Aktieneinbruch
Versicherer fürchten Crash in Griechenland
Von Christoph Rottwilm
Die EU will Griechenland helfen - aber noch ist die Krise nicht ausgestanden. Die Aktienmärkte sind nach wie vor nervös, neben Bankpapieren geraten vor allem die Titel der Versicherer unter Druck. Der Grund: Allianz und Co. haben massiv in Staatsanleihen investiert.
Hamburg - Die Griechenland-Krise verunsichert die Finanzmärkte. Neben Banken fürchten vor allem auch Versicherungskonzerne um ihre Gelder. Entsprechend deutlich geraten die Aktien von Allianz und Munich Re unter Druck.
Der Grund: Die Versicherer stecken seit jeher den größten Teil ihrer Investments in festverzinsliche Papiere. Mit besonderer Vorliebe zeichnen sie Staatsanleihen - auch griechische.
Hinzu kommt: Seit die Zinsen während der Finanzkrise gefallen sind, mussten die Finanzriesen fast zwangsläufig ihr Risiko erhöhen - die Garantieverpflichtungen gegenüber der Kundschaft wollen schließlich erfüllt sein. Anleihen von Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien (den sogenannten PIIGS-Staaten) bieten sich da an. Denn wegen des höheren Risikos eines Staatsbankrotts zahlen diese Länder einen kräftigen Zinsaufschlag.
Was dies für die Allianz bedeuten könnte, machte Vorstand Paul Achleitner Ende Januar klar. "Denkbar sind Umschuldungsverhandlungen", sagte er der "Welt". "Und damit auch gewisse Abschreibungen für uns."
Gewisse Abschreibungen also. Aber in welcher Höhe? Anleger sind nun verunsichert: Wie steht es wirklich um die Versicherer und ihre Anleihen kritischer Herkunft? Wie groß sind die PIIGS-Risiken in ihren Portfolios? Waren die Kursabschläge der vergangenen Wochen gerechtfertigt? Folgen noch weitere?
Festverzinsliche Anlagen machen 90 Prozent aller Allianz-Investments aus
Von den Versicherern selbst ist dazu nicht viel zu erfahren. Ein Sprecher der Allianz verweist auf die "Quiet Period" vor der Bekanntgabe der Jahresergebnisse Ende Februar. Und auf eine Veröffentlichung vom Dezember 2009, derzufolge lediglich ein Prozent des gesamten Fixed Income Portfolios (alle Investments in festverzinsliche Anlagen) von 360 Milliarden Euro in griechischen Bonds gehalten wird. Das Fixed Income Portfolio macht fast 90 Prozent aller Investments der Allianz aus.
Einer Präsentation vom dritten Quartal 2009 ist zudem zu entnehmen, dass die Allianz insgesamt 35 Prozent ihrer Zinsanlagen in Staatsanleihen getätigt hat. Neben den griechischen Anleihen in genannter Höhe stecken zum Beispiel fünf Prozent davon in spanischen und 20 Prozent in italienischen Papieren. Bei 23 Prozent der Staatsanleihen im Bestand der Allianz heißt der Schuldner Bundesrepublik Deutschland.
Bei der Munich Re, die insgesamt 185 Milliarden Euro angelegt hat, stecken 44 Prozent des Fixed Income Portfolios (Gesamtvolumen: 165 Milliarden Euro) in Staatsanleihen, so eine Unternehmenspräsentation. Davon wiederum entfallen 36 Prozent auf Deutschland und drei Prozent auf Spanien. Weitere PIIGS-Staaten sind nicht im Einzelnen genannt.
Hohe Kursverluste bei griechischen Staatsanleihen
Angaben dazu liefert jedoch eine aktuelle Analyse von J. P. Morgan. Die US-Bank hat die PIIGS-Engagements großer Versicherer - neben Allianz und Munich Re auch die Zurich Versicherung, die Swiss Re , Generali sowie Fortis - unter die Lupe genommen.
Das Ergebnis: Laut J. P. Morgan befinden sich im Portfolio der Allianz - wie vom Unternehmen selbst angegeben - griechische Staatsanleihen im Volumen von 3,6 Milliarden Euro und spanische im Volumen von 6,3 Milliarden Euro. Die irischen Staatspapiere machen 800 Millionen und die italienischen 25,3 Milliarden aus. Zur Erinnerung: Das gesamte Fixed Income Portfolio des Versicherers hat ein Volumen von 360 Milliarden Euro.
Auch zur Munich Re mit der Erstversicherungstochter Ergo nennt J. P. Morgan Zahlen. Demnach entfallen 1,5 Milliarden Euro des 165-Milliarden-Euro-Fixed-Income-Portfolios auf griechische Papiere, 2,1 Milliarden auf spanische, 363 Millionen auf irische und 1,1 Milliarden auf italienische.
Spannender noch als die Engagements in absoluten Zahlen sind jedoch die Berechnungen der Analysten zu den Verlusten daraus. Allein die Kursverluste griechischer Staatsanleihen zum Stichtag 3. Februar schlagen in den Büchern der Allianz demnach mit einem Minus von 105 Millionen Euro zu Buche. Zusammen mit Portugal und Spanien summiert sich der Verlust laut J. P. Morgan auf mehr als 150 Millionen Euro. Bei der Munich Re sind der Analyse zufolge durch Papiere dieser drei Länder bislang Kursverluste von knapp 90 Millionen Euro entstanden.
Wohl gemerkt: Das sind Buchverluste. Die Versicherer betonen regelmäßig, dass sie die Papiere gerne bis zur Endfälligkeit halten und sich zwischenzeitliche Schwankungen daher kaum bemerkbar machen. Erst, wenn deutlich würde, dass ein Emittent Zinsen nicht mehr bedienen oder bei Ablauf das Investment nicht auszahlen könnte, wären Abschreibungen fällig.
Im worst case verlässt Griechenland die Euro-Zone
Das heißt: Welcher Schaden den Versicherern letztlich entsteht, hängt davon ab, wie sich die Lage in den PIIGS-Ländern weiterentwickelt. Unter der Annahme, dass die Sache glimpflich ausgeht und es lediglich zu einer Umschuldung der griechischen Finanzen kommt, gelangen die J.-P.-Morgan-Analysten zu einer optimistischen Einschätzung: "Wir glauben, die Investitionen in Staatsanleihen stellen für die Versicherer kein Risiko dar", so ihr Fazit.
Was aber, wenn es anders kommt? Wenn Griechenland es auch mit europäischer Hilfe nicht packt, am Ende vielleicht sogar aus der Euro-Zone ausschert? Und wenn im schlimmsten Fall auch andere PIIGS-Staaten ernsthafte Probleme bekommen?
"Selbstverständlich würden die potenziellen Abschreibungen deutlich höher ausfallen, wenn Griechenland den Euro verlassen und abwerten würde", so J. P. Morgan mit vornehmer Zurückhaltung.
Robert Mazzuoli wird deutlicher. "Ein mittleres Szenario ist praktisch nicht vorstellbar", sagt der Analyst von der LBBW. Sollte Griechenland im Extremfall fallen, so Mazzuoli, dann gerieten nicht nur die anderen PIIGS-Staaten stärker unter Druck, sondern möglicherweise auch noch weitere, wie etwa Großbritannien. "Das wäre der Ernstfall für alle Märkte, mit der Lehman-Insolvenz wohl kaum zu vergleichen", sagt er. "Eine solche Staatenkrise würden nicht nur die Versicherer kaum überstehen."
Die Alternative zu diesem Worst Case, so der Analyst, ist, dass Griechenland und die anderen ihre Probleme - mit oder ohne Hilfe - in den Griff bekommen. "Dann haben die Versicherer alles richtig gemacht", sagt Mazzuoli. "Und dann waren auch die Kursverluste der vergangenen Wochen übertrieben."