Die CDU/CSU und ihr Kanzlerkandidat Edmund Stoiber müssten sich eigentlich einen Ruck geben und dem geänderten Zuwanderungsgesetz zustimmen. Natürlich kann man gegen jedes Gesetz tausend Einwände erheben.
Doch die von der rot-grünen Koalition eingebrachten Vorschläge nehmen die wesentlichen Bedenken der Union auf und sind das, was man in einer politischen Auseinandersetzung an Kompromissbereitschaft erwarten kann. Die Union als Ganzes wird die nötige Vernunft leider nicht aufbringen, auch wenn die breiteste gesellschaftliche Koalition, die sich denken lässt, dafür wirbt - sie reicht von der PDS bis zu Kardinal Lehmann als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz.
Stattdessen suchen sich die Unionsexperten Kleinigkeiten heraus, um die Ablehnung begründen zu können. Beispiel Kindernachzug: Nach der Senkung des Höchstalters, bis zu dem Kinder nachziehen können, kritisieren sie nun jene Sonderregelungen für Kinder, die schon gut Deutsch sprechen oder im Ausland nicht mehr versorgt werden können. Doch dabei handelt es sich um wenige Hundert Sonderfälle - die Regelung wird daher gewiss kein Einfallstor für ungeregelte Einwanderung.
Union entfernt sich aus der Mitte
Das Einzige, worauf sich die Union stützen kann, ist eine diffuse Volksmeinung, nach deren Ansicht zu viele Ausländer im Land leben und nicht noch mehr kommen dürfen. Wenn die Union sich darauf beruft, entfernt sie sich aber aus der Mitte, in die Stoiber gerade drängt. Zudem hätte sie sich dann auch ihr Zuwanderungskonzept aus dem vergangenen Jahr sparen können, das sich nicht groß von dem am Freitag zur Abstimmung stehenden Gesetz unterscheidet.
Um die logische Schieflage zu übertünchen, bläst sich Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf: Diesmal werde die Partei in jedem Fall einheitlich in Bundestag und Bundesrat abstimmen. Das ist schon bei der Steuer- und Rentenreform schief gegangen. Zugleich hat sich Stoiber in ein taktisches Dilemma manövriert: Wenn das Gesetz am Ende im Bundesrat durchkommt, wird ihm ein Mangel an Führung zugeschrieben. Wenn es scheitert, sitzt er wieder in der rechten Ecke, wo man versucht, mit Stimmungen Stimmen zu gewinnen.
Entscheidend wird Brandenburg sein. CDU-Innenminister Jörg Schönbohm muss sich entscheiden, ob er der Parteiräson folgt oder seinen eigenen Forderungskatalog ernst nimmt, der weitgehend erfüllt wurde. Schönbohm hat immer gesagt, dass er sich nicht an vordergründiger Parteitaktik orientieren werde - der Ex-General muss dieses Wort nun einlösen.
Weitere Leitartikel zu den Themen "Neue Enttäuschung aus Tokio" und "Konjunkturelle Schwarzmaler" in der FTD-Ausgabe vom 27.02.2002.
© 2002 Financial Times Deutschland
Doch die von der rot-grünen Koalition eingebrachten Vorschläge nehmen die wesentlichen Bedenken der Union auf und sind das, was man in einer politischen Auseinandersetzung an Kompromissbereitschaft erwarten kann. Die Union als Ganzes wird die nötige Vernunft leider nicht aufbringen, auch wenn die breiteste gesellschaftliche Koalition, die sich denken lässt, dafür wirbt - sie reicht von der PDS bis zu Kardinal Lehmann als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz.
Stattdessen suchen sich die Unionsexperten Kleinigkeiten heraus, um die Ablehnung begründen zu können. Beispiel Kindernachzug: Nach der Senkung des Höchstalters, bis zu dem Kinder nachziehen können, kritisieren sie nun jene Sonderregelungen für Kinder, die schon gut Deutsch sprechen oder im Ausland nicht mehr versorgt werden können. Doch dabei handelt es sich um wenige Hundert Sonderfälle - die Regelung wird daher gewiss kein Einfallstor für ungeregelte Einwanderung.
Union entfernt sich aus der Mitte
Das Einzige, worauf sich die Union stützen kann, ist eine diffuse Volksmeinung, nach deren Ansicht zu viele Ausländer im Land leben und nicht noch mehr kommen dürfen. Wenn die Union sich darauf beruft, entfernt sie sich aber aus der Mitte, in die Stoiber gerade drängt. Zudem hätte sie sich dann auch ihr Zuwanderungskonzept aus dem vergangenen Jahr sparen können, das sich nicht groß von dem am Freitag zur Abstimmung stehenden Gesetz unterscheidet.
Um die logische Schieflage zu übertünchen, bläst sich Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf: Diesmal werde die Partei in jedem Fall einheitlich in Bundestag und Bundesrat abstimmen. Das ist schon bei der Steuer- und Rentenreform schief gegangen. Zugleich hat sich Stoiber in ein taktisches Dilemma manövriert: Wenn das Gesetz am Ende im Bundesrat durchkommt, wird ihm ein Mangel an Führung zugeschrieben. Wenn es scheitert, sitzt er wieder in der rechten Ecke, wo man versucht, mit Stimmungen Stimmen zu gewinnen.
Entscheidend wird Brandenburg sein. CDU-Innenminister Jörg Schönbohm muss sich entscheiden, ob er der Parteiräson folgt oder seinen eigenen Forderungskatalog ernst nimmt, der weitgehend erfüllt wurde. Schönbohm hat immer gesagt, dass er sich nicht an vordergründiger Parteitaktik orientieren werde - der Ex-General muss dieses Wort nun einlösen.
Weitere Leitartikel zu den Themen "Neue Enttäuschung aus Tokio" und "Konjunkturelle Schwarzmaler" in der FTD-Ausgabe vom 27.02.2002.
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