Glaube aber, daß ich die Branche ein wenig kenne, über die wir hier reden. Allerdings ging es oben nur um die vermutliche Wirkung einer aktuellen Gesetzesinitiative. Über den Bau selbst könnte man Bände schreiben. Ich habe die Entwicklung im Bau in den letzten 10 Jahren besonders in Berlin sehr bewußt miterlebt. Es war 1993 als ich mit dem Vertriebschef eines größeren mittelständischen Bauunternehmens aus Bayreuth, das sich gerade zum Bauträger wandelte, über eine Großbaustelle ging, und der mir erzählte, daß nur einheimische Arbeiter auf seinen Baustellen arbeiten würden. Ich machte ihn dann darauf aufmerksam, daß seine Dachdecker aber nicht fränkisch redeten, sondern englisch. Dann kam mit der Sonder-AfA Ost eine Sonderkonjunktur im Bau, wo fast alle gut, manche sich dumm und dämlich verdienten und viele Arbeitsplätze entstanden. Natürlich kamen auch Arbeiter aus der EU und hier im Osten auch aus Polen. Schwarze Schafe gab es schon immer: Generalunternehmer, die sich in Luft auflösten und ihre Subs mit unbezahlten Rechnungen zurückließen, Bauträger, die sich in der Euphorie übernahmen, aber rechtzeitig ihr privates Schäfchen ins Trockene brachten, bevor die Firma unter Zurücklassung geleimter Käufer und Handwerker implodierte, Anlageobjekte mit überhöhten Preisen, bunten Prospekten mit dem Brandenburger Tor und wertlosen Mietgarantien. (Wenn Du mal eine Originalunterschrift von Dr. Jürgen Schneider aus jener Zeit sehen möchtest, besuch mich mal in meinem Büro.) Aber es gab eben auch eine Mehrheit kaufmännisch gut geführter, solider, ehrlicher Unternehmen. Und die hießen eben Süba oder Zapf oder Bayerische Hausbau oder Kondor-Wessels oder Schwörer oder wie auch immer... Als dann der Staat die AfA-Ost kappte blieb ein Berg überflüssiger Immobilien zurück. Und nach wie vor waren da die vergrößerten Kapazitäten der großen Bauunternehmen, der Handwerker, Finanzierer, Makler und aller Zulieferbereiche dieser Branche. Das Ende dieser künstlich geschaffenen Sonderkonjunktur (Nicht vergessen: Der Anlaß war ehrenwert, nämlich der Aufbau Ost.) traf dann zusammen mit der unseligen Steuerdiskussion unter Kohl, der Einführung des Euro und einer ab 2000 abflauenden Konjunktur. In Berlin wurde das noch verstärkt durch die Pleite der Stadt und das damit verbundene praktische Ende der Eigenheimförderung durch das Land Berlin. Wer heute hier noch verkaufen will, unterliegt einem gnadenlosen Preisdruck, den er an seine Mitarbeiter (auch die leitenden) sowie an Zulieferer und Subs weitergibt. Das Ergebnis ist eine ständige Gratwanderung, mit dem Ziel zu minimalen Kosten eine Mindestqualität zu erzeugen, die vom Markt gerade noch angenommen wird. Wer heute Tariflöhne zahlt, ist morgen früh schon tot. Und tot sind schon viele. Nicht nur die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe (Die Handwerkerlisten, die wir im letzten Jahr an Kunden ausgaben, enthalten heute schon bis zu 50 Prozent "Leichen"), sondern auch die großen sind betroffen. Der letzte mir bekannt gewordene Insolvenzantrag ist durch die Fundamenta in der vergangenen Woche gestellt worden. Aber damit die Politik oder die Banken aktiv werden muß man schon Holzmann oder vielleicht Bast-Bau heißen. Die Arbeiter der kleinen Firmen werden arbeitslos, die ehemaligen Inhaber oft Sozialfälle. Ich weiß, wie es aussieht, wenn Handwerker um das Haus des lohnschuldigen Chefs schleichen, in der Hoffnung, Geld von ihm zu bekommen, das der aber auch nicht hat, auch nicht mehr die Raten für sein Haus bezahlen kann. Und welche Lösung bietet die Politik? Ich will die Politiker dafür nicht verdammen, wenn ich selbst keine Lösung anbieten kann in einem sich vergrößernden Wettbewerbsraum. Aber die Krise im Bauwesen, die wir jetzt haben, ist ohne Zweifel durch die Politik (seit Kohl) mitverursacht wurden. Und wenn die Politiker jetzt kommen, sich einen Bereich aus dieser gebeutelten Branche greifen und denen, die eigentlich die Initiatoren von Bauvorhaben sind, sagen: "Ihr haftet jetzt auch dafür, daß wir, der Staat, unsere Steuern von anderen privaten Unternehmen bekommen" - das ist ungeheuerlich. Private Unternehmen, die finanziell extrem angespannt agieren müssen, sollen zusätzliche Risiken tragen, in einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem sie die Kosten dafür nicht auf den Preis ihrer Produkte umlegen können. Hier agiert der Staat wie jemand, der dringend Geld braucht, aber nicht an die Zukunft denkt, vielleicht weil er weiter als bis zur nächsten Wahl gar nicht denken kann. Schon wahrscheinlich, daß der Fiskus bald alle Sozialabgaben auch von Subunternehmern bekommt. Aber viel Geld wird das wohl bald nicht mehr sein.
R.