Der folgende Beitrag ist zwar auch schon über ein Jahr her, aber schon interessant.
Ich bin nun wirklich kein Crashprophet und auch den Elliot-Wave-Theorien gegenüber eher kritisch eingestellt, aber zum Nachdenken regt das schon an...
Die im folgenden Beitrag gemachten Aussagen wiederholen sich teilweise auf den anderen Seiten, s. auch
Crash 1929, Crash 2000, Deflation, Langfristanalyse Dow Jones , 9 Wellenebenen beim Dow Jones . Trotzdem
versuche ich hier, ein wenig zusammenzufassen.
Einen Crash kann man nicht vorhersagen, jedenfalls nicht zeitlich genau.
Man kann aber - und die Elliott-Wellen-Analyse ist dabei ein ausgezeichnetes (wahrscheinlich das einzige)
Hilfsmittel - frühzeitig erkennen, wenn es richtig gefährlich wird. Und man kann das mögliche, sogar
wahrscheinliche Ausmaß eines Crashs, oder besser: einer Baisse, abschätzen. Denn im Gegensatz zu
anderen Methoden, vor allem der "fundamental" argumentierenden, beschäftigt man sich bei den
Elliott-Wellen zwangsläufig mit der Geschichte und mit sehr langfristigen Zyklen.
Die Gläubigen einer "New Era" verdrehen bei jeder Warnung und jedem Verweis auf 1929 die Augen,
doch die meisten haben keine Kenntnisse darüber, was in den 20er Jahren wirklich geschah. Auch 1929
gab es (wenige) Warner, einer von Ihnen Roger Babson, der im September 1929 schrieb:
"Schönes Wetter kann nicht ewig andauern. Die Wirtschaftszyklus gelten auch heute noch, wie früher.
Das Federal Reserve System hat die Banken gestärkt, aber es hat nicht die Natur der Menschen
verändert. Die Leute machen Schulden und spekulieren wie nie zuvor in unserer Geschichte. Früher oder
später wird der Crash kommen und er kann schrecklich werden. Weise sind die Investoren, die jetzt ihre
Schulden loswerden und ihre Segel einholen. Das heißt nicht, alles zu verkaufen, aber es heißt, die
Schulden zurückzuzahlen und nicht mehr auf Kredit zu spekulieren."
Die Ökonomen sehen in der Regel nur die Gegenwart und die nahe zurückliegende Vergangenheit. Aus
den aktuellen Daten leiten sie ihre Analysen für die Zukunft ab. Das erklärt auch, warum alle auf die
"nächsten Zahlen" warten, denn die könnten ja wieder mehr Aufschluss über die Zukunft bringen. Ist das
Bruttosozialprodukt des letzten Quartals beispielsweise stärker gestiegen als im Quartal davor, ist für die
meisten Analysten die Welt in bester Ordnung und sie sehen sich bestätigt, diesen "Trend" in alle Ewigkeit
fortzuschreiben.
Mit Aktien- oder anderen Prognosen ist es genauso. Sind die Aktien lange genug gestiegen, "werden sie
auch weiter steigen". Mit steigenden Aktien schrauben die "Gurus" wie Ralph Alcampora oder Abby
Cohen ihre Erwartungen nach oben, nachdem ihre letzte Prognose viel zu früh überschritten wurde.
Niemand äußert gern pessimistische Aussichten, denn das will in der derzeitigen Phase keiner hören.
Andererseits hat KEINER Ende der 70-er Jahre steigende Aktien prognostiziert. Da wäre es aber
angebracht gewesen. Ich korrigiere mich: Einer hat doch, nämlich Robert Prechter, Elliott-Spezialist, hat
für die kommende 5. Welle einen Dow Jones von etwa 3.700 in den nächsten Jahren prognostiziert. Diese
Prognose fiel in eine regelrecht depressive Aktienstimmung, nachdem der Dow Jones bei damals etwa 800
Punkten über 16 Jahre lang nicht einmal sein Hoch von 1962 wieder erreicht hatte. Seine Prognose wurde
selbstverständlich als Utopie abgetan - sie war es auch, denn es sind ja sogar 11.750 Punkte geworden.
Ein Kollaps an der Wall Street und eine folgende Wirtschaftsdepression sind für die nahe Zukunft sehr
wahrscheinlich. Die Geschichte lehrt jedoch, dass Warnungen in einer Euphorie weitgehend auf taube
Ohren stoßen. So war es immer und so wird es auch diesmal sein. Und die Geschichte wird sich daher
wiederholen, weil die Masse aus der Vergangenheit nicht gelernt hat und es nie tun wird.
Vielleicht können aber einige doch etwas lernen, auch wenn sie den Lauf der Dinge nicht verändern
können.
Alle Aktienmarkt-Crashs waren von der Mehrheit nicht erwartet, besonders nicht von Ökonomen. Das ist
die erste Lektion aus der Geschichte.
"In ein paar Monaten erwarte ich die Aktien sehr viel höher als heute", sagte Amerikas angesehener und
berühmter Wirtschaftsprofessor Irving Fisher 14 Tage vor dem ebenfalls berühmten 29. Oktober 1929.
"Eine schwere Depression wie 1920-21 ist jenseits aller Möglichkeiten". Das war das Ergebnis einer
Studie der Harvard Economic Society wenige Tage nach dem initialen Crash. Nach fortwährenden
optimistischen Prognosen in der Folgezeit hat der frühere brain trust 1932 seine Tätigkeit eingestellt.
Somit haben die beiden damals führenden Institutionen keinen Crash kommen sehen und auch die
Depression, während sie sich immer weiter entwickelte, ignoriert und verneint. Und sie waren davon
offenbar auch überzeugt: Irving Fisher hat durch die Baisse etwa 150 Mio Dollar (nach heutigem Wert)
verloren.
Ein Finanzkollaps geschieht nie, wenn die Zeiten schlecht sind. Dies ist eine weitere Lektion der
Geschichte.
Vor einem Kollaps sagen Ökonomen und Analysten, es sei die beste aller Welten für Wirtschaft und
Gesellschaft. Die makroökonomischen Daten sehen ja auch vor einem Crash gut aus - vordergründig
betrachtet. Die USA befindet sich bereits seit 9 Jahren im Aufschwung, die Produktivität steigt, die
Unternehmensgewinne auch, die Zinsen (noch) sind niedrig, die Inflation auch, die Arbeitslosenquote sinkt
und vor allem - die Aktien steigen. Sie sind auch der Hauptgrund für das historisch hohe "consumer
confidence", das Verbrauchervertrauen. Dies wiederum lässt die zuversichtlichen, sorglosen Verbraucher
nicht ans Sparen denken, sondern sie geben mehr aus als sie einnehmen. Sie machen sogar Schulden in
der sicheren Annahme, alles wird nur noch besser und das Zurückzahlen ist kein Problem. Für alles
werden immer mehr Kredite aufgenommen, für Autos, Häuser, usw.; die Hauskredite haben auch noch
nie so eine hohe Quote im Vergleich zum Kaufpreis gehabt. Es werden sogar - und das ist die Krönung
des Ganzen - Kredite aufgenommen, um damit Aktien zu kaufen, und zwar mehr als je zuvor. Die
Zuflüsse in Aktienfonds steigen seit Jahren an. Das einzige mit Aktien verbundene Risiko wird noch darin
gesehen, keine oder nicht genug zu haben. Die allgemeine Zuversicht ist ansteckend. Jeder wird immer
zuversichtlicher, jeder macht Kredite, auch der Staat (wenn auch die USA angeblich in vielen Jahren
schuldenfrei sein will).
Und wehe, einer warnt in dieser euphorischen Stimmung vor den gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen
Fehlentwicklungen oder gar den Übertreibungen an der Aktienbörse!
"Das kann man nicht mit früher vergleichen!", "Heute ist alles anders!", "Das Internet ist die Zukunft!",
usw.
Die Argumente sind zwar vordergründig stichhaltig, aber: GENAUSO WAR ES 1929. Auch damals
sprach man von einer "new era" und davon, dass die alten Aktienbewertungsmaßstäbe nicht mehr gelten.
Die guten Zeiten werden unendlich in die Zukunft extrapoliert und jeder, der das nicht so sieht, wird als
Crashprophet (=Dummkopf) bezeichnet.
Das sind die Rahmenbedingungen, in denen eine Baisse beginnt, wenn es nicht mehr besser sein kann.
Das ist dann die Phase, in denen einzelne Aktien oder Bereiche von Aktien plötzlich kometenhaft steigen,
weil in ihnen "die Zukunft" steckt, eine Zukunft, die noch viel rosiger ist als die schon rosige Gegenwart.
(1929 waren die Radio- und Autowerte, die die "Neue Ära" darstellten, in den 50-er und 60-er Jahren
waren es mal die Biotechnologiewerte, mal die "tronics" mit allem was ein "silicon" oder "tronics" im
Namen hatte. Und heute sind die .com's.) Solche völligen Übertreibungen gedeihen auf einem Boden, der
sowieso schon von Zuversicht geprägt ist. Und nur in solchen Zeiten kann ein Präsident, der sich des
Meineids schuldig gemacht hat, mit einer Verwarnung davon kommen.
Das sind die Gründe, warum eine Baisse von der Masse nicht für möglich gehalten wird und, wenn sie
dann kommt, auch von den Ökonomen als völlig überraschend und "unvorhersehbar" angesehen wird und
die meisten "auf dem falschen Fuß erwischt", möglichst mit hohen (kreditfinanzierten) Aktienbeständen
oder in einer Situation, in der die vermeintlichen Aktiengewinne bereits ausgegeben sind, bevor sie
realisiert wurden.
Die schleichenden Fehlentwicklungen, die sich über Jahre hinziehen, werden nicht mehr wahrgenommen
und als "normal" angesehen (wie z. B. die strukturelle Arbeitslosigkeit in Europa, die nicht mehr mit
konventionellen Mitteln zu lösenden Rentenprobleme, die Verschuldung in allen Bereichen, die
Ausweitung der Geldmenge, die ungleichmäßige Einkommensverteilung, ...).
Der Beginn jeder Baisse geht einher mit einem hoch verschuldeten privaten Sektor, zeigt die Geschichte.
Schulden sind ein Zeichen von Zuversicht und Vertrauen (das die Japaner nach 9 Jahren Depression nicht
mehr haben, die Sparquote dort beträgt nie zuvor gesehene 20 % - in den zuversichtlichen USA waren es
kürzlich ebenfalls nie gesehene minus 0,2 % - bevor die Statistiken "korrigiert" wurden). Zuversicht und
Vertrauen, die Schulden zurückzahlen zu können - und bei den Gläubigern das Vertrauen, ihr Geld
zurückzubekommen. Niedrige Zinsen (der Preis für Geld) sind ebenfalls ein Zeichen für Vertrauen.
Übermäßige Verschuldung ist daher ein Zeichen von übermäßigem Vertrauen und im späten Stadium von
Euphorie. Es ist im Nachhinein so einfach, diese Übertreibungen als irrational zu analysieren, aber wenn
alle drin stecken, ist es unmöglich. Bereits im November 1996 wurde der Fall erwähnt (Wall Street
Journal), dass eine Bank einem Hauskäufer den Kaufpreis zu 100 % finanziert hat, einem Käufer, der
kein geregeltes Einkommen hatte, gerade geschieden war und dessen voriges Haus zwangsversteigert
worden war. Man hat es als in dieser Phase als "etwas zu großes Vertrauen der Bank" bezeichnet, aber in
späteren Phasen wird es rückblickend sicher anders genannt. Vielleicht "irrational exuberance".
Die Erfahrung zeigt, dass die Euphorie kurz vor einem Crash "rasend" wird. Ein KGV von 1.900 wie
kürzlich bei Yahoo! ist so ein Beispiel von vielen. 1989 argumentierten die Analysten, in Japan seien "die
Bilanzierungssysteme anders", und das rechtfertige durchaus einen Nikkei von 39.000 Punkten und KGVs
von 50 und mehr. Psychologen nennen diese allgemeine Verdrängung von Warnzeichen sowie die
Rationalisierung von riskanten Engagements "kognitive Dissonanz". Wir wollen es nicht sehen, wir wollen
es nicht wissen, wir rechtfertigen das eigentlich Unrechtfertigbare.
Euphorie führt zu Sorglosigkeit. In USA beträgt die Dividendenrendite der S&P500-Aktien unter 1,5 % -
nur halb so viel wie 1929 vor dem Crash. Und außerdem nur ein Viertel dessen, was man heute für die
viel weniger riskanten US-Treasuries kassieren kann. Aktienkäufer kaufen heute Aktien, weil sie sicher
sind, sie später an jemand anderen teurer wieder zu verkaufen ("greater fool theory").
Und wieder lehrt die Geschichte, dass dies die Endphase der Hausse ist.
Die meisten werden verlieren. Über 90 % des Geldes, das zur Zeit in Aktienfonds steckt, ist innerhalb der
letzten 5 Jahre in diese Fonds geflossen, frisches Geld also, das noch keine Baisse, keinen Crash, nur
Mini-Korrekturen erlebt hat. Jeder Rückgang freut doch heute die Anleger, weil sie noch einmal die
Gelegenheit bekommen "billig nachzukaufen". Was aber, wenn es diesmal gar keine Korrektur ist,
sondern eine lange Baisse? Und nach eine Hausse kommt eine Baisse, das wird niemand bestreiten. War
das eine Hausse seit 1982? Und ob!
Die steigende Verschuldung, die bereits deutlich höher ist als 1929 (gemessen am BSP), schafft eine
anfällige und fragile Wirtschaft. Ein Kartenhaus, bei dem nur ein kleiner Baustein zusammenbrechen
muss. LTCM in 1998 wäre ein ausreichender Anlass gewesen, aber die Konsequenzen wurden gerade
noch durch die spektakuläre Rettungsmaßnahme erstickt. Selbst die Deutsche Bank, die an LTCM gar
nicht beteiligt war, hat einen dreistelligen Millionenbetrag zur Verfügung gestellt. Warum wohl?
Durch die Rettung von LTCM sind die Probleme aber nicht beseitigt, sondern nur verschoben. Die Party
geht nämlich ungehemmt weiter, nach dem Motto: "Wir werden ja aufgefangen." - bis es nicht mehr geht.
Noch ein paar Fakten für die, die immer wieder sagen "Heute ist es anders": 1920 hatten die USA einen
Budgetüberschuss und einen Leistungsbilanzüberschuss. Heute (abgesehen von den letzten Monaten) ein Budgetdefizit und ein
Rekord-Handelsbilanzdefizit. In den 20er Jahren waren die USA der Welt größter Gläubiger, heute sind sie der Welt größter
Schuldner. Wenn die ewigen Optimisten das mit "heute ist alles anders" meinen, haben sie in der Tat recht.
Wenn die Euphorie in Pessimismus umschlägt, wird die Verschuldung, die bis dahin mit Optimismus und
Zuversicht gerechtfertigt wurde, als gefährlich angesehen. Gläubiger versuchen dann, ihre Gelder
einzutreiben, denn die Zuversicht einer späteren Rückzahlung ist plötzlich weg. Zinsen für nicht
einwandfreie Schuldner schießen in die Höhe (Beispiel Asienkrise, Russlandkrise).
So war es, und so wird es sein.
Mit dem Ende der Euphorie beginnt die Rückforderung (und Liquidation!) von Schulden, die Geldmenge
sinkt, Deflation beginnt. Bankrotte verstärken diese Entwicklung. Aus allgemeiner Sorge wird mehr
gespart und weniger konsumiert. Die Preise fallen und schon deswegen wird Konsum aufgeschoben. Eine
Spirale nach unten beginnt und beschleunigt sich. Am Ende dieses Prozesses liegt die Wirtschaft
regelrecht am Boden. Von Schulden will niemand etwas wissen, und es gibt auch fast keine mehr.
Entweder sind sie zurückgezahlt worden oder wurden uneinbringbar.
Erst dann kann ein Aufschwung beginnen - ohne die Last der Schulden.
In Japan betragen die Gesamtschulden heute noch ein Mehrfaches des BSP, weil der Staat durch
zahlreiche (erfolglose) Konjunkturprogramme und Banken-Rettungsversuche die notwendige Bereinigung
verhindert bzw. hinausgezögert hat. Am Ende wird es nicht anders gehen. Japan ist daher noch lange nicht
"über dem Berg", besonders weil andere Länder (z. B. China und Südamerika) erst am Anfang der bisher
verdeckten Probleme stehen.
Übrigens: Behaupten nicht die Optimisten, die Zentralbanken wüssten heute, Depressionen zu vermeiden?
Die japanische Notenbank hat die Zinsen auf nahezu Null gesenkt, es gibt also praktisch kostenlosen
Kredit. Trotzdem sinkt das BSP immer noch. Die Leute wollen keinen Kredit, denn Kredit ist etwas
gefährliches. Sie sparen lieber - besagte 20 % ihres Einkommens. Die Amerikaner sind noch in der Phase
davor, in der Kredite ein Zeichen von Zuversicht sind.
Hat Keynes uns nicht gelehrt, dass eine expansive Fiskalpolitik der Schlüssel zur Vermeidung von Krisen
und der Weg aus Depressionen ist?
Wall Street ist in ihrem finalen Stadium des Super-Bull-Market. Der kommende Kollaps wird ein
weltweiter, denn die alle Aktienmärkte sind eng mit dem Schicksal der Wall Street verbunden. Selbst
Märkte in einem ganz anderen Zyklus werden, wenn auch gemildert, getroffen.
Aber viele Aktienmärkte sind in der gleichen Phase wie die Wall Street: Westeuropa, Kanada, Australien
und andere.
Die kommende Baisse wird nicht nur eine Korrektur, sondern "ganz nebenbei" eine schwere
Wirtschaftsdepression.
Wen es interessiert, hier die
www.elliott-waves.de/1crash2000.htm target="_new" rel="nofollow">Homepage.
Sind einige hübsche Grafiken dabei...
Gruß Dr. Broemme