Die falschen Kontrolleure

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Die falschen Kontrolleure

 
14.12.02 22:47
Die falschen Kontrolleure
Warum die Gewerkschaften in den Aufsichtsräten nichts verloren haben
von Heiner Thorborg

"Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist überholt", meint Rolf-Ernst Breuer, oberster Aufseher der Deutschen Bank. Sein Ruf nach einer Reform des Aktienrechts läutet vorerst die neueste Runde ein in einem langjährigen Kampf um vernünftige Unternehmenskontrolle in Deutschland.


Ohne Balsam, Flowtex und Co. wäre Corporate Governance hier zu Lande vermutlich ein Spezialthema für Gesellschaftsrechtler, Wirtschaftsprüfer und Aktionärsvertreter geblieben. Doch die Skandale und verschiedene Studien, die zeigten, dass Anleger für die Aktien gut kontrollierter Unternehmen eine deutliche Prämie bezahlen, gaben dem angelsächsischen Begriff einen festen Platz im deutschen Sprachgebrauch.


Denn je mehr schief geht - und es geht eine Menge schief in der deutschen Unternehmenslandschaft - desto intensiver diskutieren wir die Rolle unserer Aufsichtsräte. In der Folge laboriert dieses Land seit vier Jahren an dem im Wesentlichen von 1965 stammenden Aktienrecht herum. Bisher mit überschaubarem Erfolg.


Nach den Dramen bei Bremer Vulkan, Balsam und der Metallgesellschaft entstand 1998 zunächst das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG). Der Niedergang der Philipp Holzmann AG bewies, dass damit nichts Substanzielles gewonnen war. Also folgte eine Regierungskommission, die sich mit den Defiziten des deutschen Systems beschäftigte. Sie empfahl Mitte 2001 die Entwicklung von Verhaltensregeln. Das Ergebnis waren eine weitere Regierungskommission und ein deutscher „Corporate Governance Codex". Der besteht im Wesentlichen aus Empfehlungen und gibt ansonsten nur das ohnehin geltende Recht wieder. Ein neuer Paragraf (§161 AktG) verpflichtet den Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft und seine Aufseher jetzt nur, jährlich zu erklären, ob dem Kodex entsprochen wurde, ein Abweichen muss nicht begründet werden.


Viele wesentliche Themen wurden in diesen ganzen Papierstößen jedoch nicht behandelt. Die Frage der Mitbestimmung beispielsweise - sie wurde in den Regierungskommissionen auf besonderen Wunsch des Bundeskanzlers außen vor gelassen. Das ist ärgerlich, denn an ihr hängen einige wesentliche Probleme unseres Systems. Offenbar findet das auch Rolf-Ernst Breuer.


Recht hat er! Die Gründe, die für seinen Vorschlag sprechen, die Gewerkschaften aus den Aufsichtsräten zu verbannen, sind vielfältig und zwingend.


Der Betriebsrat hat sich im Unternehmen bewährt - aber nicht im Aufsichtsrat. Denn der funktioniert heute faktisch so: Die Arbeitnehmervertreter sprechen sich schon vor der eigentlichen Sitzung ab, alle anderen Räte versammeln sich ebenfalls vor dem Termin und diskutieren das Wesentliche unter sich. Die offizielle Sitzung selbst ist oftmals eine reine Alibiveranstaltung. Diese Praxis karikiert das deutsche Aktienrecht und nützt letztlich keinem. Dazu Breuer: „Es findet keine richtige strategische Diskussion im Aufsichtsrat selbst statt. Sie findet vorher statt, weil man Kritik am Vorstand nicht im gesamten Gremium vornehmen möchte oder weil man gewisse Fragen nicht ausgebreitet sehen möchte."


Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist für Ausländer völlig unverständlich. Sie setzen sich deswegen auch nur ungern in deutsche Gremien, viele akzeptieren höchstens einen Platz in einem Shareholder's Committee. Der so genannte Chairman's Council von DaimlerChrysler ist beispielsweise so ein Versuch, deutsche Gepflogenheiten zu umschiffen und auch Ausländer als Ratgeber zu verpflichten. In diesem Über-Gremium, das neben dem üblichen Rat existiert, finden sich vor allem die Führer anderer Unternehmen und Aktionärsvertreter.


Und schließlich sind die Gewerkschafter im Kontrollgremium eine Investitionsbremse. Mit ihnen katapultiert sich Deutschland selbst aus dem Rennen als Standort für internationale Zusammenschlüsse: Die Holdings künftiger Joint Ventures werden ihren Sitz kaum in Deutschland haben. Zuletzt war das beim Zusammenschluss von Hoechst und Rhône-Poulenc zu Aventis zu beobachten. Die neue Zentrale sitzt im französischen Straßburg.


Der größte Witz im Kontext „Internationalität und Unternehmenskontrolle" ist jedoch, dass die deutschen Konzerne inzwischen längst global operieren und oft mehr Mitarbeiter im Ausland als in Deutschland beschäftigen. Im Aufsichtsrat werden aber nur die Partikularinteressen der deutschen Arbeitnehmer vertreten. Ein krasses Missverhältnis und zutiefst unfair.


Zu Verzerrungen führt die Mitbestimmung möglicherweise auch bei Übernahmen. Im gleichnamigen Gesetz finden sich entgegen vielfacher Kritik umfangreiche Abwehrmöglichkeiten gegen eine unfreundliche Übernahme - wenn der Aufsichtsrat der Abwehr zustimmt. Die dort sitzenden Arbeitnehmervertreter werden in solchen Fällen natürlich immer zuerst an die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze denken und zuletzt an die ebenso berechtigten Aktionärsinteressen.


Und schließlich ist die Größe der deutschen Gremien misslich. Vor einiger Zeit verglich eine niederländische Unternehmensberatung die Corporate Boards in Amerika, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Deutschland und in den Niederlanden. Die Studie zählt Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam, weil das anderswo zusammengehört und die Ergebnisse sonst nicht mit Deutschland vergleichbar wären. Ergebnis: Die durchschnittliche Zahl der Köpfe liegt zwischen elf und 13 - nur nicht in Deutschland. Hier zu Lande werden dank der Arbeitnehmervertreter durchschnittlich 29 Personen in jeder Aufsichtsratssitzung gezählt. Süffisant vergleicht die Studie die Gremien von 1998 bei General Electric und Siemens: GE kommt mit 15 Mann aus, bei Siemens sitzen 35 herum. Wer arbeitet wohl effizienter? Und wer hat welchen Börsenwert?


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