11. März 2003 Der deutsche Aktienmarkt kennt offenbar nur noch eine Kursrichtung - die nach unten. Zumindest hat der Dax am Dienstag den sechsten Verluststag in Folge verbucht. Am Ende fuhr er ein Minus von 1,02 Prozent auf 2.305,30 Punkten ein. Als die Wall Street zwischenzeitlich ins Minus abgerutscht war, betrug der Abschlag für den Dax in der Spitze sogar schon drei Prozent. Erst als der US-Aktienmarkt wieder knapp den Sprung ins Plus schaffte, konnte auch der Dax sein Minus begrenzen und es gelang ihm wenigstens, die Marke von 2.300 Punkten zu verteidigen.
Händler sprachen angesichts der niedrigsten Kurse beim Dax seit der Jahreswende 1995/1996 in ihren Kommentaren wörtlich von einem "geisteskranken Marktgeschehen" und von einer überaus tristen Ausgangslage. Jede Nachricht aus den Unternehmen und von der Konjunktur werde mit Pedanterie daraufhin abgeklopft, ob sich vielleicht doch nicht irgendwo noch ein negativer Aspekt finden lasse. Sobald man fündig geworden sei, werde dann freigebig verkauft. Die zuletzt zu beobachtende Betroffenheit unter den Akteuren weiche immer mehr einem sarkastischen Galgenhumor.
Wichtige Unterstützungszone erreicht
Charttechnisch betrachtet sei nach den jüngsten Verlusten inzwischen die nächste wichtige Unterstützungszone, die aus der Zeit von Ende 1993 bis Mitte 1995 resultiert, praktisch erreicht. Diese reicht von 2.248 bis 1.913 Punkten und falls der Markt auch dort keinen Boden finden sollte, drohe im schlimmsten Fall das ganze Finanzsystem ins Wanken zu geraten. Allerdings bekamen die Finanzwerte als Hauptleidtragende am Berichtstag eine kleine Verschnaufpause gewährt. Im Schnitt hielten sie sich ausnahmsweise sogar etwas besser als der Gesamtmarkt.
Diesmal konzentrierte man sich auf Titel wie VW oder Henkel. Beim Autobauer VW wurde ein vorsichtiger Geschäftsausblick zum Anlass genommen, um die Aktie um 7,36 Prozent auf 30,19 Euro zurechtzustutzen. „Der Start des Touran wird das Ergebnis belasten. Außerdem kommen der Golf und der Passat an das Ende ihres Lebenszyklus. Und auch die Absicherung gegen einen weiter fallenden Dollar wird einen Einfluss haben", beschrieb die Fondsmanagerin Pia Hellbach von Union Investment die Probleme des Wolfsburger Konzerns (VW-Aktie drängt sich nicht auf).
Positive Meldungen gehen im Sog der Hiobsbotschaften unter
Beim Konsumgüter-Hersteller Henkel wurde der Einstieg bei Wella als Auftakt für eine teure Übernahmeschlacht mit anderen Interessenten wie Procter & Gamble um den Darmstädter Haarpflegeanbieter gewertet. Dem Aktienkurs kostet dieses Lesart der Dinge ein Minus von 7,42 Prozent auf 52,04 Euro. Nach dem herben Einbruch am Montag und den Tagen zuvor präsentierte sich die Deutsche Telekom dank teilweise ermutigender Analystenstimmen um 3,83 Prozent auf 9,50 Euro erholt.
Nur phasenweise im Plus lagen die Anteilsscheine von Adidas-Salomon. Der weltweit zweitgrößte Sportartikel-Hersteller sieht sich trotz anhaltender Konjunkturschwäche und der Irak-Krise dank eines hohen Auftragsbestandes ungebremst auf Wachstumskurs. So werde der Jahresüberschuss 2003 um bis zu 15 Prozent und der Umsatz um fünf Prozent wachsen, hieß es aus Herzogenaurach (Adidas-Aktie fit wie ein Turnschuh). Am Ende kassierte der Titel dennoch einen Abschlag von 0,50 Prozent auf 73,57 Euro.
Im Sog der übrigen schlechten Nachrichten ging die gute Meldung von Adidas aber schlichtweg unter. Die Börsianer konzentrierten sich auf die Hiobsbotschaften und die wurden am Dienstag komplettiert durch einen negativ ausgefallenen Zwischenbericht von Nokia zur Geschäftsentwicklung im ersten Quartal. Diese Botschaft zog phasenweise auch viele andere Aktien aus dem Technologiesektor mit nach unten. Die Vehemenz, mit der dabei auch nur kleine Zielverfehlungen bei den Ergebnisvorgaben bestraft würden, mache nachdenklich und zeige, wie angeschlagen die Märkte aktuell seien, so Händler.