Buch-Tipp: Amerika, dich hasst sich's besser

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Buch-Tipp: Amerika, dich hasst sich's besser

 
22.05.05 19:22

Warum Europa Amerika hasst

 

Andrei S. Markovits' Buch "Amerika, dich hasst sich's besser" erschien wohl eher ungewollt, aber dennoch passend zur US-Wahl

"Amerika ist anders", leitet Spiegel-Online seinen Kommentar (1) zur Wiederwahl von US-Präsident George W. Bush ein. Wem gegenüber Amerika anders ist, das definiert Gerhard Spörl indes nicht. Und fast könnte man diesen ersten, für einen Text eigentlich doch so wichtigen Satz überlesen - wenn da nicht das Buch von Andrei S. Markovits zur Hand wäre. Es heißt "Amerika, dich hasst sich's besser" und vertritt die These, dass die "Alte Welt" - das derzeit machtlüsterne Europa - nie verkraftet hat, dass die "Neue Welt" eigene Wege ging und geht. Denn Amerika ist halt anders - und zwar anders, als es sich die Eliten der europäischen Hochkultur wünschen.

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Markovits hat mit seinem Buch - Untertitel "Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa" - eigentlich eines über Psychologie statt über Politik geschrieben. Und er liefert einiges an Fakten und Interpretationen, um zu belegen, dass Europa sich selbst immer schon als Hochkultur angesehen hat, während der amerikanische Kontinent und aktuell ganz besonders die USA als vulgärer Ableger angesehen wurden und werden.

"Amerika ist vielen Europäern fremd geworden. Die Wahl hat diesen Eindruck nur bestärkt," schreibt (2) etwa die Süddeutsche Zeitung zur US-Wahl. Und Stefan Kornelius teilt ebenda weiter mit: "Amerika entscheidet aus seiner inneren Befindlichkeit heraus und ist unempfänglich für den Blick von außen." Einordnung, Kritik oder Trotz?

Markovits, 1948 in Rumänien als Kind jüdischer Eltern geboren, teils in Wien aufgewachsen und 1960 in die USA eingewandert, würde solche Aussagen wohl als Trotzreaktion einordnen. Er beobachtet seit langem als Politikwissenschaftler und Soziologe Europa und die USA. Anhand vieler Beispiele stellt er dar, inwieweit beide im Konflikt zueinander stehen. Bei der Lektüre drängt sich dabei immer mehr ein Bild auf: Die USA wuchsen ihrem früheren Erzeuger zuerst in Sachen Demokratie und später machtpolitisch über den Kopf, was zu ähnlichen Konflikten führt wie jenen zwischen dem Macht einbüßenden Vater und dessen Kindern. Der Altersstarrsinn wechselt indes manchmal die Seiten. Und derzeit will sich eben das "Alte Europa" als Jungspund gegen die USA aufbäumen. Denn "zum ersten Mal", so der Autor, "gehört der Antiamerikanismus zum europäischen Mainstream."

"Antiamerikanismus ist eine Emotion, die sich als Analyse verkleidet"

Jener aktuell sehr starke Antiamerikanismus - teils vermischt mit Antisemitismus gegenüber Juden in den USA und Israel - habe sich zwar massiv durch die für den Autor höchst umstrittene Politik von US-Präsident George W. Bush intensiviert. Indes nutze der seit der Entdeckung und Besiedelung Amerikas in Europa bestehende Antiamerikanismus Bush nur als Quasi-Ventil, um endlich wieder "darüber" reden zu dürfen, schreibt Markovits. Und in den aktuellen Wahlkommentaren schimmern denn auch immer wieder Vorwürfe durch, dass die erste Demokratie der Moderne in Gefahr sei, wiewohl Rettung nahe: "Die Verantwortung Europas bei der Verteidigung demokratischer Werte kann sich nur erhöhen," schreibt (3) etwa das liberale französische Blatt "Le Monde".

Der britische "Daily Mirror" mag es um einiges direkter: "Wie können 59.054.087 Menschen so dumm sein?" beschimpft das Blatt die Bush-Wähler. Indes sähen, so eine Agenturmeldung, manche britischen Zeitungen "in der Wiederwahl Bushs auch eine Chance: Europa könne nun enger zusammenrücken." Goedart Palm schreibt bei Telepolis (Bush bleibt Bush, da helfen keine Wahlen (4)), derselben Idee folgend: "Europa tut die Bush-Rosskur in der präsidialen Verlängerungszeit sicher gut. Denn es gilt sich nun verstärkt auf die eigenen Tugenden, so sie vorhanden sind, zu besinnen und die europäische Demokratie als eine internationale Herrschaftsform vorzustellen."

Fraglich dürfte nur sein, ob Europa und die Europäische Union es tatsächlich besser machen als der Sprössling. Denn "Bush und seine Politik liefern ein willkommenes Zerrbild, das in Wahrheit den Blick auf sehr viel tiefer gehende Entfremdung zwischen dem neuen 'Global Player' Europa auf der einen und Amerika auf der anderen Seite verstellt," schreibt Markovits. Und zitiert Todd Gitlin, für den "Antiamerikanismus eine Emotion ist, die sich als Analyse verkleidet." Wobei, nun wieder Markovits, das Anderssein Amerikas von den Europäern nicht akzeptiert werde:

Das Amerikanische 'Andere' dient dazu, Amerika als Ganzes lächerlich zu machen, zu verhöhnen, zu verspotten, zu belehren, es auf keinen Fall als ebenbürtig und gleichwertig zu betrachten.

Wie eingangs betont, eigentlich ist das Buch eines über Psychologie, dessen Lektüre oft sehr unangenehm für den europäischen Leser werden kann. Denn Markovits nennt Beispiele, wie etwa das, dass ein Schriftsteller wie Karl May seine Bücher nur vom Hörensagen her schrieb und so (s)eine Welt des Wilden Westens entwarf. Warum wohl, fragt sich der Autor, identifizieren sich Europäer und Deutsche - die sich eigentlich doch beide tief im Inneren der eigenen weißen Vorherrschaft bewusst seien - im Spiel oder in Filmproduktionen oft mit den "edlen" Indianern, statt mit den vulgären, rüpelhaften Cowboys. Von denen Bush ja auch einer sein soll.

Markovits verweist aber auch auf den europaweiten Aktionstag gegen den Irak-Krieg im Jahre 2003. Dabei hatten in den europäischen Hauptstädten Menschen - von der extremen Linken und Rechten über religiöse Gruppen bis hin zu Parteivertretern jeglicher Couleur (vgl. Grün erneut Farbe der Hoffnung für die Friedensbewegung? (5)) - gegen den Krieg und die Bush-Politik demonstriert.

Tatsächlich haben einige europäische Intellektuelle (und Politiker) diesen Tag zur Geburtsstunde eines vereinten Europas ausgerufen. Wie kein anderer Tag in der europäischen Geschichte hat der 15. Februar 2003 die Europäer emotional vereint.
Andrei S. Markovits

Dass es dem "Alten Europa" dabei sogar gelungen ist, sich als Friedensmacht darzustellen und vergessen zu lassen, wie zeitnah die letzten heimischen Kriege und wie frisch Massaker im Rahmen kolonialer Waffengänge noch waren, dürfte eine solide PR-Leistung gewesen sein. Das sei an dieser Stelle angemerkt für jene, die George W. Bush vorwerfen, mit Lügen an die Macht gekommen zu sein und sich diese ebenso gesichert zu haben. Die Kritik ist zwar berechtigt, aber der Ton macht eben die Musik. Und oft genug zeigt die Art der Kritik an Bush und den USA - sowie Israel - eigentlich mehr über den oder die Kritiker und dessen bzw. deren tief sitzenden Vorurteile.

Andrei S. Markovits: Amerika, dich hasst sich's besser - Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa. Konkret Texte/Verlag (6); 240 Seiten; 15 Euro)

Links

(1) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,326210,00.html
(2) http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/349/42307
(3) http://www.netzeitung.de/spezial/uswahlen2004/311898.html
(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/18/18722/1.html
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/14/14198/1.html
(6) http://www.konkret-verlage.de

Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/r4/artikel/18/18746/1.html

 

Kicky:

das ist eine sehr einseitige Sicht der Dinge

 
22.05.05 20:01
und kommt mir vor wie die These,dass die Deutschen bis jetzt die Untaten an den Juden verdrängt haben und erst mit der Errichtung des Holocaustdenkmals sich dem stellen.Beides stimmt nicht,ich erinnere mich gut,dass wir ausgesprochen proamerikanisch waren in den 50er und 60er Jahren,natürlich bis auf die aufkeimende Kritk am Vietnamkrieg in den 60er Jahren.Und ebenso gilt dies für den Antiamerikanismus,der sehr viel mit den machtpolitischen Ambitionen der USA und dem Irakkrieg zu tun haben,aber garantiert nix mit der Opposition gegen den starken Vater,das ist psychologischer Humbug.

Genau so erinnere ich mich gut an unsere kritische Haltung gegen unseren ehemals Nazi-Deutschlehrer,der in den 50er Jahren die faschistische Haltung immer noch zeigte und an die Diskussionen ,die in den 60er Jahren entstanden zur deutschen Vergangenheit.Es ist einfach Unsinn zu behaupten,die Deutschen hätten das Jahrzehntelang verdrängt und hat nichts mit der Realität zu tun,auch wenn vielleicht meine eigenen Erlebnisse nicht verallgemeinert werden können.
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