszahlungsrate für die Dividenden und 3. Auswahl einer Kapitalisierungsrate.
Definition der Sektoranalyse
Wie in Kapitel 1 schon ausgeführt, ist Sektoranalyse nicht eine selbstständige Art von Analyse, sondern dient mehr als Brücke zwischen Kapitalmarkt- und Wertpapieranalyse. Sie hat einige der Charakteristiken von beiden. Sie greift über Industriezweige hinaus und liefert Einsichten in die Aktienbörse; damit ist Sektoranalyse ein wichtiger Faktor für Entscheidungen über die großen Linien der Anlagepolitik.
Zum Management von Investmentportfolios gehört immer mehr die Auswahl von Aktien aus Bereichen, die jenseits des traditionellen S&P 500-Typs von großen, gut bekannten Qualitätsaktien liegen. Der Zweck dieser Erweiterung ist bessere Diversifizierung und das Auffinden von Börsensektoren, deren Aktien weniger effizient notiert sind als die Aktien mit großer Kapitalisierung. Außerdem erkennen Analysten zunehmend, dass die Börse aus zahlreichen großen Marktsektoren oder –segmenten besteht, die – ausgedrückt in der Kursbewegung der Gruppe und den Gesamterträgen – durch unterschiedliche Performance charakterisiert sind.
Die Börse ist nicht monolitisch
Auf verschiedene Weise werden die Folgerungen aus der Tatsache gezogen, dass die Börse nicht monolithisch beschaffen ist. Die Investoren sind daran interessiert, die Gesamtbörse in unterschiedlicher Weise in Segmente zu teilen. Dafür gibt es hauptsächlich vier Grundlagen:
die finanziellen Charakteristiken der einzelnen Werte, z. B. Kurs/Gewinnverhältnis, Dividendenertrag und Größe (Börsenkapitalisierung)
wirtschaftliche Sektoren, wie nichtdauerhafte Konsumgüter, dauerhafte (langlebige) Konsumgüter, Investitionsgüter, Verkehr, Finanz und Technologie
Aktienverhalten in bezug auf Gesamtertrag (statistisch gebildete homogene Gruppen), die auf dem Maße der Korrelation von Aktienerträgen beruhen
Fundamentale Eigenschaften von Unternehmen, z. B. Gruppen, die auf der Basis von Wachstum, zyklischem Verhalten oder Stabilität der Gewinne gebildet werden.
Der Analyst muss einen Sinn für Proportionen bewahren, wenn er entscheidet, wie gründlich er sein will. Wenn man das Material für eine Analyse auswählt und behandelt, muss man nicht nur die darin steckende Bedeutung und Verlässlichkeit ins Auge fassen, sondern auch die Möglichkeit und Leichtigkeit des Zuganges. Der Analyst darf sich andererseits nicht durch die Verfügbarkeit einer Masse von Daten (...) dazu verleiten lassen, ausgedehnte Untersuchungen von Unwesentlichkeiten vorzunehmen.
Oft ist es jedoch erforderlich, sich mit dem Fehlen von einschlägigen Informationen abzufinden, weil sie nur mit mehr Mühe beschafft werden könnten, als man aufwenden kann oder als durch das Problem gerechtfertigt ist. Dies würde für einige Elemente einer vollständigen Unternehmensanalyse gelten – zum Beispiel das Ausmaß, bis zu dem ein Unternehmen von Patentschutz abhängig ist oder von geographischen Vorteilen oder günstigen Arbeitsbedingungen, die nicht andauern mögen. (...)
Quantitative und qualitative Elemente in der Analyse
Gelegentlich ist es gut, die Elemente einer Analyse unter zwei Überschriften einzuordnen: Die quantitativen und die qualitativen. Die ersteren könnte man als das statistische Bild der Gesellschaft ansehen. Dazu zählen alle die nützlichen Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung, in der Bilanz und in der Finanzbewegungsrechnung; dazu gehören weiter so spezielle Daten wie Produktion, Stückpreise, Kosten, Kapazität, Auftragsbestände und Pensionsverpflichtungen.
Die verschiedenen Posten könnte man noch unterteilen in: 1. Kapitalisierung
2. Gewinne und Dividenden
3. Vermögen und Verbindlichkeiten
und 4. Betriebsstatistik.
Die qualitativen Faktoren handeln von der Art des Geschäftes, der relativen Stellung der individuellen Gesellschaft in ihrem Industriezweig und der Intensität des Wettbewerbs auf ihrem Markt; (...) es sind weiter die physikalischen, geographischen und betrieblichen Charakteristiken des Unternehmens, Art des Management und schließlich der langfristige Ausblick für die Gesellschaft - dazu gehört auch der Trend der zukünftigen Gewinne für den Industriezweig und für die Wirtschaft im allgemeinen. Heute werden Fragen dieser Art in Geschäftsberichten der Gesellschaften häufiger besprochen als in der Vergangenheit. Für weitere Antworten jedoch muss der Analyst verschiedene Informationsquellen benutzen, die in ihrer Verlässlichkeit ganz erheblich variieren – einschließlich einer großen Beigabe von bloßen Meinungen.
Hoffnungen und Tatsachen
Im allgemeinen eignen sich die quantitativen Faktoren viel besser für eine präzise Untersuchung und Bewertung einer Gesellschaft als die qualitativen. Einschlägige Daten über die ersteren sind leichter erhältlich und besser geeignet für eindeutige Schlüsse. Außerdem reflektieren die finanziellen Ergebnisse auch qualitative Elemente wie etwa die Fähigkeiten eines langfristig tätigen Managements. Wir wollen hier nicht die Bedeutung von qualitativen Faktoren bei der Bewertung des Ergebnisses einer Gesellschaft herabsetzen, aber darauf hinweisen, dass eine detaillierte Untersuchung qualitativer Faktoren – wenn sie gerechtfertigt sein soll – ausreichende weitere Einsichten liefern müsste, um bei der Bewertung der Gesellschaft nennenswert zu helfen. Eine Untersuchung sollte den Analysten davon abhalten, Hoffnungen mit Tatsachen zu verwechseln.
Die dramatischen Änderungen bei den allgemein anerkannten Buchführungsgrundsätzen und der Festsetzung von Buchführungsstandards, die in den Vereinigten Staaten über die letzten 25 Jahre stattgefunden haben, sind als eine „Revolution“ auf diesem Gebiet bezeichnet worden. Die Regeln haben sich von einigen dünnen Broschüren ausgedehnt auf massive 2000 Seiten mit Meinungen, Standards und anderen Erklärungen. Daneben gibt es noch weitere neue Regeln, wie zum Beispiel die vielen Prüfungsrichtlinien (Audit Guides) für die Industrie, herausgegeben vom Auditing Standards Board und die "Statement of Position" für Industriebuchführung und Buchführung für Transaktionen, herausgegeben durch das Accounting Standards Executive Comittee of the American Institute of Certified Public Accounttants (AICPA).
Die heutige Struktur für die Festsetzung von Buchführungsstandards hat sich aus einem zeitweise tätigen, weitgehend freiwilligen Komitee des AICPA zu einem hauptberuflichen, unabhängigen Financial Accounting Standards Board (FASB) entwickelt. Diese Institution wird heute gemeinsam getragen von AICPA, dem Financial Executive Institute, der Financial Analysts Federation, der National Association of Accountants, der American Association of Accountants und der Securities Industry Association. (...)
Die Eigenarten und Grenzen der Buchführung
Buchführung entwickelte sich aus der Notwendigkeit zu wissen, sich zu erinnern und Entscheidungen zu treffen. Die industrielle Revolution erzwang die Ansammlung von Kapital aus vielen Quellen unter einem einzigen Management, um zu einer Massenproduktion zu kommen. Die Trennung zwischen Eigentum und Management führte dazu, dass Rechenschaft über die Vewaltung des Kapitals und seinen rentablen Einsatz abgelegt werden musste. Nicht alle Analysten sind sich stets bewußt, dass die Jahresabschlüsse nicht von den Prüfern, sondern vom Management der Gesellschaften erstellt werden.
Die Philosophie, die den Jahresabschlüssen zugrunde lag, war über viele Jahre die Rechenschaftslegung über die Verwaltung des Aktionärsvermögen durch das Management. Eigentlich waren die Abschlüsse eine jährliche Visitenkarte des Managements, in dem es sich selbst aufgrund seiner Tätigkeit einstufte. Infolgedessen konzentrierte sich der Bericht oft mehr auf die Betriebs- und Börsenperformance, als es den Analysten lieb war, manchmal zu Lasten eines klaren Bildes über die Rentabilität der Gesellschaft. Obwohl der Gedanke, Verwalter zu sein, noch bei vielen Managern vorherrscht, hat sich die Buchführung in neuerer Zeit mehr in Richtung auf die Bedürfnisse des Benutzers entwickelt.
Jede Wertpapieranalyse hat mit der Analyse von Jahresabschlüssen zu tun. Allerdings kann das Gewicht sehr unterschiedlich sein, das dem Finanzmaterial gegeben wird. Das hängt ab von der Art des untersuchten Wertpapieres und den Motiven des zukünftigen Käufers. So hängt etwa die Einstufung von Obligationen mit Investmentqualität und von Vorzugsaktien entscheidend von der finanziellen Vorgeschichte der betreffenden Gesellschaft ab.
Solche Obligationen und Vorzugsaktien müssen bestimmten Sicherheitsanforderungen entsprechen, die von Kriterien wie den folgenden abhängig sind: · Verhältnis der bisherigen Gewinne zu den festen Belastungen (und Vorzugsdividenden) · Vorgeschichte in bezug auf gezahlte Dividenden · Verhältnis der verbrieften langfristigen Verbindlichkeiten zum Sachanlagevermögen · Position beim Nettoumlaufvermögen · Geschäftsumfang. Obwohl qualitative Faktoren wichtig bei der Analyse von Aktien und Obligationen sein können, kann man das Risiko nicht ohne die Unterstützung durch tatsächliche Zahlen bestimmen. (...)
Drei Aspekte für die Analyse von Gewinn- und Verlustrechnung
Die Bedeutung, die der Gewinn- und Verlustrechnung in der Wertpapieranalyse beigemessen wird, macht ein kritisches Studium der veröffentlichten Zahlen besonders wichtig. Eine wirklich gute Arbeit über eine Gewinn- und Verlustrechnung kann alles andere als eine einfache Angelegenheit sein. Viele Komplikationen gilt es aufzulösen, vor manchen "Schlenkern" oder besonderen Eintragungen muss man sich hüten, und viele Unterschiede zwischen einzelnen Gesellschaften müssen ausgeglichen werden. Das Studium der Gewinn- und Verlustrechnung einer Gesellschaft kann man grob unter drei Überschriften fassen.
1. Buchführung. Die Hauptfrage ist hier: Was waren die echten Gewinne für die untersuchten Perioden der Vergangenheit? 2. Geschäftsaussichten. Die Hauptfrage ist: Welche Anhaltspunkte gibt die Gewinn- und Verlustrechnung in bezug auf die zukünftigen Ertragskraft der Gesellschaft ? 3. Wertpapierbewertung. Hier ist die Hauptfrage: "Welche Elemente in der Gewinn- und Verlustrechnung sollte der Analyst berücksichtigen und welchen Standards sollte er folgen, wenn er zu einer vernünftigen Bewertung der Aktie kommen will?"
Die Bilanz verdient mehr Aufmerksamkeit als Wall Street ihr seit vielen Jahren zuwendet. Sechs Arten von Informationen und Hinweisen kann der Investor aus der Untersuchung einer Bilanz gewinnen:
1. Information darüber, wie das Kapital investiert ist und wie die Kapitalstruktur zwischen bevorrechtigten Wertpapieren und Aktien aufgeteilt ist 2. Stärke oder Schwäche der Position beim Nettoumlaufvermögen 3. Übereinstimmung mit den Gewinnen, wie sie in der Gewinn- und Verlustrechnung angegeben sind 4. Daten, um den wirklichen Erfolg und das Gedeihen des Unternehmens zu prüfen, nämlich den Betrag, der auf das investierte Kapital verdient wurde 5. Die Basis, um die Quellen des Ertrages zu analysieren 6. Die Basis für eine langfristige Untersuchung des Verhältnisses zwischen Ertragskraft und Vermögenswerten und der Entwicklung der finanziellen Struktur.
Darstellung der Bilanz
Die konventionelle Bilanz zählt alle Vermögenswerte auf der linken Seite auf, und die Verbindlichkeiten, das Kapital und den Bilanzgewinn bzw. die Rücklagen auf der rechten. (In England sind die beiden Kolonnen vertauscht.) Alternative und manchmal besser informierende Methoden der Darstellung finden sich gelegentlich in Geschäftsberichten; sie versuchen, die Zahlen für (Eigen)- Kapital und die Rücklagen dadurch zu entwickeln, dass sie die Verbindlichkeiten von den Vermögenswerten abziehen; sie zeigen auch ein besseres Bild des Nettoumlaufvermögens, indem sie die kurzfristigen Verbindlichkeiten direkt unter dem Umlaufvermögen aufführen. In manchen Geschäftsberichten erscheint diese Darstellung unter der Überschrift "Statement of Financial Condition" (Darstellung der finanziellen Situation) und wird zusätzlich zu der konventionellen Bilanz gegeben.
Wenn man den Jahresabschluss einer bestimmten Gesellschaft untersucht, sollte man in der folgenden logischen Reihenfolge vorgehen:
1. Der Analyst sollte alle Anpassungen der Jahresabschlüsse vornehmen, die nötig sind, um von seinem Standpunkt aus echte Zahlen zu zeigen und sie mit anderen Gesellschaften vergleichbar zu machen.
2. Die echten Betriebsgewinne und der Betriebs-Cash-Flow für den untersuchten Zeitraum sollten festgestellt werden.
3. Der Analyst sollte die Bilanz untersuchen und das Nettoumlaufvermögen, die Kapitalstruktur und den Betrag des investierten Kapitals je Aktie ermitteln.
4. Der Analyst sollte dann eine Reihe von Kennzahlen ermitteln; sie werden Licht auf die Performance der Gesellschaft insgesamt, die Sicherheit ihrer bevorrechtigten Wertpapiere und die Attraktivität ihrer Aktien für ein Investment werfen. (...)
Aspekte der Kennzahlen-Nutzung
Es gibt besondere Aspekte bei der Benutzung von Kennzahlen in der Wertpapieranalyse. Einmal kann man verschiedene Kennzahlen oft als im wesentlichen ähnlich in einer Gruppe zusammenfassen; innerhalb jeder Gruppe mögen einige weitgehend dieselbe Aussage machen. Deshalb mag ein Analyst eine von mehreren ähnlichen Kennzahlen aussuchen und die anderen nicht benutzen; das hängt weitgehend von Bequemlichkeit und persönlicher Bevorzugung ab.
So mag beispielsweise die Berechnung des Ertrags auf Vermögenswerte (Return on Assets) im wesentlichen dasselbe besagen wie die über den Ertrag auf das investierte Kapital (Return on Invested Capital). Denn sehr wenig des Gesamtvermögens ist nicht durch das investierte Kapital finanziert, und beide Kennzahlen bewegen sich meistens zusammen aufwärts oder abwärts.
Der Analyst muss allerdings dieselben Kennzahlen und dieselbe Berechnungsweise benutzen, damit er Beständigkeit über die Zeit und für Vergleichszwecke zwischen den Gesellschaften erhält.
Unterschiede in der Benutzung
Ein besonderer Aspekt der Analyse mit Kennzahlen besteht darin, dass der Analyst eine bestimmte Kennzahl für den einen Zweck in der einen Weise und für einen anderen Zweck in einer anderen Weise berechnen kann. Beispielsweise mag der Analyst die aufgeschobenen Steuerverbindlichkeiten als Teil des Eigenkapitals behandeln, wenn er die Eigenkapitalrentabilität berechnet, aber als vorgehenden Anspruch, wenn es ihm um den Buchwert der Aktie geht.
Diese verschiedenartige Benutzung zeigt nur den Versuch des Analysten, verschiedene Fragen zu beantworten, wobei er zwar die übliche Terminologie benutzt, wie das „Eigenkapital“ („Common Equity“), aber mit unterschiedlicher Bedeutung für verschiedene Zwecke. Sobald man mit der Terminologie des Wertpapieranalysten mehr vertraut ist, wird die Bedeutung normalerweise aus dem Zusammenhang der Analyse klar.
Die vier Stilarten von aktivem Investmentmanagement könnten dieselben analytischen Informationen über Gesellschaften und Industrien benutzen. Die folgenden Praktiken jedoch können eher als grundsätzliche "Methoden" für Auswahl und Timing und nicht so sehr als verschiedene Stilarten angesehen werden. Unter diesem Blickwinkel sind die nötigen Informationen durch die Wertpapieranalyse nicht identisch:
1. die "Querschnittmethode" (Cross-Section Approach)
2. die "Vorwegnahmemethode" (Anticipation Approach)
a.) kurzfristige Auswahl
b.) Auswahl von Wachstumsaktien
3. die Benutzung eines Sicherheitsrahmens (Margin-of-Saftey Approach)
a.) Werte bei Tiefpunkten und bei mittlerem Niveau der Gesamtbörse
b.) Werte in einzelnen Aktien
Querschnittmethode
Die Methode entspricht dem "passiven Management". Im Vordergrund steht nicht Auswahl, sondern Diversifizierung. Diese Methode will sicherstellen, dass es dem Investor, gemessen an einem Index wie etwa dem S&P 500, so gut geht wie den größeren US-Gesellschaften. Diese Methode benötigt keine Wertpapieranalyse.
Vorwegnahmemethode: Kurzfristige Auswahl
Die Empfehlungen von Aktien in Wall Street und vermutlich auch der Kauf durch Investoren und Spekulanten wird zu häufig auf Vorwegnahme von kurzfristigen Entwicklungen gestützt. Das ist keine Bewertungsmethode; der Schwerpunkt liegt vielmehr auf relativen Gewinnen. Nach dieser Methode werden die Aktien mit dem größten Gewinnmoment im Quartal die höchsten Erträge liefern; wenn die Änderungsrate bei den Gewinnen ihren Gipfel erreicht hat, ist es Zeit, zu verkaufen. Mit viel analytischer Anstrengung wird versucht, die kurzfristigen Aussichten für die nächsten sechs oder zwölf Monate zu bewerten. Umsatzvolumen, Verkaufspreise und Kosten werden sorgfältig abgeschätzt, oft mit Hilfe von Feldstudien. Die Aufmerksamkeit, die diesen kurzfristigen Erwartungen erwiesen wird, wird oft mit der Behauptung gerechtfertigt, dass Voraussagen für mehr als ein Jahr im voraus nicht wirklich verlässlich seien. (...)
Vorwegnahmemethode: Auswahl von Wachstumsaktien
Die Auswahl für das Aktieninvestment nach kurzfristigen Aussichten kann man kritisieren, weil sie sich zu sehr an vorübergehenden und oberflächlichen Dingen orientiert. Diese Kritik gilt nicht für langfristige Aussichten; sie sind nicht nur wichtig für den Investmentwert jedes Wertpapiers, sondern verkörpern den wichtigsten Bestimmungsfaktor des Wertes überhaupt. In der Vergangenheit ist eine Reihe von begünstigten Konzernen weit über dem Durchschnitt gewachsen und gediehen. Solche Wachstumsgesellschaften werden heute als besonders geeignete Medien für langfristiges Investment angesehen.
Offensichtlich wird ein Investor äußerst gut fahren, wenn es ihm gelingt, Wachstumsgesellschaften zu erkennen, solange ihre Aktie zu vernünftigen Kursen erhältlich sind. Einige Investoren sind ohne Zweifel fähig, solche Auswahl mit beeindruckender Genauigkeit zu treffen, und sie haben von ihrer Voraussicht und ihrem guten Urteil erhebliche Vorteile gehabt. Können sorgfältige und intelligente Investoren generell (als Gruppe) diese Politik mit gutem Erfolg verfolgen? Die Frage besteht aus drei Teilen:
1. Was heißt "Wachstumsgesellschaft"?
2. Kann der Investor solche Gesellschaften mit einiger Sicherheit identifizieren?
und 3. In welchem Ausmaße berücksichtigt der gezahlte Kurs schon das erwartete Wachstum? (...)
Das Auswahlprinzip eines Sicherheitsrahmens
Die dritte Methode zum Aktieninvestment beruht auf dem Prinzip des Sicherheitsrahmens. Wenn der Analyst sich überzeugt hat, dass eine Aktie mehr wert ist, als im Augenblick dafür gezahlt wird und er die Zukunft der Gesellschaft einigermaßen optimistisch beurteilt, wird er sie als geeignet für die Aktien-Komponente eines Portfolios ansehen.
Bei dieser Methode gibt es zwei mögliche Techniken. Die eine besteht darin, zu kaufen, wenn die Börse im allgemeinen tief steht, gemessen in quantitativen Wertstandards. Vermutlich würde dann der Kauf auf große und ziemlich aktive Werte beschränkt werden. Die andere Technik besteht darin, individuelle Werte zu entdecken, die unter – oder zumindest innerhalb – einer konservativen Wertspanne liegen. Solche Aktien sind vermutlich verfügbar, selbst wenn die allgemeine Börse nicht besonders tief steht. In jedem Falle besteht der Sicherheitsrahmen in der Tatsache, dass die Aktie im Vergleich zu ihrem inneren Wert, wie ihn der Analyst misst, einen befriedigenden Kurs hat. Das heißt, dass der Investor nach konservativen Maßstäben für sein Geld den vollen Wert bekommt. Aber im bezug auf die Wechselfälle und die beteiligten psychologischen Faktoren unterscheiden sich die beiden Techniken erheblich.
Gruß
Happy End
Teil I: Geheimnisse der Analyse
Finanzanalyse
Finanzanalyse hat für das Investieren die Aufgabe, zu liefern und Vorhersagen zu treffen. Sie liefert Informationen über Vergangenheit und Gegenwart und quantifiziert Erwartungen für die Zukunft. Entscheidungen über den Kapitaleinsatz, über die Finanzpolitik einer Gesellschaft und informierte Auswahl von Wertpapieren für Investmentzwecke sind alles Ergebnisse der Finanzanalyse. Zu den analytischen Hilfsmittel, die für diese Zwecke mobilisiert werden, gehören Analysen der (Gesamt) Wirtschaft, des Kapitalmarktes, einzelner Sektoren und spezifischer Wertpapiere.
Wirtschaftsanalyse liefert sowohl kurzfristige (die nächsten vier bis acht Quartale) als auch längerfristige (die nächsten fünf Jahre oder mehr) Projektionen für die gesamte Volkswirtschaft. Dabei geht es um den Ausstoß an Gütern und Dienstleistungen (Sozialprodukt), die Inflation, die Gewinne, die monetäre- und Fiskalpolitik sowie die Produktivität. Sie legt damit die Grundlage für die Zukunftsschätzung in bezug auf Kapitalmarkt, einzelne Sektoren, Industriezweige und einzelne Gesellschaften.
Kapitalmarktanalyse
Kapitalmarktanalyse entwickelt vor allem für die Aktien- und Obligationenmärkte Schätzungen über den Wert und Ertrag. Schätzungen in bezug auf den Aktienmarkt werden für diesen insgesamt entwickelt, wie er durch die bekannten Indizes repräsentiert wird. Schätzungen für den Obligationenmarkt beziehen sich auf das allgemeine Niveau und die Zeitstruktur von Zinssätzen, ferner erwartete Ertragsunterschiede, wie sie sich aus dem Risiko von Kursschwankungen und der Zahlungsfähigkeit des Schuldner ergeben.
Wertpapieranalyse untersucht Industriezweige und Wertpapiere einzelner Gesellschaften – in erster Linie, um die Erwartungen über ihren Wert und Ertrag zu entwickeln und dadurch zu hoch notierte Papiere von den zu niedrig notierten zu unterscheiden.
Sektoranalyse
Zwischen Kapitalmarkt- und Wertpapieranalyse – mit einigen Wesenszügen von beiden – liegt die Sektoranalyse (die auch "Analyse von Wertpapieren mit gemeinsamem Faktor" – "Common Factor Analysis" – genannt wird). Breiter angelegt als Industrie- und Gesellschaftsanalyse kann Sektoranalyse als Brücke zwischen Kapitalmarkt- und Wertpapieranalyse angesehen werden. Im Zusammenhang mit dem Aktienmarkt bestehen Sektoren aus größeren Aktiengruppierungen, die mehrere Industrien ganz oder nur in Ausschnitten umfassen (z.B. entsprechend einem Wirtschaftssektor, nach ihren Wachstumsraten oder der zyklischen Natur ihrer Gewinne).
Teil II: Funktionen der Analyse
Wertpapieranalyse entwickelt und präsentiert die Fakten, die für Aktien oder Obligationen wichtig sind, in einer Weise, die den Investor am besten informiert und ihm am nützlichsten ist. Außerdem sucht eine Analyse aus den Fakten und den einschlägigen Standards verlässliche Schlüsse über den inneren Wert und die Risikocharakteristiken eines Wertpapiers zu gewinnen.
Aus diesen Informationen sowie Annahmen über den Zeitraum, bis Kurs und Wert zusammenlaufen werden, kann der Analyst die von einer Aktie zu erwartende Rendite zum augenblicklichen Börsenkurs bestimmen und sich ein gewisses Bild über die Wahrscheinlichkeit machen, dass der erwartete Gewinn tatsächlich eintreten wird. Auf diese Weise liefert die Wertpapieranalyse die Basis, um unter verschiedenen Möglichkeiten einzelner Aktien zum Kauf oder Verkauf auszuwählen. (...)
Die drei Funktionen der Wertpapieranalyse
Die drei Funktionen der Wertpapieranalyse, wie sie in den folgenden Abschnitten im einzelnen behandelt werden, kann man wie folgt kennzeichnen: Beschreibung, Bewertung, Kritik.
Die beschreibende Funktion
Die beschreibende Analyse fasst die für die Aktie wichtigsten Tatsachen zusammen, analysiert sie, interpretiert sie und präsentiert diese Informationen in einer zusammenhängenden, leicht verständlichen Form. Erfolg und Geschicklichkeit, mit der Analyse in dieser beschreibenden Funktion betrieben wird, sind unterschiedlich. Die allereinfachste beschreibende Analyse findet man in den bekannten und unentbehrlichen statistischen Darstellungen der verschiedenen Wertpapierhandbücher und ähnlicher beschreibender Dienste. Hierbei handelt der Analyst mehr als Reporter denn als Analyst. (...)
Eine gründliche beschreibende Analyse muss weitergehen als lediglich die berichteten Zahlen wiederzugeben. In vielen Fällen wird der Analyst verschiedene Anpassungen vornehmen müssen, um für die untersuchten Jahre den Zusammenhang und die Bedeutung der Geschäftsergebnisse besser darzustellen und die Daten für eine Anzahl von Gesellschaften vergleichbar zu machen. (...)
Detaillierte Vergleiche von Gesellschaften im selben Industriezweig gehören ebenfalls hierher. Besonders wichtig ist , dass die beschreibende Analyse die Ertragskraft oder die Fähigkeit, Dividende zu zahlen, in die Zukunft projiziert und sich dabei auf eine spezielle Gruppe (oder Gruppen) von gesamtwirtschaftlichen Annahmen stützt.
Die Bewertungsfunktion
Die zweite Aufgabe der Wertpapieranalyse besteht darin, Schätzungen über den Wert von Aktie und Obligationen zu entwickeln. Erfahrene Analysten sollten in der Lage sein, ein Urteil über die relative Attraktivität der untersuchten Wertpapiere für Investments abzugeben.
Viele Laien glauben, dass erfahrene Wertpapieranalysten, die ihr Geld wert sind, jederzeit verlässliche Schätzungen für jede Aktie oder Obligation entwickeln könnten; dieser Glaube ist weit von der Wahrheit entfernt. Gewisse Zeiten und gewisse Situationen am Wertpapiermarkt sind günstig für ein gesundes analytisches Urteil. In anderen Situationen mag der Analyst nur in bescheidenem Ausmaße in der Lage sein, ein qualifizierte Urteil abzugeben. Noch andere mögen so spekulativ sein, dass Untersuchungen und Schlussfolgerungen des Analysten, obwohl besser als gar nichts, einem so hohen Maße von Ungewissheit unterliegen, dass sie von wenig verlässlichem Wert sind.
Die kritisierende Funktion
Der Analyst hat neben der Bewertung und der Auswahl von Wertpapieren die Aufgabe der Unternehmenskritik. Insoweit fällt ihm eine Führungsrolle zu, und er liefert einen Beitrag zu Finanzwissenschaft und zum Finanzwesen. Breitgefächerte Erfahrung in der Analyse und Bewertung von Wertpapieren sollte dem Analysten den Blick für Politik und Praktiken von Gesellschaften auf dem Gebiet der Finanzen und für Fragen der Kontrolle über Gesellschaften schärfen. Mehr noch: Indem er direkt oder indirekt das Investieren von Kapital leitet, ist der Analyst mit diesen Gegenständen befasst, soweit sie den Investor betreffen. So ist der Wertpapieranalyst daran interessiert, dass Wertpapiere, besonders Obligationen und Vorzugsaktien, mit angemessenen Schutzklauseln versehen sind und – noch wichtiger – dass angemessene Methoden der Durchsetzung dieser Klauseln Teil der allgemein anerkannten Finanz-Praxis sind.
Da eine richtige Präsentierung der Fakten besonders wichtig ist, muss der Analyst besonders kritisch sein, wenn es sich um Buchführungsmethoden und Veröffentlichungspraktiken handelt. Schließlich muss sich der Analyst mit der gesamten Unternehmenspolitik befassen, die den Wertpapierbesitzer berührt. Der Wert des analysierten Papiers mag in den weitem Maße darauf beruhen, wie sich das Management in dem erwarteten wirtschaftlichen und wettbewerblichen Umfeld verhalten wird.
Teil III: Messung der Attraktivität
Wenn der Wertpapieranalyst die Attraktivität einzelner Wertpapiere beurteilen will, muss er das zu erwartende Umfeld nicht nur im Bereich der Gesamtwirtschaft, sondern auch auf dem Kapitalmarkt berücksichtigen. Obwohl der Kapitalmarkt noch aus weiteren Wertpapier- oder Finanzmärkten besteht, sind es vor allem der Markt für neu ausgebende Obligationen (New Issue Market for Bonds) und der Sekundärmarkt für Aktien, die von Interesse sind.
Es gibt wenige Institutionen und private Investoren, die nicht Obligationen und Aktien – jedenfalls bis zu einem gewissen Grade – als alternative Möglichkeiten für ein Investment sehen. Allerdings gibt es prozentuale Beschränkungen bei einigen institutionellen Portfolios, die sowohl in Aktien als auch in festverzinsliche Werte investieren können.
Da so viele Investoren die Möglichkeit haben, sich frei zwischen den beiden Märkten zu bewegen, sind Aktien- und Obligationenbörsen miteinander verknüpft. Die Beziehung ist komplex und war zu gewissen Zeiten außerordentlich locker. In der Tat: Wenn man nach dem Kurs-/Gewinnverhältnissen urteilen sollte, die in den oberen Bereichen mancher Bullmarkets an der Tagesordnung waren, scheint es, dass die Aktieninvestoren zu diesen Zeiten die Erträge von Obligationen völlig vergessen hatten. (...)
Bewertung der Aktienbörse
Wenn der Kapitalmarktanalyst eine Vorhersage über die Höhe der Zinssätze entwickelt (oder erhalten) hat, ist er in der Lage , die Bewertung der Aktienbörse vorzunehmen. Um diese Aufgabe zu lösen, muss er als erstes darüber entscheiden, welche Schlüsselfaktoren er voraussagen muss. Mit ihrer Hilfe dann bestimmt er den inneren Wert eines von ihm ausgesuchten Index für die Gesamtbörse, z.B. den des S&P 500 oder des Standart & Poor 400 (Industrials). Bei der Analyse kann er die Aufmerksamkeit ganz auf die Überlegung für die Bewertung der Börse richten.
Bewertungsmodelle für die Gesamtbörse können nach demselben Muster wie für einzelne Aktien entwickelt werden. Der Investmentwert wird im Prinzip bestimmt durch das augenblickliche normale Niveau, Wachstum sowie Stabilität der Ertragskraft und schließlich die normale Auszahlungsrate (für Dividende, „Ausschüttungsquote“).
Die drei hauptsächlichen Schritte bei der Bewertung der Gesamtbörse sind: 1. Vorhersage von Gewinnen, 2. Schätzung der Auszahlungsrate für die Dividenden und 3. Auswahl einer Kapitalisierungsrate.
Teil IV: Analyse von Börsen-Sektoren
Definition der Sektoranalyse
Wie in Kapitel 1 schon ausgeführt, ist Sektoranalyse nicht eine selbstständige Art von Analyse, sondern dient mehr als Brücke zwischen Kapitalmarkt- und Wertpapieranalyse. Sie hat einige der Charakteristiken von beiden. Sie greift über Industriezweige hinaus und liefert Einsichten in die Aktienbörse; damit ist Sektoranalyse ein wichtiger Faktor für Entscheidungen über die großen Linien der Anlagepolitik.
Zum Management von Investmentportfolios gehört immer mehr die Auswahl von Aktien aus Bereichen, die jenseits des traditionellen S&P 500-Typs von großen, gut bekannten Qualitätsaktien liegen. Der Zweck dieser Erweiterung ist bessere Diversifizierung und das Auffinden von Börsensektoren, deren Aktien weniger effizient notiert sind als die Aktien mit großer Kapitalisierung. Außerdem erkennen Analysten zunehmend, dass die Börse aus zahlreichen großen Marktsektoren oder –segmenten besteht, die – ausgedrückt in der Kursbewegung der Gruppe und den Gesamterträgen – durch unterschiedliche Performance charakterisiert sind.
Die Börse ist nicht monolitisch
Auf verschiedene Weise werden die Folgerungen aus der Tatsache gezogen, dass die Börse nicht monolithisch beschaffen ist. Die Investoren sind daran interessiert, die Gesamtbörse in unterschiedlicher Weise in Segmente zu teilen. Dafür gibt es hauptsächlich vier Grundlagen:
die finanziellen Charakteristiken der einzelnen Werte, z. B. Kurs/Gewinnverhältnis, Dividendenertrag und Größe (Börsenkapitalisierung)
wirtschaftliche Sektoren, wie nichtdauerhafte Konsumgüter, dauerhafte (langlebige) Konsumgüter, Investitionsgüter, Verkehr, Finanz und Technologie
Aktienverhalten in bezug auf Gesamtertrag (statistisch gebildete homogene Gruppen), die auf dem Maße der Korrelation von Aktienerträgen beruhen
Fundamentale Eigenschaften von Unternehmen, z. B. Gruppen, die auf der Basis von Wachstum, zyklischem Verhalten oder Stabilität der Gewinne gebildet werden.
Teil V: Wert der Daten
Der Analyst muss einen Sinn für Proportionen bewahren, wenn er entscheidet, wie gründlich er sein will. Wenn man das Material für eine Analyse auswählt und behandelt, muss man nicht nur die darin steckende Bedeutung und Verlässlichkeit ins Auge fassen, sondern auch die Möglichkeit und Leichtigkeit des Zuganges. Der Analyst darf sich andererseits nicht durch die Verfügbarkeit einer Masse von Daten (...) dazu verleiten lassen, ausgedehnte Untersuchungen von Unwesentlichkeiten vorzunehmen.
Oft ist es jedoch erforderlich, sich mit dem Fehlen von einschlägigen Informationen abzufinden, weil sie nur mit mehr Mühe beschafft werden könnten, als man aufwenden kann oder als durch das Problem gerechtfertigt ist. Dies würde für einige Elemente einer vollständigen Unternehmensanalyse gelten – zum Beispiel das Ausmaß, bis zu dem ein Unternehmen von Patentschutz abhängig ist oder von geographischen Vorteilen oder günstigen Arbeitsbedingungen, die nicht andauern mögen. (...)
Quantitative und qualitative Elemente in der Analyse
Gelegentlich ist es gut, die Elemente einer Analyse unter zwei Überschriften einzuordnen: Die quantitativen und die qualitativen. Die ersteren könnte man als das statistische Bild der Gesellschaft ansehen. Dazu zählen alle die nützlichen Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung, in der Bilanz und in der Finanzbewegungsrechnung; dazu gehören weiter so spezielle Daten wie Produktion, Stückpreise, Kosten, Kapazität, Auftragsbestände und Pensionsverpflichtungen.
Die verschiedenen Posten könnte man noch unterteilen in: 1. Kapitalisierung
2. Gewinne und Dividenden
3. Vermögen und Verbindlichkeiten
und 4. Betriebsstatistik.
Die qualitativen Faktoren handeln von der Art des Geschäftes, der relativen Stellung der individuellen Gesellschaft in ihrem Industriezweig und der Intensität des Wettbewerbs auf ihrem Markt; (...) es sind weiter die physikalischen, geographischen und betrieblichen Charakteristiken des Unternehmens, Art des Management und schließlich der langfristige Ausblick für die Gesellschaft - dazu gehört auch der Trend der zukünftigen Gewinne für den Industriezweig und für die Wirtschaft im allgemeinen. Heute werden Fragen dieser Art in Geschäftsberichten der Gesellschaften häufiger besprochen als in der Vergangenheit. Für weitere Antworten jedoch muss der Analyst verschiedene Informationsquellen benutzen, die in ihrer Verlässlichkeit ganz erheblich variieren – einschließlich einer großen Beigabe von bloßen Meinungen.
Hoffnungen und Tatsachen
Im allgemeinen eignen sich die quantitativen Faktoren viel besser für eine präzise Untersuchung und Bewertung einer Gesellschaft als die qualitativen. Einschlägige Daten über die ersteren sind leichter erhältlich und besser geeignet für eindeutige Schlüsse. Außerdem reflektieren die finanziellen Ergebnisse auch qualitative Elemente wie etwa die Fähigkeiten eines langfristig tätigen Managements. Wir wollen hier nicht die Bedeutung von qualitativen Faktoren bei der Bewertung des Ergebnisses einer Gesellschaft herabsetzen, aber darauf hinweisen, dass eine detaillierte Untersuchung qualitativer Faktoren – wenn sie gerechtfertigt sein soll – ausreichende weitere Einsichten liefern müsste, um bei der Bewertung der Gesellschaft nennenswert zu helfen. Eine Untersuchung sollte den Analysten davon abhalten, Hoffnungen mit Tatsachen zu verwechseln.
Teil VI: Revolution der Bilanz
Die dramatischen Änderungen bei den allgemein anerkannten Buchführungsgrundsätzen und der Festsetzung von Buchführungsstandards, die in den Vereinigten Staaten über die letzten 25 Jahre stattgefunden haben, sind als eine „Revolution“ auf diesem Gebiet bezeichnet worden. Die Regeln haben sich von einigen dünnen Broschüren ausgedehnt auf massive 2000 Seiten mit Meinungen, Standards und anderen Erklärungen. Daneben gibt es noch weitere neue Regeln, wie zum Beispiel die vielen Prüfungsrichtlinien (Audit Guides) für die Industrie, herausgegeben vom Auditing Standards Board und die "Statement of Position" für Industriebuchführung und Buchführung für Transaktionen, herausgegeben durch das Accounting Standards Executive Comittee of the American Institute of Certified Public Accounttants (AICPA).
Die heutige Struktur für die Festsetzung von Buchführungsstandards hat sich aus einem zeitweise tätigen, weitgehend freiwilligen Komitee des AICPA zu einem hauptberuflichen, unabhängigen Financial Accounting Standards Board (FASB) entwickelt. Diese Institution wird heute gemeinsam getragen von AICPA, dem Financial Executive Institute, der Financial Analysts Federation, der National Association of Accountants, der American Association of Accountants und der Securities Industry Association. (...)
Die Eigenarten und Grenzen der Buchführung
Buchführung entwickelte sich aus der Notwendigkeit zu wissen, sich zu erinnern und Entscheidungen zu treffen. Die industrielle Revolution erzwang die Ansammlung von Kapital aus vielen Quellen unter einem einzigen Management, um zu einer Massenproduktion zu kommen. Die Trennung zwischen Eigentum und Management führte dazu, dass Rechenschaft über die Vewaltung des Kapitals und seinen rentablen Einsatz abgelegt werden musste. Nicht alle Analysten sind sich stets bewußt, dass die Jahresabschlüsse nicht von den Prüfern, sondern vom Management der Gesellschaften erstellt werden.
Die Philosophie, die den Jahresabschlüssen zugrunde lag, war über viele Jahre die Rechenschaftslegung über die Verwaltung des Aktionärsvermögen durch das Management. Eigentlich waren die Abschlüsse eine jährliche Visitenkarte des Managements, in dem es sich selbst aufgrund seiner Tätigkeit einstufte. Infolgedessen konzentrierte sich der Bericht oft mehr auf die Betriebs- und Börsenperformance, als es den Analysten lieb war, manchmal zu Lasten eines klaren Bildes über die Rentabilität der Gesellschaft. Obwohl der Gedanke, Verwalter zu sein, noch bei vielen Managern vorherrscht, hat sich die Buchführung in neuerer Zeit mehr in Richtung auf die Bedürfnisse des Benutzers entwickelt.
Teil VII: Studium des Gewinns
Jede Wertpapieranalyse hat mit der Analyse von Jahresabschlüssen zu tun. Allerdings kann das Gewicht sehr unterschiedlich sein, das dem Finanzmaterial gegeben wird. Das hängt ab von der Art des untersuchten Wertpapieres und den Motiven des zukünftigen Käufers. So hängt etwa die Einstufung von Obligationen mit Investmentqualität und von Vorzugsaktien entscheidend von der finanziellen Vorgeschichte der betreffenden Gesellschaft ab.
Solche Obligationen und Vorzugsaktien müssen bestimmten Sicherheitsanforderungen entsprechen, die von Kriterien wie den folgenden abhängig sind: · Verhältnis der bisherigen Gewinne zu den festen Belastungen (und Vorzugsdividenden) · Vorgeschichte in bezug auf gezahlte Dividenden · Verhältnis der verbrieften langfristigen Verbindlichkeiten zum Sachanlagevermögen · Position beim Nettoumlaufvermögen · Geschäftsumfang. Obwohl qualitative Faktoren wichtig bei der Analyse von Aktien und Obligationen sein können, kann man das Risiko nicht ohne die Unterstützung durch tatsächliche Zahlen bestimmen. (...)
Drei Aspekte für die Analyse von Gewinn- und Verlustrechnung
Die Bedeutung, die der Gewinn- und Verlustrechnung in der Wertpapieranalyse beigemessen wird, macht ein kritisches Studium der veröffentlichten Zahlen besonders wichtig. Eine wirklich gute Arbeit über eine Gewinn- und Verlustrechnung kann alles andere als eine einfache Angelegenheit sein. Viele Komplikationen gilt es aufzulösen, vor manchen "Schlenkern" oder besonderen Eintragungen muss man sich hüten, und viele Unterschiede zwischen einzelnen Gesellschaften müssen ausgeglichen werden. Das Studium der Gewinn- und Verlustrechnung einer Gesellschaft kann man grob unter drei Überschriften fassen.
1. Buchführung. Die Hauptfrage ist hier: Was waren die echten Gewinne für die untersuchten Perioden der Vergangenheit? 2. Geschäftsaussichten. Die Hauptfrage ist: Welche Anhaltspunkte gibt die Gewinn- und Verlustrechnung in bezug auf die zukünftigen Ertragskraft der Gesellschaft ? 3. Wertpapierbewertung. Hier ist die Hauptfrage: "Welche Elemente in der Gewinn- und Verlustrechnung sollte der Analyst berücksichtigen und welchen Standards sollte er folgen, wenn er zu einer vernünftigen Bewertung der Aktie kommen will?"
Teil VIII: Geheimnisse der Bilanz
Die Bilanz verdient mehr Aufmerksamkeit als Wall Street ihr seit vielen Jahren zuwendet. Sechs Arten von Informationen und Hinweisen kann der Investor aus der Untersuchung einer Bilanz gewinnen:
1. Information darüber, wie das Kapital investiert ist und wie die Kapitalstruktur zwischen bevorrechtigten Wertpapieren und Aktien aufgeteilt ist 2. Stärke oder Schwäche der Position beim Nettoumlaufvermögen 3. Übereinstimmung mit den Gewinnen, wie sie in der Gewinn- und Verlustrechnung angegeben sind 4. Daten, um den wirklichen Erfolg und das Gedeihen des Unternehmens zu prüfen, nämlich den Betrag, der auf das investierte Kapital verdient wurde 5. Die Basis, um die Quellen des Ertrages zu analysieren 6. Die Basis für eine langfristige Untersuchung des Verhältnisses zwischen Ertragskraft und Vermögenswerten und der Entwicklung der finanziellen Struktur.
Darstellung der Bilanz
Die konventionelle Bilanz zählt alle Vermögenswerte auf der linken Seite auf, und die Verbindlichkeiten, das Kapital und den Bilanzgewinn bzw. die Rücklagen auf der rechten. (In England sind die beiden Kolonnen vertauscht.) Alternative und manchmal besser informierende Methoden der Darstellung finden sich gelegentlich in Geschäftsberichten; sie versuchen, die Zahlen für (Eigen)- Kapital und die Rücklagen dadurch zu entwickeln, dass sie die Verbindlichkeiten von den Vermögenswerten abziehen; sie zeigen auch ein besseres Bild des Nettoumlaufvermögens, indem sie die kurzfristigen Verbindlichkeiten direkt unter dem Umlaufvermögen aufführen. In manchen Geschäftsberichten erscheint diese Darstellung unter der Überschrift "Statement of Financial Condition" (Darstellung der finanziellen Situation) und wird zusätzlich zu der konventionellen Bilanz gegeben.
Teil IX: Nutzen von Kennzahlen
Wenn man den Jahresabschluss einer bestimmten Gesellschaft untersucht, sollte man in der folgenden logischen Reihenfolge vorgehen:
1. Der Analyst sollte alle Anpassungen der Jahresabschlüsse vornehmen, die nötig sind, um von seinem Standpunkt aus echte Zahlen zu zeigen und sie mit anderen Gesellschaften vergleichbar zu machen.
2. Die echten Betriebsgewinne und der Betriebs-Cash-Flow für den untersuchten Zeitraum sollten festgestellt werden.
3. Der Analyst sollte die Bilanz untersuchen und das Nettoumlaufvermögen, die Kapitalstruktur und den Betrag des investierten Kapitals je Aktie ermitteln.
4. Der Analyst sollte dann eine Reihe von Kennzahlen ermitteln; sie werden Licht auf die Performance der Gesellschaft insgesamt, die Sicherheit ihrer bevorrechtigten Wertpapiere und die Attraktivität ihrer Aktien für ein Investment werfen. (...)
Aspekte der Kennzahlen-Nutzung
Es gibt besondere Aspekte bei der Benutzung von Kennzahlen in der Wertpapieranalyse. Einmal kann man verschiedene Kennzahlen oft als im wesentlichen ähnlich in einer Gruppe zusammenfassen; innerhalb jeder Gruppe mögen einige weitgehend dieselbe Aussage machen. Deshalb mag ein Analyst eine von mehreren ähnlichen Kennzahlen aussuchen und die anderen nicht benutzen; das hängt weitgehend von Bequemlichkeit und persönlicher Bevorzugung ab.
So mag beispielsweise die Berechnung des Ertrags auf Vermögenswerte (Return on Assets) im wesentlichen dasselbe besagen wie die über den Ertrag auf das investierte Kapital (Return on Invested Capital). Denn sehr wenig des Gesamtvermögens ist nicht durch das investierte Kapital finanziert, und beide Kennzahlen bewegen sich meistens zusammen aufwärts oder abwärts.
Der Analyst muss allerdings dieselben Kennzahlen und dieselbe Berechnungsweise benutzen, damit er Beständigkeit über die Zeit und für Vergleichszwecke zwischen den Gesellschaften erhält.
Unterschiede in der Benutzung
Ein besonderer Aspekt der Analyse mit Kennzahlen besteht darin, dass der Analyst eine bestimmte Kennzahl für den einen Zweck in der einen Weise und für einen anderen Zweck in einer anderen Weise berechnen kann. Beispielsweise mag der Analyst die aufgeschobenen Steuerverbindlichkeiten als Teil des Eigenkapitals behandeln, wenn er die Eigenkapitalrentabilität berechnet, aber als vorgehenden Anspruch, wenn es ihm um den Buchwert der Aktie geht.
Diese verschiedenartige Benutzung zeigt nur den Versuch des Analysten, verschiedene Fragen zu beantworten, wobei er zwar die übliche Terminologie benutzt, wie das „Eigenkapital“ („Common Equity“), aber mit unterschiedlicher Bedeutung für verschiedene Zwecke. Sobald man mit der Terminologie des Wertpapieranalysten mehr vertraut ist, wird die Bedeutung normalerweise aus dem Zusammenhang der Analyse klar.
Teil X: Auswahl und Timing
Die vier Stilarten von aktivem Investmentmanagement könnten dieselben analytischen Informationen über Gesellschaften und Industrien benutzen. Die folgenden Praktiken jedoch können eher als grundsätzliche "Methoden" für Auswahl und Timing und nicht so sehr als verschiedene Stilarten angesehen werden. Unter diesem Blickwinkel sind die nötigen Informationen durch die Wertpapieranalyse nicht identisch:
1. die "Querschnittmethode" (Cross-Section Approach)
2. die "Vorwegnahmemethode" (Anticipation Approach)
a.) kurzfristige Auswahl
b.) Auswahl von Wachstumsaktien
3. die Benutzung eines Sicherheitsrahmens (Margin-of-Saftey Approach)
a.) Werte bei Tiefpunkten und bei mittlerem Niveau der Gesamtbörse
b.) Werte in einzelnen Aktien
Querschnittmethode
Die Methode entspricht dem "passiven Management". Im Vordergrund steht nicht Auswahl, sondern Diversifizierung. Diese Methode will sicherstellen, dass es dem Investor, gemessen an einem Index wie etwa dem S&P 500, so gut geht wie den größeren US-Gesellschaften. Diese Methode benötigt keine Wertpapieranalyse.
Vorwegnahmemethode: Kurzfristige Auswahl
Die Empfehlungen von Aktien in Wall Street und vermutlich auch der Kauf durch Investoren und Spekulanten wird zu häufig auf Vorwegnahme von kurzfristigen Entwicklungen gestützt. Das ist keine Bewertungsmethode; der Schwerpunkt liegt vielmehr auf relativen Gewinnen. Nach dieser Methode werden die Aktien mit dem größten Gewinnmoment im Quartal die höchsten Erträge liefern; wenn die Änderungsrate bei den Gewinnen ihren Gipfel erreicht hat, ist es Zeit, zu verkaufen. Mit viel analytischer Anstrengung wird versucht, die kurzfristigen Aussichten für die nächsten sechs oder zwölf Monate zu bewerten. Umsatzvolumen, Verkaufspreise und Kosten werden sorgfältig abgeschätzt, oft mit Hilfe von Feldstudien. Die Aufmerksamkeit, die diesen kurzfristigen Erwartungen erwiesen wird, wird oft mit der Behauptung gerechtfertigt, dass Voraussagen für mehr als ein Jahr im voraus nicht wirklich verlässlich seien. (...)
Vorwegnahmemethode: Auswahl von Wachstumsaktien
Die Auswahl für das Aktieninvestment nach kurzfristigen Aussichten kann man kritisieren, weil sie sich zu sehr an vorübergehenden und oberflächlichen Dingen orientiert. Diese Kritik gilt nicht für langfristige Aussichten; sie sind nicht nur wichtig für den Investmentwert jedes Wertpapiers, sondern verkörpern den wichtigsten Bestimmungsfaktor des Wertes überhaupt. In der Vergangenheit ist eine Reihe von begünstigten Konzernen weit über dem Durchschnitt gewachsen und gediehen. Solche Wachstumsgesellschaften werden heute als besonders geeignete Medien für langfristiges Investment angesehen.
Offensichtlich wird ein Investor äußerst gut fahren, wenn es ihm gelingt, Wachstumsgesellschaften zu erkennen, solange ihre Aktie zu vernünftigen Kursen erhältlich sind. Einige Investoren sind ohne Zweifel fähig, solche Auswahl mit beeindruckender Genauigkeit zu treffen, und sie haben von ihrer Voraussicht und ihrem guten Urteil erhebliche Vorteile gehabt. Können sorgfältige und intelligente Investoren generell (als Gruppe) diese Politik mit gutem Erfolg verfolgen? Die Frage besteht aus drei Teilen:
1. Was heißt "Wachstumsgesellschaft"?
2. Kann der Investor solche Gesellschaften mit einiger Sicherheit identifizieren?
und 3. In welchem Ausmaße berücksichtigt der gezahlte Kurs schon das erwartete Wachstum? (...)
Das Auswahlprinzip eines Sicherheitsrahmens
Die dritte Methode zum Aktieninvestment beruht auf dem Prinzip des Sicherheitsrahmens. Wenn der Analyst sich überzeugt hat, dass eine Aktie mehr wert ist, als im Augenblick dafür gezahlt wird und er die Zukunft der Gesellschaft einigermaßen optimistisch beurteilt, wird er sie als geeignet für die Aktien-Komponente eines Portfolios ansehen.
Bei dieser Methode gibt es zwei mögliche Techniken. Die eine besteht darin, zu kaufen, wenn die Börse im allgemeinen tief steht, gemessen in quantitativen Wertstandards. Vermutlich würde dann der Kauf auf große und ziemlich aktive Werte beschränkt werden. Die andere Technik besteht darin, individuelle Werte zu entdecken, die unter – oder zumindest innerhalb – einer konservativen Wertspanne liegen. Solche Aktien sind vermutlich verfügbar, selbst wenn die allgemeine Börse nicht besonders tief steht. In jedem Falle besteht der Sicherheitsrahmen in der Tatsache, dass die Aktie im Vergleich zu ihrem inneren Wert, wie ihn der Analyst misst, einen befriedigenden Kurs hat. Das heißt, dass der Investor nach konservativen Maßstäben für sein Geld den vollen Wert bekommt. Aber im bezug auf die Wechselfälle und die beteiligten psychologischen Faktoren unterscheiden sich die beiden Techniken erheblich.
Gruß
Happy End