»Schauen Sie so, als ob es Ihnen Spaß machen würde«
Wer wird im TV-Duell eine bessere Figur abgeben?
Erstes Kanzlerduell in Deutschland
Staatstragendes dunkelblau, hellgraue Rednerpulte und viel Akryl: Die Studio-Kulisse für das TV-Duell zwischen Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) wäre auch für jede beliebige Talkshow gut. Doch diesmal geht es ums Ganze: Kein optischer Schnickschnack soll den Showdown zwischen dem Kanzler und seinem Herausforder aus der Union stören. Wenn sich an diesem Sonntag (20.15 Uhr) die beiden Spitzenkandidaten nach US-Vorbild auf den Privatsendern SAT.1 und RTL vor laufenden Kameras begegnen, treten erstmals in Deutschland ein amtierender Regierungschef und sein Widersacher zum medialen Redewettstreit an.
Am 8. September, wenn sich Schröder und Stoiber unter Federführung von ARD und ZDF an gleicher Stelle zum zweiten Duell treffen, wird sich kaum etwas ändern. Statt Peter Kloeppel (RTL) und Peter Limbourg (SAT.1) werden Sabine Christiansen (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) die Fragen vom Studio-Schreibtisch aus stellen.
Das erste Kanzlerduell in der Geschichte der Bundesrepublik findet ausgerechnet auf dem Gelände des früheren DDR-Fernsehens im Ost- Stadtteil Adlershof statt, dort also, wo einst Karl Eduard von Schnitzler in seinem »Schwarzen Kanal« den Westen beschimpfte und die »Aktuelle Kamera« die Verlautbarungen des SED-Staates ausstrahlte.
90 Sekunden für eine Antwort
Die Parteimanager haben nichts dem Zufall überlassen. Bis in feinste Einzelheiten haben die »Paten« der Duellanten, der CDU- Wahlkampfmanager Michael Spreng und Vize-Regierungssprecher Bela Anda, den Ablauf 75 Minuten-Debatte fest gelegt: Die Dauer der Antworten (90 Sekunden je Kandidat), die Nachfragen (zwei Mal je Themenkomplex), die Positionen der Kameras (keine Kamerabewegungen) und die Höhe der elektrisch verstellbaren Rednerpulte hinter denen die Kandidaten stehen. Und damit auch wirklich nichts schief läuft, werden die Duellanten mit jeweils zwei Mikrofonen verkabelt.
Berichte, wonach die Strippenzieher von CDU und SPD sich das Recht vorbehalten wollten, in die Regie einzugreifen, möchte SAT.1- Chefredakteur Jörg Howe nicht kommentieren. »Sehr professionell« seien die Verhandlungen gewesen, sagt er. Zutritt zum Studio haben nur die Kandidaten, die Moderatoren und die Techniker. Draußen, so rechnet Howe, werden zwischen sechs und acht Millionen Zuschauer die Sendung verfolgen.
Mit Hilfe einer ausgeklügelten Logistik soll eine Begegnung von Stoiber und Schröder vor dem Duell verhindert werden. Sie werden sich in separaten, jeweils etwa 140 Quadratmeter großen Räumen auf die Debatte einstimmen, in getrennten »Masken« geschminkt und durch zwei verschiedene Türen in das Studio marschieren.
Unter den Sicherheitskräften wird am Sonntag höchste Alarmstufe herrschen. Das Studiogelände etwa zwölf Kilometer Luftlinie von der Mitte Berlins soll einer Festung gleichen und weiträumig abgeriegelt werden. Auf dem nahe liegenden Flughafen Schönefeld sollen Hubschrauber für jede Eventualität zum Einsatz bereit stehen.
Redezeit wird nach Sekunden bemessen - Notar überwacht Regularien
Die Redezeit der beiden Matadore beim ersten Fernsehduell in den Privatsender RTL und SAT.1 ist bis auf die Sekunde genau identisch. Ein Notar überwacht die Gleichbehandlung der beiden Kandidaten. Auch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten werden sich am 8. September beim zweiten Aufeinandertreffen von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) im Fernsehen an die Zeitvorgaben halten. Beide werden sich bis zu ihrem Auftritt vor den Kameras im Studio »Adlershof« nicht sehen.
Das Duell soll wie folgt ablaufen:
- Die Kandidaten betreten das Studio durch getrennte Türen.
- Die Fragen der Moderatoren werden Themenbereichen zugeordnet.
- Für jedes Thema sind höchstens sieben Minuten vorgesehen.
- Schröder und Stoiber haben für ihre Antwort je 90 Sekunden Zeit.
- Pro Antwort sind zwei Nachfragen möglich, die Antwort darauf darf je Kandidat 60 Sekunden nicht überschreiten.
- Mit einem roten Licht am Pult wird den Kandidaten zehn Sekunden vor Ablauf der Redezeit ein optischer Hinweis gegeben.
- Das Rede-Duell dauert »netto« 75 Minuten.
- Die Moderatoren können Schröder und Stoiber unterbrechen, wenn die Redezeit überschritten wird.
- Gegenseitige Befragungen der Politiker sind nicht vorgesehen.
- Es gibt keine Unterbrechungen durch Werbespots.
- Das Benutzen von Unterlagen ist nicht erlaubt.
»Schauen Sie so, als ob es Ihnen Spaß machen würde«
Einer wird gewinnen. Wahlforscher meinen, dass es Edmund Stoiber schwer haben wird. Denn Gerhard Schröder »kann es so gut, wie praktisch niemand anders«. Vor dem historischen TV- Wahlkampf-Duell von Kanzler und Kandidat an diesem Sonntagabend bei RTL und SAT.1 steigen Spannung und Nervosität, gerade auch bei den Matadoren von SPD und CSU selbst.
Die Kamera ist ein »teuflisch Ding«
RTL-Chefkorrespondent Gerhard Hofmann hat den Duellanten deshalb ein paar Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Die TV-Kamera nämlich ist ein teuflisch Ding, »weil sie einmal schönt und einmal abwertet, weil sie verharmlost und übertreibt, weil sie vernichtet und zum Star macht«.
»...als ob Sie jede Frage zum ersten Mal hören würden«
Der RTL-Mann rät also den Duellanten: »Schauen Sie so, als ob es Ihnen Spaß machen würde, jetzt genau diese und keine andere Frage zu beantworten.« Und: »Schauen Sie so, als ob Sie jede Frage zum ersten Mal hören würden.«
»...hampeln Sie nicht herum«
Weitere Tipps »Achten Sie auf Ihre Körpersprache und hampeln Sie nicht herum.« - »Seien Sie humorvoll und schlagfertig.« Allerdings »in Grenzen«. Und vor allem: »Schauen Sie gut aus.«
Politikforscher sehen TV-Duell positiv - Mit Vorbehalten
Wenn es um telegenes Auftreten geht, dann ist Gerhard Schröder nach gängigem Urteil seinem Herausforderer Edmund Stoiber überlegen: »Der Kanzler kommt besser an, weil er dem Typ des Machers entspricht, der kurzfristig handeln kann«, sagt Prof. Christine Landfried. Dieses Image wird nach Ansicht der Hamburger Politikwissenschaftlerin durch das Fernsehen begünstigt, da das Medium über die Macht der Bilder die Tendenz zur Kurzatmigkeit fördere. »Im Fernsehen ist die Darstellbarkeit von Politik wichtig. Langfristige Perspektiven haben es da immer schwer«.
Ob jedoch Schröder trotz dieses Platzvorteils die beiden TV-Duelle für sich entscheidet, ist für Landfried keineswegs ausgemacht: »Wer den besseren Part spielt, kann man noch nicht sagen. Wichtig ist dabei die Authentizität, also die Frage, wie glaubwürdig politische Aussagen beim Zuschauer ankommen.« Für Landfried und andere Wissenschaftler ist jedoch die Frage von »Sieger« und »Verlierer« im Fernsehduell weniger entscheidend. Viel wichtiger ist ihnen die Frage, ob der Schlagabtausch vor dem Bildschirm auch für die politische Meinungsbildung des Bürgers hilfreich sein kann.
Unstrittig ist, dass die erstmals vor einer Bundestagswahl ausgestrahlten TV-Duelle die Personalisierung im Wahlkampf verstärken. Anders als FDP-Spitzenkandidat Guido Westerwelle, der erfolglos gegen die Duelle vor Gericht klagte, sieht Landfried jedoch darin keine Verfälschung. »Die Parteiendemokratie hat sich gewandelt. Die Auswahl der Eliten in der Politik läuft stark über Personen ab«, sagt die Professorin.
Auch ihr Kollege Claus Leggewie sieht die Rolle der TV-Duelle für die Demokratie grundsätzlich positiv: »Damit können grundsätzlich auch politikferne Sichten erreicht werden.« Der Politologe, Leiter des Zentrums für Medien und Interaktivität an der Universität Gießen, sieht den Fernsehgipfel der beiden Spitzenkandidaten aus einem anderen Grund kritisch: »Der Impuls, ein Duell zu machen, ist dem Bedürfnis der «Kampas» und dem Unterhaltungsformat der Fernsehsender entsprungen.«
Leggewie hätte sich deshalb wie in den USA bei den Debatten der beiden Präsidentschaftsbewerber eine eigene Kommission aus unabhängigen Persönlichkeiten gewünscht, die die TV-Duelle organisiert und eigene Regeln aufstellt. »Was wir erreichen sollten, ist aus einer Zuschauer- eine Beteiligungsdemokratie zu machen, aber die Möglichkeiten des Fernsehens sind hier sehr beschränkt«, meint der Wissenschaftler. Dafür kämen eher die Neuen Medien wie das Internet in Frage. Leggewie hat mit der Plattform www.wahlthemen.de zusammen mit der Bundeszentrale für Politische Bildung selbst eine solche Initiative gestartet.
Als »Inszenierung von Politik im Fernsehen« kritisiert Landfried, dass die Sender im Anschluss an die Duelle in eigenen Sendungen den Schlagabtausch nochmals analysierten. »Viel wichtiger wäre es, dazu Bürger zu befragen und in die Sendungen einzuladen«, sagt die Wissenschaftlerin. Sie gehört zusammen mit Leggewie einer eigens gegründeten »Kommission zu den Kanzlerdebatten« die aus wissenschaftlicher Sicht die beiden Duelle begleiten wird. Mitglied dieser Kommission ist auch das Adolf-Grimme-Institut, das jährlich den renommiertesten deutschen Fernsehpreis verleiht. Auch der Deutschlandfunk kooperiert: Der Hörfunksender wird die Diskussion der »Kommission« live (21.30 Uhr) im Anschluss an die beiden Duelle übertragen.