Eine Kursrally nur, wenn Bin Laden gefunden wird

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Dixie:

Eine Kursrally nur, wenn Bin Laden gefunden wird

 
10.10.01 08:40
NACHGEFRAGT: ROBERT SHILLER


„Eine Kursrally wird es nur geben, wenn bin Laden gefunden wird“


Wie wird sich der Krieg gegen das afghanische Taliban-Regime auf die Aktienmärkte auswirken?
Der Ausgang des Kriegs bewegt sich zwischen zwei extremen Szenarien. Die eine Möglichkeit ist, dass wir den Terroristenanführer Osama bin Laden sehr schnell fangen und die Terroristengruppe ausheben. Das würde zu einer kräftigen Kurs-Rally führen. Es kann aber auch passieren, dass wir bin Laden nicht finden und es zu neuen Terror-Attacken in den USA kommt. Das hätte sehr negative Folgen für die Aktienmärkte. Wir müssen dabei auch berücksichtigen, dass sich die Weltwirtschaft ohnehin in einer Rezession befindet. Neue Störungen der Geschäftslebens würden zusätzlich auf die schwachen Quartalsergebnisse drücken. Wenn die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der US-Aktien, bezogen auf die Ergebnisse der letzten 12 Monate, dann erst einmal die 30 überschreiten, dürfte das viele Anleger zusätzlich schrecken. Derzeit bewegen sie sich bei etwa 28.

Sind die US-Aktien nach den jüngsten Kursstürzen also immer noch zu teuer?

Auch wenn es eine kurzfristige Rally gibt – mittel- und langfristig dürfte sie verpuffen, denn die Unternehmensgewinne rechtfertigen nicht das gegenwärtige Kursniveau. Es kann Jahre dauern, bis die Quartalsergebnisse so weit gestiegen sind, dass Aktien ihr Geld wert sind. Nach dem Golfkrieg etwa sind die Kurse rasch nach oben gegangen, als er gewonnen war. Doch erst nach zwei oder drei weiteren Jahren war die Rezession überwunden. Diesmal dürfte die Erholung länger dauern, weil die US-Wirtschaft das Platzen der Technologie-Blase zu verarbeiten hat.

Könnten Verteidigungsausgaben die fehlende Investitions-Nachfrage der Unternehmen ersetzen?

Ein Krieg sorgt meistens für einen kräftigen Nachfrageschub. Kriegs-Ausbrüche haben schon häufig eine Ökonomie gerettet. Doch wir haben hier nur Gegenschläge gegen eine Hand voll Terroristen. Die Regierung Bush scheint ohnehin nicht geneigt zu sein, die Wirtschaft mit Staatsausgaben anzuheizen. Das Steuererleichterungs- und Subventionspaket von 60 Mrd.$ macht weniger als 1% des Brutto-Sozialprodukts aus.

Marktstrategen begründen ihren Optimismus häufig auch mit der aggressiven Geldpolitik der US-Zentralbank...

Hier fürchte ich, dass die Mittel stumpf geworden sind. US-Zentralbankchef Alan Greenspan genießt zwar ein hohes Ansehen und hat Charisma. Deshalb setzt die Wall Street große Stücke auf ihn. Doch er hat die Zinsen in so rascher Folge erhöht und wieder gesenkt, dass seine Geldpolitik längst nicht mehr so viel Wirkung zeigt wie früher. Man sieht das an den langfristigen Zinsen, sie haben sich trotz der aggressiven Zinssenkungs-Schritte der Zentralbank kaum verändert.

Wie sollen sich Anleger in der gegenwärtigen Situation verhalten?

Sie sollten vor allem nicht auf eine Wiederkehr der Technologie-Aktien hoffen und ihr Portfolio umschichten. In der gegenwärtigen Situation sind Aktien generell eine sehr risikoreiche Anlage. Festverzinsliche Wertpapiere sind derzeit wesentlich sicherer und wahrscheinlich auch lukrativer.



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Prof. Robert Shiller von der Yale-Universität ist Spezialist für Ökonomie und Finanzmärkte und Autor des Buches „Irrationaler Überschwang“.
Die Fragen stellte Gertrud Hussla.



HANDELSBLATT, Mittwoch, 10. Oktober 2001

Dixie:

Finanzmärkte: Der Schock sitzt immer noch tief

 
10.10.01 09:01
Der Schock sitzt immer noch tief

Einen Monat nach den Anschlägen: Nur langsam kehrt das Vertrauen zurück / Keine Entwarnung


ruh. FRANKFURT, 9. Oktober. Fast einen Monat nach den Terroranschlägen in Amerika sind die Kapitalmärkte noch längst nicht zum Alltag zurückgekehrt. Der Schock sitzt immer noch tief. Das berichten Händler, und es läßt sich an den Kursen ablesen. Die Aktienmärkte haben sich zwar schon wieder deutlich von ihren Tiefständen entfernt. So verlor der Deutsche Aktienindex Dax nach dem 11. September zunächst fast 20 Prozent, liegt nun aber nur noch 3,5 Prozent unter dem Niveau vor den Anschlägen. Beim S&P-500 beträgt das Minus noch 3,0 Prozent und beim Euro-Stoxx-50 rund 3,2 Prozent. Am Dienstag notierten die Indizes kaum verändert.

Die Erholung der vergangenen Wochen ändert allerdings nichts an der Verunsicherung der Investoren. Niemand weiß, wie nachhaltig die Folgen des Krieges sind und ob er den sich ohnehin abzeichnenden starken Abschwung der Weltwirtschaft noch verstärkt. Diese Unsicherheit ist nicht zuletzt auf den Anleihemärkten spürbar. So haben viele Investoren in den vergangenen vier Wochen den aufstrebenden Märkten in Lateinamerika, Europa und Asien den Rücken gekehrt. Die Entwicklung des EMBI-Index von J. P. Morgan, der die Kursentwicklung von Risiko-Anleihen aus diesen Regionen abbildet, weist einen deutlichen Renditeaufschlag aus. Relativ zu amerikanischen Staatsanleihen kletterte der Renditeaufschlag der im EMBI-Portfolio vertretenen Papiere seit dem 11. September um gut 2 auf fast 11 Prozentpunkte. Das ist zumindest indirekt eine Folge des Terrors. Befürchtet wird, daß die Vereinigten Staaten in eine Rezession geraten. Das würde das Risiko der Zahlungsfähigkeit vor allem in Argentinien erhöhen.

Ähnliche Sorgen haben die Anleger aus dem Markt für Unternehmensanleihen getrieben. Selbst der Renditeaufschlag von Anleihen europäischer Emittenten erster Qualität hat sich relativ zu deutschen Staatsanleihen von gut 2 auf zuletzt 2,6 Prozentpunkte ausgeweitet. Auch der Index, mit dem die Deutsche Bank die Risikofreudigkeit der Anleger mißt und der nach den Anschlägen stark gefallen war, hat sich leicht erholt. Aber weitere Rückschläge sind nicht unwahrscheinlich.

Ein Grund dafür ist der Mangel an Informationen. Denn die meisten der wichtigen Stimmungsindikatoren bieten noch keine Daten, die vor dem 11. September erhoben worden sind. Eine Ausnahme waren die beiden NAPM-Indizes, die die Stimmung der amerikanischen Einkaufsmanager abbilden. Aber selbst diese Daten seien mit Vorsicht zu genießen, erläutert Martin Gilles, Leiter der europäischen Aktienstrategie bei der WestLB Panmure. Die Umfrage sei zwar nach den Anschlägen gemacht worden. Aber die Befragten hätten ihre Einschätzung aufgrund von Daten abgegeben, die von den Folgen des Terrors noch unbeeinflußt waren. Von großer Bedeutung wird deshalb nun die Stimmung unter den amerikanischen Konsumenten sein.

Fortsetzung auf Seite 32.

Abgesehen von den Umfragen einiger Medien gab es bisher die wöchentliche Erhebung der Universität von Michigan, die sich vor allem auf die finanzielle Situation der privaten Haushalte konzentriert. Unmittelbar nach den Anschlägen hatte sich der Vertrauensindex mit 81,8 Punkten noch recht gut gehalten. Doch in der Woche darauf brach er auf 72 Punkte ein, was allerdings noch deutlich über dem Tiefstand in der Rezession Anfang der neunziger Jahre liegt. Am kommenden Freitag wird der Monatswert für September veröffentlicht.

Martin Gilles warnt vor dem kurzfristigen Rückschlagpotential für die Aktienmärkte. Er vermutet, daß die Kursentwicklung nach dem 11. September die Form eines "W" annehmen könnte. Dem großen Kursrutsch sei eine Erholung gefolgt, nun stehe eine abermalige Korrektur an, ehe es nachhaltig nach oben gehen könne.

Voraussetzung für dieses zumindest mittel- und langfristig optimistische Szenario dürfte allerdings sein, daß sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im kommenden Jahr deutlich verbessern. Das ist aber alles andere als ein sicheres Ereignis. Ungemach droht vor allem von den amerikanischen Verbrauchern. Sie haben sich in den Monaten vor den Anschlägen erstaunlich unbeeindruckt von allen Rezessionsängsten gezeigt.

Das könnte sich jetzt aber ändern. Denn die Zahl der Arbeitslosen ist schon unmittelbar vor den Anschlägen drastisch gestiegen, schneller als es die Marktteilnehmer befürchtet hatten. Zu den Sorgen um den Arbeitsplatz kommt hinzu, daß die fallenden Aktienpreise, das Vermögen und damit die Altersvorsorge vieler Amerikaner reduziert haben. Stefan Schilbe, Leitender Analyst bei HSBC Trinkaus & Burkhardt befürchtet deshalb, daß die Sparquote der Amerikaner stark wächst. Sie ist seit dem vergangenen Jahr bereits von 1,0 auf 4,5 Prozent gestiegen. In der Rezession Anfang der neunziger Jahre hatten die Amerikaner durchschnittlich zwischen 8 und 9 Prozent ihres Einkommens auf die hohe Kante gelegt.

Bricht der private Konsum in der größten Volkswirtschaft der Welt tatsächlich derart ein, dann wären die derzeitigen Kurse auf den Aktienmärkten nicht zu halten. Deshalb warnen viele Analysten vor verfrühtem Optimismus. Wirklich verläßlichen Aufschluß werden wohl erst die Daten zum privaten Konsum im vierten Quartal liefern, sie werden aber erst Ende Januar 2002 veröffentlicht. Zuvor geben die Daten für das dritte Quartal, die Ende Oktober veröffentlicht werden, zumindest einen guten Hinweis. Bis dahin werden die Märkte wohl zwischen Hoffen und Bangen schwanken.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2001, Nr. 235 / Seite 31
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