01. Juli 2005 Börsenmäntel haben auf bestimmte Anlegerschichten schon immer eine besondere Anziehungskraft. Das hat mit den im Erfolgsfall riesigen Gewinnchancen zu tun. Gleichzeitig ist die Spekulation mit derartigen Konstrukten auch sehr risikoreich (lesen Sie dazu auch: Beim Handeln mit Börsenmänteln ist viel Fachwissen gefragt).
Mit der allgemeinen Belebung der Aktienmärkte hat auch das Segment der Börsenmäntel zuletzt wieder eine spürbare Belebung erfahren. FAZ.NET sprach aus diesem Anlaß mit Sam Winkel, Vorstand der Bremer Carthago Capital Beteiligungen AG (ISIN:
, 21,50 Euro). Winkel gilt als ausgewiesener Kenner der Szene, zählt zu den Kerngeschäftsfeldern der börsennotierten Carthago Capital Beteiligungen AG doch auch die Akquisition und Umwidmung von Börsenmänteln.
Daneben ist die Gesellschaft in der Corporate Finance-Beratung für Börsenkandidaten und börsennotierte Unternehmen sowie dem Arbitrage-Handel tätig und hat sich auf Beteiligungen an unterbewerteten börsennotierten Unternehmen spezialisiert. Offenbar mit Erfolg, denn nach einem Gewinn je Aktie von einem Euro im Vorjahr sollen 2005 mindestens 1,50 Euro erwirtschaftet werden.
Herr Winkel, was sind die Gründe dafür, daß Mantelspekulationen zuletzt wieder beliebter geworden sind?
Nach einem eher zurückhaltenden Jahr 2004, rückte das Thema der Mantelspekulation 2005 tatsächlich wieder deutlich mehr in den Fokus der Interessenten und Investoren. Gründe hierfür sind, daß die Börsenlandschaft wieder an Konturen gewinnt und Anleger und Investoren ihren durch die langwährende Baisse aufgekommenen Vertrauensverlust nach und nach abbauen.
Was reizt die Anleger an dem Segment, was sind die Erfolgstugenden und wo liegen die Risiken?
Aus Anlegersicht ist die Mantelspekulation insbesondere dann interessant, wenn man den Reiz des Besonderen liebt und Geduld mitbringt. Viele Börsenmäntel zeichnen sich durch eine jahrelange Seitwärtsbewegung im Kurs aus, um dann, nach Abschluß der Manteltransaktion, einen starken Kursanstieg aufzuweisen. Dennoch muß der Anleger vorsichtig sein: Insbesondere bei Insolvenzwerten muß man sich bewußt sein, daß hier hohe Risiken schlummern. Nicht jeder insolvente Wert wird zum Börsenmantel, teilweise wird die Börsennotierung einfach nach Abschluß des Insolvenzverfahrens eingestellt.
Eine der wichtigsten Tugenden im Börsenmantelgeschäft ist Geduld. Häufig sehen Anleger außergewöhnliche Kursentwicklungen innerhalb kurzer Zeiträume und vergessen dabei, daß fast immer Jahre der Wartens dem vorher gingen. In vielen Fällen ist es durchaus so, daß ein Börsenmantel gut abgehangen sein muß, bevor er knitterfrei, das heißt ohne Altlasten an den Käufer übergeben werden kann.
Was macht Börsenmäntel aus Sicht eines Unternehmens mit Börsenplänen interessant?
Aus Käufersicht sind die wichtigsten Argumente für den Kauf eines Börsenmantels: Schnelligkeit, der Preis und die Flexibilität.
Klassische Börsengänge haben eine Vorlaufzeit von Monaten oder teilweise Jahren, wie man am Beispiel des für 2006 geplanten Börsengangs der Deutschen Bahn sehen kann. Mit einem Börsenmantel kann man innerhalb von wenigen Wochen den Weg an die Börse gehen.
Klasssiche Börsengänge haben ihren Preis - und der liegt häufig jenseits von einer Million Euro allein für die Konsortialbanken. Es kommen Kosten für Wirtschaftsprüfer und Rechtsberater noch hinzu. Börsenmäntel sind häufig schon für weniger als eine Million Euro zu erhalten. Genaue Preise können wir leider nicht nennen, da dies in jedem Fall individuell von den Anforderungen des Kunden sowie vom Marktsegment abhängig ist.
Börsenmäntel im Amtlichen Handel oder Geregelten Markt sind teurer als im Freiverkehr. Dafür bietet sich mit einer solchen Notierung die Möglichkeit in den General oder Prime Standard der Frankfurter Börse aufgenommen zu werden - in Segmente also, in denen die " großen" Werte notiert sind. Börsenmäntel im Freiverkehr haben den Vorteil, daß mit ihnen relativ geringe laufende Kosten verbunden sind.
Zudem bieten Börsenmäntel gerade in Zeiten zurückhaltender Kreditvergabepraxis bei den meisten Banken eine Möglichkeit zur Verbreitung der Eigenkapitalbasis durch Ausgabe von börsennotierten Aktien ohne große Folgekosten. In jüngster Zeit werden auch häufiger so genannte Debt-to-Equity-Swaps vorgenommen, das heißt Unternehmen tauschen Verbindlichkeiten gegen Aktien. Die Gläubiger werden dies in der Regel aber nur akzeptieren, wenn die Aktien börsennotiert sind.
Wie lassen sich interessante Unternehmen ausfindig machen? Welche Beurteilungskriterien gibt es?
Ingesamt haben wir in etwa 150 Werte ständig auf unserer Watchlist, hierunter befinden sich insbesondere Insolvenz- und Konkurswerte. Das Besondere beim Börsenmantelgeschäft ist, daß es kein Beurteilungsschema zur Bewertung von Börsenmänteln geben kann, da jede Gesellschaft stets ihre eigene Geschichte hat und in jeder Gesellschaft die ihr eigenen Probleme verborgen sind, die es zu finden und zu lösen gilt. Zudem kann man nicht davon ausgehen, daß die Beurteilung einer Gesellschaft auf dem Stand von heute auch morgen noch zutreffend ist. Parameter, die wir in diesem sehr zeitabhängigen Geschäft ständig überprüfen sind beispielsweise Börsenkurs und Liquidität der Aktie, Streubesitz, Abgabebereitschaft von Paketaktionären sowie in der Gesellschaft verborgene Risiken, steuerlicher, bilanzieller, rechtlicher oder personeller Natur.
Nur wenn absolut sichergestellt werden kann, daß ein Mantel innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens einem neuen Zweck zugeführt und absolut blütenrein übergeben werden kann und der Einkaufspreis stimmt, wird dieser für uns interessant. Dies trifft bei Auswertung unserer Watchlist regelmäßig auf etwa zwei Dutzend Werte zu. Diese werden dann abermals nach ihrer Güte strukturiert, so daß gemessen am bisherigen Schnitt dieses Jahres in etwa fünf Mäntel pro Jahr parallel bearbeitet werden können.
Wie viele potentielle Mantelkandidaten gibt es auf dem deutschen Kurszettel und wie viele Marktteilnehmer tummeln sich in dem Segment?
Zur Zeit gibt es in etwa 150 potenzielle Börsenmantelkanditen.Als weitere Adresse mit profundem Wissen bezüglich des Börsenmantelgeschäfts ist neben der Carthago Capital Consulting AG noch die Allerthal Werke AG aus Köln zu nennen.
In diesem Jahr ist die Einbringung der Autowelt AG in den German Brokers AG i.K. gescheitert. Lassen sich auf diesem Fall allgemeine Lehren für die Mantelspekulation ableiten?
Nein, da die Einbringung nicht am Börsenmantel an sich, sondern vielmehr an der Vorbereitung der Einbringung gescheitert ist.
Welche Beispiele für eine erfolgreiche und erfolglose Mantelspekulation fallen Ihnen ein?
Erfolglos war die bereits erwähnte Einbringung der Autowelt AG in die German Brokers AG. Erfolgreich verlief dagegen der von uns vermittelte Börsenmantel der Impera AG (vormals Füchsel & Wiegratz AG) nunmehr Impera Total Return AG (ISIN:
DE0005751309). Als weitere erfolgreiche Story's sind die Albis Leasing AG und die Arques Industries AG zu nennen.
Können Sie Namen interessanter Kandidaten nennen, bei denen eine Nutzung des Mantels denkbar wäre?
Die Carthago-Gruppe betreut derzeit beispielsweise den ehemaligen Neuer-Markt-Wert Sunburst Merchandising AG in Insolvenz (ISIN:
DE0007201501) und die insolvente Münchner Softwaregesellschaft Questos AG (ISIN:
DE0005412407). Beide Gesellschaften können nach Durchführung eines Insolvenzplans weitergeführt werden. Weitere Kandidaten können wir bedauerlicher Weise derzeit noch nicht veröffentlichen.
Das Gespräch führte Jürgen Büttner
Text: @JüB
Bildmaterial: Carthago Capital Beteiligungen AG