Staatsbesitz: Der unbekannte Unternehmer (EuramS)
Finanzminister Hans Eichel will die Kosten der vorgezogenen Steuerreform vor allem mit neuen Schulden finanzieren. Dabei hat der Bund ein milliardenschweres Vermögensreservoir: seine Firmenbeteiligungen. Eichel sollte sie schleunigst verkaufen, fordern Experten.
von Hans Sedlmaier /Euro am Sonntag
Er ist ein Unternehmer von seltener Vielfalt. Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat er seine Finger fast überall mit drin. Er gibt Kredite, ist im Filmgeschäft und dazu Großgastronom; er kümmert sich um die Infrastruktur zu Wasser, zu Lande und in der Luft; er entwickelt Software, betreibt eine Klinik in der Schweiz und veranstaltet Festspiele. Er – das ist der deutsche Staat. Und der züchtet in Göttingen sogar Affen.
Doch sein Stern sinkt. Als Unternehmer ist er eine Fehlbesetzung und sollte sich schleunigst aus der Wirtschaft zurückziehen, fordern Experten: „Das ist alles entbehrlich und sollte komplett verkauft werden“, sagt etwa Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Der Leiter der Forschungsgruppe Finanzen hat grundsätzliche Bedenken, wenn die öffentliche Hand im Wirtschaftsleben die Strippen zieht. Boss: „Wenn der Staat Beteiligungen verkauft und in der Wirtschaft weniger mitredet, kann das nur von Vorteil sein.“ Tatsächlich ist allein der Bund an 426 Unternehmen beteiligt. Die meisten sind indirekte Beteiligungen, doch 120 Firmen gehören ihm ganz oder teilweise. Nur wenige sind börsennotierte Aktiengesellschaften wie die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport oder die Nachfolger der alten Bundespost. Von den 1,1 Millionen Aktien der Deutschen Post wird die Hälfte von Hans Eichels Finanzbeamten verwaltet. Und noch immer sind 31 Prozent der Aktien der Deutschen Telekom in Bundeshand. Ihr aktueller Wert: etwa 18 Milliarden Euro. Freilich ist es ratsam, diese Aktienpakete erst bei besseren Kursen in den Markt zu werfen.
Anders verhält es sich mit der Deutschen Bahn. Sie ist zwar bereits eine Aktiengesellschaft, doch ihre 4,2 Millionen Anteile gehören allesamt dem Bund. Das soll nach Vorstellung von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe nicht mehr allzu lange so bleiben. Bis 2005 soll die Bahn an die Börse rollen. Trotz des jüngsten Tarif-Tohuwabohus und aller übrigen Kritik an den Mängel-Mobilien soll Bahnchef Hartmut Mehdorn aus dem Staats-Moloch bis dahin einen modernen Dienstleister machen. Selbst wenn das gelingen sollte, bleibt es fraglich, ob die Anleger auf diesen Zug aufspringen wollen.
Nicht nur große Staatsbetriebe müssen auf den Prüfstand. Warum verkauft der Bund zum Beispiel nicht das Gästehaus Petersberg in Königswinter bei Bonn? Das Luxusdomizil war zuletzt als Ort der Afghanistan-Konferenz in den Schlagzeilen. Immerhin bringt die Pracht-Immobilie schon jetzt ein bisschen Geld – sie ist verpachtet an eine Hotelkette, Es gibt noch viele weitere Firmen, denen ein Rückzug des Staates nicht schaden würde. Muss der Bund Mitbetreiber des Duisburger Hafens sein? Warum gehört ihm die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH in Berlin? Sie dürfte ebenso wenig eine dringende Bundesangelegenheit sein wie das Deutsche Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft oder das Deutsche Primatenzentrum in Göttingen. Letzteres betreibt der Bund zusammen mit dem Land Niedersachsen. 1431 Affen werden hier im Namen der Forschung vermessen und vom Steuerzahler verköstigt. Sie dürften allerdings schwer verkäuflich sein.
Im 308 Seiten dicken Bundes-Beteiligungsbericht des Finanzministeriums finden sich noch viele weitere, in der Summe milliardenschwere Beteiligungen. Banken und Baufirmen, Verlage und Fährbetriebe führt das Werk ebenso auf wie die Höhenklinik Valbella bei Davos. 102 Betten werden in der gesunden Bergluft unter Aufsicht eines Ministerialrats aus dem Arbeitsministerium geführt. Überschuss zu erzielen, scheint kein Ziel der Klinik zu sein. Der Bund strebt hier offensichtlich einen ausgeglichenen Haushalt an: Gerade mal 1200 Euro Gewinn wies Valbella im vergangenen Geschäftsjahr aus.
Kulturministerin Christina Weiss ist dafür im Film-Business aktiv. Sie ist zwar im Gegensatz zu ihren Vorgängern kaum in der Öffentlichkeit präsent, doch als Chefin der Transit-Filmgesellschaft in München mischt sie munter im Zelluloid-Business mit. Transit-Film verfügt über einen eigenen Schnittplatz, vertreibt den Klassiker „Metropolis“ auf DVD und verwaltet den Schatz der Ufa-Filme und der Wochenschauen. Ein- bis zweimal im Jahr reisen Abgesandte von Christina Weiss und Hans Eichel zur Aufsichtsratssitzung an die Isar, um sich über den Fortgang der Geschäfte zu informieren.
Diese zum Teil exotischen und fragwürdigen Aktivitäten könnten genauso gut in privater Hand liegen. Das hat man mittlerweile auch im Finanzministerium erkannt. Beamte Eichels sind derzeit dabei, eine Liste mit ersten Verkaufsobjekten zusammenzustellen. Ganz oben sollen dabei die Flughafenbeteiligungen des Bundes in Köln, Frankfurt und München stehen. Offiziell gibt man sich im Finanzministerium zu dem Thema aber sehr bedeckt.
Bis auf die börsennotierten Bundesbeteiligungen ist der Wert von Eichels Schätzen weitgehend unbekannt. Im Bericht seines Ministeriums ist nur der jeweilige Nennwert aufgeführt, der meist weit unter dem Verkehrswert liegt. Der Bund der Steuerzahler schätzte vor einigen Jahren, dass der Verkauf sämtlicher Beteiligungen und Immobilien von Bund, Ländern und Gemeinden einmalig bis zu 100 Milliarden Euro einbringen würde. Allein der Anteil der Kommunen an Sparkassen und Landesbanken ist nach Auskunft des Wirtschaftswissenschaftlers Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) 50 Milliarden wert.
Allerdings entfielen bei einem konsequenten Verkauf aller Beteiligungen auch die Dividenden und Ausschüttungen daraus – für den Bund waren das zuletzt 577 Millionen Euro. Dennoch rechnet sich die Privatisierung. Würden die Einnahmen daraus konsequent zur Schuldentilgung verwendet, „brächte das drei Milliarden Euro Einsparung pro Jahr durch niedrigere Zinszahlungen“, sagt Steuerzahlerbund-Experte Andreas Schmidt. Er fordert eisernes Sparen: „Wenn der Bund sich von Beteiligungen trennt, dann müssen die zusätzlichen Einnahmen zum Tilgen von Schulden verwendet werden und nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern.“
Doch von langfristigem Schuldenabbau ist Hans Eichel weit entfernt. Das geplante Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2006 hat er aufgegeben. Er macht mehr neue Schulden und verletzt zum zweiten Mal den EU-Stabilitätspakt. Vielleicht zwingen aber gerade Brüssel und das Grundgesetz Eichel und seine Kollegen in Ländern und Gemeinden zum Rückzug des Staates aus der Wirtschaft. IW-Experte Fuest jedenfalls sieht den Druck wachsen.
Eichel könnte sogar direkt vor der Haustür ansetzen. So kümmert sich die 100-prozentige Bundestochter Berliner Festspiele GmbH um Musik, Film und Staatstheater an der Spree. Letzteres liefern Regierung und Opposition eindeutig billiger.
-red- / -red-
Finanzminister Hans Eichel will die Kosten der vorgezogenen Steuerreform vor allem mit neuen Schulden finanzieren. Dabei hat der Bund ein milliardenschweres Vermögensreservoir: seine Firmenbeteiligungen. Eichel sollte sie schleunigst verkaufen, fordern Experten.
von Hans Sedlmaier /Euro am Sonntag
Er ist ein Unternehmer von seltener Vielfalt. Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat er seine Finger fast überall mit drin. Er gibt Kredite, ist im Filmgeschäft und dazu Großgastronom; er kümmert sich um die Infrastruktur zu Wasser, zu Lande und in der Luft; er entwickelt Software, betreibt eine Klinik in der Schweiz und veranstaltet Festspiele. Er – das ist der deutsche Staat. Und der züchtet in Göttingen sogar Affen.
Doch sein Stern sinkt. Als Unternehmer ist er eine Fehlbesetzung und sollte sich schleunigst aus der Wirtschaft zurückziehen, fordern Experten: „Das ist alles entbehrlich und sollte komplett verkauft werden“, sagt etwa Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Der Leiter der Forschungsgruppe Finanzen hat grundsätzliche Bedenken, wenn die öffentliche Hand im Wirtschaftsleben die Strippen zieht. Boss: „Wenn der Staat Beteiligungen verkauft und in der Wirtschaft weniger mitredet, kann das nur von Vorteil sein.“ Tatsächlich ist allein der Bund an 426 Unternehmen beteiligt. Die meisten sind indirekte Beteiligungen, doch 120 Firmen gehören ihm ganz oder teilweise. Nur wenige sind börsennotierte Aktiengesellschaften wie die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport oder die Nachfolger der alten Bundespost. Von den 1,1 Millionen Aktien der Deutschen Post wird die Hälfte von Hans Eichels Finanzbeamten verwaltet. Und noch immer sind 31 Prozent der Aktien der Deutschen Telekom in Bundeshand. Ihr aktueller Wert: etwa 18 Milliarden Euro. Freilich ist es ratsam, diese Aktienpakete erst bei besseren Kursen in den Markt zu werfen.
Anders verhält es sich mit der Deutschen Bahn. Sie ist zwar bereits eine Aktiengesellschaft, doch ihre 4,2 Millionen Anteile gehören allesamt dem Bund. Das soll nach Vorstellung von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe nicht mehr allzu lange so bleiben. Bis 2005 soll die Bahn an die Börse rollen. Trotz des jüngsten Tarif-Tohuwabohus und aller übrigen Kritik an den Mängel-Mobilien soll Bahnchef Hartmut Mehdorn aus dem Staats-Moloch bis dahin einen modernen Dienstleister machen. Selbst wenn das gelingen sollte, bleibt es fraglich, ob die Anleger auf diesen Zug aufspringen wollen.
Nicht nur große Staatsbetriebe müssen auf den Prüfstand. Warum verkauft der Bund zum Beispiel nicht das Gästehaus Petersberg in Königswinter bei Bonn? Das Luxusdomizil war zuletzt als Ort der Afghanistan-Konferenz in den Schlagzeilen. Immerhin bringt die Pracht-Immobilie schon jetzt ein bisschen Geld – sie ist verpachtet an eine Hotelkette, Es gibt noch viele weitere Firmen, denen ein Rückzug des Staates nicht schaden würde. Muss der Bund Mitbetreiber des Duisburger Hafens sein? Warum gehört ihm die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH in Berlin? Sie dürfte ebenso wenig eine dringende Bundesangelegenheit sein wie das Deutsche Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft oder das Deutsche Primatenzentrum in Göttingen. Letzteres betreibt der Bund zusammen mit dem Land Niedersachsen. 1431 Affen werden hier im Namen der Forschung vermessen und vom Steuerzahler verköstigt. Sie dürften allerdings schwer verkäuflich sein.
Im 308 Seiten dicken Bundes-Beteiligungsbericht des Finanzministeriums finden sich noch viele weitere, in der Summe milliardenschwere Beteiligungen. Banken und Baufirmen, Verlage und Fährbetriebe führt das Werk ebenso auf wie die Höhenklinik Valbella bei Davos. 102 Betten werden in der gesunden Bergluft unter Aufsicht eines Ministerialrats aus dem Arbeitsministerium geführt. Überschuss zu erzielen, scheint kein Ziel der Klinik zu sein. Der Bund strebt hier offensichtlich einen ausgeglichenen Haushalt an: Gerade mal 1200 Euro Gewinn wies Valbella im vergangenen Geschäftsjahr aus.
Kulturministerin Christina Weiss ist dafür im Film-Business aktiv. Sie ist zwar im Gegensatz zu ihren Vorgängern kaum in der Öffentlichkeit präsent, doch als Chefin der Transit-Filmgesellschaft in München mischt sie munter im Zelluloid-Business mit. Transit-Film verfügt über einen eigenen Schnittplatz, vertreibt den Klassiker „Metropolis“ auf DVD und verwaltet den Schatz der Ufa-Filme und der Wochenschauen. Ein- bis zweimal im Jahr reisen Abgesandte von Christina Weiss und Hans Eichel zur Aufsichtsratssitzung an die Isar, um sich über den Fortgang der Geschäfte zu informieren.
Diese zum Teil exotischen und fragwürdigen Aktivitäten könnten genauso gut in privater Hand liegen. Das hat man mittlerweile auch im Finanzministerium erkannt. Beamte Eichels sind derzeit dabei, eine Liste mit ersten Verkaufsobjekten zusammenzustellen. Ganz oben sollen dabei die Flughafenbeteiligungen des Bundes in Köln, Frankfurt und München stehen. Offiziell gibt man sich im Finanzministerium zu dem Thema aber sehr bedeckt.
Bis auf die börsennotierten Bundesbeteiligungen ist der Wert von Eichels Schätzen weitgehend unbekannt. Im Bericht seines Ministeriums ist nur der jeweilige Nennwert aufgeführt, der meist weit unter dem Verkehrswert liegt. Der Bund der Steuerzahler schätzte vor einigen Jahren, dass der Verkauf sämtlicher Beteiligungen und Immobilien von Bund, Ländern und Gemeinden einmalig bis zu 100 Milliarden Euro einbringen würde. Allein der Anteil der Kommunen an Sparkassen und Landesbanken ist nach Auskunft des Wirtschaftswissenschaftlers Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) 50 Milliarden wert.
Allerdings entfielen bei einem konsequenten Verkauf aller Beteiligungen auch die Dividenden und Ausschüttungen daraus – für den Bund waren das zuletzt 577 Millionen Euro. Dennoch rechnet sich die Privatisierung. Würden die Einnahmen daraus konsequent zur Schuldentilgung verwendet, „brächte das drei Milliarden Euro Einsparung pro Jahr durch niedrigere Zinszahlungen“, sagt Steuerzahlerbund-Experte Andreas Schmidt. Er fordert eisernes Sparen: „Wenn der Bund sich von Beteiligungen trennt, dann müssen die zusätzlichen Einnahmen zum Tilgen von Schulden verwendet werden und nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern.“
Doch von langfristigem Schuldenabbau ist Hans Eichel weit entfernt. Das geplante Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2006 hat er aufgegeben. Er macht mehr neue Schulden und verletzt zum zweiten Mal den EU-Stabilitätspakt. Vielleicht zwingen aber gerade Brüssel und das Grundgesetz Eichel und seine Kollegen in Ländern und Gemeinden zum Rückzug des Staates aus der Wirtschaft. IW-Experte Fuest jedenfalls sieht den Druck wachsen.
Eichel könnte sogar direkt vor der Haustür ansetzen. So kümmert sich die 100-prozentige Bundestochter Berliner Festspiele GmbH um Musik, Film und Staatstheater an der Spree. Letzteres liefern Regierung und Opposition eindeutig billiger.
-red- / -red-