Der 11.09.2001 und die Medien (Zusammenfassung)

Beiträge: 6
Zugriffe: 843 / Heute: 1
Technology All S. 3.845,73 -0,29% Perf. seit Threadbeginn:   +332,73%
 
Happy End:

Der 11.09.2001 und die Medien (Zusammenfassung)

 
12.09.01 23:33
Leichenfledderer bei eBay, Kondolenzbotschaften auf Pornoseiten

Nach den schockierenden Terroranschlägen von New York und Washington kocht es im Web. Selbst Porno-Websites machten sich Dienstagnacht zu News-Seiten. In den Newsgroups herrscht Trauer und Wut. Zugleich versuchten zahlreiche Leichenfledderer, bei eBay WTC-Memorabilien zu versteigern.
 
Kondolenz: In den Morgenstunden sperrte eBay alle WTC-Auktionen
 
Gegen 21 Uhr deutscher Zeit bestand die wohl beste Gelegenheit, schnell und preiswert an ein echtes Bruchstück des World Trade Center zu gelangen. Die Zahl der Auktionen bei eBay war bis dahin auf mindestens 16 angewachsen. Im Angebot: Videos des Desasters, Metallstücke, Glassplitter, Fetzen verschiedener Materialien - doch so recht wollten die Preise nicht steigen, denn schon wenige Minuten nach dem Auftauchen der Auktionen liefen erste Boykottaufrufe durch das Web.
Denn als die News-Sites in Amerika unter dem Surfer-Andrang in die Knie gingen, als der Wegfall der New Yorker Knoten das Web selbst zeitweilig um Entwicklungsjahre zurückwarf, da funktionierte nur ein Bereich des Internet zuverlässig und schnell: die Newsgroups des Usenet und die IRC-Chats.

Gerade die Newsgroups erlebten in Amerikas schlimmster Stunde ein erschütterndes Revival. Tausende von Menschen in aller Welt verbrachten die Nacht damit, miteinander zu reden. Die Rufe nach Vergeltung, nach Krieg, nach nuklearen Schlägen "gegen Afghanistan, Israel und Palästina" dominieren. Die Wellen irrationalen Hasses, die durch das Web liefen und noch laufen, erschütterten fast noch mehr als die der Trauer. Was bleibt im Gedächtnis: die Aufrufe zu gemeinsamen Gebeten, zu Besonnenheit - oder die, alle Muslims zu töten und "ihre Frauen zu vergewaltigen"?
 
Es gab auch diese kurzen, wütenden Absprachen von Diskutanten in der Newsgroup soc.culture.usa und anderswo, es den "Palis" bei soc.culture.palestine "zu zeigen. Ein Welle E-Mail-Bomben wird denen schon zeigen, woher der Wind weht". Und ja, die Palästina-Gruppe ging unter in einer Hass-Mail-Welle, in der nach der Nuklearbombardierung Palästinas gerufen wurde.

Menschliche Nähe

Doch es gab auch ganz andere Szenen. Es gab diesen hektischen Austausch von Nachrichten, wie es ihn seit Jahren im Usenet nicht mehr gegeben hatte. Spätestens als die ersten New Yorker den Weg zurück ins Web gefunden hatten, begannen diese Nachrichten zum Teil die Aktualität von Fernsehen und Radio zu überholen. Dass dabei die Gerüchteküche überkochte und verlässliche Nachricht nicht mehr von Hörensagen zu trennen war, steht auf einem anderen Blatt - aber darum geht es ja auch gar nicht.

In der Nacht von Dienstag zu Mittwoch tauschten Menschen Nachrichten nicht, um damit Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, sondern weil sie das unbegreifliche, barbarische Massaker von New York zutiefst betroffen machte. Und bald schon gingen immer mehr Postings genau in diese Richtung: Menschen in aller Welt rückten sich virtuell näher und sprachen sich gegenseitig ihre Anteilnahme aus.

Und wirkten konstruktiv. Als bereits weniger als vier Stunden nach dem Terroranschlag von New York erste "WTC"-Auktionen bei eBay aufkamen, da machte das Wort in den Newsgroups binnen Minuten die Runde: Protestiert gegen diese Leichenfledderei!

Einige Stunden noch stieg die Zahl der Angebote - und traf auf kaum eine Nachfrage. Eine Lektion in Anstand, die in den frühen Morgenstunden des Mittwochs in der Zensur der betreffenden Auktionen bei eBay resultierte. Auf ihr Geschäft verzichteten im Laufe der Nacht aber nicht nur Auktionsseiten, sondern selbst manche hartgesottene Schmuddelanbieter.

So hatten die Betreiber von Whitehouse.com, der notorischen Porno-Website mit der so "regierungsnahen" Web-Adresse, kurzerhand entschieden, ihre Homepage umzufunktionieren. Den Surfer empfing dort nicht mehr als eine nüchterne Kondolenzadresse und dahinter ein persönlicher Erlebnisbericht aus den Außenbezirken von New York.

Erschütterndes Zeitdokument: die Newsgroups, Dienstagnacht

Die Diskussionen laufen nach wie vor, Tausende von Postings dokumentieren die Reaktionen von Menschen in aller Welt direkt nach den Anschlägen. Derzeit besonders frequentierte Newsgroups:

alt.security.terrorism
alt.disasters.aiation
soc.culture.arabic
soc.culture.palestine
soc.culture.usa
talk.politics.mideast


WWW auf Halbmast

Einen Tag nach dem Terrorangriff auf die USA dominiert der Schock über die Dimensionen des Terrorangriffs die Berichte und Diskussionen im Internet. Selbst auf ausgesprochen technisch orientierten Websites wie scripting.com, Slashdot oder Hardcore-Gamer-Sites wie Bluesnews dreht sich alles nur um die gestrigen Anschläge. 3dchipset.com etwa meldet: "Bei dem, was gerade in den Vereinigten Staaten vorgeht, wird es heute keine News mehr geben. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was jemals passiert ist. Wir widmen unsere Gebete denen, die Opfer dieser Katastrophe wurden."

Über die Zahl der Toten und Verletzten kann derzeit nur spekuliert werden. Nach unbestätigten Angaben sollen 200 Feuerwehrleute und 80 Polizisten bei Rettungseinsätzen den Tod gefunden haben. In den Trümmern des zerstörten Teils des Pentagon werden bis zu 800 Opfer vermutet. Tausende sollen unter der Ruine des World Trade Center begraben sein. In den entführten Passagiermaschinen kamen mindestens 266 Menschen ums Leben. Der New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani spricht von weiteren 1100 Verletzten, die derzeit von Ärzten und Pflegern versorgt werden.

Nach dem ersten Ansturm sind US-Medien wie CNN, ABCNews, die New York Times oder das Wall Street Journal wieder erreichbar – obwohl sich die Nachrichtenlage langsam klärt, herrscht offenbar ein großer Bedarf in der geschockten Netzwelt, sich über das Geschehen auszutauschen. Nachdem das Internet in den ersten Stunden nach den Anschlägen von vielen dazu genutzt wurde, um mit Angehörigen Kontakt aufzunehmen oder sich unmittelbar über das Geschehen zu informieren, überwiegen mittlerweile – teilweise sehr emotionale – Diskussionsbeiträge. So berichtet etwa der US-Nachrichtensender CNN, dass zahlreiche islamische Websites in den USA derzeit vom Netz gehen, weil die Server dem Ansturm wütender E-Mails nicht gewachsen sind.

Nach Angaben des Internet-Newsdienstes Network World Fusion reagieren einige Anbieter von anonymen E-Mail-Services mit der zeitweisen Einstellung ihres Dienstes. Sie sehen sich angesichts der Katastrophe einem unmöglichen Spagat zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Verbreitung von Rache- und Hasstiraden ausgesetzt. Es gehe nicht darum, dass das Remailer Network in irgendeiner Weise von Terroristen genutzt werde, so einer der Operatoren. Vielmehr befürchte er, dass falsche Drohungen, Tipps und anderer "Müll" an die Newsgroups, staatliche Einrichtungen oder offiziell Verantwortliche gesendet würden.

Über die Folgen der Anschläge für die US-Wirtschaft und insbesondere die IT-Wirtschaft kann zur Stunde nur spekuliert werden. Die gestrigen Anschläge haben die US-Finanzwelt vorerst zum Erliegen gebracht – die US-Börsen bleiben bis auf weiteres geschlossen. Die asiatischen und europäischen Börsen hingegen setzen den Handel fort. Die Talfahrt des US-Dollars gegenüber dem Euro – unmittelbar nach Bekanntgabe der Terroranschläge hatten Devisenhändler panikartig Dollarbestände verkauft – ist vorerst gestoppt. Finanzexperten fürchten, die Anschläge könnten eine weltweite Rezession auslösen: In Krisenzeiten suchten Anleger immer sichere Häfen für ihre Gelder und würden dazu tendieren, ihr Geld aus den unsicheren Aktienmärkten abzuziehen.


Gemäßigter Raab und kein Schmidt

Lustig wird's zunächst nicht zugehen im deutschen Fernsehen. Stattdessen kommt es wegen der Attentate in den USA in dieser Woche zu zahlreichen Programmänderungen.

Eine Sat.1-Sprecherin kündigte an, dass die «Harald Schmidt Show» ausfalle. soviel steht fest. Ob allerdings Schmidts Kollege Stefan Raab in dieser Woche seine Sendung «TV Total» auf ProSieben moderieren wird, war bis Dienstagnachmittag unklar. Doch entgegen zunächst anderslautender Berichte, hieß es dann beim Sender, Raab werde am Donnerstag nun eine «ruhige, angemessene und gemäßigte» Ausgabe ohne Studiopublikum produzieren, in der er Stellung zu den aktuellen Ereignissen nehmen werde. Die ProSieben-Comedys «Smack The Pony» und «Bullyparade» dagegen entfallen.
Auch RTL entschloss sich, die für Freitag geplanten Comedyreihen «7 Tage, 7 Köpfe» und «Freitag Nacht News» aus dem Programm zu nehmen. Die Rückkehr von «Ritas Welt» mit Gaby Köster und der Start der neuen Serie «Mein Leben & ich» sollen aber über die Bühne gehen. Sat.1 wiederum wollte sich zum geplanten Neustart der Comedyreihe «Wochenshow», die am Samstag mit vier neuen Komikern loslegen will, noch nichts sagen.

Sicher ist, dass Günther Jauch mit seinem Quiz «Wer wird Millionär?» nach dreieinhalb Monaten Pause wieder auf die RTL-Bildschirme zurückkehren wird.

Volksmusik aufgezeichnet, nicht ausgestrahlt

Die für Freitag und Sonntag angesetzten Katastrophenfilme «Das große Inferno» und «Katastrophenflug 243» auf ProSieben werden nicht ausgestrahlt.

Das ZDF sagte für Mittwochabend «Die große Show der Sieger» ab, die als Aufzeichnung zu einem späteren Zeitpunkt zu sehen sein. Auch «Die volkstümliche Hitparade», vorgesehen als Live-Sendung für Donnerstag wird in München aufgezeichnet und an einem anderen Tag ausgestrahlt. Die für Mittwochabend vorgesehene Aufzeichnung der Wies'n-Eröffnung aus dem Hofbräuhaus-Zelt, die am 21. September gezeigt werden sollte, hat das ZDF abgesagt.

Darüber hinaus aber hieß es beim ZDF ebenso wie bei der ARD, man könne im wesentlichen nur den laufenden Tag planen.


Das Web solidarisiert sich mit den Opfern

Das Internet ist Drehscheibe bei der Information über die Katastrophe, der Suche nach Vermissten und der Hilfe für die Opfer. Besonders nachgefragt sind Angebote die helfen wollen, Gewißheit über Leben oder Tod von Verwandten oder Freunden zu schaffen. So hat die Uni Berkeley eine Datenbank online gestellt, in der man nach Angehörigen suchen oder als Überlebender eine Nachricht hinterlassen kann. Die Seite ist allerdings zurzeit schwer zu erreichen.

Shunn.net mußte seine Registrierungsseite bereits unter der "überwältigenden Nachfrage" schließen, so Betreiber Ben Shunn. Jedoch findet sich dort eine Liste mit den Namen von sehr vielen Überlebenen sowie Links zu weiterführenden Seiten. Wichtige Telefonnummern, wie die der New Yorker Polizei und Feuerwehr hat die Schweizer Internet-Agentur Kaufcom auf einer "gespendeten" Website zusammengefasst.

Um den Kontakt zu Freunden und Verwandten in Amerika zu erleichtern, haben einige Telefon-Anbieter in Österreich Gratisverbindungen in die USA geschaltet, meldet der ORF auf seiner Internetseite Futurezone. Angesichts der schon aufgestockten, aber wohl zeitweilig immer noch zu knappen Transatlantik-Leitungen gewinnen die sofort im angeschlossenen Forum erhoben Forderungen Gewicht, den Null-Tarif für Gratisgespräche in die USA nicht zu nutzen, wenn man nicht wirklich in Sorge sei.

Ein Tag nach dem Terroranschlag ist immer noch unklar, wer dahinter steckt. Auch die Auswertung der Passagierlisten und die von verschiedenen Seiten gemeldeten Handy-Telefonate, die aus den entführten Maschinen geführt worden sind, haben offenbar noch keine heiße Spur ergeben. Die US-Bundespolizei FBI möchte nun Hinweise und Beobachtungen zum Attentat und den Flugzeugentführungen auch über eine eigens eingerichtete Website entgegennehmen. Das Angebot ist jedoch wenige Sekunden nach seiner öffentlichen Bekanntgabe zusammengebrochen. Es gibt zwar noch keine Täter, aber es werden bereits Stimmen laut, die der US-Regierung eine gewisse Mitschuld geben. So hat cnet news das Aussenministerium bezichtigt, durch den fortgesetzten Einsatz veralteter Computer in den Botschaften und Konsulaten, keine wirklich wasserdichte Kontrolle von Visa-Anträgen ermöglicht zu haben.

Zwischen die üblichen Geschäftsmeldungen mischen sich nun vermehrt Mitteilungen vom Tod von Firmenangehörigen, die sich in einem der Flugzeuge oder getroffenen Gebäude befanden (wir berichteten).

Aus verständlichen Gründen steht in den USA nur Wenigen der Sinn nach "Business as usual" und so reagieren auch die IT- und Internetfirmen dort unterschiedlich. Während der Online-Shopping-Anbieter Amazon prominent zur Blut- und Geldspende auffordert (siehe Meldung vom Nachmittag) dürfen beim virtuellen Auktionshaus Ebay keine Gegenstände mehr versteigern werden, die irgendetwas mit dem Pentagon und dem World Trade Center zu tun haben.


Internettechnik erweist sich als krisenfest

Inmitten von Chaos und überlasteten Telefonnetzen nach den Anschlägen in den USA hat sich das Internet als ein krisenfester Kommunikationskanal für Unternehmen und das US-Militär erwiesen.

"Das Internet hat gezeigt, dass es seine Funktion als Kommunikationsmittel während einer Krise erfüllen kann", schrieb Analystin Maurene Grey vom US-Marktforschungsunternehmen Gartner in einer noch am Dienstag veröffentlichten Analyse.

Bei Internetdiensten wie E-Mail und Kurznachrichten (Instant Messaging) war auch während des größten Chaos keinerlei Ausfall zu verzeichnen gewesen, obwohl in den Untergeschossen des eingestürzten World Trade Center Leitungen und Netzelektronik der Telekommunikationsunternehmen Sprint und Worldcom zerstört wurden und auch Nachrichten-Websites teilweise unerreichbar blieben.

Moderne Telefon- und Datennetze sind so ausgelegt, dass zerstörte Leitungen und Vermittlungscomputer nach gewisser Zeit automatisch erkannt und durch Umgehungsstrecken ersetzt werden. Im Gegensatz zum Telefonnetz ist das Internet jedoch durch umfangreiche Investitionen in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches leistungsfähiger, als es der normale Bedarf erfordern würde.

Der zentrale Internet-Knotenpunkt in Manhattan liegt zudem in der Hudson Street, etwa einen Kilometer nördlich des zerstörten World Trade Center. Ein Anschlag auf dieses Rechenzentrum, durch das etwa ein Fünftel des weltweiten Internet-Datenverkehrs geleitet wird, hätte Teile von Manhattan vollständig vom Internet abgeschnitten.

In den Minuten direkt nach dem Einschlag des ersten Jets im World Trade Center war das Datenaufkommen an den Netzknoten in Frankfurt und London plötzlich gesunken, anscheinend, weil durch die Nachrichten aufgeschreckte Nutzer gebannt die Bilder auf den Fernsehschirmen verfolgten.

Danach jedoch begann der Run auf die Nachrichten im Netz. Unternehmen wie CNN oder MSNBC waren von der Masse der Abfragen zunächst überrumpelt, reagierten dann mit abgespeckten Notausgaben völlig ohne Werbung, die weniger Übertragungskapazität beanspruchen. Die Übertragung von E-Mail oder Kurznachrichten war durch diese Ausfälle nicht beeinträchtigt.

Auch das interne Kommunikationsnetz des US-Militärs, das vom Telekomunternehmen Worldcom betrieben wird, war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt, da die Technik nicht im zerstörten Westflügel des Pentagon untergebracht ist.

Trauer- und Ermittlungs-Websites

Unterdessen wird das Netz nach den Anschlägen zu einem Medium für Trauernde, Überlebende, Betroffene und Ermittler. Die Universität Berkeley richtete eine Website ein, die Lebenszeichen von Betroffenen sammelt, die dann von Angehörigen oder Kollegen nach Namen durchsucht werden können. Am Abend waren dort Einträge von etwa 1800 Überlebenden zu finden.

Unter der Adresse worldtradecenter.com - deren Eigentümer zuvor mit einem Verkauf des profitträchtigen Namens geliebäugelt hatte - entstand am Dienstag eine Seite für spontane Trauerbekundungen, auf der sich bis Mittwoch Abend etwa 2200 Internetnutzer aus aller Welt eingetragen hatten. Am Dienstag hatten Freiwillige in einem eigenen Chat-Kanal eine Live-Mitschrift der Fernsehnachrichten verbreitet und sich über die schrecklichen Bilder ausgetauscht.

Auch die US-Bundespolizei FBI richtete eine Website ein, auf der die Behörde Hinweise zu den Anschlägen entgegennimmt.


Die unwirkliche Stille im World Wide Web  
 
Ereignisse wie das schreckliche Drama am Dienstagnachmittag in New York und Washington lassen alle anderen Geschehnisse in den Hintergrund treten und sind mit den Mitteln der Medien kaum zu fassen. Auch das Internet, das sonst als verlässliches Informationsmedium gilt, war in den dramatischen Stunden am World Trade Center nicht in der Lage, jene Zusatzinformationen bereit zu stellen, für die die Menschen dieses Medium normalerweise nutzen. Über Stunden blieben sämtliche Aufrufe von Seiten wie cnn.com oder msnbc.com erfolglos, meldeten die Server, dass die gewünschten Seiten nicht aufgerufen werden können. Noch am späten Abend blieb den Online-Journalisten nur eine Chance, ihrer Aufgabe dennoch nachzukommen: Wo sonst beispielsweise auf CNN online ein umfassender Überblick über alle Themenbereiche gegeben wird, wurde gestern die normale Tagesordnung über Bord geworfen. Ein einziges Bild von Menschen, die vor den einstürzenden Gebäuden in Manhatten flüchten, ein kurzer Vorspann unter der Headline "Amercia under Attack" und eine kleine Zahl von kurzen Informationen, von denen nicht einmal alle mit einem Link zu weiterführenden Artikeln versehen waren.

Es mangelte nicht an Informationen. Gestern jedoch war Sparsamkeit das Gebot des Tages. Über Stunden versuchten Menschen aus allen Teilen der Welt an jede nur erdenkliche Information zu gelangen, wollten wissen, ob ihre Angehörigen zu den Opfern der Attentate gehören. Das letzte Mal, als das Internet einen derartigen Ansturm erlebte, wurden in den USA die Lewinsky-Protokolle online gestellt. Doch während seinerzeit nur jene Anbieter vom gigantischen Verkehrsaufkommen betroffen waren, die sich die brisanten Papiere zuerst besorgt hatten, traf es diesmal das gesamte Internet. Überall, nicht nur in den USA, waren die Info-Portale überlastet. In Deutschland waren die Seiten von Spiegel online, der Süddeutschen oder von Tagesspiegel.de in den ersten Stunden nach der Katastrophe nur sehr schwer zu erreichen. Erst nachdem neue Server und Leitungen geschaltet wurden, gelang es, dem Informationsbedarf der Nutzer gerecht zu werden.

Der Tag in den USA hat nicht nur die Art verändert, wie Online-Journalismus mit einem solchen Ereignis umgeht. Auch in den Chatrooms wurde die normale Tagesordnung durchbrochen. Wo sonst Menschen zum schnellen Internet-Flirt oder zum Gedankenaustausch über ihre Hobbys zusammenkommen, standen am Dienstag die Anschläge in den USA über allem. So auch auf www.chat.de, wo sonst häufig die Beliebigkeit das Chat-Geschehen bestimmt, wurde gestern mit einer sonst kaum anzutreffenden Ernsthaftigkeit darüber diskutiert, was in New York und Washington passiert ist, und was dies möglicherweise für die Weltpolitik bedeutet. Teils persönliche Betroffenheit, teils Erschütterung und Wut und mitunter Anteilnahme für die Angehörigen der Opfer.

Wer sich jedoch ein Bild davon machen wollte, in welcher Stimmung sich Amerika nach dem schweren Schlag gegen die Nation befindet, fand gestern in den US-Chatrooms kaum Antworten. Anders in den Internet-Newsgroups. Auch die bekannten Verschwörungstheorien der Cyber-Freaks leben hier weiter, wenn beispielsweise das gestrige Datum 11.9.2001 zur Zahl 23 zusammengezählt wird. Diese Zahl gilt als Zeichen der Illuminaten, jener Sekte, die mit den verschiedensten Attentaten in Verbindung gebracht wird. Und ein weiterer Ausdruck durchzieht die verschiedensten Diskussionsstränge der Newsgroups: "Pearl Harbour 2, Sept. 11, USA", daran fühlen sich die Amerikaner nach den schrecklichen Attacken auf das wirtschaftliche und politische Zentrum der Vereinigten Staaten erinnert.  


Ohne Verbindung, mit Extras: die Medien nach den Attentaten

Die Terroranschläge in den USA bringen Bewegung in den Medien: News-Websites reduzieren ihr Angebot, Wochenzeitungen und -zeitschriften erscheinen früher, Viva verzichtet auf Programm - und die «FAZ» bricht mal wieder mit der Tradition.

Es hat nicht lange gedauert: Kaum, dass das erste der entführten Flugzeuge gegen 8.42 Uhr (Ortszeit) in das World Trade Center in New York raste und die TV-Sender wenig später die ersten Bilder zeigten, stiegen auch die Zugriffe auf internationale und nationale Nachrichtensites. Wenig später ging für einige Zeit fast überall im Netz nichts mehr.
Auch am Dienstagabend ist etwa die Site des Nachrichtensenders n-tv nur mit Mühen erreichbar. Dirk Goetz, zuständiger Projektmanager bei n-tv, gibt sich allerdings gelassen: «Das legt sich wieder», sagte er der Netzeitung. Bis zum Mittwochmorgen dürften die Schwierigkeiten, die Site anzusteuern, allerdings noch andauern. Derweil empfiehlt Goetz, doch einfach den Fernseher einzuschalten.

Doch nicht nur n-tv.de machte der großen Andrang zu schaffen: Auch auf die Webangebote des Senders N24 oder des «Spiegel» gab es zwischenzeitlich keine Zugriffsmöglichkeit, zum Teil, weil die Nutzer offenbar Probleme mit den Kapazitäten ihres jeweiligen Providers hatten. Keine vergleichbaren Probleme gab es bei der «Netzeitung«.

Die amerikanischen Sites CNN.com und New York Times.com reagierten auf den Ansturm in den Stunden nach dem Anschlag mit extrem eingeschränkten Sites, den wichtigsten Schlagzeilen und einer Handvoll Links zu weiterführenden Informationen. Und auch in Deutschland haben es inzwischen viele Sites ihr Angebot grafisch und inhaltlich reduziert.

Pro7-Gruppe: vier Sender, ein Programm

Nachdem die Nachrichtensender n-tv und N24 um 14.46 Uhr am schnellsten reagierten und Bilder des US-Partners CNN übertrugen, hatten auch die vier großen TV-Sender ihre Programm wegen der Katastrophe in den USA unterbrochen.

Seitdem unterbrachen die Sender immer wieder ihr Programme für Sondersendungen und Live-Schaltungen. Ein Novum kündigten in diesem Zusammenhang die Sender der ProSieben-Gruppe an: Sat.1, Pro7, Kabel1 und N24 wollten ab 19 Uhr das selbe Programm ausstrahlen. Bei RTL herrschte am Nachmittag noch Unklarheit über den Fortgang.

Viva zeigt Respekt

Der Musikvideo-Sender Viva hat sein Programm am Nachmittag komplett eingestellt und zeigt nur einen schwarzen Bildschirm, das Senderlogo und ein Spruchband: «Aus Respekt vor den aktuellen Geschehnissen setzen wir unser Programm vorübergehend aus.»

Bei MTV laufen zwar noch Videos. Doch sei, so Programmchef Elmar Giglinger zur Netzeitung, das Programm stark zurückgefahren: «Wir haben sämtliche Shows aus dem Programm genommen und die Musikauswahl eingeschränkt.» Werbeunterbrechungen werde soll es zunächst - allerdings reduziert - weiter geben. Am Abend lief dann auch bei MTV ein Spruchband über den unteren Bildschirmrand, das auf die Programmänderung hinwies.

«Zeit», «Spiegel» und «Focus» früher

Doch nicht nur auf die Nachrichtenangebote im Internet und das Fernsehen haben die Ereignisse in den USA Einfluss. Auch einige deutsche Zeitschriften und Zeitungen reagieren mit vorgezogenen Erscheinungsterminen und Sonderausgaben auf die Anschläge. So erscheint die «Zeit» in dieser Woche bereits am Mittwoch mit einem aktuellen Dossier zu den Hintergründen der Attentate.

Auch «Spiegel» und «Focus» wollen ihre nächsten aktualisierten Ausgaben bereits am Samstag auf den Markt bringen.

«Badische» mit Extrablatt

Die «Badische Zeitung» in Freiburg erschien wenige Stunden nach dem Einsturz des World Trade Centers in New York mit einem Extrablatt Auch der «Wiesbadener Kurier» informierte seine Leser am Abend mit einer Sonderausgabe.

Auf einen vorgezogen Erscheinungstermin verzichten müssen indes die «Woche» und der «Stern». Die Wochenzeitung will allerdings ebenfalls die US-Anschläge in der wie gewohnt am Donnerstag erscheinenden Ausgabe ausführlich berücksichtigen. Der «Stern» kann im Hauptblatt nicht mehr reagieren. Das Heft 38/2001 ist nämlich bereits fix und fertig. Um dennoch aktuell auf die Attentate reagieren zu können, werde es eine 32-seitige Sonderbeilage geben, hieß es in Hamburg.

«FAZ» mit Titelfotos

Auf ganz besondere Weise reagiert derweil die «FAZ» in ihrer Mittwochsausgabe: Sie druckt zwei Fotos auf der Titelseite - das allerdings nicht, wie spontan vermutet und wie man auf Nachfrage bei der «FAZ» versichert, zu allerersten, sondern bereits zum 14. Mal in der Geschichte der Zeitung. Zuletzt allerdings hatte man sich vor über zehn Jahren anlässlich des Mauerfalls für dem Traditionsbruch entschieden.


A Shaken Global Village on the Internet

The Internet, which was designed as part of the Cold War with global conflict in mind, linked millions of people yesterday who desperately wanted to talk to each other. E-mail and instant messaging worked even when phone networks in New York and Washington did not.

Heart-rending, first-person descriptions of horror mingled with levelheaded analysis and warnings against precipitous action while cries for vengeance flowed around lists of people who were reassuring friends and loved ones that they were all right.

So many people turned to news sites such as CNN.com and MSNBC.com that they bogged down. The Internet search engine Google directed viewers to television and radio. Many news sites stripped themselves of graphics, ads and other regular features in order to make response times faster. Keynote Systems Inc., which measures Internet performance, said it did not find any widespread problems with the Internet's main trunk lines.

But when it came to many-to-many connections, the Internet showed what it was made for. It provided the human contact to match the rush of news, serving as a lifeline for loved ones and a public forum for those who needed answers or a place to yell their cries for vengeance.

On Yahoo, the World Trade Center Disaster Chat Room 3 was a rapid discussion of war. Are we at war? What were the levels of alert? Will nuclear weapons be used? Against whom? There were two levels of chat: In bold, or capital letters, often colored, were the shouters; in regular type, with proper grammar, were the voices of reason. They did not seem to be talking with each other. Even the room names reflected the sense that the United States was having many discussions, some faster than thought, others more worried and reflective.

A sign of the times: The "Rational Analysis" area that demanded "no racism or useless banter," had only seven participants. Hundreds were clustered at "AMERICA UNDER ATTACK."

At TheWell.com, one of the world's first online communities, the tone was sober. "I thought I had lost the capacity to be as shocked as I am by this incident," wrote one person. "The beginning of a way less tolerant America, I suspect," wrote another. "After years of historical retrospectives, I now understand how the country felt after Pearl Harbor," wrote a third.

Where there was congestion on the main news sites, traffic flowed to alternative sites such as Slashdot.com, which was showing cut-and-paste summaries from the commercial sites. It was a sort of collaborative news gathering, with people pulling together information and rumor, giving participants access to more sources than they'd be able to get themselves, noted Jamais Cascio, a longtime Web analyst. More important, they gave people a chance to grieve, vent their anger and express their amazement at the scale of the tragedy.

E-mail was the overwhelming means of making sure that family and loved ones were well.

"Wow, am I glad to see your name pop up on my screen," was a frequent reply to users in the devastated cities as they sent out news of their friends and families to their entire mailing lists.

Informal Internet hostels rapidly popped up. People offered free accommodations to Net-friends in the devastated areas and those who were stranded by grounded or diverted flights. "I've seen dozens of 'call if you need a place to stay' messages so far," technology analyst Bruce Sterling reported.

Within minutes of the attacks, Internet sites began to dedicate portions of their sites to serve as virtual support groups.

America Online put up a link on one of its main screens that urged, "Share your sympathy for victims of the attacks and get advice on coping with loss." That led to a chat room called "Lean on Me" that was supposed to provide consolation for people worried about their loved ones.

There, visitors found prayers and some kind words. But mostly they found anger and profanity with the grossest stereotyping about everyone from Pakistanis and Mexicans to Americans.

"This is a sick chat," wrote one participant who was waiting for word from his father who works at the Pentagon. "This is a time of sadness, not a time to joke. . . . Have a little compassion," lectured another.

Within minutes of the attacks, the American Muslim Political Coordination Council sent out e-mails condemning the attacks. "American Muslims utterly condemn what are apparently vicious and cowardly acts of terrorism against innocent civilians. . . . No political cause could ever be assisted by such immoral acts," the group wrote.

Discussion on the soc.culture.arabic and soc.culture.israel newsgroups -- which typically feature largely academic talk about those regions -- degenerated into finger-pointing about the attacks.

"Why are Moslems always attacking civilians somewhere in the world?" wrote one man.

"Its the price you pay for supporting zionist fascists and at the same time ignoring the plight of the opressed!!" replied another.

And the Internet Relay Chat's Islam chat room was infiltrated by people who sent messages like this one: "DIE YOU ISLAM [expletive]!!!! YOU WILL GET YOURS!!!" It was sent four times at 10:28 a.m. before the author was disconnected by the administrator.

In private listservs devoted to the information industry, postings included one by a person who described himself as working for the National Security Agency that said, "I want to know as a member of the intelligence community how the [expletive] we didn't see this happening."

In a Yahoo chat room called "What Do You Think of New York," at 2:15 p.m., people were sending messages faster than they could type and spell.

Strings of half-completed thoughts piled up, mostly expressing rage and disbelief; there were occasional reminders to keep one's thoughts on the victims.

Xenophobia flared, directed against Muslim nations. Conspiracy theories melded with a rich tapestry of speculative detail, like the amateur numerologist speculating on the correlation of yesterday's date, September 11, with the national dialing code for emergencies: 911.

The posters fell quickly into a kind of Pilgrim's Progress of archetypes. One was all rage and determination, backing his comments with military jargon: "Threat con delta is war. . . . America's highest state of military allert," he told participants. Another offered consolation and reassurance.

There was an odd mix of confrontation and politeness: A user who identified as Iranian was assaulted with messages about his or her political leanings; but the same participants signed off with grace, "Thanks you guys for the exchange of ideas . . ."

Mostly the Net served as a caldron of emotions as on AOL's "Todays News" chat room. The day's discussion boiled over, moving quickly from calls for revenge to calls for reason, from a search for answers to a search for solace ("all those people are dead," posted one person).

"An eye for an eye," wrote someone.

"Start the draft!" wrote another.

"Fighting isn't the way to solve problems," posted yet another.

Under it all, however, were the two simple posted questions that no one could really answer:

"Who and why?"



Happy End:

Die Frage beinhaltet wirklich nahezu alles... o.T.

 
12.09.01 23:55
Happy End:

Angehörigen-Websites

 
13.09.01 20:42
"You are not alone"

Nach den Anschlägen in Washington und New York sind im Web zahlreiche Angebote für Angehörige von möglicherweise Betroffenen entstanden. Neben Möglichkeiten zur Hilfe wird hier auch über Vergeltung debattiert.

"You are not alone" – Sie sind nicht allein, so steht es auf der Startseite von WorldTradeAftermath.com, einer Webseite, die sich mit den praktischen Fragen nach dem Anschlag auf das World Trade Center befasst. Mehr als 70.000 Menschen haben bislang das Angebot besucht, das Verweise auf Listen mit Überlebenden und auch Links auf die immer länger werdenden Todeslisten von CNN und der Zeitung "USA Today" enthält.

Und auch WorldTradeAftermath ist nicht allein. Nach den Anschlägen vom Dienstag ist mittlerweile gut ein halbes dutzend ähnlicher Webseiten entstanden. Auf ihnen können Freunde und Angehörige einen Anhaltspunkt über das Schicksal der von ihnen Gesuchten finden. In langen Listen mit Titeln wie "I'm Okay", finden sich die Namen von Menschen, die das grauenvolle Geschehen überstanden haben. Besser gesagt, überstanden haben sollen.

Denn die Angaben in den Listen, in denen mal Hunderte, mal weit über zehtausend Einträge stehen, sind weitgehend ungeprüft - daher sicherlich nicht in jedem Fall zutreffend. "Wir haben keine eigenen offiziellen Quellen und können die Richtigkeit dieser Informationen nicht garantieren. Wir vertrauen auf die Meldungen von unseren Nutzern, seien Sie deshalb bitte ehrlich und präzise," schreiben die Betreiber einer umfangreichen Liste, die an der Universität von Kalifornien in Berkeley gepflegt wird.

Makabre Späße

Doch einige Unbeirrbare lassen sich von solchen Bitten nicht beeindrucken. Und so tauchen etwa in den Listen von ny.com Phantasienamen wie "Beavis & Butthead" (#10068) oder "Adolph Hitler" (#11211) auf - keineswegs Einzelfälle. "Wir werfen falsche Einträge so schnell heraus wie wir können", schreiben die zuständigen Redakteure. Doch klingt das beinahe verzweifelt, angesichts der zunehmenden Zahl von Sinnlos-Einträgen wie "Bin Laden – Must die" oder "No Arabs – No Wars", mit denen die gut gemeinten Angebote zu kämpfen haben.

Dass die Wut Einzelner durchaus zu solchen gefährlichen Verallgemeinerungen greift, wird im Übrigen auch in den Diskussionsforen ersichtlich, die auf mehreren Angehörigen-Websites zu finden sind. "Ich denke, wir sollten anfangen, Afghanistan in einen großen flachen Parkplatz zu verwandeln", heißt es etwa in einem Posting im Meinungsbereich des "Desaster Message Service". In einem anderen steht einfach "Tod dem Islam". Doch überraschend groß ist hier die Zahl der Leute, die Hoffnungen äußern, "dass nicht noch mehr unschuldige Leute wegen Wut, Hass, Vorurteilen und Rassismus sterben".

Und viele User wollen auch gar nicht diskutieren, wie das leere Board von WorldTradeAftermath.com beweist – viele wollen handeln. Und vor allem an sie richten sich die Angehörigen-Websites. Für sie gibt es Kontakttelefonnummern von Fluggesellschaften und größeren Firmen, die im World Trade Center Büros hatten, wie etwa Morgan Stanley, Listen mit den Namen der Mieter des pulverisierten Gebäudekomplexes: von AIG Aviation Brokerage ("Nordturm, 53. Stockwerk) bis Zim American-Israelis-Shipping Co. ("Nordturm 16. Und 17. Stockwerk") oder Ansprechpartner für Spenden ("Blut", "Essen und Kleidung", "Transportgeräte" und "Geld"). Für alle, die nichts tun können außer zu warten, gibt es nur den Trost des antiken Philosophen Plinius: "Hoffnung ist der Pfeiler, der die Welt abstützt," steht über jeder Seite.

Happy End:

Explosion auf dem Cover

 
13.09.01 21:17
Der 11.09.2001 und die Medien (Zusammenfassung) 41167762.53.235.3/0,1020,133431,00.jpg" style="max-width:560px" >CD-Cover der Band "The Coup"

Auf dem neuen CD-Cover der amerikanischen HipHop-Band "The Coup" sind die explodierenden Türme des World Trade Center zu sehen. Die Plattenfirma beeilte sich zu versichern, dass an einem neuen Titelbild gearbeitet werde.

Das Album soll am 18. September in den USA erscheinen, doch mit dem aktuellen Titelbild wird das wohl nicht möglich sein: Im Hintergrund versinken die beiden Türme des World Trade Center in einer gigantischen Explosion, im Vordergrund stehen die beiden Rapper der Gruppe "The Coup". Leadsänger Boots hält einen Fernzünder in der Hand und drückt auf den roten Knopf. Doch das Bild - geschmacklos oder nicht - ist kein Zeugnis der traurigen Realität, sondern eine Fotomontage. Das Cover der neuen "Coup"-Platte "Party Music" sei lange vor dem Angriff auf die Symbole New Yorks entstanden, meldet die Plattenfirma 75ark auf ihrer Homepage. Man respektiere zwar die künstlerische Freiheit der Musiker, doch in diesem Fall werde man darauf drängen, dass das Cover geändert werde. "Unsere Gedenken und Gebete sind mit all denen, die von der Tragödie betroffen sind."

Die Musik der Rap-Band thematisiert politische Missstände. In seinen Texten richtet sich Sänger Boots unter anderem gegen die Kluft zwischen Arm und Reich in den USA. Der Internet-Musikversand Amazon bezeichnete die Liedtexte auf dem neuen Album als "lyrische Bomben".
Happy End:

Für die Medien der Welt gibt es nur ein Thema

 
14.09.01 19:26
Die Gesetze der Medienökonomie sind außer Kraft gesetzt: TV-Sender verzichten auf Werbeunterbrechungen, die Bildrechte sind frei.

Die Katastrophe kam über den Bildschirm in Echtzeit zu den US-Bürgern. Wie Millionen anderer Amerikaner sah nach Augenzeugenberichten vom Mittwoch auch die Mehrzahl der Beschäftigten im World Trade Center selbst live auf CNN, wie das zweite Flugzeug auf den Büroturm zuraste. Die Terrorangriffe auf die USA werden auch als Medienereignis in die Geschichte eingehen. "Es ist ein Ereignis wie für das Fernsehen gemacht", sagt Barbara Zelizer, Kommunikationsprofessorin in Pennsylvania und Autorin einer Studie über die mediale Verarbeitung des Kennedy-Attentats, "ich kann mich nicht erinnern, dass es Live-Bilder wie jene von dem Flugzeug jemals in der Geschichte der Nachrichten gegeben hätte".

Ausnahmezustand

Ein Medienereignis - aber für die Medien selbst herrscht Ausnahmezustand. Fast alle Sender senden seit Dienstag live ohne Unterbrechung - auch ohne Werbeunterbrechung, und das in einem Land, in dem TV-Werbung sonst allgegenwärtig ist. Den Schritt machten nicht nur die großen Fernsehketten, ABC, CBS, NBC und Fox, auch Spartenkanäle wie Home and Garden Network oder Food Network schlossen sich an. Die meisten Sender wollen mit der Dauerberichterstattung fortfahren. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass derzeit irgendjemand überlegt, damit aufzuhören", sagt CBS-Sprecher Gil Schwartz.

Arbeitsteilung

Dabei machten sich die Sender erstmals die Arbeitsteilung zunutze, die aus der Konzentrationswelle im US-Fernsehmarkt der letzten Jahre folgt: Fast jeder der großen Medienkonzerne unterhält auch einen speziellen Nachrichtensender, der bei einschneidenden Ereignissen News an alle Konzernsender liefert. So konnte Rupert Murdochs Fox Network sein Programm auf den Nachrichtensender Fox News schalten, der Musiksender MTV, der zunächst noch Clips gezeigt hatte, schwenkte später auf das Programm von CBS um, das ebenfalls zu Viacom gehört.

Eine Sternstunde suchte aus der Krisenberichterstattung einmal mehr CNN zu machen. Der Nachrichtensender hatte in den letzten Jahren unter starken Zuschauerrückgängen gelitten. Mutterkonzern AOL Time Warner schaltete auf die Entertainmentsender des Konzerns und das landesweite WB-TV durch. Zwar gab es am Mittwoch Abend in den USA noch keine Quoten des Vortags. Aber in der Vergangenheit hatte CNN von großen Krisen stets noch später bei den Zuschauerzahlen profitiert.

Verzicht auf Exklusivität

Nicht nur auf Werbung verzichteten die Sender, auch eine andere Grundregel der Medienökonomie wurde wenige Stunden nach der Explosion im World Trade Center außer Kraft gesetzt: Alle Fernsehketten einigten sich darauf, auf die Exklusivität ihrer Bilder zu verzichten. Was immer etwa der CNN-Reporter aufnahm, durften alle Kanäle senden. "Dies ist eine nationale Krise - sie sollte niemandes Privateigentum sein", sagte der Initiator des Rechteverzichts Don Hewitt, Produzent der Nachrichtenshow "60 Minutes". Das Moratorium der ökonomischen Gesetze der Branche und die Hinwendung zum Krisenjournalismus werde den meisten Sendern indes wirtschaftlich auch langfristig keinen Profit bringen, vermutet Stacey Lynn Koerner von der Werbeeinkaufsagentur Mediacom in New York - Werbekunden "kaufen Zeit nur für die Zukunft", da würden etwaige Zuschauererfolge mit journalistischen Sendungen in der Gegenwart kaum nutzen.

Trotz aller Veränderungen, die die Medienbranche durch das Internet erfahren hat, und trotz der verstärkten Zugriffe auf Websites: Die Krise blieb die Stunde des Fernsehens. "Bei Ereignissen, die derart verunsichernd sind, gibt es eine Art kultureller Routine, den Fernseher anzuschalten, um dadurch etwas Sicherheit mit der Situation zu gewinnen", sagt Medienprofessorin Zelizer.

Sonderausgaben

Aber auch wenn diese Krise wie kaum eine zuvor zum Medium Fernsehen passt - auch die US-Zeitungen reagierten. Viele, etwa der "San Francisco Chronicle", druckten noch am Dienstag Extrablätter. Einzelne Medienunternehmen waren auch selbst betroffen - der Medienkonzern Dow Jones musste seine New Yorker Zentrale evakuieren, das "Wall Street Journal" konnte nur mit einer Notausgabe erscheinen.

Während die Nachrichtenorganisationen in der Hektik Überblick und ihren analytischen Kopf zu verlieren drohten, war die Filmindustrie gelähmt. Studios in New York und Los Angeles wurden von Sicherheitskräften gesperrt, und Produktionen wie die TV-Serie "X-Files" wurden eingestellt.

In Deutschland wie überall auf der Welt folgten die Medien dem Beispiel der US-Medien. Als erster der großen Sender war am Dienstag um kurz nach drei RTL auf Sendung, und ausgerechnet der Privatsender war über weite Strecken des Tages in Aktualität und Professionalität den sonst für ihre Nachrichtenkompetenz gelobten ARD und ZDF voraus. RTL nutzte sogar den in New York weilenden Vorstand des Mutterkonzerns Bertelsmann, den Ex-Journalisten Rolf Schmidt-Holtz, als zusätzlichen Reporter. Erst am Abend sendete RTL etwas deplatziert das Champions-League-Spiel, angeblich weil ihn der Vertrag mit der Uefa dazu zwingt.

Wie in den USA schalteten die Konzerne ihre Sender auch hier zu Lande zusammen: Vox und RTL 2 brachten das RTL-Programm, die Kirch-Sender das Programm des Nachrichtensenders N 24. - selbst der Trash-Kanal Neun live schloss sich an.

Happy End:

ARD ZDF mahnen RTL wegen Sonderberichterstattungen

 
16.09.01 00:24
Günther Jauch verteidigt das Vorgehen seines Senders.

Die Anschlagserie in den USA hat einen Streit unter den deutschen Fernsehsendern entfacht. Der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen und ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender verlangten am Freitag einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Schreckensbildern aus New York. Brender attackierte zugleich die Berichterstattung von RTL und mahnte: "Wir müssen mit den Bildern so umgehen, dass wir nicht zum verlängerten Arm der Terroristen werden."

Brender sagte, das Fernsehbild sei für Terroristen zur Waffe geworden. Man habe es mit einer neuen Art der Kriegsführung zu tun, in die sich die Medien nicht mit hineinziehen lassen dürften. "Ich habe das Gefühl, dass Privatsender diese Horrorbilder, die man aus Hollywood kennt, als Teil der eigenen Programmstrategie nutzen", kritiserte der ZDF-Chefredakteur. So habe RTL über weite Strecken nicht informiert und eingeordnet, sondern unterhalten und damit die Bilder benutzt. "Und in solchen Tagen dann auch noch die Quote als Teil des Kriegsgewinns mitzunehmen, das halte ich für unappetitlich."

RTL wies die Vorwürfe scharf zurück. Sprecherin Ingrid Haas betonte: "Wir haben die ganze Zeit eine seriöse und kompetente Berichterstattung geliefert." Auch RTL-Starmoderator Günther Jauch verteidigte das Vorgehen seines Senders. Er bezweifelte zugleich, dass ARD und ZDF noch "das Monopol auf journalistische Kompetenz" für sich in Anspruch nehmen können. "Ich glaube, dass RTL jetzt mit der ARD gleichauf und bereits vor dem ZDF liegt. Das zeigen auch die Einschaltzahlen."

Pleitgen mahnte, einerseits hätten die Medien eine Berichterstattungspflicht. Andererseits spielten potenzielle Attentäter auch mit der Möglichkeit, dass ihre Taten eine zusätzliche Dynamik durch die unmittelbare Verbreitung des Bildes erhalten. Bei der Nachberichterstattung über die Anschlagserie in den USA seien die Medien «möglicherweise noch stärker gefordert, da die Menschen ihr Weltbild in Frage stellten und auf Informationen angewiesen seien.

n-tv-Chef Helmut Brandstätter versicherte, es gebe keinen Wettlauf um die schlimmsten Bilder. So habe sein Sender die Bilder eines vom World Trade Center Herabstürzenden nur kurz gezeigt.
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen

Neueste Beiträge aus dem Technology All Share (Performance) Forum

Wertung Antworten Thema Verfasser letzter Verfasser letzter Beitrag
11 1.118 USU Software --- Cashwert fast auf ATL -- Lalapo MrTrillion3 01.12.24 18:01
11 523 Elmos Semiconductor Jorgos Highländer49 08.11.24 18:23
  19 Bitte an Ariva Spitfire33 taos 28.09.24 11:26
  68 Comroad Kursziel 5 Euro in 3 Monaten! BWLer KevinRoberts 19.09.24 12:03
  14 Hallo Agilent-Aktionäre Anke Mankanke cfgi 21.08.24 22:29

--button_text--