Deutsche Lipobay-Opfer klagen gegen Bayer

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Deutsche Lipobay-Opfer klagen gegen Bayer

 
14.01.02 17:16
Dem Chemie- und Pharmakonzern Bayer droht wegen der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Cholesterin-Senker Lipobay eine Sammelklage in den USA. Ein Gericht in Minnesota werde im Februar über eine Klage entscheiden, sagte der Münchner Anwalt Michael Witti am Montag in Berlin. Stellvertretend für rund 4 000 Betroffene aus der ganzen Welt werde Witti gemeinsam mit US-Anwälten vor Gericht ziehen. Nach Ansicht der Bayer AG (Leverkusen) ist ein Prozess in den USA nicht zulässig.

dpa BERLIN/LEVERKUSEN. „Es gibt vergleichbare Fälle, bei denen ausländische Mandanten in den USA Erfolg hatten“, begründete Witti die geplante Klage vor einem US-Gericht. Dabei spiele keine Rolle, ob die deutsche Bayer AG oder ihre US-Tochter Bayer Corporation (Pittsburgh/Pennsylvania) das Mittel produziert habe.

„Für deutsche Patienten ist das Medikament in Deutschland entwickelt und produziert worden“, sagte Bayer-Sprecher Michael Diehl. Deutsche Betroffene müssten entsprechend vor deutsche Gerichte ziehen. Dies gelte für andere Länder entsprechend. Dieses Prinzip werde auch durch das amerikanische Recht anerkannt. So geht Bayer davon aus, dass die US-Gerichte die Einbeziehung von deutschen Klägern in die US-Sammelklage zurückweisen werden.

Von einem Prozess in den USA versprechen sich die Kanzleien eine höhere Entschädigung. Der Vorwurf der Anwälte: Bayer habe das Medikament trotz entsprechender Erkenntnisse über Nebenwirkungen nicht vom Markt genommen. Witti vertritt nach eigenen Angaben mehr als 2000 deutsche Opfer, sein amerikanischer Partner Kenneth Moll tritt für weitere 2000 Betroffene aus 13 Ländern ein. Weltweit hätten mehr als sechs Mill. Menschen den Cholesterin-Senker eingenommen.

Bayer nahm Lipobay Anfang August vom Markt, nachdem das Mittel mit mehr als 50 Todesfällen in Verbindung gebracht wurde. Durch Umsatz- und Ergebnisausfälle geriet der Konzern auch wirtschaftlich unter Druck: Im dritten Quartal 2001 verzeichnete das Unternehmens erstmals einen Verlust in einem Vierteljahr. Verschoben wurde auch der ursprünglich für vergangenen Herbst vorgesehene US- Börsengang.

Jetzt soll die Bayer-Aktie in der kommenden Woche (24. Januar) in New York notiert werden. Zu Berichten, das Unternehmen werde noch vor dem Börsengang einen Kooperationspartner für die Pharmasparte präsentieren, hat sich das Unternehmen indes nicht klar geäußert. Dem Berliner „Tagesspiegel“ sagte Vorstandschef Manfred Schneider: „Das könnte sicher ein Appetizer für die Anleger sein, aber wir stehen unter keinem besonderen Zeitdruck“.

HANDELSBLATT, Montag, 14. Januar 2002, 16:25 Uhr

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US-Börsengang als Trostpflaster für Bayer

 
16.01.02 10:37
Der Sprung über den Teich ist für das Chemie- und Pharmaunternehmen ein Muss - auch wenn Bayer an der Wall Street wohl nicht mit Begeisterung empfangen wird.

Für Manfred Schneider ist der Börsengang der Bayer AG in New York nicht nur ein Trostpflaster für das Pannenjahr 2001. Wenn der Spitzenmanager in der kommenden Woche (24.1.) in den Räumen der New Yorker Stock Exchange den Handelsbeginn einläutet, geht auch seine Ära als Vorstandschef langsam zu Ende. Ende April wechselt er in den Aufsichtsrat und überlässt das Ruder Finanzvorstand Werner Wenning.

Der Chemie- und Pharmariese aus dem Rheinland ist das 16. deutsche Unternehmen, das an der berühmtesten Börse der Welt notiert sein wird. Genau ein Dutzend deutsche DAX-Unternehmen waren allerdings schneller als die Leverkusener, darunter BASF, Celanese und Schering.

Eigentlich hätte der Börsengang schon früher kommen sollen. Doch das Debakel mit dem Cholesterinsenker Lipobay machte diese Pläne zunichte. Anfang August hatte Bayer den Block Buster (Milliarden- Umsatzbringer) wegen einer Reihe ungeklärter Todesfälle überraschend vom Markt genommen. Die Folge: Der Konzern stürzte in eine seiner tiefsten Krisen der Firmengeschichte: Begleitet von Unsicherheiten der Verbraucher über die Arzneimittelsicherheit und den bevorstehenden Einbrüchen von Umsatz und Gewinn brach der Kurs ein.

Kurzerhand verschob der Vorstand den Börsengang und begann mit dem großen Reinemachen. Was lange Zeit am Widerstand Schneiders scheiterte, wurde plötzlich möglich. Der integrierte chemisch- pharmazeutische Konzern, sprich die Konglomeratstruktur, begann zu bröckeln. Bayer kündigte an, die Sparten Gesundheit und Pflanzenschutz aus dem Konzern herauszulösen und ab 2003 als eigenständige Töchter zu führen. Gleiches folgte wenig später für die Bereiche Chemie und Kunststoffe. Die Bayer-Holding war geboren. Und sie soll bereits die Handschrift von Schneider-Nachfolger Wenning getragen haben.

Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf ist sicher: Wenning "ist der heimliche Fan" der Holding gewesen. Investoren und Analysten hatten mehrfach klare Strukturen bei Bayer angemahnt, waren damit aber auf taube Ohren gestoßen. Auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr blitzte das US-Investmenthaus Tweedy, Browne mit der Forderung nach Ausgliederung der Pharmasparte beim Vorstand ab.

Die jetzt geschaffene Holding-Struktur ist Tüngler zufolge ein wichtiger Schritt für mehr Transparenz. "Für US-Investoren ist das ein Zeichen, dass sich was bewegt bei Bayer und das Unternehmen kein lahmer Wasserkopf mehr ist". Ob die Leverkusener mit dem Börsengang erfolgreich sind, ist fraglich. Der Fall Lipobay hat auch in den USA Kreise gezogen. Rechtsanwälte bereiten derzeit eine Sammelklage gegen das Unternehmen vor. "Wall Street empfängt uns nicht mit Begeisterung", räumte Schneider unlängst in einem Interview ein.

Trotzdem: Der Sprung über den Teich ist für Bayer ein Muss. Als international operierendes Unternehmen müsse das Unternehmen an allen bedeutenden Börsenplätzen vertreten sein. Tatsächlich ist die USA der wichtigste Bayer-Absatzmarkt im Ausland. Im Jahr 2000 erzielte die Tochterfirma Bayer Corp. (Pittsburgh/Pennsylvania) mit 23 200 Beschäftigten knapp 11 Milliarden Euro Umsatz. Das war ein Drittel des gesamten Konzernumsatzes.

An 50 Standorten ist Bayer in den USA und hat zwischen 1992 und 2000 das Geschäftsvolumen verdoppelt. Anlocken durch den Börsengang will das Unternehmen vor allem neue Investoren. US-Anleger halten derzeit erst einen Anteil von 8 Prozent am Grundkapital der Bayer AG.


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