Christoph Daum lehnt einen Drogentest erneut ab
"Würde Aushebeln des Rechtssystems bedeuten" - Rückzug vom Bundestrainer-Amt befürchtet - Rückendeckung aus der Bundesliga
Von Berries Bossmann und Georg Nolte
Berlin - Christoph Daum geht in die kontrollierte Offensive. Nach den Drogen- und Sexvorwürfen des Bayern-Managers Uli Hoeneß will der designierte Fußball-Bundestrainer in den nächsten Tagen eine Mappe mit entlastendem Beweismaterial an die beiden DFB-Vizepräsidenten Franz Beckenbauer und Gerhard Mayer-Vorfelder schicken. Eine Fortsetzung der Schlammschlacht über die Medien lehnte Daum am Sonntag im Gespräch mit der WELT ebenso ab wie die von den Bayern geforderte Haaranalyse.
"Das würde ein Aushebeln unseres Rechtssystems bedeuten, das wäre ein Angriff auf die Demokratie. Es gibt genügend andere Möglichkeiten, um lückenlos zu dokumentieren, dass widerlegt werden kann, was sich an Gerüchten ergeben hat. Daran habe ich in den letzten Tagen gearbeitet", erklärte Daum vor einem Gespräch mit Manager Reiner Calmund am Nachmittag. Dieser hatte einen "Befreiungsschlag" von Daum angekündigt, erklärte aber am Sonntag: "Wir werden nicht mit Schlamm zurückwerfen." Auch für Daum steht fest: "Wir werden das zu gegebener Zeit präsentieren, aber nicht über die Medien, wir werden intern kommunizieren."
Der Inhalt der Mappe soll aus eidesstattlichen Erklärungen und ärztlichen Dossiers bestehen. So wies Calmund bereits darauf hin, dass sich Daum bei diversen Trainingslagern wie seine Spieler Bluttests unterzogen habe, ohne auffällig geworden zu sein. Zudem würden die Mediziner der früheren Daum-Klubs (Köln, Stuttgart) über Unterlagen mit den Blut- und Urinwerten verfügen, auch seien Untersuchungen bei Professor Heinz Liesen und in einer Schweizer Klinik vorgenommen worden.
Daum dementierte durch seine Einlassung einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" von heute, wonach er seinem Sponsor RWE eine Zusage für eine Haaranalyse gegeben habe, um die Vorwürfe zu widerlegen. Auch eine Veröffentlichung seiner Krankenakten über vier Nasenoperationen, denen sich Daum 1994 in Innsbruck unterzogen hat, kommt für Daum nicht in Frage. Der "Focus" berichtet, Daum wolle auf diesem Weg beweisen, dass seine Nasenschleimhäute nicht durch das Schnupfen von Kokain beschädigt wurden.
Der Versuch der Bayern, die Beweislast umzukehren, ist damit missglückt. Dies dürfte auch Dortmunds Manager Michael Meier zufrieden stellen, der im ZDF-Sportstudio in diesem Zusammenhang von "Pervertierung" gesprochen hat. Für Mayer-Vorfelder steht ebenfalls fest: "Uli Hoeneß hat die Bringschuld, wenn er so etwas behauptet. Ich habe keine Veranlassung, mich von Christoph Daum zu distanzieren." Um die Schlammschlacht zu beenden, will der künftige DFB-Boss die Bundesliga-Beraterrunde "Task Force" zu einem dringenden Krisengipfel bitten. Sein Plan, Daum und Hoeneß an einen Tisch zu holen, ist am Widerstand des Leverkuseners gescheitert: "Die Sache muss ausgetragen werden, der Nachweis der Schuld oder Unschuld muss jetzt erbracht werden." Danach müssten Konsequenzen gezogen werden.
In Daums Umfeld wird bereits befürchtet, dass dieser dem DFB absagen könnte, um sich und seiner Familie weiteres Ungemach zu ersparen. So erklärte Calmund: "Hoeneß hat auch die Folgeschäden für die Kinder von Christoph Daum kalt lächelnd in Kauf genommen." Mayer-Vorfelder hätte daher für eine solche Entscheidung Verständnis (siehe Bericht Seite 26), die auch Teamchef Rudi Völler nicht ausschließt: "Ich werde sehr intensiv dagegenarbeiten. Christoph Daum hat es als Mensch und als Trainer verdient, diesen Posten zu übernehmen." Daum selbst, der am Sonntag entspannt und gut gelaunt wirkte, denkt offiziell nicht an einen geordneten Rückzug: "Ich fühle mich im Prinzip schon als Bundestrainer, daran wird sich nichts ändern."
Doch könnte der Druck auf Daum noch größer werden. Der "Spiegel" berichtet heute, dass die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Unterschlagung eingeleitet hat. Anlass dazu habe die Vernehmung des im Gefängnis sitzenden Immobilienmaklers Jochen Kress gegeben, der sich von Daum um vier Millionen Mark Provision im Zusammenhang mit Daums Wohnanlage Sea Green auf Mallorca betrogen fühlt. Anzeige gegen Daum haben inzwischen auch ein Geschäftsmann aus Süddeutschland sowie ein spanischer Anwalt gestellt.
Während Daum um seinen Ruf kämpft, verteidigt Hoeneß seine verbale Attacke. "Es werden sich in den nächsten Tagen noch viele Leute bei mir entschuldigen", sagte der Manager der "Bild". Weiter wollte er sich nicht äußern, was Beckenbauer so kommentierte: "Vielleicht hat es ihm ein bisschen die Sprache verschlagen nach dem, was über ihn hereingebrochen ist. Aber es wird höchste Zeit, dass er sich zu Wort meldet." Scharfe Kritik an Hoeneß übte auch das Task-Force-Mitglied Jürgen Friedrich, Vorstandsvorsitzender des 1. FC Kaiserslautern, im ZDF-"Sportstudio": "Uli Hoeneß hat nur eine Stimme im deutschen Fußball, er soll sich nicht als Übervater hinstellen, der beleidigt ist, wenn Christoph Daum Bundestrainer wird." Hoeneß habe "mit einem Donnerschlag die Würde eines Menschen verletzt", dies sei ein "Genickschuss für den Sport. Wie soll man den Jugendlichen erklären, dass Daum und Hoeneß Vorbildfunktion haben?"
Über die Motive von Hoeneß wird nach wie vor spekuliert. Eine Erklärung lieferte Mayer-Vorfelder, der bestätigte, was die WELT schon vorige Woche berichtete: Daums Gehalt beim DFB - angeblich fünf Millionen Mark im Jahr plus Prämien - dürfte eine wichtige Rolle spielen. "MV" erhielt vor einigen Wochen einen Anruf von Hoeneß: "Er will von einem Dritten von der finanziellen Forderung Daums erfahren haben, ich solle mich nicht über den Tisch ziehen lassen."
Für Friedrich gibt es im Fall Daum nur eine Lösung: "Mayer-Vorfelder und Beckenbauer müssen beide am Schlafittchen nehmen und an einen Tisch holen."