Deutsche Börse stellt Internet-Auftritt NeuerMarkt.com ein. Experten: Anleger müssen für hochwertige Inhalte bald bezahlen
Finanzportale in der Schwebe. Einige haben ihr Geschäft bereits an den Nagel gehängt
"Handeln wie die Profis." So lautete einer der Slogans, mit denen die Online-Finanzportale auf Kundenfang gingen. Sie warben damit, dass der private Anleger zu den institutionellen Investoren aufschließen könne. Studien, Analysen, Kurse, der genaue Einblick ins Orderbuch - und alles in Echtzeit.
Doch das war einmal. Mit dem Wegbrechen der Internet-Werbung sind die Träume zerplatzt. Ein Finanzportal nach dem nächsten schließt seine Pforten, in Echtzeit gibt es kaum noch etwas. Der Ex-Marktführer Gatrixx mit seiner Finanztreff-Seite musste unlängst Konkurs anmelden, FNet oder Fool.de gingen vom Netz und bei Wallstreet-Online verließ die halbe Führungsmannschaft die Brücke. Doch nicht nur die unabhängigen Anbieter, auch die Finanzseiten großer Unternehmen stecken in der Krise. Etwa die mit Brimborium gestartete Website der Deutschen Börse, NeuerMarkt.com: Sie wird, wie am Donnerstag bekannt wurde, als eigenständiger Auftritt zum Jahresende eingestellt. Der Businesschannel von Gruner & Jahr und der Direkt Anlage Bank existiert schon nicht mehr.
"Der Internet-Werbekuchen schrumpfte. Gleichzeitig wollen die Anleger für Finanzdienste nichts zahlen", beschreibt Peter Barkow, Analyst bei HSBC Trinkaus das Dilemma der Branche. "Yahoo startet jetzt den Probelauf kostenpflichtiger Services. Wenn das schief geht, ist das ein schlechtes Omen für die kommenden Jahre."
Zu den beliebtesten Seiten im Internet gehört laut Auskunft der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) mit 83,1 Millionen Besuchern die Website von Comdirect. Mit großem Abstand folgen Onvista, Finanztreff und Wallstreet-Online.
Nach dem Sterben vieler Angebote haben aber schon jetzt Anleger große Mühe, alle wesentlichen Informationen kompakt auf einer Internet-Finanzseite zu finden. Auch die beliebten kostenlosen Realtime-Kurse gibt es seit der Pleite von Gatrixx nur noch auf umständlichem Wege über Wallstreet-Online. Der von vielen Anlegern geschätzte Einblick ins Orderbuch - hier lassen sich sämtliche Kauf- und Verkaufsaufträge mit den jeweiligen Kursen eines Wertpapiers nachvollziehen - ist mit der Einstellung von Neuermarkt.com nur noch Kunden der Direkt Anlage Bank vorbehalten. "Die breite Masse der Anleger dürfte in die Röhre schauen, wenn die Online-Werbung nicht wieder deutlich anzieht", sagt Barkow.
Aber selbst wenn sich die Wirtschaft beleben sollte, rechnen Experten damit, dass hochwertige Inhalte bald nur gegen Bares zu haben sein werden. "Allgemeine Informationen gibt es weiter kostenlos. Aber für Anlageentscheidungen wichtige tiefgründigere Analysen wird man umsonst nicht mehr finden", sagt Petra Krüll, Sprecherin bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Wenn Anleger aber im Internet nur noch Einheitskost aufgetischt bekommen, dürfte sich die Kluft zwischen Institutionellen und privaten Investoren wieder vergrößern. Dann ist endgültig Schluss mit "Handeln wie die Profis."
Gruß Kostolmoney