Brüssel will Wertpapierregeln reformieren
Neue Transparenzpflichten im außerbörslichen Handel
bü. STRASSBURG, 19. November. Nach zweijähriger Vorarbeit hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Modernisierung der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (ISD) vorgelegt. Die 1993 erlassene Richtlinie bildet das "EU-Grundgesetz" für den Handel mit Wertpapieren. Vor allem bei außerbörslichen Wertpapiergeschäften ist die Regelung in vielen Punkten überholt. Ihre Reform gilt deshalb als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die bis 2005 angestrebte Schaffung eines vollständig integrierten EU-Marktes für Finanzdienstleistungen.
Ein zentraler Punkt der Novelle ist die Förderung des Wertpapierhandels durch Banken und Investmenthäuser, welche die Kundenorders aus dem eigenen Bestand an Angebot und Nachfrage, also unter Umgehung der Börsen, zusammenführen. Diese "Internalisierung" ist in Frankreich, Spanien und Griechenland verboten. Nach dem Vorschlag müßten alle Mitgliedstaaten die Internalisierung zulassen, wenn der Anlegerschutz gewährleistet ist. Vor allem schärfere Transparenzpflichten sollen die Gegner von dieser Neuerung überzeugen. Im Kern läuft der Entwurf darauf hinaus, daß die Preise nach erfolgter Transaktion offengelegt werden müssen. Für die zunächst heftig umstrittene "Pre-Trade-Transparenz" hat sich die Kommission auf eine Kompromißformel verständigt. Wie Bolkestein erläuterte, soll eine Offenlegungspflicht dann gelten, wenn Investmenthäuser und Banken jenseits einer bestimmten Mindestgröße Kleinaufträge ("retail orders") abwickeln. Einzelheitensollen nach Verabschiedung der Richtlinie von Fachausschüssen geklärt werden. Vorgeschrieben würde die Offenlegung ferner für das sogenannte Queuing, bei dem eine Wertpapierfirma limitierte Orders in Erwartung günstigerer Märkte zunächst zurückstellt. Kritik vor allem britischer Wertpapierhäuser an dieser Neuerung wies Bolkestein zurück. Als zusätzliche Einschränkung für die Internalisierung hat die Kommission in ihren Entwurf vorgesehen, daß die interne Abwicklung einer Order "nachweislich" im Interesse des Kunden liegen müsse.
Eine zweite Stoßrichtung des Vorschlages sind Änderungen bei der Zulassung und der Aufsicht von Wertpapierfirmen. Anbieter, welche den Anforderungen der ISD genügen und die Zulassung ihres Heimatlandes haben, dürfen ihre Dienste in der gesamten Europäischen Union offerieren. Die Aufsicht obliegt dabei den Behörden des Herkunftslandes. Dieses Prinzip der gegenseitigen Anerkennung wird in der geltenden Fassung der Richtlinie nur durch eine Mindestharmonisierung der Regeln für den Anlegerschutz ergänzt. Bei grenzüberschreitenden Aktivitäten müssen Investmenthäuser, Makler und Banken deshalb noch immer fünfzehn unterschiedliche Regelwerke beachten. Um den Wert der ISD-Zulassung als "Paß für den Binnenmarkt" zu verbessern, empfiehlt die Kommission nun eine sehr viel weitgehendere Rechtsangleichung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2002, Nr. 270 / Seite 25
Neue Transparenzpflichten im außerbörslichen Handel
bü. STRASSBURG, 19. November. Nach zweijähriger Vorarbeit hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Modernisierung der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (ISD) vorgelegt. Die 1993 erlassene Richtlinie bildet das "EU-Grundgesetz" für den Handel mit Wertpapieren. Vor allem bei außerbörslichen Wertpapiergeschäften ist die Regelung in vielen Punkten überholt. Ihre Reform gilt deshalb als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die bis 2005 angestrebte Schaffung eines vollständig integrierten EU-Marktes für Finanzdienstleistungen.
Ein zentraler Punkt der Novelle ist die Förderung des Wertpapierhandels durch Banken und Investmenthäuser, welche die Kundenorders aus dem eigenen Bestand an Angebot und Nachfrage, also unter Umgehung der Börsen, zusammenführen. Diese "Internalisierung" ist in Frankreich, Spanien und Griechenland verboten. Nach dem Vorschlag müßten alle Mitgliedstaaten die Internalisierung zulassen, wenn der Anlegerschutz gewährleistet ist. Vor allem schärfere Transparenzpflichten sollen die Gegner von dieser Neuerung überzeugen. Im Kern läuft der Entwurf darauf hinaus, daß die Preise nach erfolgter Transaktion offengelegt werden müssen. Für die zunächst heftig umstrittene "Pre-Trade-Transparenz" hat sich die Kommission auf eine Kompromißformel verständigt. Wie Bolkestein erläuterte, soll eine Offenlegungspflicht dann gelten, wenn Investmenthäuser und Banken jenseits einer bestimmten Mindestgröße Kleinaufträge ("retail orders") abwickeln. Einzelheitensollen nach Verabschiedung der Richtlinie von Fachausschüssen geklärt werden. Vorgeschrieben würde die Offenlegung ferner für das sogenannte Queuing, bei dem eine Wertpapierfirma limitierte Orders in Erwartung günstigerer Märkte zunächst zurückstellt. Kritik vor allem britischer Wertpapierhäuser an dieser Neuerung wies Bolkestein zurück. Als zusätzliche Einschränkung für die Internalisierung hat die Kommission in ihren Entwurf vorgesehen, daß die interne Abwicklung einer Order "nachweislich" im Interesse des Kunden liegen müsse.
Eine zweite Stoßrichtung des Vorschlages sind Änderungen bei der Zulassung und der Aufsicht von Wertpapierfirmen. Anbieter, welche den Anforderungen der ISD genügen und die Zulassung ihres Heimatlandes haben, dürfen ihre Dienste in der gesamten Europäischen Union offerieren. Die Aufsicht obliegt dabei den Behörden des Herkunftslandes. Dieses Prinzip der gegenseitigen Anerkennung wird in der geltenden Fassung der Richtlinie nur durch eine Mindestharmonisierung der Regeln für den Anlegerschutz ergänzt. Bei grenzüberschreitenden Aktivitäten müssen Investmenthäuser, Makler und Banken deshalb noch immer fünfzehn unterschiedliche Regelwerke beachten. Um den Wert der ISD-Zulassung als "Paß für den Binnenmarkt" zu verbessern, empfiehlt die Kommission nun eine sehr viel weitgehendere Rechtsangleichung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2002, Nr. 270 / Seite 25