SPIEGEL ONLINE - 05. Februar 2002, 18:22
www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,180934,00.html
Luftnummer im Arbeitsamt
Der Jagoda-Skandal
Der Skandal um die Luftbuchungen in den Arbeitsämtern bringt vor allem den Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, in Bedrängnis. Er muss erklären, warum er nichts unternommen hat, obwohl er seit 1998 von den Missständen hätte wissen müssen.
DDP
Gerät in Erklärungsnot: BA-Chef Bernhard Jagoda
Berlin - In diesem Jahr hatte das ARD-Politmagazin "Panorama" das Thema wenige Wochen vor der Bundestagswahl aufgegritffen. Ein Arbeitsvermittler aus Westdeutschland war zu Wort gekommen, der aus Angst vor Repressalien anonym bleiben wollte: "Unsere Software lässt uns wirklich alle Möglichkeiten, die Vermittlungszahlen zu beschönigen beziehungsweise die Zahlen auszuweiten, so wie wir es möchten", sagte der Mann.
Und dann fasste der Anonymus unmissverständlich zusammen: "Pauschal kann ich sagen: Wenn wir die Hälfte von dem, was in der Statistik erscheint, wirklich gemacht haben, können wir auf unsere Arbeit sehr stolz sein." Der Bericht stieß damals auf wenig Resonanz, öffentliche Reaktionen gab es nicht.
Kurz zuvor, im August 1998, hatte BA-Chef und CDU-Mitglied Jagoda stolz verkündet: "Die Arbeitsämter haben 1,8 Millionen Arbeitssuchenden einen Job vermittelt, das sind elf Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres". Jetzt aber gerät er in ernste Erklärungsnot. Denn er muss der Öffentlichkeit erklären, warum er zugelassen hat, dass die Luftnummern in der Statistik seit langem Methode haben. Es gilt, massivsten Zweifeln an seiner Behörde auszuräumen, der er seit knapp neun Jahren vorsteht.
Der Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs scheint den "Panorama"-Bericht jetzt sogar in mancher Hinsicht zu übertreffen. Rund 70 Prozent der bei Stichproben in fünf Arbeitsämtern überprüften Vermittlungen im Oktober 2000 seien fehlerhaft, fanden die Prüfer heraus. "Die BA errechnet für das Jahr 2000 eine Vermittlungsquote von 51 Prozent." Nach unseren Feststellungen, schreiben dagegen die Prüfer im schönsten Behördendeutsch, errechnet sich "eine Vermittlungsquote von rd. 18 v.H.". Eine eklatante Differenz, die durchaus das Zeug zu einem veritablen Skandal hat, wie nicht nur die Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen, Thea Dückert, meint. Auch Arbeitsminister Walter Riester (SPD) zeigte sich überrascht und verärgert.
Mit der Rechnungshof-Kritik wird die Effizienz der gesamten, 20 Milliarden Euro teuren Arbeitsvermittlung in Frage gestellt, die nach eigenen Angaben immerhin 3,9 Millionen Stellensuchende im Jahr 2000 vermittelt haben will. Sollte das alles nicht mehr stimmen, wäre das nach Ansicht von Experten eine Katastrophe, auch und gerade im Wahljahr. Denn Jagodas Mammut-Behörde soll das neue Job-Aqtiv-Gesetz umsetzen, das Arbeitslosen schneller als bisher wieder zu einer Stelle verhelfen soll und damit hohe Effizienz der staatlichen Vermittler geradezu voraussetzt.
Im Licht der neuen Erkenntnisse sind wohl auch die Zahlen jener Jahre in Zweifel zu ziehen. Im Bundesarbeitsministerium heißt es: "Wir sind an einer peniblen Aufklärung interessiert. Das sind wir Beitragszahlern und Arbeitslosen schuldig." Verantwortung weist man im Hause Riester aber von sich, verweist auf die Selbstverwaltung der Bundesanstalt und die Zuständigkeit des BA-Vorstands. Dort regieren die Arbeitgeber und Gewerkschaften gleichberechtigt mit den Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden.
www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,180934,00.html
Luftnummer im Arbeitsamt
Der Jagoda-Skandal
Der Skandal um die Luftbuchungen in den Arbeitsämtern bringt vor allem den Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, in Bedrängnis. Er muss erklären, warum er nichts unternommen hat, obwohl er seit 1998 von den Missständen hätte wissen müssen.
DDP
Gerät in Erklärungsnot: BA-Chef Bernhard Jagoda
Berlin - In diesem Jahr hatte das ARD-Politmagazin "Panorama" das Thema wenige Wochen vor der Bundestagswahl aufgegritffen. Ein Arbeitsvermittler aus Westdeutschland war zu Wort gekommen, der aus Angst vor Repressalien anonym bleiben wollte: "Unsere Software lässt uns wirklich alle Möglichkeiten, die Vermittlungszahlen zu beschönigen beziehungsweise die Zahlen auszuweiten, so wie wir es möchten", sagte der Mann.
Und dann fasste der Anonymus unmissverständlich zusammen: "Pauschal kann ich sagen: Wenn wir die Hälfte von dem, was in der Statistik erscheint, wirklich gemacht haben, können wir auf unsere Arbeit sehr stolz sein." Der Bericht stieß damals auf wenig Resonanz, öffentliche Reaktionen gab es nicht.
Kurz zuvor, im August 1998, hatte BA-Chef und CDU-Mitglied Jagoda stolz verkündet: "Die Arbeitsämter haben 1,8 Millionen Arbeitssuchenden einen Job vermittelt, das sind elf Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres". Jetzt aber gerät er in ernste Erklärungsnot. Denn er muss der Öffentlichkeit erklären, warum er zugelassen hat, dass die Luftnummern in der Statistik seit langem Methode haben. Es gilt, massivsten Zweifeln an seiner Behörde auszuräumen, der er seit knapp neun Jahren vorsteht.
Der Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs scheint den "Panorama"-Bericht jetzt sogar in mancher Hinsicht zu übertreffen. Rund 70 Prozent der bei Stichproben in fünf Arbeitsämtern überprüften Vermittlungen im Oktober 2000 seien fehlerhaft, fanden die Prüfer heraus. "Die BA errechnet für das Jahr 2000 eine Vermittlungsquote von 51 Prozent." Nach unseren Feststellungen, schreiben dagegen die Prüfer im schönsten Behördendeutsch, errechnet sich "eine Vermittlungsquote von rd. 18 v.H.". Eine eklatante Differenz, die durchaus das Zeug zu einem veritablen Skandal hat, wie nicht nur die Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen, Thea Dückert, meint. Auch Arbeitsminister Walter Riester (SPD) zeigte sich überrascht und verärgert.
Mit der Rechnungshof-Kritik wird die Effizienz der gesamten, 20 Milliarden Euro teuren Arbeitsvermittlung in Frage gestellt, die nach eigenen Angaben immerhin 3,9 Millionen Stellensuchende im Jahr 2000 vermittelt haben will. Sollte das alles nicht mehr stimmen, wäre das nach Ansicht von Experten eine Katastrophe, auch und gerade im Wahljahr. Denn Jagodas Mammut-Behörde soll das neue Job-Aqtiv-Gesetz umsetzen, das Arbeitslosen schneller als bisher wieder zu einer Stelle verhelfen soll und damit hohe Effizienz der staatlichen Vermittler geradezu voraussetzt.
Im Licht der neuen Erkenntnisse sind wohl auch die Zahlen jener Jahre in Zweifel zu ziehen. Im Bundesarbeitsministerium heißt es: "Wir sind an einer peniblen Aufklärung interessiert. Das sind wir Beitragszahlern und Arbeitslosen schuldig." Verantwortung weist man im Hause Riester aber von sich, verweist auf die Selbstverwaltung der Bundesanstalt und die Zuständigkeit des BA-Vorstands. Dort regieren die Arbeitgeber und Gewerkschaften gleichberechtigt mit den Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden.