EXKLUSIV-Interview Benjamin Gawlik (Vorstand Sunburst)
Mittwoch, der 21. März 2001, war für Sunburst-Aktionäre ein schwarzer Tag: statt plus 6,2 Mio. Euro beim EBITDA des Jahres 2000 wird nun von minus 6,1 Mio. ausgegangen, das Jahresergebnis beträgt gar minus 12,2 Mio. Euro nach 0,3 Mio. Euro im Vorjahr. Kein Wunder, dass sich viele Aktionäre wie im falschen Film vorkamen und die Aktie mit einem Tagesverlust von über 50 Prozent am Tag der Gewinnwarnung erneut auf Tauchstation schickten, obwohl der Kurs schon zuvor von 90 auf unter 10 Euro abgestürzt war.
Vor dem Hintergrund des bereits zuvor heruntergeprügelten Kurses und der daraus resultierenden günstigen Unternehmensbewertung, der Bestätigung der Zahlen für 2000 per Ad-hoc-Meldung am 8. Januar sowie weiteren Versicherungen bis unmittelbar vor der Meldung, die Zahlen lägen im Plan, hatten wir nur wenige Tage vor der Gewinnrevision eine umfangreiche Studie veröffentlicht, in der wir bei einem Kurs von 7,25 zum Einstieg rieten, sobald eine Bodenbildung abzusehen ist.
Davon kann nun kaum noch eine Rede sein. Statt der erwarteten Bodenbildung waren hohe Umsätze bei fallenden Kursen im Vorfeld der Meldung zu beobachten, weshalb inzwischen auch das BAWe ermittelt. Wie es zu den katastrophalen Zahlen kommen konnte, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und wie es mit Sunburst weitergeht, darüber sprach Philipp Steinhauer für GSC Research mit dem Vorstandsvorsitzenden Benjamin Gawlik.
Benjamin Gawlik: „Das Haus muss JETZT reingefegt werden“
GSC Research: Die Sunburst AG strukturiert sich nun vollkommen um, man möchte eine Holding werden. Dem Aktionär stellt sich jetzt die Frage, ob das, was da entsteht, überhaupt noch die Sunburst AG ist.
Benjamin Gawlik: Natürlich ist das noch Sunburst. Die Frage ist, was ist die Sunburst AG gewesen, was ist aus der Sunburst seit dem Börsengang geworden, und was passiert jetzt. Das wäre so oder so passiert.
GSC Research: Die Umstrukturierungen wurden doch aufgrund der Ereignisse eingeleitet.
Benjamin Gawlik: Jein. Die Sunburst ist 1994 als Musik Merchandising Unternehmen mit ein paar Mitarbeitern gestartet, eine kleine Geschichte eben. Mit den Jahren ist Sunburst dann schnell gewachsen, und Herr Alting hat die Chancen eines Börsengangs früh erkannt. Das hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht so viele erkannt. Die Vorbereitungen begannen schon recht früh, auch für das Unternehmen selbst, heute würde es Börsengänge in dieser Größenordnung gar nicht mehr geben. Damals ging das, und die Sunburst hat den Schritt gewagt - teils mit kurzfristig geschaffenen neuen Geschäftsfeldern, aber ohne große Akquisitionen, also durch organisches Wachstum.
GSC Research: Wie ist dieses Wachstum damals finanziert worden?
Benjamin Gawlik: Teilweise durch den privaten Investor Herrn Schulte-Havermann, der auch nach wie vor dabei ist. Er hat damals de facto den Job der Banken übernommen, denn diese haben das Geschäft noch nicht verstanden. Ich selbst kam im Mai 1999 zum Unternehmen, damals kannte ich es seit einem dreiviertel Jahr enger, da ich als Geschäftsführer von Mama Concerts & Rau mit Sunburst zu tun hatte.
Herr Alting überzeugte mich mitzumachen, und ein Börsengang war damals auch eine spannende Geschichte. Die Rakete Haffa hatte schon vom Boden abgehoben. Als ich dazu kam, war schon die Lizenz zur Fußball Europameisterschaft akquiriert, alles lief auf Hochtouren, es war im positiven Sinne wie in einem Hühnerstall. Und der Börsengang hat das Ganze noch mehr auf den Kopf gestellt.
Aber was wird jetzt aus der Sunburst? Die Sunburst, so wie sie mit dem Musik- und Eventgeschäft gestartet ist, diese Sunburst gibt es bald wieder. Dieses Geschäft wird Sunburst Event heißen.
GSC Research: Also zurück zu den Wurzeln?
Benjamin Gawlik: Ja, so ein wenig. Es geht für die Abteilung sogar wahrscheinlich zurück in´s alte Bürogebäude in Osnabrück.
GSC Research: Das ist aber nicht dieses schicke Gebäude am Bahnhof?
Benjamin Gawlik: Nein, das ist ein weniger schickes, aber dafür praktisches Gebäude. Das Haus am Bahnhof ist von Herrn Alting und Herrn Butke gemeinsam über eine Gesellschaft finanziert worden, und wurde dann an die Sunburst vermietet.
GSC Research: Aber doch zu marktüblichen Konditionen?
Benjamin Gawlik: Zu den Konditionen kann ich nichts sagen, aber ich denke, dass es sich hier um den üblichen Rahmen handelt.
GSC Research: Warum wollen Sie Ihren Sitz nach München verlegen?
Benjamin Gawlik: Ich bin damals zu Sunburst gekommen und habe gesagt, dass ich in München bleibe. Ich habe seit meinem Antritt bei Sunburst dieses Büro. Das Lizenzgeschäft ist ein Teil des Mediengeschäftes, und das ist primär in München beheimatet. Osnabrück hat andere Qualitäten. In München sitzen 90% aller Lizenzagenturen, dazu kommen viele Fernsehsender, so dass die Wege viel kürzer sind.
Die Sitzverlegung war schon vor einiger Zeit ausgemacht, denn das Thema „Ablösung“ ist ja nicht neu. Herr Alting fühlte sich in dieser immer größer werdenden, stärker verzweigten und schwerer zu kontrollierenden Einheit unwohl.
GSC Research: Aber er hat doch die Akquisitionen forciert.
Benjamin Gawlik: Nicht so richtig. Er hat besonders die EMP-Akquisition vorangetrieben, aber die war auch schon vor dem Börsengang in trockenen Tüchern. Danach hat er sich in seinen Bereich zurückgezogen, das war das Geschäft der Europameisterschaft und das eingegliederte Textilgeschäft. Ich war für das sogenannte New Business verantwortlich, also die strategische Weiterentwicklung aus dem Kerngeschäft heraus. Die Akquisition von IMA und à la carte habe ich mit durchgeführt, Adori habe ich damals unter anderem mit Brainpool gemacht.
GSC Research: Adori war aber nur eine finanzielle Beteiligung.
Benjamin Gawlik: Adori war primär eine Kapitalbeteiligung, die damals sicherlich höchst attraktiv war. Wir sind ja zu viert da rein gegangen - Brainpool, Plug In Equity, eine Gesellschaft, hinter der unter anderem die Commerzbank steht, die KDV, die Beteiligungsgesellschaft der deutschen Versicherungswirtschaft und wir. Die KDV ist im Übrigen auch bei der Sunburst beteiligt. Im Moment ist die Beteiligung an Adori nicht attraktiv, aber damals war sie das Vierfache wert. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir dort ohne blaue Augen rauskommen.
Die Beteiligungen, Marketing, Investor Relations, das war meine Aufgabe. Alles was nach außen hin ging.. Die Finanzen sind in Osnabrück, also bei Herrn Butke und Herrn Alting. Im Januar letzten Jahres haben wir dann einen weiteren Vorstandsbereich kreiert, das Ressort Lizenzen und Vertrieb. Dieser wurde von Herrn Hermann besetzt. Er ist fast ein Veteran, der Älteste von uns. Und er brachte viel Erfahrung in die Sunburst-Gruppe.
GSC Research: Herr Alting ist jetzt gar nicht mehr in der Gesellschaft tätig?
Benjamin Gawlik: Nein.
GSC Research: Damit fehlt der Gesellschaft doch Know-how?
Benjamin Gawlik: Nein. Ich behaupte das so kategorisch, denn Herr Alting´s ehemaliges Ressort Event wird jetzt von zwei Mitarbeitern geleitet, die diesen Bereich mit Herrn Alting zusammen aufbauten. Herr Alting hat das schon so gemacht, wie es sich gehört, er hat für Nachwuchs gesorgt oder Leute entsprechend eingeführt und sich erst dann langsam zurückgezogen.
Das Geschäft Europameisterschaft und Textil-Vertrieb sollte so oder so abgegeben werden. Das war zwischen ihm und mir so abgesprochen. Mir war das Geschäft nicht Merchandising-affin genug, und er wollte dieses Geschäft mit seinem Ausstieg auch privat weiter betreiben.
GSC Research: Mit den selben Rechten?
Benjamin Gawlik: Die Europameisterschaft ist ja vorbei.
GSC Research: Aber für den Vertrieb gehört schon ein gewisses Standing am Markt. Und das ist jetzt weg.
Benjamin Gawlik: Das ist mit Absicht jetzt weg. Dieses Know-how wollen und brauchen wir nicht.
GSC Research: Sind hierfür Zahlungen geflossen?
Benjamin Gawlik: Für die Ausgliederung des Geschäftbereiches hätten Zahlungen fließen sollen. Diese sind aber leider nicht gekommen. Das ist auch mit ein Grund, warum der Jahreabschluss nicht „geklappt“ hat.
GSC Research: Mit seinem Rückzug aus der Gesellschaft hat Herr Alting gleichzeitig Aktien verkauft. Warum das?
Benjamin Gawlik: Ich habe mit Herrn Alting eine Vereinbarung abgeschlossen, 417.500 Aktien zu übernehmen. Diese Vereinbarung wurde im Januar unterschrieben. Ich habe mich dann um die entsprechende Finanzierung dieses Anteilerwerbs gekümmert, denn ich komme nicht aus reichem Hause. Die Finanzierung des Kaufes ist auch entsprechend gewährt worden, wobei der Kursverlauf der Sunburst-Aktie den Erwerb heute nicht mehr zulässt. Die Aktien sind nicht in meinem Depot, aber ich habe die Verpflichtung, sie zu übernehmen, kann sie derzeit aber nicht finanzieren.
GSC Research: Weil die Bank sich dann querstellt?
Benjamin Gawlik: Ja. Und heute würde ich sie auch nicht zu diesem Preis kaufen.
GSC Research: Welchen Preis hatte das Aktienpaket?
Benjamin Gawlik: Ich hätte die Aktien zu einem nicht gerade niedrigen Preis im Bezug auf den heutigen Börsenkurs übernommen. Und man muss auch sehen, dass der Börsenwert durch entsprechende Entwicklungen nicht mehr das beträgt, was er eigentlich meines Erachtens hätte betragen müssen.
GSC Research: War der Kaufpreis im Rahmen des damaligen Kurses oder unterhalb?
Benjamin Gawlik: Er war unterhalb.
GSC Research: In welchem Verhältnis?
Benjamin Gawlik: Ungefähr 60 Prozent unter dem Kurs, aber viel höher als der jetzige Kurs.
GSC Research: Warum wollte sich Herr Alting von den Aktien verabschieden? Für ihn waren die Aktien ja immer noch ein Finanzinvestment.
Benjamin Gawlik: Das ist ein Finanzinvestment. Auf der anderen Seite sagte er, wenn er einer anderen Person Aktien zu einem attraktiven Kurs als Ansporn gibt, dann hat er auch von seinen übrigen Aktien mehr. Herr Alting hatte ja knapp über 30% der Aktien, er hätte also ungefähr ein Drittel der Aktien an mich verkauft.
GSC Research: Sie haben derzeit also immer noch nur 2 Prozent?
Benjamin Gawlik: Ja, ich habe heute 2,6 Prozent. Diese Aktien hatte ich schon vor dem Börsengang. Außerdem habe ich noch ein paar Optionen die ich im Juni hätte ausüben können, aber darüber sollten wir lieber nicht sprechen....
GSC Research: Wird Herr Alting weiterhin an seinem Plan festhalten, in den Aufsichtsrat zu gehen?
Benjamin Gawlik: Die Hauptversammlung wählt den Aufsichtsrat, und es wird sich zeigen, ob der Vorstand den entsprechenden Vorschlag zur Tagesordnung macht. Zur Zeit befinden wir uns in einer ziemlich hektischen Situation, wir sind jetzt primär bemüht, den Jahresabschluss zu erstellen. Damit werden wir aber außerhalb der vorgeschriebenen Frist sein, was sich leider nicht verhindern lässt. Wir haben von der Deutschen Börse aber eine entsprechende Fristverlängerung erhalten. Wir möchten jetzt in den Abschluss hinein nehmen, was hineinzunehmen ist. Das Haus muss jetzt reingefegt werden.
GSC Research: Am Neuen Markt gilt die Regel, dass bei der ersten Verfehlung des Abgabetermins die Alarmglocken schrillen sollten.
Benjamin Gawlik: Das hat sich so auch bewahrheitet.
GSC Research: Kommen wir auf die Gewinnwarnung zu sprechen. Wie ist zu erklären, dass bis zuletzt kommuniziert wurde, dass die Zahlen im Rahmen der Erwartungen liegen.
Benjamin Gawlik: Ich hatte eben unsere Struktur erläutert. Was den gesamten Zahlenbereich angeht, hatte Herr Butke die letztendliche Verantwortung. Es sind im Nachhinein eine Menge von Geschäften nicht wie geplant zustande gekommen. Dann kam es im Rahmen des Jahresabschluss fast täglich zu neuen Erkenntnissen, die die Wirtschaftsprüfer entdeckt haben.
GSC Research: Seit wann war das?
Benjamin Gawlik: Seit Mitte Dezember.
GSC Research: Seitdem gab es erst Anhaltspunkte?
Benjamin Gawlik: Nein, da gab es nur sehr wenig aufbereitetes Material. Dazu kommt, dass wir 14 Tochtergesellschaften konsolidieren, dass heißt, dass auch 14 Gesellschaften im letzten Jahr u. a. auf IAS umstellen mussten, was ein sehr langwieriger Prozess sein kann. Ich hätte Ihnen im Februar nicht sagen können, wie der konkrete und abschließende Stand der Zahlen sein würde. Ich so oder so nicht, und Herr Butke offensichtlich auch noch nicht..
GSC Research: Er konnte nicht sagen, dass die Zahlen nicht im Rahmen der Erwartungen liegen werden?
Benjamin Gawlik: Diese Frage kann ich so nicht 100prozentig beantworten. Wir müssen davon ausgehen, dass die Informationen aus der Finanzabteilung stimmten. Auf welcher Basis die Bestätigung der Prognose abgegeben wurde - nun ja, die Basis für diese Prognose war wohl gegeben. Ob sie abschließend gesichert war, ist eine andere Frage..
GSC Research: Können Sie den Ablauf des Tages schildern, an dem die Gewinnwarnung kam?
Benjamin Gawlik: Die Hinführung auf die Entscheidung der Gewinnwarnung lief in der Vorwoche, da sind intensive Gespräche mit unseren Wirtschaftprüfern geführt worden. Sie sind von Beteiligung zu Beteiligung und dann zur AG gegangen, und da war ein bestimmtes Material an Zahlen noch nicht aufbereitet, und die Aufbereitung hatte sich auch immer weiter nach hinten verschoben.
Es kam dann in Gesprächen mit Herrn Schwung zu der Entscheidung, dass einige Verträge nicht haltbar sind, so dass dann noch mehr Abwertungsbedarf gefunden wurde. Ich habe dann am Samstag vor der Meldung ein Gespräch mit Herrn Schwung geführt, in dem er mir mitteilte, dass das Ergebnis nun mehr oder weniger feststehen würde. Er nannte mir die Details zu unserem Problem. Ich hatte daraufhin entschieden, dass wir am Montag eine Aufsichtsratsitzung in Anwesenheit desWirtschaftsprüfers ansetzen, dies wurde dann jedoch aus mehreren Gründen auf Dienstag verschoben.
Um 9 Uhr begann dann die Sitzung, um 9:45 stand fest, dass die Zahlen auch seitens der WP stimmten, und ab 10 Uhr war die Entscheidung klar, dass eine Gewinnwarnung kommen musste. Wir haben uns dann entschieden, weitere Risiken in den Abschluss mit hineinzunehmen. Am sehr späten Nachmittag waren wir dann bei unseren Beratern in Düsseldorf und haben dort bis spät in der Nacht die Situation diskutiert.
GSC Research: Hat Herr Butke als Finanzvorstand Ihnen alle Informationen immer rechtzeitig weitergeleitet?
Benjamin Gawlik: Ich möchte Herrn Butke dahingehend heute nichts unterstellen, und ich kann nur nach den Fakten gehen. Mein Informationsstand über die Finanzbuchhaltung ist sicherlich nie komplett gewesen. Mehr kann ich zu dem Thema heute nicht sagen.
GSC Research: Wie war denn Ihre Kommunikation mit Herrn Butke?
Benjamin Gawlik: Die war im persönlichen Bereich in Ordnung, im fachlichen Bereich, gerade was den Austausch über die Zahlen angeht, war sie nicht befriedigend. Ich war der Fragende, und ich bekam hier nur unvollständige Informationen über die Zahlen der AG. Ich habe natürlich gewusst, was bei den Tochtergesellschaften läuft, denn da war ich in das „Daily Business“ involviert. Da konnte ich jederzeit eine BWA abfordern, und natürlich weiß ich auch, wie da die Zahlen sind. Nur haben die Sunburst-Tochtergesellschaften ja gar kein Problem, sie laufen gut und sind profitabel.
GSC Research: Das Problem ist also nur in der AG?
Benjamin Gawlik: Das Ausmaß des Problems liegt nur in der AG.
GSC Research: Die Strategie der vielen Akquisitionen war also richtig?
Benjamin Gawlik: Für die Sunburst ja. Definitiv. Wäre sie nicht richtig gewesen,, dann würde ich heute nicht vor Ihnen sitzen.
GSC Research: Sind weitere Akquisitionen für Sie noch ein Thema?
Benjamin Gawlik: Bis wir Klarheit über die gesamte Sitaution haben nicht.
GSC Research: Wollen Sie Tochtergesellschaften zur Kapitalbeschaffung wieder verkaufen?
Benjamin Gawlik: Das möchte ich nicht ausschließen, aber wir wollen uns nicht selber kannibalisieren. Wir haben in der Gruppe eine in sich vernetzte Struktur, das heißt, dass unsere Tochtergesellschaften teilweise intensives Geschäft miteinander betreiben. Jeder Verkauf eines Teils würde dazu führen, dass da Unruhe hineinkommt, und das können wir im Moment nicht gebrauchen.
Ob wir zum Beispiel Finanzanlagen verkaufen würde ist eine andere Frage. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass wir auf der Suche nach Liquidität sind. Wenn Ihnen soviel Geld in der Kasse fehlt, dann möchte ich zumindest die Situation auf der kreditgebenden Seite etwas lindern.
GSC Research: Was sagen denn die Banken?
Benjamin Gawlik: Die Banken waren im ersten Moment geschockt, aber wer war das nicht.
GSC Research: Die Banken wurden auch nicht vorab informiert?
Benjamin Gawlik: Auch wenn ich es gern getan hätte, aber am Dienstag abend war mir das aus Insiderschutzgründen nicht erlaubt.
GSC Research: Wie war die Kommunikation von Herrn Butke den Banken gegenüber?
Benjamin Gawlik: Wir haben am vergangenen Montag alle unsere Banken zu einem großen Gespräch zusammengerufen und die Situation präsentiert, auch interne Zahlen für das Jahr 2001, welche wir noch nicht nach außen geben möchten. Das Gespräch ist positiv verlaufen, so dass dies der erste Schritt zur Ruhe an dieser Front ist - allerdings steht dies immer noch unter dem Vorbehalt der entscheidenden Gremien.
Ob Herr Butke dann noch kommuniziert hat, vermag ich nicht zu sagen, Herr Butke ist seit letztem Mittwoch nicht mehr im Büro, und alle entsprechenden Unterlagen sind in den Besitz von Herrn Schwung übergegangen. Wir arbeiten jetzt intensiv an der Fertigstellung der Abschlüsse.
GSC Research: Können Sie etwas zum Werdegang des neuen Finanzvorstandes Herrn Schwung sagen?
Benjamin Gawlik: Herr Schwung hat eine Bankausbildung gemacht, ist dann bei diversen Unternehmen in der Revisionsabteilung gewesen, zuletzt war er bei IBM in Stuttgart in der internen Revision und im Beteiligungscontrolling. Er ist für mich die ideale Besetzung, und das sehen auch die Banken so.Wichtig ist auch das Vertrauen der Banken ihm gegenüber.
GSC Research: Die Banken sind jetzt also positiv?
Benjamin Gawlik: Ja, aber noch unter Vorbehalt. Das erste Vertrauen ist ausgesprochen, jetzt müssen wir zeigen, was wir daraus machen, und ich denke, dass man einen zweiten Fehler nicht mehr so einfach durchgehen lassen wird.
GSC Research: Was für Konsequenzen erwarten Sie von Herrn Butke?
Benjamin Gawlik: Herr Butke ist nicht mehr im Unternehmen. Wenn es der Aufsichtsrat für notwenig erachtet, weitere Schritte einzuleiten, dann wird er es tun. Dies ist aber nicht Angelegenheit des Vorstandes. Der Aufsichtsrat muss sich ein Bild machen, ob alles in Ordnung ist oder ob eine zweite Prüfung eingeleitet wird. Wie Herr Butke die Situation beurteilt, vermag ich Ihnen nicht zu sagen.
GSC Research: Was für eine Position vertritt Herr Alting?
Benjamin Gawlik: Das kann ich Ihnen ebenfalls nicht sagen, ich habe derzeit mit Herrn Alting keinen Kontakt.
GSC Research: Er ist doch einvernehmlich ausgeschieden?
Benjamin Gawlik: Er ist damals einvernehmlich ausgeschieden, aber zu jenem Zeitpunkt war das Jahr 2000 noch nicht abgeschlossen. Dieser Abschluss könnte ihn jetzt noch mal einholen, in dem Sinne, dass er bestimmte Fragen besser als jeder andere beantworten kann, da er bestimmte Bereiche geleitet hat.
GSC Research: Wie war Ihre Kommunikation mit Herrn Alting?
Benjamin Gawlik: Ich bin mit Herrn Alting immer gut ausgekommen, aber alleine durch die Distanz von 700 Kilometern sind Grenzen gesetzt, auch wenn ich alle zwei bis drei Wochen vor Ort war. Herr Alting und Herr Butke saßen Tür an Tür,, so dass ich annehme, dass ein intensiveres Verhältnis zwischen den beiden herrschte.
GSC Research: Wäre der Vorfall unter Herr Alting anders verlaufen?
Benjamin Gawlik: Das wäre wohl Spekulation.
GSC Research: Und die Revision der Zahlen? Wäre dies bei ihm anders verlaufen? Gerade das hat doch einem erheblichen Ausmaß zum Kursverlust der Aktie beigetragen.
Benjamin Gawlik: Das kann ich so nicht sagen. Fakt ist, dass die AG ein Problem hat, nicht die Beteiligungen. Und es wäre unter meiner Ägide so oder so zu einer Holdingstruktur gekommen. Und der Umbau hier im Büro in München findet ja auch nicht erst seit kurzem statt.
Die Holdingstruktur ist so richtig. Wir machen das hier klein aber fein, mit nicht mehr als 13 Mitarbeitern. Wir sind jung und wir brauchen keine Schreibkräfte, da geht das schon in einer relativ schlanken Weise. Der vormalige Kostenapparat ist eine Belastung gewesen.
GSC Research: Der hat aber nicht 10 Millionen gekostet.
Benjamin Gawlik: Der hat keine 10 Millionen gekostet, aber er hat die eine oder andere Million gekostet.
GSC Research: Kommen wir auf Ihren Wirtschaftsprüfer zu sprechen. Hat er inzwischen gewechselt?
Benjamin Gawlik: Nein, und er und wir sehen dazu auch keinen Grund. Wir arbeiten mit der Kanzlei Warth & Klein sehr gut zusammen, und nicht zuletzt haben sie auch den Anstoß gebracht, Dinge noch einmal zu überdenken. Sie besitzen unser völliges Vertrauen und haben einen sehr guten Job gemacht. Sollte es jetzt zu einer Überprüfung der Zahlen auf Anordnung des Aufsichtsrates kommen, dann liegt das daran, dass man einen Dritten darüber schauen lassen möchte, was aber nichts mit Warth & Klein zu tun hat. In so einer Situation wie wir möchte man gerne zweimal die gleiche Auskunft bekommen.
GSC Research: Als Grund für die schlechten Zahlen wurden immer wieder die Kinoshops angeführt, welche weniger als geplant umgesetzt haben sollen. Es hieß aber, dass diese Sunburst gar kein Geld kosten, hier wollte Philip Morris die Kosten tragen.
Benjamin Gawlik: Das Voranstellen der Kinoshops als Verlustbringer Nummer 1 geschah in der Ad-Hoc Mittelung etwas unglücklich.
GSC Research: Wer hat diese Ad-Hoc formuliert?
Benjamin Gawlik: Wir alle. Das war spät nachts. Der ganze Prozess der Entscheidungsfindung über Kommunikation und weitere Vorgehensweise hat bis in den Morgen angedauert. Sicherlich, die Kinoshops waren auch ein Grund für Verluste, aber bei weitem nicht der entscheidende. Sie haben Recht, Philip Morris hat diese Shops bezahlt. Und das tun sie noch heute, auch die Miete wird von ihnen bezahlt.
Aber wir bezahlen den Betrieb, also das Personal und sonstige damit verbundene Kosten. Wir müssen also von den Warenverkäufen leben. Und diese beiden Bereiche haben zu entsprechend hohen Verlusten geführt. Der Kinomarkt an sich ist dramatisch runtergegangen, die Kinoshops waren zudem von bestimmten Restriktionen seitens Philip Morris betroffen, die es uns teilweise nicht ermöglicht haben, das richtige Produkt dort anzubieten.
Das Investment geschah unter der Ankündigung, dass das Tabakwerbeverbot der EU im Jahr 2001 eingeführt würde. Das hätte dann bedeutet, dass man nur noch dort Werbung für Tabakwaren machen darf, wo man sie auch verkauft, sprich nur am Point of Sale. Der Kinoshop hatte ja ein kleines Sortiment von Tabakwaren.
Allerdings ist Philip Morris wegen der jüngsten Klagen gegen den Konzern höchst sensibel, was das Thema Kinder und Jugendliche betrifft. Und in diesen Shops werden auch Merchandisingartikel verkauft. Wenn sie Pokemon im Angebot haben, dann gab es von Philip Morris teils die Anweisung, dass das da nicht stehen dürfte. Das ist so, als ob sie dem Tankwart verbieten würden, Benzin zu verkaufen.
GSC Research: Dieses Problem haben Sie vorher nicht gesehen?
Benjamin Gawlik: Es ist in den Verträgen sehr schwammig formuliert.
GSC Research: In Ihrem Geschäftsbericht 1999 stand, dass durch die Integration der Akquisitionen Schwierigkeiten auftreten können. Ist damit also genau das eingetreten, was man verhindern wollte?
Benjamin Gawlik: Ja, da gebe ich Ihnen recht. Das Problem ist aber nicht bei den Akquisitionen aufgetreten, sondern es ist im internen Controlling zu Versäumnissen gekommen.
GSC Research: Herr Kröger als IR-Verantwortlicher hatte bis zuletzt kommuniziert, dass man sich vollkommen im Rahmen der Planungen befinden würde. Wie war sein Verhältnis zu Herrn Butke?
Benjamin Gawlik: Herr Kröger ist von der Sache schwerstens betroffen, da er auch selber in die Aktie investiert hat. Auch ihm ist sicherlich einiges Unrecht getan worden. Er hat das, was er an Informationen bekommen hat, bestmöglich verkauft.
GSC Research: Vielleicht zu gut verkauft?
Benjamin Gawlik: Vielleicht. Vielleicht auch teilweise zu sehr ungeprüft. Das möchte ich jetzt aber dahingestellt lassen. Ich nehme ihn in Schutz, er hat alles im besten Wissen und Gewissen gesagt. Er hat teilweise sehr offensiv kommuniziert, und das wird ihm jetzt um die Ohren gehauen.
GSC Research: Von wem vor allem?
Benjamin Gawlik: Speziell von vielen Kleinanlegern. Größeren Anlegern habe ich die Zahlen ja auch genauso verkauft, da bin ich kein Deut besser gewesen.
GSC Research: Die Umsätze in der Aktie waren vor der Meldung beachtlich. Wie kann man das erklären?
Benjamin Gawlik: Gar nicht. Ich kann sie nicht erklären. Natürlich kommt da der Verdacht des Insiderhandels auf. Und ich habe in der Sache auch ein Schreiben an das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel gerichtet. Auffordern musste ich sie nicht mehr, da sie schon in Ermittlungen eingetreten waren. Ich habe ihnen die Unterstützung in jeglicher Frage angeboten. Es sieht wohl danach aus das da jemand etwas gewusst und schon seit längerem verkauft hat. Ich habe mehrfach mit allen Aktionären gesprochen, die größere Bestände an Aktien hielten, dazu gehören auch Fonds. Mir wurde von allen versprochen, sie hätten nicht verkauft.
GSC Research: Sie wollen nun Vertrauen zurück erobern. Dazu gehört auch der von Ihrem Berater Oppenhoff und Rädler ausgearbeitete Plan, der bestimmt nicht billig war.
Benjamin Gawlik: Wir werden mit dieser Beratung sicherlich im sechsstelligen Bereich liegen, aber wenn sie solche Probleme haben, müssen sie auch mal Geld in die Hand nehmen. Denn sie kriegen keine zweite Chance. Wir wissen was zu tun ist, wir haben jetzt die größten Probleme aufgedeckt. Der Kapitalmarkt macht um uns im Moment einen großen Bogen.
GSC Research: Wie wollen Sie wieder attraktiv werden?
Benjamin Gawlik: Ich denke, dass wir gegenüber anderen einen echten Vorteil haben. Wir werden bei Vorlage der endgültigen Jahreszahlen zeigen, dass das Problem in der AG lag, und dass wir das Problem lösen werden. Das werden wir mit einer Planzahlenrechnung für das Jahr 2001 belegen, die von Oppenhoff und Rädler auf Plausibilität geprüft wird. Diese Zahlen präsentieren wir unseren Banken und Analysten. Im Zusammenhang mit den ersten Quartalszahlen wollen wir dann beweisen, dass wir den Turnaround im ersten Schritt geschafft haben.
Ob wir dann attraktiv für den Kapitalmarkt werden? Ich glaube, dass im ersten Schritt nicht das Wort „attraktiv“, sondern „langsam zurückkehrendes Vertrauen“ gebraucht wird.Ich bin nach wie vor investiert und habe noch keine Aktie verkauft, und ich glaube nach wie vor an Sunburst. Aber auch bei mir müssen sich gewisse Sachen erst mal setzen und vor anderen muss man erst mal die Hosen runterlassen. Wir lassen kein Problem unentdeckt. Eine andere Chance haben wir gar nicht.
GSC Research: Sehen Sie die Sunburst-Aktie derzeit als unterbewertet an?
Benjamin Gawlik: Ich denke, die Frage nach eine Bewertung der Sunburst-Aktie ist derzeit verfrüht. Wir wollen aufdecken, die Probleme besprechen, die Unterstützung der Banken erhalten, und dann sprechen wir wieder über eine Bewertung von Sunburst.
GSC Research: Derzeit ist der Streubesitz recht groß. Könnte es nicht sein, dass da jemand die Aktien aufkauft und den Laden ausschlachtet?
Benjamin Gawlik: Das ist im Moment meines Erachtens nicht unbedingt anzunehmen. Aber in der Zukunft, falls der Kurs so bleiben sollte, könnte es sein, dass sich jemand die Filets holen möchte. Wir hören ja auch gleiches von den Banken, die fragen, warum wir nicht das ein oder andere verkaufen. Die Antwort ist aber ganz einfach. Wir könnten das machen, aber wir könnten nicht den Wert anbieten, den die Gesellschaft innerhalb der Gruppe hat. Wir haben alles sehr intensiv vernetzt, Geschäftsbereiche einer Gruppe in andere verlagert.
GSC Research: Ein Übernehmer könnte ja auch Synergiepotentiale durch eigene Eingliederungen schaffen.
Benjamin Gawlik: Ja natürlich. Aber an einen Konkurrenten würden Sie so schnell nicht verkaufen. Der einzige, der ohne Nachzudenken an einen Konkurrenten verkaufen würde, ist der Insolvenzverwalter. Solange wir für das Geschäft verantwortlich sind, werden wir das sicherlich nicht tun. Nicht für Geld und gute Worte. Auch den Mitarbeitern gegenüber wäre das nicht fair.
GSC Research: Ist der Bundesliga-Deal gestorben?
Benjamin Gawlik: Das sollte in Form eines Joint Ventures geschehen, und dieses ist auch gegründet. Wir sind da schon recht weit. Ich kann auch sagen, dass wir in Bezug auf die Bundesliga konkrete Pläne haben, aber uns sind zur Zeit die Hände gebunden. Haben wir unsere Freiheit wieder, dann müssten wir dort schnell reagieren.
GSC Research: In diesem Jahr also noch nicht?
Benjamin Gawlik: Das kann ich jetzt im Moment noch nicht sagen.
GSC Research: Aber die Sache ist noch nicht gestorben?
Benjamin Gawlik: Das hängt auch ein bisschen von den Banken ab.
GSC Research: Die Wertberichtigungen, die Verluste bei den Kinoshops und gotmerch.com, das sehen Sie als die drei „Hauptübeltäter“ an?
Benjamin Gawlik: Es gibt noch Abschreibungen auf Forderungen in nicht unerheblicher Höhe. Ebenfalls ist im operativen Geschäft der AG einiges an Verlusten generiert worden. Wir werden den ganzen Komplex auf der Bilanzpressekonferenz besprechen.
GSC Research: Gab es auch Geschäfte mit ehemaligen Organen der Gesellschaft?
Benjamin Gawlik: Das möchte ich im Moment nicht kommentieren, da dies noch vom Aufsichtsrat überprüft wird.
GSC Research: Denken Sie, dass sonst keine Bomben mehr platzen werden?
Benjamin Gawlik: Nein, wir haben jetzt überall Puffer eingebaut. Wir können nie Fehler ausschließen, aber es hat den Anschein, als ob das teilweise keine Fehler waren. Jetzt sind die Hosen unten, und die werden auch nicht wieder hochgezogen, bevor das nicht geklärt ist.
GSC Research: Herr Gawlik, wir danken ihnen für dieses Gespräch und wünschen der Sunburst AG alles Gute für die Zukunft.
Mittwoch, der 21. März 2001, war für Sunburst-Aktionäre ein schwarzer Tag: statt plus 6,2 Mio. Euro beim EBITDA des Jahres 2000 wird nun von minus 6,1 Mio. ausgegangen, das Jahresergebnis beträgt gar minus 12,2 Mio. Euro nach 0,3 Mio. Euro im Vorjahr. Kein Wunder, dass sich viele Aktionäre wie im falschen Film vorkamen und die Aktie mit einem Tagesverlust von über 50 Prozent am Tag der Gewinnwarnung erneut auf Tauchstation schickten, obwohl der Kurs schon zuvor von 90 auf unter 10 Euro abgestürzt war.
Vor dem Hintergrund des bereits zuvor heruntergeprügelten Kurses und der daraus resultierenden günstigen Unternehmensbewertung, der Bestätigung der Zahlen für 2000 per Ad-hoc-Meldung am 8. Januar sowie weiteren Versicherungen bis unmittelbar vor der Meldung, die Zahlen lägen im Plan, hatten wir nur wenige Tage vor der Gewinnrevision eine umfangreiche Studie veröffentlicht, in der wir bei einem Kurs von 7,25 zum Einstieg rieten, sobald eine Bodenbildung abzusehen ist.
Davon kann nun kaum noch eine Rede sein. Statt der erwarteten Bodenbildung waren hohe Umsätze bei fallenden Kursen im Vorfeld der Meldung zu beobachten, weshalb inzwischen auch das BAWe ermittelt. Wie es zu den katastrophalen Zahlen kommen konnte, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und wie es mit Sunburst weitergeht, darüber sprach Philipp Steinhauer für GSC Research mit dem Vorstandsvorsitzenden Benjamin Gawlik.
Benjamin Gawlik: „Das Haus muss JETZT reingefegt werden“
GSC Research: Die Sunburst AG strukturiert sich nun vollkommen um, man möchte eine Holding werden. Dem Aktionär stellt sich jetzt die Frage, ob das, was da entsteht, überhaupt noch die Sunburst AG ist.
Benjamin Gawlik: Natürlich ist das noch Sunburst. Die Frage ist, was ist die Sunburst AG gewesen, was ist aus der Sunburst seit dem Börsengang geworden, und was passiert jetzt. Das wäre so oder so passiert.
GSC Research: Die Umstrukturierungen wurden doch aufgrund der Ereignisse eingeleitet.
Benjamin Gawlik: Jein. Die Sunburst ist 1994 als Musik Merchandising Unternehmen mit ein paar Mitarbeitern gestartet, eine kleine Geschichte eben. Mit den Jahren ist Sunburst dann schnell gewachsen, und Herr Alting hat die Chancen eines Börsengangs früh erkannt. Das hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht so viele erkannt. Die Vorbereitungen begannen schon recht früh, auch für das Unternehmen selbst, heute würde es Börsengänge in dieser Größenordnung gar nicht mehr geben. Damals ging das, und die Sunburst hat den Schritt gewagt - teils mit kurzfristig geschaffenen neuen Geschäftsfeldern, aber ohne große Akquisitionen, also durch organisches Wachstum.
GSC Research: Wie ist dieses Wachstum damals finanziert worden?
Benjamin Gawlik: Teilweise durch den privaten Investor Herrn Schulte-Havermann, der auch nach wie vor dabei ist. Er hat damals de facto den Job der Banken übernommen, denn diese haben das Geschäft noch nicht verstanden. Ich selbst kam im Mai 1999 zum Unternehmen, damals kannte ich es seit einem dreiviertel Jahr enger, da ich als Geschäftsführer von Mama Concerts & Rau mit Sunburst zu tun hatte.
Herr Alting überzeugte mich mitzumachen, und ein Börsengang war damals auch eine spannende Geschichte. Die Rakete Haffa hatte schon vom Boden abgehoben. Als ich dazu kam, war schon die Lizenz zur Fußball Europameisterschaft akquiriert, alles lief auf Hochtouren, es war im positiven Sinne wie in einem Hühnerstall. Und der Börsengang hat das Ganze noch mehr auf den Kopf gestellt.
Aber was wird jetzt aus der Sunburst? Die Sunburst, so wie sie mit dem Musik- und Eventgeschäft gestartet ist, diese Sunburst gibt es bald wieder. Dieses Geschäft wird Sunburst Event heißen.
GSC Research: Also zurück zu den Wurzeln?
Benjamin Gawlik: Ja, so ein wenig. Es geht für die Abteilung sogar wahrscheinlich zurück in´s alte Bürogebäude in Osnabrück.
GSC Research: Das ist aber nicht dieses schicke Gebäude am Bahnhof?
Benjamin Gawlik: Nein, das ist ein weniger schickes, aber dafür praktisches Gebäude. Das Haus am Bahnhof ist von Herrn Alting und Herrn Butke gemeinsam über eine Gesellschaft finanziert worden, und wurde dann an die Sunburst vermietet.
GSC Research: Aber doch zu marktüblichen Konditionen?
Benjamin Gawlik: Zu den Konditionen kann ich nichts sagen, aber ich denke, dass es sich hier um den üblichen Rahmen handelt.
GSC Research: Warum wollen Sie Ihren Sitz nach München verlegen?
Benjamin Gawlik: Ich bin damals zu Sunburst gekommen und habe gesagt, dass ich in München bleibe. Ich habe seit meinem Antritt bei Sunburst dieses Büro. Das Lizenzgeschäft ist ein Teil des Mediengeschäftes, und das ist primär in München beheimatet. Osnabrück hat andere Qualitäten. In München sitzen 90% aller Lizenzagenturen, dazu kommen viele Fernsehsender, so dass die Wege viel kürzer sind.
Die Sitzverlegung war schon vor einiger Zeit ausgemacht, denn das Thema „Ablösung“ ist ja nicht neu. Herr Alting fühlte sich in dieser immer größer werdenden, stärker verzweigten und schwerer zu kontrollierenden Einheit unwohl.
GSC Research: Aber er hat doch die Akquisitionen forciert.
Benjamin Gawlik: Nicht so richtig. Er hat besonders die EMP-Akquisition vorangetrieben, aber die war auch schon vor dem Börsengang in trockenen Tüchern. Danach hat er sich in seinen Bereich zurückgezogen, das war das Geschäft der Europameisterschaft und das eingegliederte Textilgeschäft. Ich war für das sogenannte New Business verantwortlich, also die strategische Weiterentwicklung aus dem Kerngeschäft heraus. Die Akquisition von IMA und à la carte habe ich mit durchgeführt, Adori habe ich damals unter anderem mit Brainpool gemacht.
GSC Research: Adori war aber nur eine finanzielle Beteiligung.
Benjamin Gawlik: Adori war primär eine Kapitalbeteiligung, die damals sicherlich höchst attraktiv war. Wir sind ja zu viert da rein gegangen - Brainpool, Plug In Equity, eine Gesellschaft, hinter der unter anderem die Commerzbank steht, die KDV, die Beteiligungsgesellschaft der deutschen Versicherungswirtschaft und wir. Die KDV ist im Übrigen auch bei der Sunburst beteiligt. Im Moment ist die Beteiligung an Adori nicht attraktiv, aber damals war sie das Vierfache wert. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir dort ohne blaue Augen rauskommen.
Die Beteiligungen, Marketing, Investor Relations, das war meine Aufgabe. Alles was nach außen hin ging.. Die Finanzen sind in Osnabrück, also bei Herrn Butke und Herrn Alting. Im Januar letzten Jahres haben wir dann einen weiteren Vorstandsbereich kreiert, das Ressort Lizenzen und Vertrieb. Dieser wurde von Herrn Hermann besetzt. Er ist fast ein Veteran, der Älteste von uns. Und er brachte viel Erfahrung in die Sunburst-Gruppe.
GSC Research: Herr Alting ist jetzt gar nicht mehr in der Gesellschaft tätig?
Benjamin Gawlik: Nein.
GSC Research: Damit fehlt der Gesellschaft doch Know-how?
Benjamin Gawlik: Nein. Ich behaupte das so kategorisch, denn Herr Alting´s ehemaliges Ressort Event wird jetzt von zwei Mitarbeitern geleitet, die diesen Bereich mit Herrn Alting zusammen aufbauten. Herr Alting hat das schon so gemacht, wie es sich gehört, er hat für Nachwuchs gesorgt oder Leute entsprechend eingeführt und sich erst dann langsam zurückgezogen.
Das Geschäft Europameisterschaft und Textil-Vertrieb sollte so oder so abgegeben werden. Das war zwischen ihm und mir so abgesprochen. Mir war das Geschäft nicht Merchandising-affin genug, und er wollte dieses Geschäft mit seinem Ausstieg auch privat weiter betreiben.
GSC Research: Mit den selben Rechten?
Benjamin Gawlik: Die Europameisterschaft ist ja vorbei.
GSC Research: Aber für den Vertrieb gehört schon ein gewisses Standing am Markt. Und das ist jetzt weg.
Benjamin Gawlik: Das ist mit Absicht jetzt weg. Dieses Know-how wollen und brauchen wir nicht.
GSC Research: Sind hierfür Zahlungen geflossen?
Benjamin Gawlik: Für die Ausgliederung des Geschäftbereiches hätten Zahlungen fließen sollen. Diese sind aber leider nicht gekommen. Das ist auch mit ein Grund, warum der Jahreabschluss nicht „geklappt“ hat.
GSC Research: Mit seinem Rückzug aus der Gesellschaft hat Herr Alting gleichzeitig Aktien verkauft. Warum das?
Benjamin Gawlik: Ich habe mit Herrn Alting eine Vereinbarung abgeschlossen, 417.500 Aktien zu übernehmen. Diese Vereinbarung wurde im Januar unterschrieben. Ich habe mich dann um die entsprechende Finanzierung dieses Anteilerwerbs gekümmert, denn ich komme nicht aus reichem Hause. Die Finanzierung des Kaufes ist auch entsprechend gewährt worden, wobei der Kursverlauf der Sunburst-Aktie den Erwerb heute nicht mehr zulässt. Die Aktien sind nicht in meinem Depot, aber ich habe die Verpflichtung, sie zu übernehmen, kann sie derzeit aber nicht finanzieren.
GSC Research: Weil die Bank sich dann querstellt?
Benjamin Gawlik: Ja. Und heute würde ich sie auch nicht zu diesem Preis kaufen.
GSC Research: Welchen Preis hatte das Aktienpaket?
Benjamin Gawlik: Ich hätte die Aktien zu einem nicht gerade niedrigen Preis im Bezug auf den heutigen Börsenkurs übernommen. Und man muss auch sehen, dass der Börsenwert durch entsprechende Entwicklungen nicht mehr das beträgt, was er eigentlich meines Erachtens hätte betragen müssen.
GSC Research: War der Kaufpreis im Rahmen des damaligen Kurses oder unterhalb?
Benjamin Gawlik: Er war unterhalb.
GSC Research: In welchem Verhältnis?
Benjamin Gawlik: Ungefähr 60 Prozent unter dem Kurs, aber viel höher als der jetzige Kurs.
GSC Research: Warum wollte sich Herr Alting von den Aktien verabschieden? Für ihn waren die Aktien ja immer noch ein Finanzinvestment.
Benjamin Gawlik: Das ist ein Finanzinvestment. Auf der anderen Seite sagte er, wenn er einer anderen Person Aktien zu einem attraktiven Kurs als Ansporn gibt, dann hat er auch von seinen übrigen Aktien mehr. Herr Alting hatte ja knapp über 30% der Aktien, er hätte also ungefähr ein Drittel der Aktien an mich verkauft.
GSC Research: Sie haben derzeit also immer noch nur 2 Prozent?
Benjamin Gawlik: Ja, ich habe heute 2,6 Prozent. Diese Aktien hatte ich schon vor dem Börsengang. Außerdem habe ich noch ein paar Optionen die ich im Juni hätte ausüben können, aber darüber sollten wir lieber nicht sprechen....
GSC Research: Wird Herr Alting weiterhin an seinem Plan festhalten, in den Aufsichtsrat zu gehen?
Benjamin Gawlik: Die Hauptversammlung wählt den Aufsichtsrat, und es wird sich zeigen, ob der Vorstand den entsprechenden Vorschlag zur Tagesordnung macht. Zur Zeit befinden wir uns in einer ziemlich hektischen Situation, wir sind jetzt primär bemüht, den Jahresabschluss zu erstellen. Damit werden wir aber außerhalb der vorgeschriebenen Frist sein, was sich leider nicht verhindern lässt. Wir haben von der Deutschen Börse aber eine entsprechende Fristverlängerung erhalten. Wir möchten jetzt in den Abschluss hinein nehmen, was hineinzunehmen ist. Das Haus muss jetzt reingefegt werden.
GSC Research: Am Neuen Markt gilt die Regel, dass bei der ersten Verfehlung des Abgabetermins die Alarmglocken schrillen sollten.
Benjamin Gawlik: Das hat sich so auch bewahrheitet.
GSC Research: Kommen wir auf die Gewinnwarnung zu sprechen. Wie ist zu erklären, dass bis zuletzt kommuniziert wurde, dass die Zahlen im Rahmen der Erwartungen liegen.
Benjamin Gawlik: Ich hatte eben unsere Struktur erläutert. Was den gesamten Zahlenbereich angeht, hatte Herr Butke die letztendliche Verantwortung. Es sind im Nachhinein eine Menge von Geschäften nicht wie geplant zustande gekommen. Dann kam es im Rahmen des Jahresabschluss fast täglich zu neuen Erkenntnissen, die die Wirtschaftsprüfer entdeckt haben.
GSC Research: Seit wann war das?
Benjamin Gawlik: Seit Mitte Dezember.
GSC Research: Seitdem gab es erst Anhaltspunkte?
Benjamin Gawlik: Nein, da gab es nur sehr wenig aufbereitetes Material. Dazu kommt, dass wir 14 Tochtergesellschaften konsolidieren, dass heißt, dass auch 14 Gesellschaften im letzten Jahr u. a. auf IAS umstellen mussten, was ein sehr langwieriger Prozess sein kann. Ich hätte Ihnen im Februar nicht sagen können, wie der konkrete und abschließende Stand der Zahlen sein würde. Ich so oder so nicht, und Herr Butke offensichtlich auch noch nicht..
GSC Research: Er konnte nicht sagen, dass die Zahlen nicht im Rahmen der Erwartungen liegen werden?
Benjamin Gawlik: Diese Frage kann ich so nicht 100prozentig beantworten. Wir müssen davon ausgehen, dass die Informationen aus der Finanzabteilung stimmten. Auf welcher Basis die Bestätigung der Prognose abgegeben wurde - nun ja, die Basis für diese Prognose war wohl gegeben. Ob sie abschließend gesichert war, ist eine andere Frage..
GSC Research: Können Sie den Ablauf des Tages schildern, an dem die Gewinnwarnung kam?
Benjamin Gawlik: Die Hinführung auf die Entscheidung der Gewinnwarnung lief in der Vorwoche, da sind intensive Gespräche mit unseren Wirtschaftprüfern geführt worden. Sie sind von Beteiligung zu Beteiligung und dann zur AG gegangen, und da war ein bestimmtes Material an Zahlen noch nicht aufbereitet, und die Aufbereitung hatte sich auch immer weiter nach hinten verschoben.
Es kam dann in Gesprächen mit Herrn Schwung zu der Entscheidung, dass einige Verträge nicht haltbar sind, so dass dann noch mehr Abwertungsbedarf gefunden wurde. Ich habe dann am Samstag vor der Meldung ein Gespräch mit Herrn Schwung geführt, in dem er mir mitteilte, dass das Ergebnis nun mehr oder weniger feststehen würde. Er nannte mir die Details zu unserem Problem. Ich hatte daraufhin entschieden, dass wir am Montag eine Aufsichtsratsitzung in Anwesenheit desWirtschaftsprüfers ansetzen, dies wurde dann jedoch aus mehreren Gründen auf Dienstag verschoben.
Um 9 Uhr begann dann die Sitzung, um 9:45 stand fest, dass die Zahlen auch seitens der WP stimmten, und ab 10 Uhr war die Entscheidung klar, dass eine Gewinnwarnung kommen musste. Wir haben uns dann entschieden, weitere Risiken in den Abschluss mit hineinzunehmen. Am sehr späten Nachmittag waren wir dann bei unseren Beratern in Düsseldorf und haben dort bis spät in der Nacht die Situation diskutiert.
GSC Research: Hat Herr Butke als Finanzvorstand Ihnen alle Informationen immer rechtzeitig weitergeleitet?
Benjamin Gawlik: Ich möchte Herrn Butke dahingehend heute nichts unterstellen, und ich kann nur nach den Fakten gehen. Mein Informationsstand über die Finanzbuchhaltung ist sicherlich nie komplett gewesen. Mehr kann ich zu dem Thema heute nicht sagen.
GSC Research: Wie war denn Ihre Kommunikation mit Herrn Butke?
Benjamin Gawlik: Die war im persönlichen Bereich in Ordnung, im fachlichen Bereich, gerade was den Austausch über die Zahlen angeht, war sie nicht befriedigend. Ich war der Fragende, und ich bekam hier nur unvollständige Informationen über die Zahlen der AG. Ich habe natürlich gewusst, was bei den Tochtergesellschaften läuft, denn da war ich in das „Daily Business“ involviert. Da konnte ich jederzeit eine BWA abfordern, und natürlich weiß ich auch, wie da die Zahlen sind. Nur haben die Sunburst-Tochtergesellschaften ja gar kein Problem, sie laufen gut und sind profitabel.
GSC Research: Das Problem ist also nur in der AG?
Benjamin Gawlik: Das Ausmaß des Problems liegt nur in der AG.
GSC Research: Die Strategie der vielen Akquisitionen war also richtig?
Benjamin Gawlik: Für die Sunburst ja. Definitiv. Wäre sie nicht richtig gewesen,, dann würde ich heute nicht vor Ihnen sitzen.
GSC Research: Sind weitere Akquisitionen für Sie noch ein Thema?
Benjamin Gawlik: Bis wir Klarheit über die gesamte Sitaution haben nicht.
GSC Research: Wollen Sie Tochtergesellschaften zur Kapitalbeschaffung wieder verkaufen?
Benjamin Gawlik: Das möchte ich nicht ausschließen, aber wir wollen uns nicht selber kannibalisieren. Wir haben in der Gruppe eine in sich vernetzte Struktur, das heißt, dass unsere Tochtergesellschaften teilweise intensives Geschäft miteinander betreiben. Jeder Verkauf eines Teils würde dazu führen, dass da Unruhe hineinkommt, und das können wir im Moment nicht gebrauchen.
Ob wir zum Beispiel Finanzanlagen verkaufen würde ist eine andere Frage. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass wir auf der Suche nach Liquidität sind. Wenn Ihnen soviel Geld in der Kasse fehlt, dann möchte ich zumindest die Situation auf der kreditgebenden Seite etwas lindern.
GSC Research: Was sagen denn die Banken?
Benjamin Gawlik: Die Banken waren im ersten Moment geschockt, aber wer war das nicht.
GSC Research: Die Banken wurden auch nicht vorab informiert?
Benjamin Gawlik: Auch wenn ich es gern getan hätte, aber am Dienstag abend war mir das aus Insiderschutzgründen nicht erlaubt.
GSC Research: Wie war die Kommunikation von Herrn Butke den Banken gegenüber?
Benjamin Gawlik: Wir haben am vergangenen Montag alle unsere Banken zu einem großen Gespräch zusammengerufen und die Situation präsentiert, auch interne Zahlen für das Jahr 2001, welche wir noch nicht nach außen geben möchten. Das Gespräch ist positiv verlaufen, so dass dies der erste Schritt zur Ruhe an dieser Front ist - allerdings steht dies immer noch unter dem Vorbehalt der entscheidenden Gremien.
Ob Herr Butke dann noch kommuniziert hat, vermag ich nicht zu sagen, Herr Butke ist seit letztem Mittwoch nicht mehr im Büro, und alle entsprechenden Unterlagen sind in den Besitz von Herrn Schwung übergegangen. Wir arbeiten jetzt intensiv an der Fertigstellung der Abschlüsse.
GSC Research: Können Sie etwas zum Werdegang des neuen Finanzvorstandes Herrn Schwung sagen?
Benjamin Gawlik: Herr Schwung hat eine Bankausbildung gemacht, ist dann bei diversen Unternehmen in der Revisionsabteilung gewesen, zuletzt war er bei IBM in Stuttgart in der internen Revision und im Beteiligungscontrolling. Er ist für mich die ideale Besetzung, und das sehen auch die Banken so.Wichtig ist auch das Vertrauen der Banken ihm gegenüber.
GSC Research: Die Banken sind jetzt also positiv?
Benjamin Gawlik: Ja, aber noch unter Vorbehalt. Das erste Vertrauen ist ausgesprochen, jetzt müssen wir zeigen, was wir daraus machen, und ich denke, dass man einen zweiten Fehler nicht mehr so einfach durchgehen lassen wird.
GSC Research: Was für Konsequenzen erwarten Sie von Herrn Butke?
Benjamin Gawlik: Herr Butke ist nicht mehr im Unternehmen. Wenn es der Aufsichtsrat für notwenig erachtet, weitere Schritte einzuleiten, dann wird er es tun. Dies ist aber nicht Angelegenheit des Vorstandes. Der Aufsichtsrat muss sich ein Bild machen, ob alles in Ordnung ist oder ob eine zweite Prüfung eingeleitet wird. Wie Herr Butke die Situation beurteilt, vermag ich Ihnen nicht zu sagen.
GSC Research: Was für eine Position vertritt Herr Alting?
Benjamin Gawlik: Das kann ich Ihnen ebenfalls nicht sagen, ich habe derzeit mit Herrn Alting keinen Kontakt.
GSC Research: Er ist doch einvernehmlich ausgeschieden?
Benjamin Gawlik: Er ist damals einvernehmlich ausgeschieden, aber zu jenem Zeitpunkt war das Jahr 2000 noch nicht abgeschlossen. Dieser Abschluss könnte ihn jetzt noch mal einholen, in dem Sinne, dass er bestimmte Fragen besser als jeder andere beantworten kann, da er bestimmte Bereiche geleitet hat.
GSC Research: Wie war Ihre Kommunikation mit Herrn Alting?
Benjamin Gawlik: Ich bin mit Herrn Alting immer gut ausgekommen, aber alleine durch die Distanz von 700 Kilometern sind Grenzen gesetzt, auch wenn ich alle zwei bis drei Wochen vor Ort war. Herr Alting und Herr Butke saßen Tür an Tür,, so dass ich annehme, dass ein intensiveres Verhältnis zwischen den beiden herrschte.
GSC Research: Wäre der Vorfall unter Herr Alting anders verlaufen?
Benjamin Gawlik: Das wäre wohl Spekulation.
GSC Research: Und die Revision der Zahlen? Wäre dies bei ihm anders verlaufen? Gerade das hat doch einem erheblichen Ausmaß zum Kursverlust der Aktie beigetragen.
Benjamin Gawlik: Das kann ich so nicht sagen. Fakt ist, dass die AG ein Problem hat, nicht die Beteiligungen. Und es wäre unter meiner Ägide so oder so zu einer Holdingstruktur gekommen. Und der Umbau hier im Büro in München findet ja auch nicht erst seit kurzem statt.
Die Holdingstruktur ist so richtig. Wir machen das hier klein aber fein, mit nicht mehr als 13 Mitarbeitern. Wir sind jung und wir brauchen keine Schreibkräfte, da geht das schon in einer relativ schlanken Weise. Der vormalige Kostenapparat ist eine Belastung gewesen.
GSC Research: Der hat aber nicht 10 Millionen gekostet.
Benjamin Gawlik: Der hat keine 10 Millionen gekostet, aber er hat die eine oder andere Million gekostet.
GSC Research: Kommen wir auf Ihren Wirtschaftsprüfer zu sprechen. Hat er inzwischen gewechselt?
Benjamin Gawlik: Nein, und er und wir sehen dazu auch keinen Grund. Wir arbeiten mit der Kanzlei Warth & Klein sehr gut zusammen, und nicht zuletzt haben sie auch den Anstoß gebracht, Dinge noch einmal zu überdenken. Sie besitzen unser völliges Vertrauen und haben einen sehr guten Job gemacht. Sollte es jetzt zu einer Überprüfung der Zahlen auf Anordnung des Aufsichtsrates kommen, dann liegt das daran, dass man einen Dritten darüber schauen lassen möchte, was aber nichts mit Warth & Klein zu tun hat. In so einer Situation wie wir möchte man gerne zweimal die gleiche Auskunft bekommen.
GSC Research: Als Grund für die schlechten Zahlen wurden immer wieder die Kinoshops angeführt, welche weniger als geplant umgesetzt haben sollen. Es hieß aber, dass diese Sunburst gar kein Geld kosten, hier wollte Philip Morris die Kosten tragen.
Benjamin Gawlik: Das Voranstellen der Kinoshops als Verlustbringer Nummer 1 geschah in der Ad-Hoc Mittelung etwas unglücklich.
GSC Research: Wer hat diese Ad-Hoc formuliert?
Benjamin Gawlik: Wir alle. Das war spät nachts. Der ganze Prozess der Entscheidungsfindung über Kommunikation und weitere Vorgehensweise hat bis in den Morgen angedauert. Sicherlich, die Kinoshops waren auch ein Grund für Verluste, aber bei weitem nicht der entscheidende. Sie haben Recht, Philip Morris hat diese Shops bezahlt. Und das tun sie noch heute, auch die Miete wird von ihnen bezahlt.
Aber wir bezahlen den Betrieb, also das Personal und sonstige damit verbundene Kosten. Wir müssen also von den Warenverkäufen leben. Und diese beiden Bereiche haben zu entsprechend hohen Verlusten geführt. Der Kinomarkt an sich ist dramatisch runtergegangen, die Kinoshops waren zudem von bestimmten Restriktionen seitens Philip Morris betroffen, die es uns teilweise nicht ermöglicht haben, das richtige Produkt dort anzubieten.
Das Investment geschah unter der Ankündigung, dass das Tabakwerbeverbot der EU im Jahr 2001 eingeführt würde. Das hätte dann bedeutet, dass man nur noch dort Werbung für Tabakwaren machen darf, wo man sie auch verkauft, sprich nur am Point of Sale. Der Kinoshop hatte ja ein kleines Sortiment von Tabakwaren.
Allerdings ist Philip Morris wegen der jüngsten Klagen gegen den Konzern höchst sensibel, was das Thema Kinder und Jugendliche betrifft. Und in diesen Shops werden auch Merchandisingartikel verkauft. Wenn sie Pokemon im Angebot haben, dann gab es von Philip Morris teils die Anweisung, dass das da nicht stehen dürfte. Das ist so, als ob sie dem Tankwart verbieten würden, Benzin zu verkaufen.
GSC Research: Dieses Problem haben Sie vorher nicht gesehen?
Benjamin Gawlik: Es ist in den Verträgen sehr schwammig formuliert.
GSC Research: In Ihrem Geschäftsbericht 1999 stand, dass durch die Integration der Akquisitionen Schwierigkeiten auftreten können. Ist damit also genau das eingetreten, was man verhindern wollte?
Benjamin Gawlik: Ja, da gebe ich Ihnen recht. Das Problem ist aber nicht bei den Akquisitionen aufgetreten, sondern es ist im internen Controlling zu Versäumnissen gekommen.
GSC Research: Herr Kröger als IR-Verantwortlicher hatte bis zuletzt kommuniziert, dass man sich vollkommen im Rahmen der Planungen befinden würde. Wie war sein Verhältnis zu Herrn Butke?
Benjamin Gawlik: Herr Kröger ist von der Sache schwerstens betroffen, da er auch selber in die Aktie investiert hat. Auch ihm ist sicherlich einiges Unrecht getan worden. Er hat das, was er an Informationen bekommen hat, bestmöglich verkauft.
GSC Research: Vielleicht zu gut verkauft?
Benjamin Gawlik: Vielleicht. Vielleicht auch teilweise zu sehr ungeprüft. Das möchte ich jetzt aber dahingestellt lassen. Ich nehme ihn in Schutz, er hat alles im besten Wissen und Gewissen gesagt. Er hat teilweise sehr offensiv kommuniziert, und das wird ihm jetzt um die Ohren gehauen.
GSC Research: Von wem vor allem?
Benjamin Gawlik: Speziell von vielen Kleinanlegern. Größeren Anlegern habe ich die Zahlen ja auch genauso verkauft, da bin ich kein Deut besser gewesen.
GSC Research: Die Umsätze in der Aktie waren vor der Meldung beachtlich. Wie kann man das erklären?
Benjamin Gawlik: Gar nicht. Ich kann sie nicht erklären. Natürlich kommt da der Verdacht des Insiderhandels auf. Und ich habe in der Sache auch ein Schreiben an das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel gerichtet. Auffordern musste ich sie nicht mehr, da sie schon in Ermittlungen eingetreten waren. Ich habe ihnen die Unterstützung in jeglicher Frage angeboten. Es sieht wohl danach aus das da jemand etwas gewusst und schon seit längerem verkauft hat. Ich habe mehrfach mit allen Aktionären gesprochen, die größere Bestände an Aktien hielten, dazu gehören auch Fonds. Mir wurde von allen versprochen, sie hätten nicht verkauft.
GSC Research: Sie wollen nun Vertrauen zurück erobern. Dazu gehört auch der von Ihrem Berater Oppenhoff und Rädler ausgearbeitete Plan, der bestimmt nicht billig war.
Benjamin Gawlik: Wir werden mit dieser Beratung sicherlich im sechsstelligen Bereich liegen, aber wenn sie solche Probleme haben, müssen sie auch mal Geld in die Hand nehmen. Denn sie kriegen keine zweite Chance. Wir wissen was zu tun ist, wir haben jetzt die größten Probleme aufgedeckt. Der Kapitalmarkt macht um uns im Moment einen großen Bogen.
GSC Research: Wie wollen Sie wieder attraktiv werden?
Benjamin Gawlik: Ich denke, dass wir gegenüber anderen einen echten Vorteil haben. Wir werden bei Vorlage der endgültigen Jahreszahlen zeigen, dass das Problem in der AG lag, und dass wir das Problem lösen werden. Das werden wir mit einer Planzahlenrechnung für das Jahr 2001 belegen, die von Oppenhoff und Rädler auf Plausibilität geprüft wird. Diese Zahlen präsentieren wir unseren Banken und Analysten. Im Zusammenhang mit den ersten Quartalszahlen wollen wir dann beweisen, dass wir den Turnaround im ersten Schritt geschafft haben.
Ob wir dann attraktiv für den Kapitalmarkt werden? Ich glaube, dass im ersten Schritt nicht das Wort „attraktiv“, sondern „langsam zurückkehrendes Vertrauen“ gebraucht wird.Ich bin nach wie vor investiert und habe noch keine Aktie verkauft, und ich glaube nach wie vor an Sunburst. Aber auch bei mir müssen sich gewisse Sachen erst mal setzen und vor anderen muss man erst mal die Hosen runterlassen. Wir lassen kein Problem unentdeckt. Eine andere Chance haben wir gar nicht.
GSC Research: Sehen Sie die Sunburst-Aktie derzeit als unterbewertet an?
Benjamin Gawlik: Ich denke, die Frage nach eine Bewertung der Sunburst-Aktie ist derzeit verfrüht. Wir wollen aufdecken, die Probleme besprechen, die Unterstützung der Banken erhalten, und dann sprechen wir wieder über eine Bewertung von Sunburst.
GSC Research: Derzeit ist der Streubesitz recht groß. Könnte es nicht sein, dass da jemand die Aktien aufkauft und den Laden ausschlachtet?
Benjamin Gawlik: Das ist im Moment meines Erachtens nicht unbedingt anzunehmen. Aber in der Zukunft, falls der Kurs so bleiben sollte, könnte es sein, dass sich jemand die Filets holen möchte. Wir hören ja auch gleiches von den Banken, die fragen, warum wir nicht das ein oder andere verkaufen. Die Antwort ist aber ganz einfach. Wir könnten das machen, aber wir könnten nicht den Wert anbieten, den die Gesellschaft innerhalb der Gruppe hat. Wir haben alles sehr intensiv vernetzt, Geschäftsbereiche einer Gruppe in andere verlagert.
GSC Research: Ein Übernehmer könnte ja auch Synergiepotentiale durch eigene Eingliederungen schaffen.
Benjamin Gawlik: Ja natürlich. Aber an einen Konkurrenten würden Sie so schnell nicht verkaufen. Der einzige, der ohne Nachzudenken an einen Konkurrenten verkaufen würde, ist der Insolvenzverwalter. Solange wir für das Geschäft verantwortlich sind, werden wir das sicherlich nicht tun. Nicht für Geld und gute Worte. Auch den Mitarbeitern gegenüber wäre das nicht fair.
GSC Research: Ist der Bundesliga-Deal gestorben?
Benjamin Gawlik: Das sollte in Form eines Joint Ventures geschehen, und dieses ist auch gegründet. Wir sind da schon recht weit. Ich kann auch sagen, dass wir in Bezug auf die Bundesliga konkrete Pläne haben, aber uns sind zur Zeit die Hände gebunden. Haben wir unsere Freiheit wieder, dann müssten wir dort schnell reagieren.
GSC Research: In diesem Jahr also noch nicht?
Benjamin Gawlik: Das kann ich jetzt im Moment noch nicht sagen.
GSC Research: Aber die Sache ist noch nicht gestorben?
Benjamin Gawlik: Das hängt auch ein bisschen von den Banken ab.
GSC Research: Die Wertberichtigungen, die Verluste bei den Kinoshops und gotmerch.com, das sehen Sie als die drei „Hauptübeltäter“ an?
Benjamin Gawlik: Es gibt noch Abschreibungen auf Forderungen in nicht unerheblicher Höhe. Ebenfalls ist im operativen Geschäft der AG einiges an Verlusten generiert worden. Wir werden den ganzen Komplex auf der Bilanzpressekonferenz besprechen.
GSC Research: Gab es auch Geschäfte mit ehemaligen Organen der Gesellschaft?
Benjamin Gawlik: Das möchte ich im Moment nicht kommentieren, da dies noch vom Aufsichtsrat überprüft wird.
GSC Research: Denken Sie, dass sonst keine Bomben mehr platzen werden?
Benjamin Gawlik: Nein, wir haben jetzt überall Puffer eingebaut. Wir können nie Fehler ausschließen, aber es hat den Anschein, als ob das teilweise keine Fehler waren. Jetzt sind die Hosen unten, und die werden auch nicht wieder hochgezogen, bevor das nicht geklärt ist.
GSC Research: Herr Gawlik, wir danken ihnen für dieses Gespräch und wünschen der Sunburst AG alles Gute für die Zukunft.