EURO..

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EURO..

 
26.04.01 01:02
Argument mit Biß

FRANKFURT, 24. April. War dies das Sandkörnchen, das die Waage zur anderen Seite ausschlagen läßt? Als die amerikanische Notenbank in der vergangenen Woche überraschend ihren Leitzins senkte, reagierten die Devisenhändler reflexartig nach der Formel "Niedrigere Zinsen - mehr Wachstum - höhere Renditen". Prompt wurden Euro verkauft, Dollar gekauft. Das ließ die Gemeinschaftswährung in Sekundenschnelle auf weniger als 0,87 Dollar fallen. Als wenig später die Begründung für den Zinsschritt wahrgenommen wurde - nämlich die Sorgen der Fed bezüglich Wirtschaftswachstum und Gewinnentwicklung -, kam es allerdings zu einer Gegenbewegung, die den Euro bis Montag auf 0,9070 Dollar steigen ließ. Wegen der schlechten Aussichten für das Wirtschaftswachstum in Deutschland sank die Gemeinschaftswährung am Dienstag aber wieder unter 90 Cent.

Natürlich könnte es sich bei dem Aufschwung um einen der Zwischenspurts gehandelt haben, die bald wieder verpuffen. Notorische Euro-Optimisten allerdings meinen, daß die Entwicklung der letzten Tage den erhofften Umschwung - weg vom Dollar, hin zum Euro - markiert hat. Schließlich schlage seit der Leitzinssenkung in Amerika nun der Vergleich der kurzfristigen nominalen Zinsen erstmals seit langem zugunsten des Euro aus, gar nicht zu reden von den realen Zinsen (Nominalzins abzüglich der Inflationsrate), bei denen der Euroraum schon seit einiger Zeit über alle Laufzeiten vorne liege.

Vor allem aber, so argumentieren die Euro-Optimisten, habe der Devisenmarkt nun offenbar zur Kenntnis genommen, daß die europäische Wirtschaft nicht nur aktuell stärker wachse als die amerikanische, sondern daß auch die mittelfristigen Aussichten der Alten Welt besser als die der Neuen Welt seien. Nun sei es nur eine Frage der Zeit, bis die international anlegenden Investoren den Euroraum entdeckten, machen sich die Optimisten Mut - die mit ihrer Spekulation auf eine Euro-Aufwertung allerdings schon viel Geld verloren haben.

Daß der Euro auf dem derzeitigen Kursniveau unter- und der Dollar überbewertet ist, haben Reisende zwischen den Welten schon seit lange beobachtet. Nun wird dies auch durch Studien zur Kaufkraft-Parität untermauert. So schreibt die Deutsche Bank in ihren "Wechselkurs-Perspektiven", daß der Dollar bei einem Vergleich der Kaufkraftparitäten gegenüber allen Währungen überbewertet sei. Gegenüber dem Yen betrage die Überbewertung allerdings nur 3 Prozent, hingegen gegenüber dem Euro 25 Prozent, dem australischen Dollar 33 Prozent und der Schwedenkrone sogar 47 Prozent. Die Erfahrung zeige, daß sich Ausschläge, die größer als 20 Prozent seien, meist nicht lange hielten, schreibt die Deutsche Bank.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der "Big Mac"-Index, den die Zeitschrift "Economist" alljährlich mit einem Augenzwinkern ermittelt. Dabei wird die Über- oder Unterbewertung einer Währung gegenüber dem Dollar anhand eines internationalen Preisvergleichs für die "Big Mac"-Hamburger der Restaurantkette McDonald's ermittelt. Natürlich ist diese Methode reichlich simpel. Doch hat sie durchaus Biß. So hat der Big-Mac-Index zum Beispiel Anfang 1999 richtig den Schluß nahegelegt, daß der Euro gegenüber dem Dollar überbewertet sei - und lag damit besser als der Großteil der Fachleute. Inzwischen aber hat sich das Blatt offenbar gewendet: Jedenfalls schreibt der Economist in seiner jüngsten Ausgabe, daß der Dollar in der fünfzehnjährigen Geschichte der Burger-Ökonomie noch nie so stark überbewertet erschienen sei wie derzeit. Gegenüber dem Yen betrage die Überbewertung auf einem Niveau von 124 Yen je Dollar 6 Prozent, gegenüber der Gemeinschaftswährung bei einer Wechselkursrelation von 88 Cents je Euro glatte 11 Prozent. Das sind Argumente ganz nach dem Geschmack der Euro-Optimisten.

Auch charttechnisch orientierte Analysten sehen Anlaß für Euro-Zuversicht. Denn nach ihrer Deutung der Währungskurve hat sich eine klassische Kopf-Schulter-Formation herausgebildet. Veranschaulicht wird dies an einem Graphen, der den Kursverlauf der D-Mark gegenüber dem Dollar zeigt: Der erste Schultergipfel wurde im Mai 2000 bei Kursen von rund 2,20 DM je Dollar erreicht. Es folgte der Abstieg auf 2 DM und der Aufstieg zum Scheitel (bei 2,36 DM im Oktober). Bis Januar ging es wieder bis aufs Schultertal bei rund 2 Mark herunter, dann wieder auf 2,20 DM hinauf. Nach Ansicht der Chartisten müßte nun der lange Abstieg bis hin zu den Fingerspitzen folgen. (Für den Dollar-Euro-Graphen gilt wegen der festen Relation Euro zu D-Mark natürlich entsprechendes; nur steht hier die Formation auf dem Kopf, was weniger anschaulich ist.)

Alle diese Argumente der Euro-Optimisten haben ihre Wirkung nicht verfehlt, jedenfalls nicht auf die Volkswirte der großen Banken - von denen die meisten freilich dem Euro schon bei seinem Start Anfang 1999 auf einem Niveau von 1,19 Dollar Aufwertungspotential attestiert hatten. So haben in einer Umfrage der Nachrichtenagentur vwd unlängst zehn von elf Banken dem Euro eine positive Prognose gestellt: In sechs Monaten wird der Euro demnach zwischen 0,92 und 1 Dollar wert sein. Nur die Analysten der britischen Bank Barclays Capital stehen dem Euro weiterhin skeptisch gegenüber: Sie sehen ihn in einem halben Jahr bei 0,85 Dollar.

Auf die Wahl von Junichiro Koizumi zum neuen Präsidenten der LDP - und damit aller Voraussicht nach zum japanischen Ministerpräsidenten - hat der Yen mit leichten Kursgewinnen reagiert. Koizumi wird Reformwillen attestiert. Ob er allerdings auch die Fähigkeiten dazu mitbringt, steht noch in den Sternen. Als erste Bewährungsprobe gilt, ob es ihm gelingt, ein Kabinett zusammenzustellen, das den schwelenden Konflikt zwischen den Reformbefürwortern und den Anhängern des Status quo befriedet. Sollte dies gelingen, könnte der Yen davon profitieren.

Während in Japan zarte Hoffnungen auf ein Ende der zehnjährigen Krise keimen, spitzt sich die Lage an den Finanzmärkten in Lateinamerika zu. Das Zentrum der Krise ist Argentinien. Das Land, dessen Währung seit einigen Jahren fest an den Dollar gebunden ist, hat große Schwierigkeiten, seine beträchtlichen Auslandsschulden zu bedienen. Viele Argentinier befürchten deshalb, daß es zu einem Währungsschnitt kommen könnte - und tauschen ihr Geld deshalb in Dollar um. Die Unsicherheit strahlt auf die Nachbarländer aus. So hat sich die Talfahrt des brasilianischen Real in den vergangenen Tagen ebenso beschleunigt wie die des peruanischen New Sol.

BENEDIKT FEHR

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.04.2001, Nr. 96 / Seite 33
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WIWO..25.04

 
26.04.01 01:11
Tietmeyer warnt vor Überschätzung der Notenbanken
Interview mit Ex-Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer über die Rezessionsgefahr und die Differenzen zwischen amerikanischer und europäischer Geldpolitik.

Herr Tietmeyer, weltweit schwächt sich das Wirtschaftswachstum ab. Ist nach der jüngsten Zinssenkung in den USA die Gefahr einer Rezession gebannt?

Absolut sicher lässt sich das nicht sagen. Allerdings weisen die wirtschaftlichen Indikatoren weltweit nicht auf eine Rezession hin. Zwar hat sich das Wachstum in den USA abgeschwächt, was nach der übermäßigen Auslastung des Produktionspotenzials in den vergangenen Jahren auch notwendig war, eine Rezession ist das aber nicht. Lediglich in Japan kann die Gefahr einer Rezession kurzfristig nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt ist der asiatische Raum aber derzeit noch relativ stabil. Ähnliches gilt für die meisten Länder in Lateinamerika. Auch Europa hat noch ein robustes Wirtschaftswachstum, wenn auch etwas schwächer, als es die sehr optimistischen Prognosen des vergangenen Jahres vorausgesagt haben.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr war eine amerikanische Zinssenkung für die Märkte ganz überraschend. Notenbankchef Alan Greenspan hat sie vor allem mit der Konjunkturschwäche begründet.

In den USA war das Zinsniveau im Herbst vergangenen Jahres allerdings auch sehr hoch, jetzt liegt es etwa auf europäischem Niveau. Zudem haben die Vereinigten Staaten eine Besonderheit: die enorme Triebkraft der Finanzmärkte. Weil fast jeder Amerikaner Aktien besitzt, war die Konsumquote der USA durch den Börsenboom und den dadurch begründeten Wohlstandseffekt stark gestiegen. Die US-Bürger haben teilweise mehr als ihr regelmäßiges Einkommen in den Konsum gesteckt. Die Sparquote war so zeitweise negativ. Bei rückläufigen Börsenkursen besteht nun natürlich die Gefahr, dass sich dieser Prozess umkehrt.

Was heißt das für die US-Konjunktur?

Die vorher übertrieben hohe Konsumneigung könnte jetzt in die entgegengesetzte Richtung übertrieben werden und die Konjunktur übermäßig nach unten drücken. Die amerikanische Notenbank muss darauf achten, dass die notwendigen Korrekturen in Richtung einer höheren Sparquote einigermaßen ruhig verlaufen. Aber das hängt natürlich nicht allein von ihren Entscheidungen ab. Die Rolle der Notenbankpolitik bei der Konjunktursteuerung sollte nicht überschätzt werden.

Hat sich die US-Notenbank in der Vergangenheit zu sehr von Finanzmarkterwartungen bestimmen lassen?

Das würde ich so nicht sagen. Auch die US-Notenbank weiß, dass sie ihre Politik primär von eigenen Überlegungen und nicht von den oft sehr volatilen Erwartungen der Märkte abhängig machen muss. Notenbanken können den Märkten Orientierung geben.

In Japan haben die Zinssenkungen nach dem Platzen der Spekulationsblase die Konjunktur nicht angekurbelt. Könnte sich das in den USA wiederholen? Die US-Konjunkturabschwächung ist doch nicht monetär begründet, sondern durch die Überkapazitäten.

Die japanische Situation ist eine völlig andere. Dort hat es zu Beginn der Neunzigerjahre nicht nur an den Finanzmärkten eine Spekulationsblase gegeben, sondern auch bei den Immobilien. Auf den Banken dort lastet trotz aller Fortschritte bis heute noch ein Berg fauler Kredite, was ihre Bereitschaft zur Kreditvergabe noch immer lähmt. Da hilft selbst eine Nullzinspolitik allein nicht, auch die Bilanzen müssen bereinigt werden.

Erwarten Sie dann, dass die vier Zinssenkungen in diesem Jahr die US-Konjunktur ankurbeln werden?

Ja, weil die Korrektur an den amerikanischen Finanzmärkten prinzipiell eine gesunde und notwendige Entwicklung ist. Außerdem ist das Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft nach wie vor groß.

Wie lange wird es dauern, bis die Zinssenkungen greifen?

Es gibt eine gute Chance, dass dieser Anpassungsprozess schon im Laufe des Jahres weitgehend abgeschlossen werden kann. Immerhin weist die amerikanische Wirtschaft noch ein positives Wachstum auf, wenn auch auf einem geringeren Niveau.

Die meisten Notenbanker haben in den vergangenen Jahren ihre Zinspolitik an der Entwicklung der Geldmenge oder unmittelbar der Preise oder auch an beidem orientiert. Wird denn eine eher diskretionäre amerikanische Geldpolitik Erfolg haben, die sich viel direkter von der konjunkturellen Lage leiten lässt?

Persönlich präferiere ich eine längerfristig orientierte Politik der ruhigen Hand. Die Entscheidung der Geldpolitik muss dabei auch die unterschiedlichen Verhältnisse in den jeweiligen Währungsräumen sowie die dort vorherrschenden Verhaltensweisen und Strukturen berücksichtigen.

Greenspan galt als Magier der Finanzmärkte; viele haben ihn der Europäischen Zentralbank als Vorbild empfohlen. Wird er seinem Ruf nach den jüngsten, hektisch anmutenden Zinsentscheidungen noch gerecht?

Greenspan ist und bleibt ein erfahrener Zentralbanker, der in den beiden vergangenen Jahrzehnten wichtige und hervorragende Entscheidungen vorbereitet und gestaltet hat. Immerhin hat er mit dafür gesorgt, dass in den USA ein langes, kräftiges und inflationsfreies Wirtschaftswachstum möglich war.

Erwarten Sie denn auch für Europa eine vergleichbare Wachstumsphase, gepuscht durch die Informationstechnologie, wenn auch verzögert gegenüber den USA?

Sicherlich hat Europa noch Aufholmöglichkeiten gegenüber Amerika. Aber ich erwarte nicht, dass die europäischen Volkswirtschaften kurzfristig in einer vergleichbaren Größenordnung wachsen werden wie die USA in den vergangenen Jahren. Dafür sind einige Voraussetzungen noch immer anders als in den USA – wie die relativ starren Arbeitsmarktregeln, die weniger differenzierten Lohnabschlüsse und die hohen Staatsquoten. Hier sind weitere Reformen dringend geboten, wenn wir in Europa das amerikanische Wirtschaftswunder nachahmen wollen.

Ist dabei auch die EZB gefordert? Gerade erst hat der Chef des Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler, die Europäische Zentralbank aufgefordert, die Zinsen zu senken.

Diese Aufforderung habe ich nicht zu kommentieren. Darüber muss die EZB selbst entscheiden. Insgesamt beurteile ich die EZB-Politik der vergangenen zwei Jahre aber als positiv.

Liegen die Schwierigkeiten der EZB nicht gerade darin, dass es keine Konvergenz mehr beim Preisanstieg gibt? Die Inflationsraten in Euroland entwickeln sich höchst unterschiedlich – zwischen 5,1 Prozent in Portugal und 1,3 Prozent in Frankreich. Wie kann da eine einheitliche Geldpolitik funktionieren?

Mit dieser Situation müssen wir in gewissem Maße wohl auch in Zukunft leben. Euroland ist ein Währungsraum, aber kein einheitlicher Wirtschaftsraum mit einem einheitlichen Konjunkturzyklus. Die Euro-Länder betreiben außerdem ihre eigene, nationale Wirtschaftspolitik, sie haben unterschiedliche Steuer- und Sozialsysteme. Wünschenswert wäre deshalb eine abgestimmte Grundorientierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Aber keine im Detail abgestimmte Sozial- oder Steuerpolitik – Wettbewerb über die Steuersätze muss es zweifellos auch künftig noch geben. Es wäre jedoch hilfreich, wenn die Verzerrungen, etwa durch unterschiedliche Definitionen der Besteuerungsgrundlagen, das Problem der Steueroasen, beseitigt würden.

Deutschland trägt trotz der Steuerreform beim Wirtschaftswachstum im
Euro-Raum die rote Laterne. Was sollte der Bundeskanzler da tun?

Vor allem muss das Produktionspotenzial erhöht werden, um eine eigenständige Dynamik zu generieren. Zwei Prozent Wirtschaftswachstum ist für Deutschland auf Dauer zu wenig. Ein höheres Wachstumsniveau setzt allerdings voraus, dass wir ein besseres Investitions- und Arbeitsmarktklima haben, dass die Märkte flexibler werden und die Anreize für mehr Arbeit stimmen. Auch müssen mehr öffentliche Gelder vom Konsum in Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Infrastruktur und Familien umgelenkt werden. Momentan habe ich allerdings den Eindruck, dass die Politik sich mehr für die Erhaltung des Lebensstandards als solche Zukunftsinvestitionen interessiert.

Sollte der Finanzminister bei der Unternehmensbesteuerung nachlegen, damit unsere Wirtschaft dynamischer wächst?

Die Steuerreform muss noch weitergeführt werden. Bürger und Unternehmen müssen in den nächsten Jahren noch stärker entlastet werden, wenn die Weichen auf dynamischeres Wachstum gestellt werden sollen. Vor allem muss auch die steuerliche Benachteiligung des Mittelstandes beseitigt werden. Der Mittelstand muss stärker als bisher zur Triebkraft für Wachstum und Beschäftigung werden.


25.04.2001 - 15.44



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