Der Guru des Neuen Marktes
Er ist einer der mächtigsten Fondsmanager des
Landes: Kurt Ochner treibt die Kurse seiner
Börsenlieblinge in ungeahnte Höhen. Wer in seiner
Gunst steht, gilt als gemachter Mann. Die Anleger
profitierten von seinen umstrittenen Methoden bis
vor kurzem.
In seiner Heimat im Odenwald konnte Kurt Ochner,
48, im vergangenen Jahr so viele Äpfel und Birnen
wie nie zuvor ernten. Aus 3000 Liter Maische
destillierte der Hobby-Schnapsbrenner mehrere
hundert Flaschen hochprozentigen Schnaps.
"Die Rekordernte ist mein Hedge für
schlechte Tage an der Börse", sagt
Ochner, der als Fondsmanager der Julius
Bär Kapitalanlage in Frankfurt Starstatus
genießt. Als Hedge bezeichnen Börsianer
eine Art Versicherung gegen fallende
Kurse.
Schlechte Tage hat die Börse seither
viele gesehen. In den vergangenen
Wochen platzte eine gigantische
Spekulationsblase bei den kleinen
Technologiewerten, auf die Ochner gern setzt. Die
Kurse vieler Unternehmen am Frankfurter Neuen
Markt, der Börse für Wachstumswerte, fielen
senkrecht nach unten.
Auch Ochner, den viele bewundernd "Mr. Neuer
Markt" nennen, konnte sich dem Abwärtstrend nicht
entziehen. Sein Milliardenfonds, der Julius Bär
Special German, sauste mit in den Strudel. Seit den
Höchstständen im März ist der Kurs um rund 40
Prozent gesunken.
Vielleicht wird Ochner die Schnapsvorräte bald
brauchen. Noch verehrt seine Fangemeinde den
Fondsmanager als "König der Nebenwerte", noch
genießt der "Großmeister des Geldes", so der
Berliner "Tagesspiegel", in Fernsehsendungen und
Börsenmagazinen den Ruf eines Gurus. Aber wie
lange noch?
Der ehemalige Fallschirmjäger Ochner verdankt
seinen Erfolg auch dem Boom am Neuen Markt. Der
Special German Stock Fund legte seit 1996 um mehr
als 500 Prozent im Wert zu, weil er frühzeitig auf
kleine, weitgehend unbekannte Firmen setzte. Dank
des Erfolgs von Ochner stieg das von Julius Bär in
Deutschland betreute Fondsvolumen von wenigen
hundert Millionen Mark auf bis zu zwölf Milliarden
Mark.
Ochner gilt als einer der mächtigsten Männer am
Neuen Markt und er weiß diese Macht zu nutzen:
Ochner kann Kurse in die Höhe treiben oder fallen
lassen je nachdem, ob ihm ein Unternehmen
besonders am Herzen liegt oder nicht. Seine Gunst
kann mit entscheiden, ob ein Börsengang ein Erfolg
wird. "Er tritt wie der Pate des Neuen Marktes auf",
sagt ein Investmentbanker, der lieber anonym
bleiben will.
Kein Wunder, dass die Jungunternehmer, die vom
großen Geld am Neuen Markt träumen, zu Ochner in
den 32. Stock des Frankfurter "Pollux" pilgern. Wer
den Fondsmanager für seine Story einnehmen kann,
hat viel gewonnen. "Ich kümmere mich um die
Unternehmen, wenn die Banken schon längst wieder
abgezogen sind", beschreibt er seinen
unkonventionellen Stil.
Als im vergangenen Herbst der Börsengang der
Biotech-Firma Evotec am mangelnden Interesse der
Anleger zu scheitern drohte, retteten Fondsmanager
unter Führung von Ochner die Emission. "Ochner hat
mir versichert, dass er und seine Partner bis zu 50
Prozent der Aktien übernehmen können", erinnert
sich Karsten Henco, der Vorstandsvorsitzende der
Evotec. Die Banken ließen sich durch die Protektion
der Fondsmanager beeindrucken und brachten
Evotec an die Börse. Bei der Zuteilung haben Ochner
und die anderen Fondsmanager dann im Rahmen der
Zuteilungskriterien einen angemessenen Anteil
Aktien erhalten.
Auch bei den Neue-Markt-Unternehmen Novasoft
und NorCom, so Ochner, wurde ein Großteil der
Aktien wegen mangelnder Nachfrage aus dem
Publikum ausgewählten Großinvestoren zugeteilt.
Dann reichen schon kleine Handelsaufträge von
Privatanlegern, die bei der Vorabverteilung nicht
zum Zuge gekommen sind, um die Kurse nach oben
zu treiben.
Unternehmer, die sich auf Ochner einlassen, müssen
allerdings Demut mitbringen. Schon bei der
Emission beharrt er oftmals auf einem großen
Aktienanteil, da häufig am ersten Handelstag
erhebliche Kurssteigerungen locken. Banker, die
schon viele Börsenkandidaten betreut haben,
berichten von Unternehmern, die Ochner größere
Aktienpakete zum Emissionskurs versprochen haben,
um seine Gunst zu gewinnen.
"Als Gegenleistung für einen
günstigen Emissionskurs stellen wir
unser Netzwerk zur Verfügung", wirbt
Ochner für seinen Service. Er
verwaltet nicht nur Milliarden der
Julius Bär Kapitalanlage, sondern
beeinflusst auch die
Investitionsentscheidungen anderer
Fondsmanager.
Ein wichtiger Verbündeter des
Fondsmanagers Ochner ist Marian von Korff, der bis
Anfang 1999 bei "Focus" die Geldmarktseiten
verantwortete. Der Journalist betätigte sich schon
während seiner Zeit bei "Focus" als Berater für den
VMR Strategie Quadrat Fonds. Er kaufte sich über die
Firma Fair Invest in Internet-Unternehmen wie
Ricardo und I:Fao ein, die später an den Neuen
Markt kamen.
Zwischen dem Journalisten und dem Fondsmanager
entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit.
"Korff hat mich oftmals auf Investitionsideen aus
dem Münchner Bereich hingewiesen", lobt ihn
Ochner. Er habe sich dafür revanchiert und ihn als
Co-Investor bei den Emissionsbanken eingeführt.
Als Michael Kölmel, der Vorstandsvorsitzende des
Medienkonzerns Kinowelt, Ende 1998 einen
Investorentermin bei Ochner hatte, staunte er nicht
schlecht, dass ihm zusammen mit dem
Vorstandsmitglied der deutschen Julius Bär
Kapitalanlage auch der Fondsberater und
Wirtschaftsredakteur Korff gegenübersaß. Mit von
der Partie war auch Kerstan von Schlotheim, ein
Fondsmanager der Adig, der heutigen
Fondsgesellschaft der Commerzbank.
Seit rund einem Jahr ist die Zusammen-
arbeit zwischen Korff und Ochner offiziell. Ochner
berät Korffs VMR Strategie Quadrat. Die Julius Bär
Kapitalanlage erhält dafür nach Angaben Ochners ein
jährliches Honorar von über 100 000 Mark. "Wenn
Korff Beratungsbedarf hat, schickt er seine
Depotaufstellung mit der Bitte um Kommentierung",
beschreibt Ochner die Zusammenarbeit.
Die beiden interessieren sich besonders für die
kleinen marktengen Werte, bei denen noch nicht so
viele Aktien an der Börse umlaufen. Beide verstehen
sich als aktive Investoren, die wissen, dass sie mit
Käufen und Verkäufen die Kursentwicklung
beeinflussen. Da ist es praktisch, wenn wenig Aktien
im Umlauf und möglichst viele in festen Händen
sind. Bei den kleinen Werten des Neuen Marktes, so
Ochner, "reicht eine Order von weniger als einer
Million Mark, um den Kurs innerhalb eines Tages um
zehn Prozent nach oben oder nach unten zu
drücken".
Schon 1998 favorisierten die beiden Investoren
häufig dieselben Unternehmen.
Ende 1998 lagen 22,4 Prozent der Gelder des VMR
Strategie Quadrat bei einer einzigen Firma, dem
Münchner Medienunternehmen EM.TV. Auch privat
kaufte Korff Aktien der Filmhändler, bei dem sein
Freund Florian Haffa Vorstandsmitglied und ein
großer Aktionär ist.
Ochner seinerseits besaß 1998 nach
eigenen Angaben zeitweise bis zu
einem Drittel der umlaufenden Aktien
von EM.TV. Auch Schlotheim von der
Fondsgesellschaft Adig stieg später
bei dem Medienunternehmen ein. Der
Free Float, der Anteil der noch im
Umlauf befindlichen Aktien, war
gering. Schon relativ kleine
Kaufaufträge reichten aus, den
EM.TV-Kurs nach oben zu treiben.
So wurde 1998 aus einem sehr kleinen
Unternehmen, das in diesem Jahr einen Umsatz von
81 Millionen Mark erzielte, der Börsenstar des Jahres
mit einer Kurssteigerung von 3400 Prozent.
Mit dem inflationierten Börsenwert im Rücken gingen
die beiden Haffa-Brüder auf Einkaufstour. Ende 1998
beteiligten sie sich mit 50 Prozent für 500 Millionen
Mark beim Medientycoon Leo Kirch an dessen
gesamter Bibliothek an Kinder- und Jugendfilmen. In
dem Joint Venture mit Kirch, das unter Junior-TV
firmiert, sind nunmehr 15 000 Sendestunden
enthalten.
Seit Anfang dieses Jahres zeigt der Kirch-Sender
Sat.1 wöchentlich zehn Stunden Junior-TV, darunter
Uralt-Serien wie "Fred Feuerstein" oder
"Schweinchen Dick". Junior-TV kassiert dafür
innerhalb von fünf Jahren 201 Millionen Mark, es ist
die mit Abstand größte Gewinnquelle von EM.TV.
Viele Filme schreibt EM.TV linear innerhalb von 20
Jahren ab. Da der aktuelle Wertverlust auf das
eigene Filmlager damit sehr niedrig angesetzt ist,
konnten die Filmhändler aus Unterföhring einen
höheren Gewinn ausweisen.
"Solche Abschreibungsmethoden sind einfach
unseriös", sagt Andrea Keidel vom Münchner
Medienunternehmen RTV. Im wechselhaften
Filmgeschäft ändern sich die Moden zu schnell. RTV
schreibt deshalb seine Filme innerhalb von zehn
Jahren ab und will den Abschreibungszeitraum 2001
sogar auf fünf Jahre halbieren.
Auch Michael Kölmel, Chef des ebenfalls am Neuen
Markt notierten Medienunternehmens Kinowelt,
plädiert für vorsichtigere Bilanzierungsmethoden,
auch wenn manche Großinvestoren das anders
sehen. Er weigerte sich, seine konservativen
Abschreibungsregeln für neue Filme zu ändern und
damit mehr Gewinn auszuweisen. Als Kölmel zudem
öffentlich auf die niedrigen Abschreibungen von
EM.TV hinwies, reagierte Ochner empfindlich. Er
habe ihn mehrfach erfolglos darauf hingewiesen,
solche geschäftsschädigenden Äußerungen zu
unterlassen, sagt Ochner. Wenn er sich weiter über
die Wettbewerber äußere, müsse er mit ernsten
Konsequenzen für seinen Börsenkurs rechnen.
Es ist ein faustischer Pakt, auf den sich Unternehmen
einlassen, wenn sie von Ochners Kapital abhängig
werden. Der Fondsmanager kann Kurse beeinflussen,
aber seine Gunst genauso schnell auch wieder
entziehen.
Ein typischer Ochner-Wert ist der Chipbroker CE
Consumer, der mit Halbleitern für die Computer- und
Mobilfunkindustrie handelt. Dessen
Vorstandsvorsitzender Erich Lejeune, der vordem vor
allem durch seine zahl- und wortreichen
Talkshow-Auftritte aufgefallen war, hat dem Duo
Ochner/Korff viel zu verdanken: Seine Firma CE
Consumer entwickelte sich nicht zuletzt durch große
Investitionen der beiden Fondsmanager zum
Börsenrenner.
Die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Der Fonds
VMR Strategie Quadrat, den Korff berät, investierte
gut zehn Prozent seiner Mittel in Lejeunes
Unternehmen. Dem Aufstieg der
CE-Consumer-Aktien dürfte es auch nicht geschadet
haben, dass "Focus" auf seinen damals von Korff
betreuten Geldseiten mehrfach positiv über das
Unternehmen berichtete.
Auch Ochner investierte in großem Stil in das
Chip-Unternehmen, das den Bundesligaclub
Spielvereinigung Unterhaching sponsert. Der
Unternehmer und Buchautor Lejeune ("So verkaufen
Sie sich reich") revanchierte sich, indem er einen
großen Teil seines Erlöses aus dem
Beteiligungsverkauf von Ende 1998 in den Julius Bär
Special Fonds steckte.
Das hatte Methode: Auch der Popunternehmer Jack
White und die E-Commerce-Unternehmer von
Buecher.de legten wie viele andere Börsengänger
einen Teil des Emissionserlöses in Form von
Wertpapierspezialfonds bei der Julius Bär
Kapitalanlage an, die auch in festverzinsliche
Wertpapiere investiert.
Es ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen. In
einer Werbekampagne zum Börsengang legte sich
Ochner in großformatigen Anzeigen für den
Internet-Buchhändler Buecher.de ins Zeug. Eine
solche Interessenverquickung zwischen
Unternehmen und Fondsmanagement gilt in der
Finanzbranche allerdings als äußerst unfein. "Mir
wäre gekündigt worden, wenn ich das getan hätte",
sagt Karl Fickel, bis vor kurzem Fondsmanager von
Invesco.
Auch bei der Augusta Technologie AG, die in rund
ein Dutzend kleinerer Hightech-Unternehmen
investiert, funktioniert das Zusammenspiel zwischen
Ochner und seinen Alliierten Ex-"Focus"-Mann Korff
wies sich auf einer Internet-Seite seiner
FI-Firmengruppe sogar als Miteigentümer bei der
Augusta aus. Inzwischen wird das Unternehmen nur
noch als Partnerunternehmen geführt.
Die Augusta kauft kleine mittelständische Betriebe
beispielsweise in der Software-Industrie oder der
Sensorik auf und will diese irgendwann
gewinnbringend an die Börse bringen. Bevor die
Beteiligungsgesellschaft 1998 an die Börse ging,
stand in "Focus" (18/1998) auf der Geldmarktseite,
für die Korff damals zuständig war, unter der
Überschrift "Sechs auf einen Streich" im Duktus
einer Werbebotschaft: "Bei einem Emissionskurs von
65 Mark wäre das ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von
14. Anleger, die bei der Emission nicht zum Zug
kommen, sollten bei Kursen um 150 Mark noch
zugreifen."
Fondsmanager Ochner musste sich nicht so weit
hinten anstellen wie die Kleinaktionäre. "Ich war seit
der Börseneinführung von Anfang an dabei", sagt er.
In seinem Julius Bär Special lagen am 31. Dezember
1999 laut Geschäftsbericht 399 378 Augusta-Aktien,
sein Creativ Fonds war im Mai mit 44 559 Aktien
dabei. Bei Korff, dessen Fonds mittlerweile viele 100
Millionen Mark eingesammelt hat, war die Augusta
Ende 1999 sogar die wichtigste Aktie im Depot.
Wie gut die Zusammenarbeit zwischen den beiden
Partnern läuft, zeigte sich auf den
Hauptversammlungen der Augusta. Am 9. Juni 1999
vertrat Reinhard Bellet, einer der Geschäftsführer
aus Korffs FI-Gruppe, die Interessen der
Fondsanleger von Julius Bär gleich mit. Ochner hatte
die Stimmrechte, die er als Großinvestor besitzt,
einfach an den Kollegen abgetreten.
Lange Zeit funktionierte das System Ochner nahezu
perfekt. EM.TV avancierte mit einer
Börsenkapitalisierung von in der Spitze 14 Milliarden
Euro zum internationalen Shootingstar. Selbst
Lejeune, dessen Frau als Finanzvorstand schon mal
Cash Flow, eine Gewinngröße, und Free Float, die
nicht in festem Besitz befindlichen Aktien,
verwechselte, brachte es bezogen auf den
Emissionspreis auf ein Plus von gut 700 Prozent.
Doch seit die Börse ihren Höhenflug abrupt
beendete, entweicht hörbar Luft aus den Werten, die
Ochner einst groß gemacht hat. EM.TV verlor seit
den Höchstständen im Frühjahr 64 Prozent, CE
Consumer 71 Prozent, Augusta 43 Prozent.
Selbst ein Fernsehauftritt Ochners bewirkte nur noch
ein kurzfristiges Strohfeuer. Als Ochner Ende Juni in
der N-tv- "Telebörse" für EM.TV trommelte, stieg der
Kurs um 8,1 Prozent, um danach wieder abzusacken.
Auch eine zeitweise Aufnahme von EM.TV, CE
Consumer, Augusta und anderen
Korff-/Ochner-Werten in das Musterdepot von "Focus
Money" bewegte die Kurse nur kurz.
"Ich bin überzeugt, dass sich der Kurs bald wieder
verdoppelt", prophezeite der damalige
EM.TV-Finanzvorstand Florian Haffa im Juni dieses
Jahres in einem Interview mit "Focus Money". Solche
Behauptungen halten manche Aktienhändler "für ein
Verbrechen an den Anlegern". Das Wachstum werde
bei EM.TV nur noch mit teuren Unternehmenskäufen
vorangetrieben.
Am vergangenen Montag stürzte die Aktie der
Filmhändler um knapp 30 Prozent nach unten. An
einem einzigen Börsentag verlor das Unternehmen
über vier Milliarden Mark an Wert, weil viele
Großanleger den Bilanzkapricen des Medienkonzerns
nicht mehr länger zuschauen wollten. "Da ist ein
kompletter Vertrauensverlust", sagt Annelie Hoppe,
Finanzanalystin von WestLB Panmure (siehe Kasten
Seite 132).
Selbst Ochner setzt auf neue Favoriten. Beim Julius
Bär Special hat er während der ersten sechs Monate
die Positionen bei EM.TV und CE Consumer deutlich
abgebaut. In seinem neuen Fonds, dem im
Dezember aufgelegten Creativ Fonds, war er im Mai
weder bei EM.TV noch bei CE Consumer investiert.
Stattdessen versucht er mit marktengen Werten wie
Biodata, MWG Biotech oder TV Loonland einen
Neuanfang nach bewährtem Muster.
Biodata, das keine Biotechnik, sondern
Sicherheitssoftware für Computer herstellt, ging im
Februar an den Neuen Markt. Ochner wurde beim
Börsengang großzügig bedient und kaufte ordentlich
nach. Der Börsenkurs verfünffachte sich gegenüber
dem Emissionskurs innerhalb eines Tages, "eine
märchenhafte Börsenbewertung", urteilte die
"Wirtschaftswoche" über das Unternehmen, das
1999 auf 16,1 Millionen Mark Umsatz kam.
Seit es am Neuen Markt nicht mehr so gut läuft, ist
der Fondsmanager im Dauereinsatz, um Biodata und
die anderen Unternehmen zu schützen, in die er
investiert hat. Der "Frankfurter Allgemeinen"
vertraute er am 28. März an, dass Biodata, MIS, das
Internet-Portal Web.de und das Medienunternehmen
TV Loonland zu seinen Lieblingstiteln gehören. Die
"Welt" meldete am 19. April, Ochner präferiere
zurzeit CyBio oder MWG Biotech. An allen genannten
Unternehmen war Ochners Creativ Fonds stark
beteiligt.
Doch die Kurspflege über die Medien wirkte, wenn
überhaupt, nur kurzfristig das Umfeld war zu
schlecht: Es kam am Neuen Markt zu einem
regelrechten Ausverkauf. Ochner setzte nach eigenen
Angaben Ende Juli insgesamt 40 Millionen Mark
zufließende Mittel in Unternehmen wie MWG,
Biodata, CyBio und Buecher.de ein.
Als im Juli einer von Ochners Lieblingen, MWG
Biotech, auf einer der so genannten "Todeslisten"
mit potenziellen Pleitekandidaten erschien, griff der
Fondsmanager persönlich ein. "Ich signalisiere den
schwachen Händen im Markt, dass sie ihre Papiere
bei mir abliefern können", schildert Ochner seine
Intervention.
Tatsächlich stieg der Kurs von MWG Biotech
kurzfristig. "Ochner kontrollierte zeitweise knapp ein
Drittel der am Markt befindlichen Aktien", erklärt der
Aktienhändler einer Frankfurter Großbank das
Phänomen.
Doch mittlerweile nützen auch Ochners
Interventionen nicht mehr viel. Der Kurs von MWG
Biotech sackte inzwischen unter seinen Kurs von
Ende Juli. Die Aktie des Internet-Buchhändlers
Buecher.de, für dessen Börsengang Ochner
geworben hatte, gab es am vergangenen Freitag für
rund sechs Euro. Beim Börsengang im Herbst 1999
hatte das Unternehmen noch mehr als das Dreifache
gekostet.
Ochners System funktioniert in guten Börsenzeiten.
Sobald er in Zeiten der Krise einen Teil seiner
Anlagen liquidieren muss, rächt sich seine
Investitionspolitik, massiv in marktenge Werte zu
investieren. Aktienpakete von Unternehmen wie
Buecher.de oder Biodata, von denen an normalen
Tagen nur wenige tausend Aktien gehandelt werden,
sind nahezu unverkäuflich. Sobald Ochner verkaufen
muss, droht ein Kurssturz.
Er ist einer der mächtigsten Fondsmanager des
Landes: Kurt Ochner treibt die Kurse seiner
Börsenlieblinge in ungeahnte Höhen. Wer in seiner
Gunst steht, gilt als gemachter Mann. Die Anleger
profitierten von seinen umstrittenen Methoden bis
vor kurzem.
In seiner Heimat im Odenwald konnte Kurt Ochner,
48, im vergangenen Jahr so viele Äpfel und Birnen
wie nie zuvor ernten. Aus 3000 Liter Maische
destillierte der Hobby-Schnapsbrenner mehrere
hundert Flaschen hochprozentigen Schnaps.
"Die Rekordernte ist mein Hedge für
schlechte Tage an der Börse", sagt
Ochner, der als Fondsmanager der Julius
Bär Kapitalanlage in Frankfurt Starstatus
genießt. Als Hedge bezeichnen Börsianer
eine Art Versicherung gegen fallende
Kurse.
Schlechte Tage hat die Börse seither
viele gesehen. In den vergangenen
Wochen platzte eine gigantische
Spekulationsblase bei den kleinen
Technologiewerten, auf die Ochner gern setzt. Die
Kurse vieler Unternehmen am Frankfurter Neuen
Markt, der Börse für Wachstumswerte, fielen
senkrecht nach unten.
Auch Ochner, den viele bewundernd "Mr. Neuer
Markt" nennen, konnte sich dem Abwärtstrend nicht
entziehen. Sein Milliardenfonds, der Julius Bär
Special German, sauste mit in den Strudel. Seit den
Höchstständen im März ist der Kurs um rund 40
Prozent gesunken.
Vielleicht wird Ochner die Schnapsvorräte bald
brauchen. Noch verehrt seine Fangemeinde den
Fondsmanager als "König der Nebenwerte", noch
genießt der "Großmeister des Geldes", so der
Berliner "Tagesspiegel", in Fernsehsendungen und
Börsenmagazinen den Ruf eines Gurus. Aber wie
lange noch?
Der ehemalige Fallschirmjäger Ochner verdankt
seinen Erfolg auch dem Boom am Neuen Markt. Der
Special German Stock Fund legte seit 1996 um mehr
als 500 Prozent im Wert zu, weil er frühzeitig auf
kleine, weitgehend unbekannte Firmen setzte. Dank
des Erfolgs von Ochner stieg das von Julius Bär in
Deutschland betreute Fondsvolumen von wenigen
hundert Millionen Mark auf bis zu zwölf Milliarden
Mark.
Ochner gilt als einer der mächtigsten Männer am
Neuen Markt und er weiß diese Macht zu nutzen:
Ochner kann Kurse in die Höhe treiben oder fallen
lassen je nachdem, ob ihm ein Unternehmen
besonders am Herzen liegt oder nicht. Seine Gunst
kann mit entscheiden, ob ein Börsengang ein Erfolg
wird. "Er tritt wie der Pate des Neuen Marktes auf",
sagt ein Investmentbanker, der lieber anonym
bleiben will.
Kein Wunder, dass die Jungunternehmer, die vom
großen Geld am Neuen Markt träumen, zu Ochner in
den 32. Stock des Frankfurter "Pollux" pilgern. Wer
den Fondsmanager für seine Story einnehmen kann,
hat viel gewonnen. "Ich kümmere mich um die
Unternehmen, wenn die Banken schon längst wieder
abgezogen sind", beschreibt er seinen
unkonventionellen Stil.
Als im vergangenen Herbst der Börsengang der
Biotech-Firma Evotec am mangelnden Interesse der
Anleger zu scheitern drohte, retteten Fondsmanager
unter Führung von Ochner die Emission. "Ochner hat
mir versichert, dass er und seine Partner bis zu 50
Prozent der Aktien übernehmen können", erinnert
sich Karsten Henco, der Vorstandsvorsitzende der
Evotec. Die Banken ließen sich durch die Protektion
der Fondsmanager beeindrucken und brachten
Evotec an die Börse. Bei der Zuteilung haben Ochner
und die anderen Fondsmanager dann im Rahmen der
Zuteilungskriterien einen angemessenen Anteil
Aktien erhalten.
Auch bei den Neue-Markt-Unternehmen Novasoft
und NorCom, so Ochner, wurde ein Großteil der
Aktien wegen mangelnder Nachfrage aus dem
Publikum ausgewählten Großinvestoren zugeteilt.
Dann reichen schon kleine Handelsaufträge von
Privatanlegern, die bei der Vorabverteilung nicht
zum Zuge gekommen sind, um die Kurse nach oben
zu treiben.
Unternehmer, die sich auf Ochner einlassen, müssen
allerdings Demut mitbringen. Schon bei der
Emission beharrt er oftmals auf einem großen
Aktienanteil, da häufig am ersten Handelstag
erhebliche Kurssteigerungen locken. Banker, die
schon viele Börsenkandidaten betreut haben,
berichten von Unternehmern, die Ochner größere
Aktienpakete zum Emissionskurs versprochen haben,
um seine Gunst zu gewinnen.
"Als Gegenleistung für einen
günstigen Emissionskurs stellen wir
unser Netzwerk zur Verfügung", wirbt
Ochner für seinen Service. Er
verwaltet nicht nur Milliarden der
Julius Bär Kapitalanlage, sondern
beeinflusst auch die
Investitionsentscheidungen anderer
Fondsmanager.
Ein wichtiger Verbündeter des
Fondsmanagers Ochner ist Marian von Korff, der bis
Anfang 1999 bei "Focus" die Geldmarktseiten
verantwortete. Der Journalist betätigte sich schon
während seiner Zeit bei "Focus" als Berater für den
VMR Strategie Quadrat Fonds. Er kaufte sich über die
Firma Fair Invest in Internet-Unternehmen wie
Ricardo und I:Fao ein, die später an den Neuen
Markt kamen.
Zwischen dem Journalisten und dem Fondsmanager
entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit.
"Korff hat mich oftmals auf Investitionsideen aus
dem Münchner Bereich hingewiesen", lobt ihn
Ochner. Er habe sich dafür revanchiert und ihn als
Co-Investor bei den Emissionsbanken eingeführt.
Als Michael Kölmel, der Vorstandsvorsitzende des
Medienkonzerns Kinowelt, Ende 1998 einen
Investorentermin bei Ochner hatte, staunte er nicht
schlecht, dass ihm zusammen mit dem
Vorstandsmitglied der deutschen Julius Bär
Kapitalanlage auch der Fondsberater und
Wirtschaftsredakteur Korff gegenübersaß. Mit von
der Partie war auch Kerstan von Schlotheim, ein
Fondsmanager der Adig, der heutigen
Fondsgesellschaft der Commerzbank.
Seit rund einem Jahr ist die Zusammen-
arbeit zwischen Korff und Ochner offiziell. Ochner
berät Korffs VMR Strategie Quadrat. Die Julius Bär
Kapitalanlage erhält dafür nach Angaben Ochners ein
jährliches Honorar von über 100 000 Mark. "Wenn
Korff Beratungsbedarf hat, schickt er seine
Depotaufstellung mit der Bitte um Kommentierung",
beschreibt Ochner die Zusammenarbeit.
Die beiden interessieren sich besonders für die
kleinen marktengen Werte, bei denen noch nicht so
viele Aktien an der Börse umlaufen. Beide verstehen
sich als aktive Investoren, die wissen, dass sie mit
Käufen und Verkäufen die Kursentwicklung
beeinflussen. Da ist es praktisch, wenn wenig Aktien
im Umlauf und möglichst viele in festen Händen
sind. Bei den kleinen Werten des Neuen Marktes, so
Ochner, "reicht eine Order von weniger als einer
Million Mark, um den Kurs innerhalb eines Tages um
zehn Prozent nach oben oder nach unten zu
drücken".
Schon 1998 favorisierten die beiden Investoren
häufig dieselben Unternehmen.
Ende 1998 lagen 22,4 Prozent der Gelder des VMR
Strategie Quadrat bei einer einzigen Firma, dem
Münchner Medienunternehmen EM.TV. Auch privat
kaufte Korff Aktien der Filmhändler, bei dem sein
Freund Florian Haffa Vorstandsmitglied und ein
großer Aktionär ist.
Ochner seinerseits besaß 1998 nach
eigenen Angaben zeitweise bis zu
einem Drittel der umlaufenden Aktien
von EM.TV. Auch Schlotheim von der
Fondsgesellschaft Adig stieg später
bei dem Medienunternehmen ein. Der
Free Float, der Anteil der noch im
Umlauf befindlichen Aktien, war
gering. Schon relativ kleine
Kaufaufträge reichten aus, den
EM.TV-Kurs nach oben zu treiben.
So wurde 1998 aus einem sehr kleinen
Unternehmen, das in diesem Jahr einen Umsatz von
81 Millionen Mark erzielte, der Börsenstar des Jahres
mit einer Kurssteigerung von 3400 Prozent.
Mit dem inflationierten Börsenwert im Rücken gingen
die beiden Haffa-Brüder auf Einkaufstour. Ende 1998
beteiligten sie sich mit 50 Prozent für 500 Millionen
Mark beim Medientycoon Leo Kirch an dessen
gesamter Bibliothek an Kinder- und Jugendfilmen. In
dem Joint Venture mit Kirch, das unter Junior-TV
firmiert, sind nunmehr 15 000 Sendestunden
enthalten.
Seit Anfang dieses Jahres zeigt der Kirch-Sender
Sat.1 wöchentlich zehn Stunden Junior-TV, darunter
Uralt-Serien wie "Fred Feuerstein" oder
"Schweinchen Dick". Junior-TV kassiert dafür
innerhalb von fünf Jahren 201 Millionen Mark, es ist
die mit Abstand größte Gewinnquelle von EM.TV.
Viele Filme schreibt EM.TV linear innerhalb von 20
Jahren ab. Da der aktuelle Wertverlust auf das
eigene Filmlager damit sehr niedrig angesetzt ist,
konnten die Filmhändler aus Unterföhring einen
höheren Gewinn ausweisen.
"Solche Abschreibungsmethoden sind einfach
unseriös", sagt Andrea Keidel vom Münchner
Medienunternehmen RTV. Im wechselhaften
Filmgeschäft ändern sich die Moden zu schnell. RTV
schreibt deshalb seine Filme innerhalb von zehn
Jahren ab und will den Abschreibungszeitraum 2001
sogar auf fünf Jahre halbieren.
Auch Michael Kölmel, Chef des ebenfalls am Neuen
Markt notierten Medienunternehmens Kinowelt,
plädiert für vorsichtigere Bilanzierungsmethoden,
auch wenn manche Großinvestoren das anders
sehen. Er weigerte sich, seine konservativen
Abschreibungsregeln für neue Filme zu ändern und
damit mehr Gewinn auszuweisen. Als Kölmel zudem
öffentlich auf die niedrigen Abschreibungen von
EM.TV hinwies, reagierte Ochner empfindlich. Er
habe ihn mehrfach erfolglos darauf hingewiesen,
solche geschäftsschädigenden Äußerungen zu
unterlassen, sagt Ochner. Wenn er sich weiter über
die Wettbewerber äußere, müsse er mit ernsten
Konsequenzen für seinen Börsenkurs rechnen.
Es ist ein faustischer Pakt, auf den sich Unternehmen
einlassen, wenn sie von Ochners Kapital abhängig
werden. Der Fondsmanager kann Kurse beeinflussen,
aber seine Gunst genauso schnell auch wieder
entziehen.
Ein typischer Ochner-Wert ist der Chipbroker CE
Consumer, der mit Halbleitern für die Computer- und
Mobilfunkindustrie handelt. Dessen
Vorstandsvorsitzender Erich Lejeune, der vordem vor
allem durch seine zahl- und wortreichen
Talkshow-Auftritte aufgefallen war, hat dem Duo
Ochner/Korff viel zu verdanken: Seine Firma CE
Consumer entwickelte sich nicht zuletzt durch große
Investitionen der beiden Fondsmanager zum
Börsenrenner.
Die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Der Fonds
VMR Strategie Quadrat, den Korff berät, investierte
gut zehn Prozent seiner Mittel in Lejeunes
Unternehmen. Dem Aufstieg der
CE-Consumer-Aktien dürfte es auch nicht geschadet
haben, dass "Focus" auf seinen damals von Korff
betreuten Geldseiten mehrfach positiv über das
Unternehmen berichtete.
Auch Ochner investierte in großem Stil in das
Chip-Unternehmen, das den Bundesligaclub
Spielvereinigung Unterhaching sponsert. Der
Unternehmer und Buchautor Lejeune ("So verkaufen
Sie sich reich") revanchierte sich, indem er einen
großen Teil seines Erlöses aus dem
Beteiligungsverkauf von Ende 1998 in den Julius Bär
Special Fonds steckte.
Das hatte Methode: Auch der Popunternehmer Jack
White und die E-Commerce-Unternehmer von
Buecher.de legten wie viele andere Börsengänger
einen Teil des Emissionserlöses in Form von
Wertpapierspezialfonds bei der Julius Bär
Kapitalanlage an, die auch in festverzinsliche
Wertpapiere investiert.
Es ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen. In
einer Werbekampagne zum Börsengang legte sich
Ochner in großformatigen Anzeigen für den
Internet-Buchhändler Buecher.de ins Zeug. Eine
solche Interessenverquickung zwischen
Unternehmen und Fondsmanagement gilt in der
Finanzbranche allerdings als äußerst unfein. "Mir
wäre gekündigt worden, wenn ich das getan hätte",
sagt Karl Fickel, bis vor kurzem Fondsmanager von
Invesco.
Auch bei der Augusta Technologie AG, die in rund
ein Dutzend kleinerer Hightech-Unternehmen
investiert, funktioniert das Zusammenspiel zwischen
Ochner und seinen Alliierten Ex-"Focus"-Mann Korff
wies sich auf einer Internet-Seite seiner
FI-Firmengruppe sogar als Miteigentümer bei der
Augusta aus. Inzwischen wird das Unternehmen nur
noch als Partnerunternehmen geführt.
Die Augusta kauft kleine mittelständische Betriebe
beispielsweise in der Software-Industrie oder der
Sensorik auf und will diese irgendwann
gewinnbringend an die Börse bringen. Bevor die
Beteiligungsgesellschaft 1998 an die Börse ging,
stand in "Focus" (18/1998) auf der Geldmarktseite,
für die Korff damals zuständig war, unter der
Überschrift "Sechs auf einen Streich" im Duktus
einer Werbebotschaft: "Bei einem Emissionskurs von
65 Mark wäre das ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von
14. Anleger, die bei der Emission nicht zum Zug
kommen, sollten bei Kursen um 150 Mark noch
zugreifen."
Fondsmanager Ochner musste sich nicht so weit
hinten anstellen wie die Kleinaktionäre. "Ich war seit
der Börseneinführung von Anfang an dabei", sagt er.
In seinem Julius Bär Special lagen am 31. Dezember
1999 laut Geschäftsbericht 399 378 Augusta-Aktien,
sein Creativ Fonds war im Mai mit 44 559 Aktien
dabei. Bei Korff, dessen Fonds mittlerweile viele 100
Millionen Mark eingesammelt hat, war die Augusta
Ende 1999 sogar die wichtigste Aktie im Depot.
Wie gut die Zusammenarbeit zwischen den beiden
Partnern läuft, zeigte sich auf den
Hauptversammlungen der Augusta. Am 9. Juni 1999
vertrat Reinhard Bellet, einer der Geschäftsführer
aus Korffs FI-Gruppe, die Interessen der
Fondsanleger von Julius Bär gleich mit. Ochner hatte
die Stimmrechte, die er als Großinvestor besitzt,
einfach an den Kollegen abgetreten.
Lange Zeit funktionierte das System Ochner nahezu
perfekt. EM.TV avancierte mit einer
Börsenkapitalisierung von in der Spitze 14 Milliarden
Euro zum internationalen Shootingstar. Selbst
Lejeune, dessen Frau als Finanzvorstand schon mal
Cash Flow, eine Gewinngröße, und Free Float, die
nicht in festem Besitz befindlichen Aktien,
verwechselte, brachte es bezogen auf den
Emissionspreis auf ein Plus von gut 700 Prozent.
Doch seit die Börse ihren Höhenflug abrupt
beendete, entweicht hörbar Luft aus den Werten, die
Ochner einst groß gemacht hat. EM.TV verlor seit
den Höchstständen im Frühjahr 64 Prozent, CE
Consumer 71 Prozent, Augusta 43 Prozent.
Selbst ein Fernsehauftritt Ochners bewirkte nur noch
ein kurzfristiges Strohfeuer. Als Ochner Ende Juni in
der N-tv- "Telebörse" für EM.TV trommelte, stieg der
Kurs um 8,1 Prozent, um danach wieder abzusacken.
Auch eine zeitweise Aufnahme von EM.TV, CE
Consumer, Augusta und anderen
Korff-/Ochner-Werten in das Musterdepot von "Focus
Money" bewegte die Kurse nur kurz.
"Ich bin überzeugt, dass sich der Kurs bald wieder
verdoppelt", prophezeite der damalige
EM.TV-Finanzvorstand Florian Haffa im Juni dieses
Jahres in einem Interview mit "Focus Money". Solche
Behauptungen halten manche Aktienhändler "für ein
Verbrechen an den Anlegern". Das Wachstum werde
bei EM.TV nur noch mit teuren Unternehmenskäufen
vorangetrieben.
Am vergangenen Montag stürzte die Aktie der
Filmhändler um knapp 30 Prozent nach unten. An
einem einzigen Börsentag verlor das Unternehmen
über vier Milliarden Mark an Wert, weil viele
Großanleger den Bilanzkapricen des Medienkonzerns
nicht mehr länger zuschauen wollten. "Da ist ein
kompletter Vertrauensverlust", sagt Annelie Hoppe,
Finanzanalystin von WestLB Panmure (siehe Kasten
Seite 132).
Selbst Ochner setzt auf neue Favoriten. Beim Julius
Bär Special hat er während der ersten sechs Monate
die Positionen bei EM.TV und CE Consumer deutlich
abgebaut. In seinem neuen Fonds, dem im
Dezember aufgelegten Creativ Fonds, war er im Mai
weder bei EM.TV noch bei CE Consumer investiert.
Stattdessen versucht er mit marktengen Werten wie
Biodata, MWG Biotech oder TV Loonland einen
Neuanfang nach bewährtem Muster.
Biodata, das keine Biotechnik, sondern
Sicherheitssoftware für Computer herstellt, ging im
Februar an den Neuen Markt. Ochner wurde beim
Börsengang großzügig bedient und kaufte ordentlich
nach. Der Börsenkurs verfünffachte sich gegenüber
dem Emissionskurs innerhalb eines Tages, "eine
märchenhafte Börsenbewertung", urteilte die
"Wirtschaftswoche" über das Unternehmen, das
1999 auf 16,1 Millionen Mark Umsatz kam.
Seit es am Neuen Markt nicht mehr so gut läuft, ist
der Fondsmanager im Dauereinsatz, um Biodata und
die anderen Unternehmen zu schützen, in die er
investiert hat. Der "Frankfurter Allgemeinen"
vertraute er am 28. März an, dass Biodata, MIS, das
Internet-Portal Web.de und das Medienunternehmen
TV Loonland zu seinen Lieblingstiteln gehören. Die
"Welt" meldete am 19. April, Ochner präferiere
zurzeit CyBio oder MWG Biotech. An allen genannten
Unternehmen war Ochners Creativ Fonds stark
beteiligt.
Doch die Kurspflege über die Medien wirkte, wenn
überhaupt, nur kurzfristig das Umfeld war zu
schlecht: Es kam am Neuen Markt zu einem
regelrechten Ausverkauf. Ochner setzte nach eigenen
Angaben Ende Juli insgesamt 40 Millionen Mark
zufließende Mittel in Unternehmen wie MWG,
Biodata, CyBio und Buecher.de ein.
Als im Juli einer von Ochners Lieblingen, MWG
Biotech, auf einer der so genannten "Todeslisten"
mit potenziellen Pleitekandidaten erschien, griff der
Fondsmanager persönlich ein. "Ich signalisiere den
schwachen Händen im Markt, dass sie ihre Papiere
bei mir abliefern können", schildert Ochner seine
Intervention.
Tatsächlich stieg der Kurs von MWG Biotech
kurzfristig. "Ochner kontrollierte zeitweise knapp ein
Drittel der am Markt befindlichen Aktien", erklärt der
Aktienhändler einer Frankfurter Großbank das
Phänomen.
Doch mittlerweile nützen auch Ochners
Interventionen nicht mehr viel. Der Kurs von MWG
Biotech sackte inzwischen unter seinen Kurs von
Ende Juli. Die Aktie des Internet-Buchhändlers
Buecher.de, für dessen Börsengang Ochner
geworben hatte, gab es am vergangenen Freitag für
rund sechs Euro. Beim Börsengang im Herbst 1999
hatte das Unternehmen noch mehr als das Dreifache
gekostet.
Ochners System funktioniert in guten Börsenzeiten.
Sobald er in Zeiten der Krise einen Teil seiner
Anlagen liquidieren muss, rächt sich seine
Investitionspolitik, massiv in marktenge Werte zu
investieren. Aktienpakete von Unternehmen wie
Buecher.de oder Biodata, von denen an normalen
Tagen nur wenige tausend Aktien gehandelt werden,
sind nahezu unverkäuflich. Sobald Ochner verkaufen
muss, droht ein Kurssturz.