Die Geldverrückten
- von Bernd Niquet -
Nicht einmal infolge der Liebe sind so viele Menschen verrückt geworden wie infolge des Nachdenkens über das Wesen des Geldes. Dieses schöne Bonmot wird gemeinhin dem britischen Politiker und Philosophen William Gladstone zugeschrieben. Und es ist heute sicherlich nicht weniger aktuell als zu Gladstones Zeit. Eines muss dabei jedoch auf jeden Fall noch hinzugefügt werden: Während die Liebenden gemeinhin um ihre Verrücktheit wissen, sehen die über das Geld Nachdenkenden hingegen keineswegs ihren eigenen Wahnsinn, sondern halten sich vielmehr für sehr wissend. Das macht das Geld ungleich gefährlicher als die Liebe!
Und so wird uns denn auch in diesem Jahr – genauso wie in den vorausgegangenen zwanzig Jahren – in einem ewig gleichen Ritual ein deutlicher Kursrückgang am Rentenmarkt prophezeit, weil mit einem deutlichen Wiederanstieg der Inflation zu rechnen sei. Und der Grund hierfür ist ebenfalls schnell ausgemacht: Weil die Geldmengen weltweit enorm angestiegen sind.
Damit stehen sich in diesem Jahr am Bondmarkt auf der Faktenseite zwei Gegner gegenüber, die an Schlagkraft nicht unterschiedlicher sein könnten: Einerseits der deflationäre Druck in einer völlig globalisierten Welt, in der neue Anbieter wie China mittlerweile auch Qualitätsprodukte zu Bruchteilen der Herstellungspreisen bei uns zu Lande anbieten können. Und andererseits eine gestiegene Geldmenge, die nach Ansicht unserer Geldverrückten zu einem neuen inflationären Druck führen soll.
Wie dieser Kampf ausgehen wird, können wir an Japan beobachten. Würde die Geldmengenentwicklung tatsächlich den realwirtschaftlichen Deflationsdruck in den Schatten stellen können, dann lägen die Renditen der Staatstitel dort über 10 Prozent – und nicht wie gegenwärtig unter 1 Prozent. Es ist jedoch nicht nur ein empirischer, sondern auch ein theoretischer Irrtum, der Geldmengenentwicklung einen kausalen Einfluss auf die Wirtschafts- und Preisentwicklung zuzuerkennen. Gespeist ist dieser Irrtum durch die Irrlehre des Monetarismus und der Quantitätstheorie.
Doch ein Mehr an Geld muss keineswegs von der Wirtschaft verausgabt werden, es kann – und wird! – ebenfalls aus schlichten Vermögenssicherungsaspekten heraus gehalten werden. Denn wie sollte auch eine Wirtschaft auf eine gestiegene Geldmenge mit höheren Ausgaben reagieren, wo sie über diese Geldmengenentwicklung doch stets erst aus der Zeitung erfährt? Oder können Sie, lieber Leser und liebe Leserin, etwa anhand der Beobachtung ihres Kontoauszuges und ihres Geldbeutels etwas darüber wissen, wie die gesamtwirtschaftliche Geldmengenentwicklung gegenwärtig ausschaut?
Natürlich können Sie das nicht! Denn über die Höhe des Geldbetrages, über den Sie verfügen und zu Ausgaben nutzen können, entscheiden einzig und alleine die Höhe ihres Einkommens sowie ihre Anlagestrategie. Die Notenbank und die gesamtwirtschaftliche Geldmenge kommen hierbei überhaupt nicht vor.
Deswegen sollten wir uns auch nicht irre machen lassen von den Geldverrückten, die sich selbst im Winter hartnäckig wie die Fliegen in allen Medien tummeln und jedes Jahr von Neuem gebetsmühlenartig das verkünden, was letztlich jedoch in unserer Zeit so schnell nicht wieder passieren wird, nämlich eine Wiedergeburt der Inflation.
Dass der Bondmarkt dennoch mittlerweile anfällig für eine heftige Korrektur ist, führt diese Sichtweise keineswegs ad absurdum. Denn letztlich ist es an den Märkten völlig egal, was passiert. Entscheidend ist immer nur, was die Mehrheit der Marktteilnehmer denkt, so beschränkt sie auch immer ist. Referenzbeispiel für 2003 könnte daher durchaus das Jahr 1994 werden, denn auch damals glaubte man an eine Inflation, löste einen Crash am Bondmarkt aus, musste sich dann jedoch sofort korrigieren, was im Folgejahr zur größten Hausse am Bondmarkt der Nachkriegszeit mutierte.
Doch Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich nur. Heute sind wir nämlich aus meiner Sicht in einer wesentlich fataleren Lage als 1994. Denn deflationäre Entwicklungen haben die Eigenschaft, zu einem Verfall aller (!) Vermögenspreise zu führen – mit einer Ausnahme: dem Wert des Geldes! Der Realwert der Geldhaltung ist das einzige, was gemeinhin in einer deflationären Entwicklung zulegt. Eine deutliche Korrektur am Bondmarkt passt daher durchaus in die gegenwärtige Landschaft, aber nicht, weil die Inflation zurückkehrt, sondern weil die Zähigkeit des deflationären Szenarios die Risikoscheu ansteigen lässt.
Ein langsames Umschichten von Bonds in Geldmarktfonds oder Termingelder scheint mir also gegenwärtig durchaus angeraten zu sein. Und der beste Kompass, dem man sich dabei bedienen kann, ist die Entwicklung der heimischen Güterpreise. Niemals jedoch die Geldmengenentwicklung. Denn wie sagte der Ökonom Henry Wallich einmal so unübertrefflich: Inflation und Deflation sind ebensowenig ein monetäres Phänomen, wie es ein ballistisches ist, einen Menschen zu erschießen.
In diesem Sinne kann also den Vermögensanlegern weltweit das Schlimmste noch bevorstehen. Nach den deutlichen Rückgängen an den Aktienmärkten nun auch entsprechende Rückschläge bei den Bonds und beim Gold. Es scheint also nicht verkehrt zu sein, gegenwärtig nicht nur bei den Aktien, sondern ganz generell etwas vorsichtiger zu treten. Wobei die Aktien von allen Anlageformen vielleicht bereits schon jetzt wieder die besten Aussichten haben.
Bernd Niquet, im Februar 2003
- von Bernd Niquet -
Nicht einmal infolge der Liebe sind so viele Menschen verrückt geworden wie infolge des Nachdenkens über das Wesen des Geldes. Dieses schöne Bonmot wird gemeinhin dem britischen Politiker und Philosophen William Gladstone zugeschrieben. Und es ist heute sicherlich nicht weniger aktuell als zu Gladstones Zeit. Eines muss dabei jedoch auf jeden Fall noch hinzugefügt werden: Während die Liebenden gemeinhin um ihre Verrücktheit wissen, sehen die über das Geld Nachdenkenden hingegen keineswegs ihren eigenen Wahnsinn, sondern halten sich vielmehr für sehr wissend. Das macht das Geld ungleich gefährlicher als die Liebe!
Und so wird uns denn auch in diesem Jahr – genauso wie in den vorausgegangenen zwanzig Jahren – in einem ewig gleichen Ritual ein deutlicher Kursrückgang am Rentenmarkt prophezeit, weil mit einem deutlichen Wiederanstieg der Inflation zu rechnen sei. Und der Grund hierfür ist ebenfalls schnell ausgemacht: Weil die Geldmengen weltweit enorm angestiegen sind.
Damit stehen sich in diesem Jahr am Bondmarkt auf der Faktenseite zwei Gegner gegenüber, die an Schlagkraft nicht unterschiedlicher sein könnten: Einerseits der deflationäre Druck in einer völlig globalisierten Welt, in der neue Anbieter wie China mittlerweile auch Qualitätsprodukte zu Bruchteilen der Herstellungspreisen bei uns zu Lande anbieten können. Und andererseits eine gestiegene Geldmenge, die nach Ansicht unserer Geldverrückten zu einem neuen inflationären Druck führen soll.
Wie dieser Kampf ausgehen wird, können wir an Japan beobachten. Würde die Geldmengenentwicklung tatsächlich den realwirtschaftlichen Deflationsdruck in den Schatten stellen können, dann lägen die Renditen der Staatstitel dort über 10 Prozent – und nicht wie gegenwärtig unter 1 Prozent. Es ist jedoch nicht nur ein empirischer, sondern auch ein theoretischer Irrtum, der Geldmengenentwicklung einen kausalen Einfluss auf die Wirtschafts- und Preisentwicklung zuzuerkennen. Gespeist ist dieser Irrtum durch die Irrlehre des Monetarismus und der Quantitätstheorie.
Doch ein Mehr an Geld muss keineswegs von der Wirtschaft verausgabt werden, es kann – und wird! – ebenfalls aus schlichten Vermögenssicherungsaspekten heraus gehalten werden. Denn wie sollte auch eine Wirtschaft auf eine gestiegene Geldmenge mit höheren Ausgaben reagieren, wo sie über diese Geldmengenentwicklung doch stets erst aus der Zeitung erfährt? Oder können Sie, lieber Leser und liebe Leserin, etwa anhand der Beobachtung ihres Kontoauszuges und ihres Geldbeutels etwas darüber wissen, wie die gesamtwirtschaftliche Geldmengenentwicklung gegenwärtig ausschaut?
Natürlich können Sie das nicht! Denn über die Höhe des Geldbetrages, über den Sie verfügen und zu Ausgaben nutzen können, entscheiden einzig und alleine die Höhe ihres Einkommens sowie ihre Anlagestrategie. Die Notenbank und die gesamtwirtschaftliche Geldmenge kommen hierbei überhaupt nicht vor.
Deswegen sollten wir uns auch nicht irre machen lassen von den Geldverrückten, die sich selbst im Winter hartnäckig wie die Fliegen in allen Medien tummeln und jedes Jahr von Neuem gebetsmühlenartig das verkünden, was letztlich jedoch in unserer Zeit so schnell nicht wieder passieren wird, nämlich eine Wiedergeburt der Inflation.
Dass der Bondmarkt dennoch mittlerweile anfällig für eine heftige Korrektur ist, führt diese Sichtweise keineswegs ad absurdum. Denn letztlich ist es an den Märkten völlig egal, was passiert. Entscheidend ist immer nur, was die Mehrheit der Marktteilnehmer denkt, so beschränkt sie auch immer ist. Referenzbeispiel für 2003 könnte daher durchaus das Jahr 1994 werden, denn auch damals glaubte man an eine Inflation, löste einen Crash am Bondmarkt aus, musste sich dann jedoch sofort korrigieren, was im Folgejahr zur größten Hausse am Bondmarkt der Nachkriegszeit mutierte.
Doch Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich nur. Heute sind wir nämlich aus meiner Sicht in einer wesentlich fataleren Lage als 1994. Denn deflationäre Entwicklungen haben die Eigenschaft, zu einem Verfall aller (!) Vermögenspreise zu führen – mit einer Ausnahme: dem Wert des Geldes! Der Realwert der Geldhaltung ist das einzige, was gemeinhin in einer deflationären Entwicklung zulegt. Eine deutliche Korrektur am Bondmarkt passt daher durchaus in die gegenwärtige Landschaft, aber nicht, weil die Inflation zurückkehrt, sondern weil die Zähigkeit des deflationären Szenarios die Risikoscheu ansteigen lässt.
Ein langsames Umschichten von Bonds in Geldmarktfonds oder Termingelder scheint mir also gegenwärtig durchaus angeraten zu sein. Und der beste Kompass, dem man sich dabei bedienen kann, ist die Entwicklung der heimischen Güterpreise. Niemals jedoch die Geldmengenentwicklung. Denn wie sagte der Ökonom Henry Wallich einmal so unübertrefflich: Inflation und Deflation sind ebensowenig ein monetäres Phänomen, wie es ein ballistisches ist, einen Menschen zu erschießen.
In diesem Sinne kann also den Vermögensanlegern weltweit das Schlimmste noch bevorstehen. Nach den deutlichen Rückgängen an den Aktienmärkten nun auch entsprechende Rückschläge bei den Bonds und beim Gold. Es scheint also nicht verkehrt zu sein, gegenwärtig nicht nur bei den Aktien, sondern ganz generell etwas vorsichtiger zu treten. Wobei die Aktien von allen Anlageformen vielleicht bereits schon jetzt wieder die besten Aussichten haben.
Bernd Niquet, im Februar 2003