Deutsche Post: Leere Versprechen ?

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Deutsche Post: Leere Versprechen ?

 
17.01.01 12:12
Von Jörn Paterak

Post-Chef Zumwinkel wird ein Spitzenergebnis für 2000 präsentieren. Doch von nun an müssen sich die Aktionäre mit bescheideneren Zuwächsen begnügen. In der vermeintlichen Zukunftssparte Logistik läuft längst nicht alles so rund, wie es sollte.

Jetzt hat auch die Deutsche Post endlich eine. Seit dem Börsengang vor knapp zwei Monaten steht in der Bonner Zentrale, dem ehemaligen Bundespostministerium, eine große Anzeigetafel, über die der aktuelle Aktienkurs des Briefmonopolisten flimmert. Damit will Konzernchef Klaus Zumwinkel seine Postler jeden Morgen aufs Neue motivieren.

Seit einigen Tagen klappt das nicht mehr so recht. Die Kurve macht eine unschöne Krümmung - nach rechts unten. Am Dienstag zog der Kurs überraschend wieder an, nachdem er sich dem Emissionspreis von 21,5 Euro gefährlich genähert hatte. Händler vermuten Umschichtungen und Stützungskäufe der Banken.

Bis zum Jahreswechsel sah es noch so aus, als hätte Zumwinkel Anleger und Analysten mit seiner Story vom globalen Logistikkonzern eingewickelt. Der Börsengang wurde dank staatlichem Protektionismus - Finanzminister Hans Eichel erließ der Post die Mehrwertsteuer und garantierte ihr üppige Portoeinnahmen - sowie einer millionenschweren Werbekampagne mit den Brüdern Gottschalk zum perfekt inszenierten Spektakel.

Kaum ein Analyst, der die Aktie des gelben Riesen nicht zum Kauf empfiehlt. Bis heute halten Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank und die Berliner Bankgesellschaft einen Kurs von bis zu 28 Euro für möglich.

Große Pläne, wenig Substanz

Doch hinter der schönen Worthülse vom globalen Logistikkonzern, die von den Post-Oberen penetriert wird, steckt nicht viel Substanz. Zwar wird Post-Finanzvorstand Edgar Ernst, der heute seine Bücher für das abgelaufene Geschäftsjahr schließt, einen Abschluss der Extraklasse präsentieren. Die Deutsche Bank, der Konsortialführer der Post, erwartet einen Gewinn von 2,4 Mrd. Euro. Das wäre eine Steigerung gegenüber 1999 von 140 Prozent. Die Umsätze der vier Postsparten Brief, Paket, Logistik und Finanzdienstleistungen sollen immerhin noch um mehr als 40 Prozent zulegen.

Diese Traumzahlen sind jedoch ein Ausrutscher nach oben. Die Prognosen für die Zeit danach sind weitaus weniger berauschend. Bei nüchterner Betrachtung ist die Deutsche Post trotz ihres coolen Anhängsels "World Net" auch heute noch in erster Linie ein Briefträger mit angeschlossener Bank.

Die stattlichen Wachstumsraten beim Profit erklären sich vor allem durch auslaufende Pensionsverpflichtungen des Postkonzerns. Sie werden nun vom Bund getragen.

Abgezeichnet hat sich diese Verzerrung bereits im vergangenen September. Da brachte es Zumwinkel bei der Präsentation der Halbjahreszahlen fertig, die Gewinne der Briefsparte um knapp 80 Prozent zu steigern, den Umsatz aber nur um 1,3 Prozent. Laut Börsenprospekt der Post hat die neue Regelung den Bonner Konzern im ersten Halbjahr 2000 um insgesamt 638 Mio. Euro entlastet.

"Die Deutsche Post ist heute so stark wie noch nie in ihrer Unternehmensgeschichte", sagt Zumwinkel. Tatsächlich bleibt das angepeilte Umsatzwachstum hinter den hoch gesteckten Konjunkturprognosen des in der Post-Werbung beschworenen "Zukunftsmarktes Logistik" zurück.

Wachstum durch Zukäufe

Dass er für das Geschäftsjahr 2000 noch satte Zuwächse vorweisen kann, hat er zahlreichen Zukäufen zu verdanken. In den vergangenen Jahren investierte Zumwinkel rund 12 Mrd. Euro in Brief-, Paket-, Logistik- und Finanzbeteiligungen. Darunter sind etliche Schwergewichte wie der US-Luftspediteur Air Express International und die DSL-Bank, die nun erstmals konsolidiert werden.

Spätestens 2002, beim Kassensturz für das laufende Geschäftsjahr, könnte sich Ernüchterung bei den Aktionären breit machen. Den Prognosen der Deutschen Bank zufolge werden sich die Zuwächse des Staatsunternehmens deutlich abschwächen. Umsatz und Gewinn sollen dann nur noch gemächlich steigen, mit drei bis vier Prozent.

Noch bedrückender: Die Abhängigkeit vom lukrativen Briefgeschäft, das einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkommt, nimmt kaum ab. Den Berechnungen der Deutsch-Banker zufolge erzielt Zumwinkel im Jahr 2002 immer noch zwei Drittel des Konzerngewinns mit dem Briefgeschäft. Den Rest teilen sich die Sparten Paket, Logistik und Finanzdienstleistungen.

"Aus der Schneckenpost ist ein Tausendfüßler geworden, der seine Füße aber noch ausrichten muss", urteilt der Deutschland-Chef des niederländischen Paketdienstes TNT, Eckard Gatke. Ob und wann Zumwinkel nennenswerte Gewinne oder Synergien aus den Hoffnungssparten seines eilig zusammengeschnürten Logistikkonzerns erzielt, ist derzeit völlig offen. Selbst der Post-Börsenprospekt warnt: Synergien könnten "nicht oder nur mit Verzögerung realisiert werden", wenn der anstehende Integrationsprozess ins Stocken gerate.

Großer Erfolgsdruck

Der Erfolgsdruck, unter dem Logistik-Vorstand Peter Wagner steht, ist gigantisch. Und er führt offenbar zu Geschäftsabschlüssen, die unter dem Motto stehen: Umsatz um jeden Preis.

So übernahm Wagner im vergangenen Jahr kurzerhand die gesamte Logistik des ehemaligen Schwesternunternehmens Deutsche Telekom. "Es handelt sich um eine der größten je in Europa abgeschlossenen Outsourcing-Vereinbarungen dieser Art", jubelte der Logistikstratege. Für einen erhofften Zusatzumsatz von 200 Mio. Euro jährlich blätterte der Schweizer rund 500 Mio. DM auf den Tisch. Dafür erhielt er acht Hochregallager der Telekom und 2200 Beschäftigte. Um seine Kapitalbindung zu reduzieren, verkaufte Wagner die Logistikausrüstung erst vor zwei Tagen weiter an die Viterra-Immobiliengruppe. Er soll dafür rund 100 Mio. DM weniger kassiert haben, als er selbst zuvor bezahlte. Künftig wird die Post die ehemaligen Telekom-Lager mieten.

Noch verwaltet Wagner in seinen Hallen allerdings eine Menge Luft. Die Zentren sind gerade mal zur Hälfte ausgelastet, gestand der zuständige Projektleiter der Post-Logistiktochter Danzas ein.

Völlig zurückgezogen hat sich Wagner aus der Logistik für Salamander, einst als Prestigeprojekt gefeiert. Zumwinkels Logistikexperte habe dem Schuhhersteller "erhebliche Umsatzeinbußen" eingebrockt, klagt ein Salamander-Aufsichtsrat.

Die Post bekam das Durcheinander von sieben Millionen Paar Schuhen jährlich nicht in den Griff. Die Kartons fanden ihren Weg einfach nicht pünktlich zu den Händlern. Mittlerweile organisieren Post-Konkurrenten den Warenfluss. Zumwinkel leistete seinem Ex-Kunden eine "Kulanzzahlung" von mehreren Millionen DM.

Expressgeschäft defizitär

Doch die Logistiksparte ist nicht der einzige Bereich, in dem es hapert. Auch beim einst chronisch defizitären Expressgeschäft, das rechtzeitig zum Börsengang schwarze Zahlen schreibt und heute als Hoffnungsträger gilt, läuft nicht alles nach Plan. Nach wie vor prüfen die EU-Wettbewerbsbehörden Vorwürfe, wonach Zumwinkel mit dem Geldsegen aus dem Briefmonopol illegal Dumpingpreise im Paketgeschäft sowie Übernahmen refinanziert haben soll. Stellen sich die Anschuldigungen als berechtigt heraus, drohen der Post Strafen und eine neu verordnete Preispolitik.

Hinzu kommt Ärger mit dem Bundeskartellamt in Bonn. Spätestens im April will Präsident Ulf Böge entscheiden, ob sich Zumwinkel vom sechstgrößten deutschen Paketdienst Trans-o-flex (Umsatz 1999: 727 Mio. DM) trennen muss. Mitte 1997 hatte er sich 25 Prozent der Anteile gesichert.

Der Verdacht der Wettbewerbshüter: Die Bonner Postillione haben mit dem 2800-Mitarbeiter-Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung auf dem deutschen Paketmarkt erlangt. Muss Zumwinkel seine Anteile verkaufen, könnten ausländische Kuriere die Chance nutzen, ihr Netzwerk hier zu Lande auszubauen.

Die Konkurrenz ist froh, dass die Deutschen endlich an der Börse sind, obwohl Zumwinkel seine Aktie Gelb künftig komfortabel als Akquisitionswährung einsetzen kann. Der Grund: Sie hoffen, dass der Post-Chef seine üppigen Monopolgewinne nicht mehr um jeden Preis zur Expansion einsetzen kann, weil ihm die Aktionäre von nun an genau auf die Finger schauen.

Vor allem seine Perle, die Logistiksparte, muss Zumwinkel in Zukunft hegen und pflegen. Steht sie doch stellvertretend für seine Vision vom Zukunftskonzern.

Im Ernstfall werden dazu alle Register der Bilanzierungstechnik gezogen. So wurde Insidern zufolge bereits darüber nachgedacht, die im Rahmen der Salamander-Misere angefallenen Verluste im Jahr 2000 so zu verbuchen, dass sie gar nicht in der Logistiksparte auftauchen.

Dabei müsste ein globaler Erfolgskonzern wie die Post eine solche Lappalie doch eigentlich locker wegstecken.

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