Insight: Techem-Vorstand Horst Enzelmüller über Funktechnik, Übernahmegerüchte und neue Auslandsmärkte
VDI nachrichten, Frankfurt, 4. 2. 05; Trotz einer Verdreifachung des Gewinns zahlt die Techem AG, die auf Energy Services spezialisiert ist, keine Dividende. Stattdessen will das Unternehmen lieber die Verschuldung senken. Techem-Chef Horst Enzelmüller erklärt, wohindie Reise des Unternehmens geht, und wie er die Zukunft von Energieverbrauch und dessen Erfassung sieht.
VDI nachrichten: Die Energiepreise sind in den letzten Monaten immer weiter gestiegen. Freut Sie das?
Enzelmüller: Was Techem anbelangt muss ich fast "ja" sagen, weil unser Geschäft dann richtig zum Tragen kommt - nämlich hohe Energiekosten zu bekämpfen.
VDI nachrichten: Gibt es da in Deutschland noch etwas zu verbessern?
Enzelmüller: Immer. Zum Beispiel ist die heutige Methode, den Verbrauch am Radiator zu messen, nur der Anfang. Das komplette System ist bei weitem noch nicht ausgereizt. Man denke etwa an eine Verbindung zwischen den Messgeräten an den Radiatoren und der zentralen Heizungssteuerung - an solchen Themen arbeiten wir.
VDI nachrichten: Haben sich die Mieter denn eingestellt auf eine andere, sparsamere Energienutzung?
Enzelmüller: In Deutschland auf jeden Fall, da hierzulande die Verbrauchsmessung schon seit Jahren gang und gäbe ist. Aber in allen Ländern, die das noch nicht kennen, gibt es große Potenziale, vor allem in solchen mit riesigen Bevölkerungszahlen.
VDI nachrichten: Sie haben in China drei Pilotprojekte gestartet, welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Enzelmüller: Wir haben erst im letzten November mit den Messungen begonnen. Die Chinesen wollen einen Vergleich, ob in den Gebäuden mit Erfassung weniger Energie verbraucht wird als in anderen Gebäuden, in denen dies nicht geschieht. Der Knackpunkt aber ist der Mentalitätswandel, den man bei den Menschen dort herbeiführen muss, weil sie heute die Wohnungen inklusive Wasser- und Energiekosten mieten. Nur wenn sie ihre Nebenkosten separat bezahlen müssen, werden sie darüber nachdenken, ob sie die Heizung am Regler herunterfahren oder das Fenster öffnen, um zu kühlen.
VDI nachrichten: Sind Sie denn sicher, dass Techem den Auftrag bekommt?
Enzelmüller: Es könnte natürlich sein, dass die Chinesen das selbst versuchen wollen - das Risiko, dass dort Technologien kopiert werden, ist da. Aber auch, wenn so ein Messgerät sehr trivial aussieht, steckt doch eine komplexe Technologie drin. Außerdem müssen die Mengen der installierten Geräte auch verwaltet werden. Allein in Deutschland sind schon insgesamt 105 Mio. Geräte an Heizkörpern montiert. In China schätzt man, dass in den nördlichen Provinzen, wo geheizt wird, 1 Mrd. Geräte benötigt werden.
Wenn man sich andererseits in China dazu entschließen sollte, die Ablesung und Abrechnung nur von Menschen erledigen zu lassen, statt weitestgehend Funktechnik und IT zu nutzen, dann würde eine spürbare Energieeinsparung entsetzlich weit nach hinten geschoben. Ich bin aber optimistisch. Markt und Chancen sind so groß, dass es fahrlässig wäre, es nicht zu versuchen - zumal wir als Techem allenfalls 500 000 Euro riskieren, wenn es wirklich komplett schief gehen sollte. Und davon gehe ich nicht aus.
VDI nachrichten: Sind noch weitere Länder für Sie interessant?
Enzelmüller: Ja, zum Beispiel Russland, die Ukraine, eigentlich alle osteuropäischen Länder. Alle müssen Energie sparen, um die Gelder anderweitig zu verwenden. Es ist mehr eine Frage der Überzeugungskraft, ob wir die Vorteile unserer Methode an den richtigen Stellen vermitteln können. Denn die Alternative wären bauliche Veränderungen der Gebäude, wie etwa Doppelverglasung in den Fenstern oder bessere Dachisolierung. Das wäre aber viel teurer.
VDI nachrichten: Und wie steht es mit den entwickelten Industrieländern?
Enzelmüller: Techem ist heute in 15 Ländern Europas und jetzt in Asien mit eigenen Niederlassungen präsent. Wir schauen uns jedes Land separat an, aber die Option, in einem westlichen Land mit eigenen Mitteln bei Null anzufangen, halte ich für nicht sehr Erfolg versprechend. Zum richtigen Zeitpunkt opportunistisch etwas zuzukaufen, das ist schon eher denkbar.
Anders sieht das beim Thema Trinkwasser aus. Denn die Welt wird wegen des Bevölkerungswachstums neben dem Energieproblem ein Trinkwasserproblem haben. Trinkwasser zu erzeugen und damit sorgsam umzugehen, erfordert letztlich auch das Messen und das Abrechnen nach Verbrauch.
VDI nachrichten: Der Wandel des einst bieder wirkenden Unternehmens ist erstaunlich. Was sind für Sie die größten Veränderungen der letzten Jahre?
Enzelmüller: Die Kosten in den Griff zu kriegen, war extrem wichtig. Damit haben wir den Mitarbeitern und den Anlegern Sicherheit gegeben. Wir mussten leider auch Personal abbauen. Wir haben eine Führungsebene herausgenommen, wodurch die Entscheidungsprozesse deutlich schneller geworden sind. Ich selbst bin stark eingebunden in das operative Geschäft. Viel schwieriger ist, die Kultur im Unternehmen zu verändern, klarzumachen, dass der Kunde im Mittelpunkt steht, Service in unserem Geschäft das A & O ist. Das haben wir vermutlich noch nicht überall erreicht aber die Richtung stimmt, das Bewusstsein bei den Mitarbeitern zu wecken, dass auch ihr Gehalt von den Kunden bezahlt wird.
VDI nachrichten: Seitdem Sie an der Börse sind, haben Sie keine Dividende gezahlt - auch jetzt nicht, trotz einer Verdreifachung des Gewinns. Verstehen das die Aktionäre?
Enzelmüller: Wir haben neben der Gründerfamilie, die über 25 % der Anteile hält, zum einen die Gruppe der angelsächsischen Investoren, die auf Dividende keinen allzu großen Wert legen. Zum anderen haben wir die deutschen Privatanleger, die gerne eine Dividende sehen würden, aber nur 6 % aller Aktien halten. Wir haben uns daher entschlossen, für das vergangene Geschäftsjahr keine Dividende zu zahlen, dafür den Verschuldungsgrad weiter herunterzufahren.
VDI nachrichten: Wie kam es 2002, also vor Ihrer Zeit bei Techem, eigentlich zu den beiden Gewinnwarnungen?
Enzelmüller: Zunächst einmal: Das Unternehmen hat immer Gewinn gemacht.
Aber man hat damals aufgrund von neuen Produkten an der Börse eine Erwartung geweckt, die nicht erfüllt werden konnte. Die erste Gewinnwarnung erfolgte wohl noch in der Hoffnung, dass sich die Dinge zum Besseren wenden. Die zweite Warnung aber war tödlich für das Vertrauen von Anlegern und Analysten.
Dieses Vertrauen wiederherzustellen, war eine wesentliche Aufgabe seit meinem Amtsantritt, und das scheint auch gelungen zu sein. Mir geht die Erholung des Aktienkurses eigentlich schon fast zu schnell.
VDI nachrichten: In den letzten Wochen sind Spekulationen aufgekommen, ein britischer Investor wolle Techem übernehmen. Was ist da dran?
Enzelmüller: Das will ich nicht weiter kommentieren. Nur so viel: Die Gründerfamilie hat mit über 25 % der Anteile ein Vetorecht, und solange sie nicht verkaufen möchte, wird auch keiner Techem kaufen.
VDI nachrichten: Würden Sie sich denn übernehmen lassen?
Enzelmüller: Als Vorstandsvorsitzender bin ich nicht zu übernehmen. Ich möchte nicht erleben, dass ich von London oder von Boston aus gesteuert werde. Ich liebe diesen Job, eigenständig mit einer guten Managementtruppe das Unternehmen nach vorne zu bringen.
VDI nachrichten: Welche Konkurrenten haben Sie denn in Deutschland?
Enzelmüller: Wir haben vier, fünf größere Konkurrenten, von denen nur einer flächendeckend arbeitet wie wir; die anderen haben regionale Bedeutung. Techem ist aber Marktführer.
Wir sind eindeutig Technologieführer bei Funkgeräten. Hier haben wir einen Marktanteil von 80 %. Dann ist Techem das einzige Unternehmen im Wärmemessdienstsektor mit mehr als einem Produktbereich. Neben dem Messdienst haben wir noch die zwei weiteren Produktbereiche Energy Contracting und IT Services. Der Vorteil mit diesen drei Bereichen ist, dass wir so unser Kundenpotenzial für weitere Geschäfte nutzen.
VDI nachrichten: Versprechen Sie sich neue Kunden von den Verkäufen der großen Wohnungsportfolios?
Enzelmüller: Auf jeden Fall, denn vor allem die angelsächsischen Investoren haben gern nur einen einzigen Geschäftspartner. Das hilft uns im Großkundensegment sehr.
Daneben setzen wir auf die weitere Verbreitung unserer Funktechnik. Von unseren 28 Mio. Messgeräten sind nur 4,4 Mio. Funkgeräte. Unser Ziel ist es, alle Geräte auf Funk umzurüsten. Das ist ein Umsatzträger in sich.
VDI nachrichten: Macht Ihnen die Immobilienflaute in Deutschland keine Angst?
Enzelmüller: Angst nicht, aber sie ist ein Faktor, den man in den Plänen für das eigene Unternehmen berücksichtigen muss. In manchen deutschen Regionen nimmt die Zahl der Wohnungen ab. Wir spüren das natürlich in unserem Geschäft, aber da hilft uns eben die Umrüstung auf Funk und die Potenziale in unseren beiden anderen Geschäftsbereichen.
Die wirklich spannenden Wachstumsmöglichkeiten bestehen aber in neuen Ländern.
BRIGITTE SCHOLTES VDI Nachrichten
Grüße,
JG
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