Auf bloße Hoffnung gebaut
Wer beim Abzahlen seines Darlehens auf Aktienfonds setzte, hat mit dem Börsen-Tief ein Problem: Die Aktiengewinne sind zu niedrig, um die Schulden zu tilgen.
Sogar Häuslebauer, die landläufig als mustergültig bieder und bodenständig gelten, wurden zum Jahrtausendwechsel plötzlich verwegen und tollkühn. Mit den üppigen Aktienfonds-Ergebnissen der vergangenen Jahre, so der häufige Irrglaube, könne man die eigenen vier Wände viel schneller entschulden als mit einem gewöhnlichen Annuitäten-Darlehen von der Bank. Bei dieser traditionellen Finanzierungsstrategie dauert es in der Regel um die 30 Jahre, bis jeder Stein allein dem Eigentümer gehört. Die zu Hausse-Zeiten naheliegende Strategie war das typische „Zinsdifferenzgeschäft“, so der Fachbegriff: Statt jedes Jahr nur ein einziges Prozentchen vom Baudarlehen zu tilgen, wurde der – umgerechnet – gleiche Betrag in einen Aktienfonds-Sparplan gesteckt.
„Ein sehr heißes Spiel“
Der versprach über die Jahre auf Grund der Vergangenheitsergebnisse satte zweistellige Renditen. Folge: Wegen der erhofften hohen Fondsrendite würde die Tilgungszeit auf nur noch die Hälfte zusammenschrumpfen – wenn alles gut liefe. Tat es aber nicht. Nach rund drei Jahren Baisse ähneln Fondsdepots einem Reihenhäuschen nach dem Blitzeinschlag.
Wer seit Januar 2000 bis März 2003 Monat für Monat 500 Euro in einen Vorzeigefonds der fünf größten deutschen Investmenthäuser investiert hat, klagt heute über einen Verlust von mehr als 50 Prozent in der Spitze. Längst ist Eigenheimern schmerzlich bewusst, „dass Baufinanzierungen mit kompletter Tilgungsaussetzung und angekoppelten Aktienfonds ein sehr heißes Spiel sind“, sagt Thomas Bieler, Finanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.
Gutes Geschäft für die Bank
Fraglich ist zudem, ob jeder Kreditnehmer damals wirklich wusste, was er tat. „Auch Finanzierungsberater bei den Banken und Sparkassen machten ordentlich Druck, um ihre Umsatzvorgaben zu erfüllen“, sagt Matthias Helfesrieder, unabhängiger Finanzberater aus Singen. Sind Baukredite für die Geldhäuser sowieso schon ein margenstarkes Geschäft, so lässt sich der Profit noch toppen. Wird dem Eigenheimer nämlich ein tilgungsfreies Darlehen mit parallelem Fondssparplan verkauft, verdient die Bank gleich dreifach: am Kredit selbst, dem Ausgabeaufschlag bei monatlichem Kauf von Fondsanteilen und den jährlichen Verwaltungsgebühren der Investmenthäuser.
Verführerische Beispielrechnungen
„An vermeintlich plausiblen Argumenten für Fondssparpläne hat es damals nicht gemangelt“, erläutert Experte Helfesrieder. Die Berater mussten nur auf die hohen Fondsrenditen der vergangenen Jahrzehnte verweisen, und schon waren selbst skeptische Kunden überzeugt.
Beispiel: Das DWS-Flaggschiff Vermögensbildungsfonds I erreichte von 1980 bis Ende 1999 eine Rendite von 16,9 Prozent im Jahresschnitt. Zwar warnen Anbieter – dazu sind sie vom Gesetzgeber verpflichtet –, dass vergangene Ergebnisse keine Garantien für die Zukunft darstellten. Doch solche Risikohinweise werden in Beratungsgesprächen gerne nur halblaut gegeben. Wer als Eigenheimer Anfang 2000 ein Darlehen über 200000 Euro vereinbarte und jeden Monat 500 Euro abbezahlt, der hat nach zehn Jahren – Ende 2009 – 60000 Euro getilgt. Wird auf diese Tilgung verzichtet und der Betrag zum Beispiel in den DWS-Fonds investiert, kämen nach zehn Jahren – auf Grundlage der vergangenen Rendite – gut 145000 Euro angespartes Vermögen heraus. Wenn das kein Geschäft wäre.
Anderer Abrechnungszeitraum reduziert Rendite
„Sobald es um provisionsträchtige Beratungen geht, wird die Wirklichkeit gerne relativiert“, warnt der zertifizierte Finanzplaner Frank Hartmann aus Solingen. Denn legt man beim DWS-Fonds einen geringfügig anderen 20-Jahres-Zeitraum zugrunde, nämlich von Anfang 1983 bis Ende 2002, sinkt die Rendite auf nur noch 11,1 Prozent. Das erklärt sich daraus, dass bei diesem Zeitraum auch die Talfahrt der Aktienmärkte, die 2000 begann, berücksichtigt sind. Und seit Jahresbeginn sind die Börsen nochmals katastrophal eingebrochen. „Wer Anfang 2000 seinen Sparplan startete, wird nur schwer wieder ins Plus kommen. Die Renditen von früher sind in dieser Zeit garantiert nicht mehr zu erreichen“, meint Helfesrieder.
Der Sparplan müsste je nach Fonds bis Ende 2009 im Schnitt zwischen 4,34 und 5,58 Prozent Rendite pro Jahr erreichen, um die Tilgungssumme von 60000 Euro beim Annuitätenkredit zu erreichen. Das ist durchaus realistisch, ginge aber mit einem guten Rentenfonds weitaus nervenschonender. Utopisch sind die nötigen Renditen, falls der Eigenheimer mit den bei Kreditabschluss hoch gerechneten Vermögenswerten für Ende 2009 fest kalkuliert hat. Eine künftige Rendite von bis gut 25 Prozent im Jahresschnitt wäre dazu erforderlich.
Ausstieg verhandeln
Verbraucherschützer Bieler empfiehlt Anlegern und Bauherren, „jetzt einen Schnitt zu machen. Man sollte überlegen, den Fondssparplan ruhen zu lassen und gleichzeitig mit der Bank über ein neues Tilgungsdarlehen zu verhandeln.“ Möglicherweise könnten Bauherren und Finanzierer, so Bieler, ihre Bank auch auf Schadenersatz wegen Falschberatung verklagen. Denn nach Meinung des Experten müssen bei dieser Finanzierungsstrategie auch die Vorgaben des Wertpapierhandelsgesetzes beachtet werden. „Wenn jemand vor Abschluss des Kreditvertrags nur ein Sparbuch hatte und plötzlich in Aktienfonds investiert, stellt sich die Frage, ob da eine ausreichende Risikoaufklärung stattgefunden hat“, sagt Bieler. Ob man allerdings mit einem Anspruch auf Beraterhaftung vor Gericht durchkommt, hänge allein von der Beweisbarkeit der Vorwürfe ab.