Der Euro ist am Mittwoch mit mehr als 0,91 $ auf ein Fünfmonatshoch gestiegen. Ein Special beleuchtet die Auswirkungen eines starken Euros.
Am Mittag kostete ein Euro 0,9107 $, nachdem er zuvor bis auf 0,9118 Dollar gestiegen war - so hoch wie seit Mitte März nicht mehr. Händler nannten die andauernden Sorgen über die Konjunkturlage in den USA als Grund für das Hoch. Auch die Warnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor wirtschaftlichen Ungleichgewichten in den USA und weiteren möglichen Kursverlusten des Dollar vom Dienstagabend wurde am Mittwoch weiter als Grund für Dollar-Verkäufe genannt.
Was hat ein starker Euro für Folgen? Können die Aktienmärkte davon profitieren? Was hat eine starke europäische Währung für Auswirkungen auf den Export? Und wie geht es weiter mit dem Euro? Ein kleines FTD-Online-Special beleuchtet die
verschiedenen Aspekte.
ftd.de, Mi, 15.8.2001, 13:00
Charttechniker: Trend setzt sich fort
Von Heino Reents, Hamburg
Der Aufwärtstrend des Euros wird sich nach Ansicht von Charttechnikern weiter fortsetzen.
Nach Meinung von Holger Galuschke von der SEB hat der Euro "enormes Potenzial nach oben". Der Aufwärtstrend der Währung wird in den kommenden Wochen Bestand haben, sagte der Charttechniker der FTD. Allerdings befinde sich der Euro momentan in einem überkauften Zustand, so dass mit einer leichten Korrektur nach unten zu rechnen sei. Sollte danach der starke Widerstand bei 0,91 $ überwunden werden, stünden die Chancen weiter gut. "Das Kurziel des Euros ist unbegrenzt", so Galuschke. Den nächsten Widerstand sieht der Charttechniker erst wieder bei 0,9375 Euro.
Rainer Sartorius von HSBC Trinkaus & Burkhardt hält die Marke von 0,9050 $ nicht für eine besonders bedeutende Widerstandsmarke. Dort würden lediglich einige alte Höchststände liegen. Ein Aufstieg bis zur nächsten Widerstandslinie von 91 US-Cent hält er für wahrscheinlich. Dort werde der Aufschwung jedoch voraussichtlich sein Ende finden. "Der Aufstiegstrend des Euro sollte allmählich langsamer werden", sagte Sartorius. Jedoch zeige der Euro im Moment eine bemerkenswerte Dynamik. "Wir sind derzeit in einem Super-Bullen-Markt", sagte Sartorius.
Konjunkturdaten aus den USA am Mittwochnachmittag könnten die Position des Euro sogar noch weiter festigen. "Wenn die Produktionsdaten bestätigen, dass es schlecht um die US-Konjunktur steht, kann es noch weiter nach oben gehen", sagten Frankfurter Händler.
(mit Agenturen)
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ftd.de, Mi, 15.8.2001, 13:00
Außenhandel kann es gelassen nehmen
Von Nadine Schwede, Hamburg
Steigender Euro - Probleme für den Außenhandel? Dr. Heiner Brockmann vom DIHK plädiert dafür, beim Eurokurs eine mittelfristige Entwicklung abzuwarten. Volkswirtschaftlich seien Vorteile zu erwarten.
Der Euro steigt. Schon werden warnende Stimmen laut: Ein starker Euro könnte dem deutschen Außenhandel schaden. "Der kräftiger werdende Euro macht das Leben für die deutschen Eporteure nicht gerade einfacher", sagt Dr. Heiner Brockmann vom Bereich Volkswirtschaft des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin. Die Wechselkursentwicklungen zwischen Euro und US-Dollar seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, die deutsche Wirtschaft müsse zunächst abwarten, ob es sich beim Anstieg des Euro um einen längerfristigen Trend oder nur um einen vorübergehenden Auftrieb handele.
"Unternehmen denken mittelfristig"
Beunruhigte Stimmen von Seiten der exportstarken Firmen in Deutschland hat der DIHK nach Angaben Brockmanns bisher nicht vernommen. "Die meisten Firmen denken mittelfristig. Der Euro war lange unterbewertet. Wenn er jetzt seit kurzer Zeit ansteigt, ist es fraglich, ob die Unternehmen dieser Entwicklung jetzt schon einen großen Wert beimessen," sagte Brockmann gegenüber der Online-Ausgabe der FTD. Wenn es Auswirkungen auf den Außenhandel gäbe, so wären nach Ansicht Brockmanns die exportstarken Branchen Maschinenbau, Automobile sowie die Chemische Industrie betroffen.
Volkswirtschaftlich ist Eurokurs-Anstieg günstig
"Man darf nicht die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen eines erstarkenden Euros vergessen", sagte der Volkswirt. Die Importwirtschaft profitiere von einem Eurokurs-Anstieg. Bei Unternehmen, die auch Importgeschäfte tätigen, könnten den Kosten im Export Einsparungen bei der Einfuhr zugute kommen. "Es kommt immer darauf an, wie eng Import und Export beieinander liegen", so Brockmann. Volkswirtschaftlich betrachtet könnte sich eine Anstieg des Euro zumindest günstig auswirken, da der Preisauftrieb gedämpft würde und der Europäischen Zentralbank somit ein größerer Spielraum für Zinssenkungen zur Verfügung stünde. Dieser wirke sich wiederum günstig auf die Konjunktur aus und könnte die geschwächte gesamtwirtschaftliche Kaufkraft unterstützen.
Volkswirt Brockmann warnt: "Der Anstieg des Euro beruht nicht auf positiven wirtschaftlichen Impulsen in Europa. Er resultiert nur aus der Schwäche der US-Wirtschaft. Darauf können wir uns nicht ausruhen."
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Aus der FTD vom 15.8.2001
Währungsfonds treibt Euro hoch
Von Norbert Häring, Ina Bauer und Wolfram Trost, Frankfurt
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat am Dienstag vor einem Sturz des US-Dollar gewarnt und damit die amerikanische Währung auf Talfahrt geschickt. Der Euro stieg dadurch deutlich über die psychologisch wichtige Marke von 90 US-Cent.
Die Gemeinschaftswährung befindet sich auf einem Hohenflug
Anders als die Devisenmärkte reagierten die US-Aktienmärkte kaum auf die Warnung des Währungsfonds. In seinem jährlichen Bericht zur Wirtschaftslage in den USA gab sich der IWF besorgt über das hohe Leistungsbilanzdefizit in den USA. Das Ungleichgewicht ist nach Auffassung der IWF-Volkswirte auf längere Sicht nicht tragbar. Es deute auf eine starke Abwertung des US-Dollar hin, besonders wenn sich die US-Produktivität weiter abschwäche. Der IWF warnte darüber hinaus vor einer möglichen Abwärtsspirale der Weltwirtschaft, die wiederum die USA noch tiefer in die Krise ziehen würde.
Der IWF legte der US-Notenbank (Fed) nahe, mit ihrer Politik der Zinssenkungen fortzufahren, falls die Konjunkturdaten auf eine fortgesetzte Wirtschaftsabschwächung hindeuten sollten. Gleichzeitig hielt er die Fed auch zur Wachsamkeit gegenüber der Gefahr einer Inflationsbeschleunigung an.
Der Dollar fiel direkt im Anschluss an die Veröffentlichung des IWF-Berichts gegenüber dem Euro um einen drei viertel Cent auf einen Kurs von 90,39 Cent. Damit erreichte die europäische Währung den höchsten Stand seit dreieinhalb Monaten.
Zweifel an US-Aufschwung
Das Defizit der USA im internationalen Austausch von Gütern und Dienstleistungen beläuft sich auf 4,5 Mrd. $. Damit dieses Leistungsbilanzdefizit aufrechterhalten werden kann und der Dollar nicht abwertet, muss ihm ein entsprechend starker Zustrom von Auslandskapital in Form von Finanzanlagen und Direktinvestitionen gegenüberstehen. Dieser Zustrom könnte abreißen, wenn das Vertrauen der Investoren in die US-Wirtschaft Schaden nimmt. Wie die am Dienstag veröffentlichte Fondsumfrage der US-Investmentbank Merrill Lynch für August andeutet, scheint dieser Prozess im Gange zu sein. Sie hat ergeben, dass der Dollar bei der Mehrheit der 268 befragten internationalen Fondsgesellschaften nicht mehr die bevorzugte Anlagewährung ist. Nur noch 31 Prozent gaben der US-Währung den Vorzug, gegenüber 43 Prozent im Juli. Dagegen haben sich in der aktuellen Umfrage 57 Prozent der Profis für den Euro als aussichtsreichste Währung entschieden.
Seit Anfang Juli, als der Dollar gegenüber dem Euro einen vorübergehenden Hochpunkt markierte, ist er bis zum Dienstag um rund acht Prozent gefallen. Grund für den neuen Anstieg des Euro waren nach Händlerangaben zunehmende Zweifel an einem baldigen US-Aufschwung, die von pessimistischen Aussagen des US-Notenbankchefs Alan Greenspan noch geschürt worden waren.
Japan lockert Geldpolitik
Die Warnungen des IWF vor einer Abwärtsspirale für die Weltwirtschaft spiegeln den Pessimismus wider, der sich auch in Bezug auf die Konjunktur in Japan und dem Euro-Raum immer mehr ausbreitet. Aus Sorge darüber, dass die zweitwichtigste Wirtschaftsnation Japan erneut in die Rezession zu rutschen droht, hatte die Bank von Japan am Montagabend überraschend beschlossen, die Geldpolitik noch weiter zu lockern. Da die Notenbankzinsen de facto bereits bei null angelangt waren, beschloss die Bank, die Geldversorgung dadurch weiter anzukurbeln, dass sie die Liquidität des Bankensystems um 1000 Mrd. Yen und den Ankauf von Staatsanleihen von 400 auf 600 Mrd. Yen monatlich erhöht. "Die zusätzliche Liquidität wird sich positiv auf den Bankensektor und die japanische Wirtschaft auswirken", sagte Michael Hartnett von Merrill Lynch. Robert Feldman, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley Dean Witter, ist jedoch skeptisch: "Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die zusätzliche Liquidität auch tatsächlich in die Wirtschaft fließen wird."
Der Yen geriet nach der Entscheidung zunächst unter Druck. Das Aktienbarometer Nikkei-Index reagierte mit einem Anstieg von fast vier Prozent. Nach Veröffentlichung des IWF-Berichts gewann der Yen aber wie der Euro an Boden gegenüber dem Dollar.
Für die deutsche Volkswirtschaft stuften 60 Prozent der Fondsmanager in der Merrill-Lynch-Umfrage die Wahrscheinlichkeit einer Rezession mit 30 Prozent oder mehr ein. Für den Euro-Raum rechnen nach der jüngsten Umfrage der Financial Times Deutschland viele wichtige Finanzinstitute mit einem Wachstum von weniger als zwei Prozent in diesem Jahr.
Der bei Notenbanken und internationalen Organisationen um sich greifende Pessimismus dürfte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Europäische Zentralbank in einer ihrer nächsten Ratssitzungen die Leitzinsen senkt.
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Dollar-Schwäche
Erholung
Ein Beweis für die nachhaltige Schwäche der amerikanischen Währung ist nach Aussage eines Händlers die Erholung des japanischen Yen zum Dollar. Diese neue Entwicklung hat Dienstag Nachmittag eingesetzt.
Misstrauen
In der ersten Tageshälfte hatte der Yen einen Dämpfer einstecken müssen. Der Rückgang war Folge einer Entscheidung der japanischen Notenbank (BoJ), die Kreditwirtschaft des Landes mit mehr Liquidität auszustatten. Händlern zufolge signalisiert der Beschluss die Sorge der Notenbank über die Wirtschaftslage des Landes. Die BoJ hatte angekündigt, die täglichen Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank zu erhöhen und mehr Staatsanleihen zu kaufen.
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ftd.de, Mi, 15.8.2001, 13:00
Positiv für die Aktienmärkte
Von Heino Reents, Hamburg
Die Aufwärtsbewegung des Euro könnte die europäischen Aktienmärkte für ausländische Investoren interessanter machen.
"Der steigende Euro ist ein Vertrauensvorschuss auf sich hoffentlich bald erholende europäische Aktienmärkte", sagte Knut Hochwald von der Hamburger Sparkasse (Haspa). Der Analyst erwartet, dass ein starker Euro auch die deutschen Aktienmärkte positiv beeinflussen wird. "Keine Frage - das unterstützt die Märkte sehr gut", so Hochwald gegenüber der Online-Ausgabe der FTD. Ausländische Investoren aus den USA und dem asiatischen Raum werden nach seiner Einschätzung nun verstärkt in europäische Aktien und Renten investieren. Zudem sei auch der psychologische Aspekt sehr wichtig. "Der Euro wird endlich akzeptiert."
Christoph Balz von der Commerzbank warnt jedoch vor übertriebenen Hoffnungen. "Das Potenzial für den Euro ist begrenzt, es handelt sich ja mehr um eine Dollar-Schwäche, als um eine Renaissance des Euro", sagte der Volkswirt der FTD. Für exportorientierte Unternehmen aus Europa sei zudem ein starker Euro nicht gut. Insbesondere die Aktien dieser Unternehmen könnten deshalb bei einer anhaltend starken europäischen Währung unter Druck geraten.
Unsichere Perspektive
Wenig Auswirkungen eines starken Euros erwartet dagegen Frank Bulthaupt von der Dresdner Bank. Exportorientierte Unternehmen werden zwar "kurzfristig zu leiden haben", doch das sei nicht überzubewerten. "Insgesamt ist der Einfluss des Wechselkurses auf Aktienmärkte unserer Ansicht nach aber relativ gering", sagte der Analyst. Investoren hätten zumeist die langfristigen Renditen im Blick, und das sei angesichts der Unklarheit über die weitere Entwicklung des Euros eine unsichere Perspektive.
Einig sind sich die Analysten darüber, dass die Aktienmärkte zumindest indirekt profitieren werden: durch Zinssenkungen der Fed und der EZB. Angesichts der Dollarschwäche und der schwachen US-Konjunktur erwartet Commerzbank-Volkswirt Balz, dass die Fed am 21. August die Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte senken wird. Und auch die EZB, so sind sich die Experten einig, werde noch in diesem Quartal ebenfalls eine Zinssenkung bekannt geben.
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