Der Berater des US-Verteidigungsministeriums, Richard Perle, hat scharfe Kritik an Bundeskanzler Gerhard Schröder geübt: Der gebe die deutsch-amerikanische Freundschaft auf, um im Wahlkampf zu punkten. Auch Kanzlerkandidat Stoiber und Ex-Außenminister Genscher attackierten Schröder wegen seiner Irak-Politik.
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Auf Distanz zu den USA: Kanzler Schröder
Berlin - Perle sagte mit Blick auf das Nein von Schröder zu einer Beteiligung der Bundeswehr bei einem möglichen Militärschlag gegen den Irak: "Für uns sieht es so aus, als setze sich der Kanzler von einem alten Freud (den USA) ab, um ein paar Stimmen zu gewinnen. Das ist nicht meine Vorstellung von Freundschaft." Die Zeitung berichtet, Perle habe gesagt, niemand habe Deutschland um einen Beitrag gebeten. "Deutschland hat sich durch den bemerkenswerten Isolationismus des Kanzlers jeden Einflusses beraubt." In dem Bericht heißt es, Perle habe die Äußerungen als persönliche Meinung bezeichnet, jedoch solle sie die Sicht konservativer Kreise in Washington wiedergeben, zu denen unter anderem US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney gehörten.
Unterdessen kritisierte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, die Haltung der Bundesregierung im Irak-Konflikt. "Ein so wichtiges Gut wie die deutsch-amerikanischen Beziehungen darf nicht kurzfristig anderen Erwägungen untergeordnet werden", sagte Braun der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Es dürfe nicht den Eindruck erweckt werden, als wenn Iraks Diktator Saddam Hussein Deutschland näher stehe als Präsident Bush. Braun warf Schröder einen populistischen Umgang mit dem Thema vor. "Die deutsche Wirtschaft ist auf gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten angewiesen, sie sind unser wichtigster überseeischer Markt und unser wichtigster Partner in Welthandelsrunden."
Stoiber: Schröders Irak Politik zusammengebrochen
CSU-Chef Stoiber kritisierte bei Wahlkampfauftritten gestern Abend erneut Schröders "amerikafeindliche Haltung". Mit dem Angebot Bagdads, die Uno-Waffeninspekteure auf internationalen Druck wieder ins Land zu lassen, sei Schröders Irak-Politik "über Nacht zusammengebrochen".
Schröder forderte am Abend, im Umgang mit dem Irak die neuen Möglichkeiten für eine kooperative Neuordnung und mehr Frieden im Nahen Osten zu nutzen. "Ich möchte meinen Beitrag auch weiter dazu leisten, dass diese Chance fest ergriffen wird", sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung. Er verteidigte seine amerikakritische Haltung in der Irak-Frage und die Verweigerung einer "Unterordnung".
Die Offerte Bagdads sei nicht zuletzt ein Verdienst von Uno-Generalsekretär Kofi Annan, betonte Schröder. Zu dem Erfolg habe "diplomatischer, ökonomischer und politischer Druck" beigetragen.
Unterdessen berichtet die "Bild"-Zeitung, Außenminister Joschka Fischer habe sich vergangene Woche am Rande der Uno-Vollversammlung zu einem vertraulichen Gespräch unter vier Augen mit US-Präsident George W. Bush getroffen. Fischer sei bemüht gewesen, die Sorge des US-Präsidenten wegen des deutschen Irak-Kurses mit Hinweis auf den Bundestagswahlkampf zu zerstreuen. Fischer bestätigte im "ZDF-Morgenmagazin", er habe bei einem Essen von Kofi Annan mit Bush gesprochen. Es sei ein "sehr freundschaftliches Gespräch" gewesen.
Genscher: Saddam versteht nur eine Sprache
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kritisierte in der "Berliner Zeitung", in der Irak-Frage stünden nur die Deutschen abseits, weil der Kanzler sie aus egoistischen Wahlkampf-Gründen aus der internationalen Gemeinschaft genommen habe. Die jüngste Entspannung der Krise sei «für den Kanzler eine Katastrophe, für den Weltfrieden aber ein Gewinn». Die Menschen könnten jetzt klar erkennen, dass Schröder ein internationales Thema missbraucht habe. Für die Union sei dies im Wahlkampf nun hilfreich.
Auch der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) wandte sich gegen die Irak-Politik Schröders. In der "Bild"-Zeitung schreibt der FDP-Ehrenvorsitzende, das Einlenken Saddam Husseins in der Frage der Uno-Waffeninspekteure zeige, dass internationaler Druck die "einzige Sprache" sei, die der Diktator verstehe. "Da darf niemand abseits stehen, Deutschland schon gar nicht. Da ist kein Raum für einen deutschen Weg, da ist allein deutsche Verantwortung gefordert."