PERFORMAXX-BIOTECH-KOLUMNE: Zukunftsmodell für die Biotechnologie?
MÜNCHEN (Performaxx) - Das Zukunftsmodell: Ein Pharma-Unternehmen steht vor dem enormen Druck, zur Aufrechterhaltung des Wachstums jährlich mindestens zwei bis vier neue Medikamente auf den Markt bringen zu müssen. Wegen der riesigen Flut an Informationen und Möglichkeiten, die die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ausgelöst hat, ist diese Aufgabe von einem großen Pharmakonzern in einer überschaubaren Zeit, unter Einhaltung eines bestimmten Budgets und in einem begrenzten Risikorahmen nicht mehr lösbar. Also was tun? Man sieht sich am Markt um, findet ein innovatives Biotech-Unternehmen mit einer vielversprechenden Produktpipeline, von denen die ersten Produkte in den nächsten zwei Jahren auf den Markt kommen und nimmt Kontakt auf. Das Pharmaunternehmen bietet dem Biotechnologieunternehmen eine gemeinsame Entwicklungs- und Vermarktungsstrategie mit einer 60-prozentigen Gewinnbeteiligung am zukünftigen Blockbuster-Produkt und eine Eigenkapitelbeteiligung an. Das Pharmaunternehmen bekommt so mittelfristig Zugang zu einem Produkt mit einem Umsatzpotenzial von einer Mrd. USD und langfristig Zugriffsmöglichkeiten auf eine wertvolle Produktpipeline. Das Biotech-Unternehmen bekommt frisches Kapital zur Deckung der teuren Forschungs- und Entwicklungskosten, tatkräftige Unterstützung im Umgang mit Zulassungsbehörden und eine schlagkräftige Vertriebstruppe zur Vermarktung ihres Produktes.
Was ist nun so unglaublich an diesem Modell und warum kann es als ein Zukunftsmodell angesehen werden? Zunächst einmal ist es schon unglaublich in welch kurzer Zeit die Biotech-Unternehmen eine Verhandlungsmacht erreicht haben, die ihnen eine Gewinnbeteiligung von 60 Prozent am Produkt beschert. Noch vor einigen Jahren kalkulierten viele Biotechs im Falle der Auslizenzierung ihrer Produkte mit Umsatzbeteiligungen im Bereich von zwei bis zwanzig Prozent, je nach Reifegrad des Produktes. Dann verhandelten die selbstbewusster gewordenen Unternehmer für "late stage" Produkte die ersten "50-50" Beteiligungen am Umsatz und / oder an den noch ausstehende Entwicklungskosten aus. Aber nicht genug, einige Biotech-Unternehmen gehen heute größere Kooperationen mit anderen Biotech-Unternehmen ein, oder übernehmen diese wie im Fall von Vertex (Aurora) , Sequenom (Gemini Genomics) oder Eos (Pharmacopeia).
Für die Biotechs ist das beschriebene Kooperationsmodell - bzw. dessen Weiterentwicklung - auf jeden Fall ein Zukunftsmodell. Die Unternehmen erhalten die erwähnte Unterstützung an Kapital und Know-how, behalten aber ihren Status als innovatives, unabhängiges und flexibel agierendes Biotechnologieunternehmen. Der Pharmakonzern erhält Zugang zu neuen Produkten, ohne das volle Entwicklungsrisiko zu tragen und partizipiert am Börsenerfolg des Biotechnologieunternehmens.
Ein aktuelles Fallbeispiel des dargestellten Modells ist die Beteiligung von Bristol-Myers Squibb an Imclone Systems . Der Pharmariese beteiligt sich mit 20% an Imclone, wofür er eine Mrd. USD zahlt. Eine weitere Zahlung, ebenfalls in Höhe von einer Mrd. UDS, fließt in Form von drei Meilensteinzahlungen für die letzten Schritte bis zur Produktzulassung des potenziellen Blockbusters IMC-C225. Bristol Meyers erhält dafür die Co-Vermarktungsrechte in den Vereinigten Staaten, Kanada und Japan. Die alleinigen Vermarktungsrechte in den übrigen Ländern hat sich die deutsche Merck KgaA schon 1998 für etwa 60 Mio. USD und einer Beteiligung in Höhe von etwa 3% gesichert. IMC-C225 ist ein monoklonaler Antikörper zur Krebstherapie, der auf einem sehr hoffnungsvollen Prinzip - der Blockierung des Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) - basiert. Dem Produkt wird in vier bis fünf Jahren ein Umsatz über 1 Mrd. USD p.a. zugesprochen. Im nächsten Jahr soll IMC-C225 zur Bekämpfung von Dickdarmkrebs auf den Markt kommen. Der Antikörper befindet sich in weiteren späten klinischen Phasen zur Behandlung von Kopf- und Halskrebs, Bauchspeichelkrebs sowie Lungenkrebs.
Ob dieses Modell sich als "Win-Win-Modell" erweist, hängt sehr stark von der Zulassung des Medikamentes durch die FDA ab. Hier sind beide Parteien sehr optimistisch. Als ein erfolgreiches Beispiel aus der Vergangenheit lässt sich die Beteiligung von Roche an dem Biotech-Unternehmen Genentech anführen. Interessant dürfte dieses Modell auch für einige Deutsche Biotechs sein, bei den derzeitigen Börsenkursen besteht allerdings die Gefahr zu viel Unternehmensanteile abgeben zu müssen.
--- Olaf Stuhldreier, Biotechnologie Analyst bei Performaxx, Krefeld/München ---
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23.09. - 09:59 Uhr