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BRIC-Staaten: Synonym für Wachstum
von Lutz Knappmann
Montag 13. Februar 2006, 09:15 Uhr
Schlagworte beherrschen die Börsenwelt. Unter dem Kürzel BRIC sind Brasilien, Russland, Indien und China zum Inbegriff aufstrebender Wachstumsmärkte geworden und locken die Investoren. Doch trotz aller Gemeinsamkeiten entwickeln sich die vier Länder alles andere als gleichförmig. Nicht nur, weil China alles überragt.
Hamburg - Der heißeste Tipp vieler Renditejäger ist nichts weiter als eine Abkürzung: BRIC. Die vier magischen Buchstaben stehen für die derzeit wohl hoffnungsvollsten aufstrebenden Volkswirtschaften der Welt: Brasilien, Russland, Indien und - vor allem - China. Vier gewaltige Emerging Markets auf der Schwelle zum Erwachsenendasein.
Trotz denkbar großer geographischer und kultureller Unterschiede firmieren sie in der Finanzbranche mittlerweile unter einem gemeinsamen Label. Als dessen Erfinder gilt Jim O'Neill. Der Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs hob das BRIC-Konzept nach eigener Aussage 2001 aus der Taufe. Denn wirtschaftlich, so argumentiert er, verbindet die vier Wachstumskandidaten eine Menge.
"Der große gemeinsame Faktor ist die Globalisierung", erklärt O'Neill gegenüber manager-magazin.de. "Die vier Staaten verbindet das Interesse der multinationalen Konzerne, in diesen großen Wachstumsregionen nicht nur günstig für den Weltmarkt zu produzieren, sondern auch innerhalb dieser Märkte Wachstumspotenziale auszuschöpfen", so O'Neill. Mit anderen Worten: Brasilien, Russland, Indien und China sind nicht nur als billige Produktionsstandorte interessant, sondern bieten schon angesichts ihrer schieren Größe gewaltige, kaum erschlossene Absatzmärkte.
Und das boomende Wirtschaftswachstum in allen vier Staaten gibt O'Neills Konzept offenbar Recht. Kein Wunder, dass sich vor allem risikofreudigere Anleger mit Verve auf BRIC-Investments stürzen - und der Goldman-Sachs-Experte betont: "Wir bevorzugen die BRIC-Staaten. Die größten Chancen für Investments sehen wir 2006 neben Japan vor allem in China und Indien."
Doch nicht alle Experten teilen diesen Optimismus. "BRIC ist zu einem Modebegriff geworden", sagt etwa Fondsmanager Jens Ehrhardt im Gespräch mit manager-magazin.de. Bisweilen werde das Modell auch um Korea erweitert und firmiere dann unter dem Label BRICK. "Ich wehre mich aber gegen solche Modebegriffe", so Ehrhardt. "Wenn sie aufkommen, ist der Trend meist schon ziemlich weit fortgeschritten. Ob es dann noch in ähnlichem Tempo weitergehen kann, möchte ich bezweifeln."
Wie steht es also um die wirtschaftlichen Aussichten den einzelnen Staaten?
China
9,9 Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr - solche Zahlen sorgen für Schlagzeilen. Von den vier BRIC-Staaten genießt China schon seit einigen Jahren die mit Abstand größte Aufmerksamkeit. Die Wirtschaft des Riesenreichs ist die derzeit am schnellsten wachsende der Welt. Und geht es nach den Prognosen der Goldman-Sachs-Experten, ist China spätestens 2035 die weltgrößte Volkswirtschaft. "Wir erwarten, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden Jahren zwischen 8 und 10 Prozent wachsen wird", so O'Neill.
Dabei bräuchte es solche Zahlen nicht einmal, um die spektakuläre Prognose zu erfüllen. Um bis 2035 zur weltweiten Nummer eins zu aufzusteigen, "muss China lediglich um rund 5 Prozent jährlich wachsen", sagt O'Neill. "Es ist bislang bereits schneller gegangen als wir dachten."
Die Zahlen geben die tatsächliche Entwicklung ohnehin nur bedingt wieder: "Das BIP ist nur deshalb nicht noch viel höher, weil die Preise so niedrig sind. Die Produktivität ist in China gewaltig", berichtet Fondsmanager Ehrhardt. Sein Potenzial hat das Land bei weitem noch nicht ausgeschöpft. "China wird zunehmend versuchen, den Binnenkonsum anzukurbeln und so die Abhängigkeit vom Außenhandel zu reduzieren", prophezeit O'Neill. "Langfristig wird das Wachstum so stärker ausbalanciert."
Für 2006 rechnen die Finanzexperten mit einer Steigerung der Unternehmensgewinne um rund 13 Prozent. Die Bewertung der chinesischen Aktien bleibt deshalb weiterhin niedrig. Denn Chinas Börsen haben den beispiellosen Wirtschaftsboom bislang nur halbherzig nachvollzogen. Der Vergleichsindex MSCI Hongkong legte beispielsweise um lediglich rund 15 Prozent zu - während die Kurse in Japan um rund 50 Prozent kletterten.
"Vor wenigen Jahren waren die Unternehmen in China noch viel zu hoch bewertet, das hat sich mittlerweile korrigiert", erklärt Fondsmanager Ehrhardt. "Seither ist das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 70 auf durchschnittlich 15 gefallen." Erst jetzt entdeckten die Investoren daher allmählich die chinesischen Aktienmärkte. "Zudem hat bislang die strenge Reglementierung die Börsenentwicklung ausgebremst. Aber das wird allmählich besser", so Ehrhardt.
So könnte Chinas Börsen der Aufschwung erst noch bevorstehen, den die Wirtschaft insgesamt bereits seit einigen Jahren erlebt. "Interessierte Anleger sollten sich dabei aber an China- oder Hongkong-Fonds halten", so Ehrhardt. "Denn interessant sind dort besonders Mid-Caps, die man hier gar nicht kennt."
Indien
Im Vergleich zum Boom der chinesischen Wirtschaft verblasst die Entwicklung im südlichen Nachbarstaat Indien ein wenig. Dabei fallen die Zahlen kaum weniger spektakulär aus. "Indien dürfte in den kommenden Jahren jeweils zwischen 6 und 9 Prozent Wachstum erleben", erwartet Goldman-Sachs-Volkswirt O'Neill. Damit würde sich das bisherige Wachstumstempo weitgehend fortsetzen.
"Möglicherweise müssen wir unsere Prognosen sogar noch einmal anheben." Denn entscheidend sei, so O'Neill, ob es Indien schafft, stärker als bisher ausländische Investitionen anzuziehen. "2006 wollen wir die Marke von zehn Milliarden Dollar erreichen", sagte der indische Handelsminister Kamal Nath jüngst der "Wirtschaftswoche". Das wäre doppelt so viel wie noch 2004.
"Es scheint manchmal, als seien die Inder etwas neidisch, dass China derzeit so viele Direktinvestitionen anlockt", so Ökonom O'Neill. Dabei erzielt der Subkontinent schon mit einem Bruchteil der Auslandsinvestitionen ein kaum geringeres Wirtschaftswachstum als China. "Indien hat das Potenzial zur drittgrößten Wirtschaft der Welt zu wachsen."
Im Gegensatz zum großen Nachbarn China zog die Börse in Indien bislang mit: Der in Mumbai (Bombay) notierte Aktienindex Sensex hat 2005 rund ein Drittel an Wert gewonnen - und zählt damit zu den erfolgreichsten Handelsplätzen der Welt.
Darin allerdings sieht Fondsmanager Ehrhardt ein Risiko. "Indien ist jetzt beim KGV, gerechnet für 2006, mindestens 20 Prozent teurer als Deutschland", warnt der Experte. "In einem Land, das zwar ein tolles Wachstum hat, aber ansonsten große Probleme, ist die künftige Entwicklung deshalb unsicher." Indiens Infrastruktur sei nach wie vor unterentwickelt, die Inflationsgefahr groß, so die Kritik.
Hinzu kommt die Gefahr, konstatieren auch die Strategen bei Goldman Sachs, dass sich das Gewinnwachstum abschwächt. Die Bewertung der Unternehmen könnte dadurch noch weiter steigen. Trotz anhaltenden Wirtschaftswachstums dürfte das Land so nicht aus dem Schatten Chinas heraustreten.
Russland
Durch wirtschaftliche Erfolgsmeldungen ist das flächenmäßig größte Land der Welt in der Vergangenheit eher selten aufgefallen. Der Yukos-Skandal oder der Gasstreit mit der Ukraine beherrschten die Schlagzeilen - und warfen ein bisweilen beunruhigendes Licht auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft. "Von den vier BRIC-Staaten war Russland immer jener, um den ich mir die meisten Sorgen gemacht habe", sagt Volkswirt O'Neill.
Politische Gründe spielten für ihn dabei nicht einmal eine große Rolle. "Die Wachstumsentwicklung ist immer noch stark abhängig von hohen Rohstoffpreisen", argumentiert O'Neill. "Russland muss sich auf Dauer stark verändern, um diese Abhängigkeit zu verringern." Angesichts der anhaltend hohen Preise traut er Russland jedoch trotzdem 6 bis 7 Prozent Wachstum pro Jahr zu.
Fondsmanager Ehrhardt ist optimistischer: "Natürlich ist Russland ein sehr einseitiger Markt. Die Öl- und Gaspreise dürfen nicht stark fallen", so der Experte. "Aber die Produktionskapazitäten sind derzeit ausgelastet wie noch nie. Um die Preise stark zu drücken bräuchte es schon eine weltweite Rezession." Durch den riesigen Rohstoffhunger der Boomländer China und Indien profitiere Russland von deren Wachstum. "Russland hat in zwei Jahren voraussichtlich keine Staatsschulden mehr und schon jetzt den zweithöchsten Handelsbilanzüberschuss der Welt - nach Deutschland."
Diese Entwicklung schlägt sich auch an der Börse nieder. 2005 kletterte der Moskauer Aktienindex RTS um gut 50 Prozent - und erzielte Rekordhoch um Rekordhoch. Seit Anfang Januar hat er weitere 16 Prozent dazu gewonnen. Es sind freilich vor allem die Öl-Papiere, die auch ausländische Investoren zunehmend an Russlands Aktienmärkte ziehen. Von einer regelrechten "Welle von Geld", die auf das Land zurolle, ist da die Rede. Solange nur das Ölgeschäft boomt. Dieses Risiko bleibt bestehen. "Ich mache mir deshalb auch künftig um Russland mehr Sorgen als um die anderen BRIC-Staaten", so O'Neill.
Brasilien
Ganz anders urteilt der Goldman-Sachs-Chefvolkswirt dagegen über den wichtigsten Wachstumsmarkt Südamerikas. "Interessanterweise ist Brasilien das Land, das meine Kunden meist besonders skeptisch betrachten", berichtet O'Neill. "Ich selbst sehe Brasilien dagegen sehr entspannt."
Denn sein größtes Problem habe das Land mittlerweile gut im Griff: "In den vergangenen 30 Jahren resultierten Brasiliens größte Fehler aus der Hyperinflation", erklärt O'Neill. "Mittlerweile haben sie politische Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen sie die Inflation unter Kontrolle halten können." Nun könnten endlich die tatsächlichen wirtschaftlichen Stärken des Landes zur Geltung kommen.
Und die liegen im Bereich der Rohstoffe. Brasiliens Wirtschaft profitiert von den immens gestiegenen Weltmarktpreisen für Agrarrohstoffe, vor allem aber für Eisenerz. Die brasilianische Ölversorgung ist zudem relativ unabhängig von Importen, das Land entwickelt sich mittlerweile sogar zum Öl-Exporteur.
Dennoch hält das Wirtschaftswachstum des Amazonas-Staates dem Vergleich mit den übrigen BRIC-Ländern nicht stand: Rund 3 Prozent betrug es im vergangenen Jahr, auf ähnlichem Niveau erwarten es die Ökonomen auch künftig. Die Aktienkurse haben sich deutlich rasanter entwickelt. Seit Mitte 2002 hat sich der Bovespa-Index in Sao Paulo gut verdreifacht - und in den vergangenen Wochen immer wieder Rekordstände erklommen.
Das große Risiko, das auch das Wachstum bremst, liegt in Brasiliens Zinsen. "Mit derzeit etwa 17,5 Prozent liegen sie nach wie vor extrem hoch", sagt Fondsmanager Ehrhardt. Das macht das Land für ausländisches Kapital sehr attraktiv - aber gleichzeitig anfällig. "Denn entschließt sich die Notenbank zu Zinssenkungen, um die Konjunktur zu stärken, besteht die Gefahr einer Währungskrise." Denn dann ziehen die Ausländischen Investoren ihr Geld ab - und bringen das Land in Schieflage.
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Gruss Ice
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Börsengewinne sind Schmerzengeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld...(A.K.)
BRIC-Staaten: Synonym für Wachstum
von Lutz Knappmann
Montag 13. Februar 2006, 09:15 Uhr
Schlagworte beherrschen die Börsenwelt. Unter dem Kürzel BRIC sind Brasilien, Russland, Indien und China zum Inbegriff aufstrebender Wachstumsmärkte geworden und locken die Investoren. Doch trotz aller Gemeinsamkeiten entwickeln sich die vier Länder alles andere als gleichförmig. Nicht nur, weil China alles überragt.
Hamburg - Der heißeste Tipp vieler Renditejäger ist nichts weiter als eine Abkürzung: BRIC. Die vier magischen Buchstaben stehen für die derzeit wohl hoffnungsvollsten aufstrebenden Volkswirtschaften der Welt: Brasilien, Russland, Indien und - vor allem - China. Vier gewaltige Emerging Markets auf der Schwelle zum Erwachsenendasein.
Trotz denkbar großer geographischer und kultureller Unterschiede firmieren sie in der Finanzbranche mittlerweile unter einem gemeinsamen Label. Als dessen Erfinder gilt Jim O'Neill. Der Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs hob das BRIC-Konzept nach eigener Aussage 2001 aus der Taufe. Denn wirtschaftlich, so argumentiert er, verbindet die vier Wachstumskandidaten eine Menge.
"Der große gemeinsame Faktor ist die Globalisierung", erklärt O'Neill gegenüber manager-magazin.de. "Die vier Staaten verbindet das Interesse der multinationalen Konzerne, in diesen großen Wachstumsregionen nicht nur günstig für den Weltmarkt zu produzieren, sondern auch innerhalb dieser Märkte Wachstumspotenziale auszuschöpfen", so O'Neill. Mit anderen Worten: Brasilien, Russland, Indien und China sind nicht nur als billige Produktionsstandorte interessant, sondern bieten schon angesichts ihrer schieren Größe gewaltige, kaum erschlossene Absatzmärkte.
Und das boomende Wirtschaftswachstum in allen vier Staaten gibt O'Neills Konzept offenbar Recht. Kein Wunder, dass sich vor allem risikofreudigere Anleger mit Verve auf BRIC-Investments stürzen - und der Goldman-Sachs-Experte betont: "Wir bevorzugen die BRIC-Staaten. Die größten Chancen für Investments sehen wir 2006 neben Japan vor allem in China und Indien."
Doch nicht alle Experten teilen diesen Optimismus. "BRIC ist zu einem Modebegriff geworden", sagt etwa Fondsmanager Jens Ehrhardt im Gespräch mit manager-magazin.de. Bisweilen werde das Modell auch um Korea erweitert und firmiere dann unter dem Label BRICK. "Ich wehre mich aber gegen solche Modebegriffe", so Ehrhardt. "Wenn sie aufkommen, ist der Trend meist schon ziemlich weit fortgeschritten. Ob es dann noch in ähnlichem Tempo weitergehen kann, möchte ich bezweifeln."
Wie steht es also um die wirtschaftlichen Aussichten den einzelnen Staaten?
China
9,9 Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr - solche Zahlen sorgen für Schlagzeilen. Von den vier BRIC-Staaten genießt China schon seit einigen Jahren die mit Abstand größte Aufmerksamkeit. Die Wirtschaft des Riesenreichs ist die derzeit am schnellsten wachsende der Welt. Und geht es nach den Prognosen der Goldman-Sachs-Experten, ist China spätestens 2035 die weltgrößte Volkswirtschaft. "Wir erwarten, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden Jahren zwischen 8 und 10 Prozent wachsen wird", so O'Neill.
Dabei bräuchte es solche Zahlen nicht einmal, um die spektakuläre Prognose zu erfüllen. Um bis 2035 zur weltweiten Nummer eins zu aufzusteigen, "muss China lediglich um rund 5 Prozent jährlich wachsen", sagt O'Neill. "Es ist bislang bereits schneller gegangen als wir dachten."
Die Zahlen geben die tatsächliche Entwicklung ohnehin nur bedingt wieder: "Das BIP ist nur deshalb nicht noch viel höher, weil die Preise so niedrig sind. Die Produktivität ist in China gewaltig", berichtet Fondsmanager Ehrhardt. Sein Potenzial hat das Land bei weitem noch nicht ausgeschöpft. "China wird zunehmend versuchen, den Binnenkonsum anzukurbeln und so die Abhängigkeit vom Außenhandel zu reduzieren", prophezeit O'Neill. "Langfristig wird das Wachstum so stärker ausbalanciert."
Für 2006 rechnen die Finanzexperten mit einer Steigerung der Unternehmensgewinne um rund 13 Prozent. Die Bewertung der chinesischen Aktien bleibt deshalb weiterhin niedrig. Denn Chinas Börsen haben den beispiellosen Wirtschaftsboom bislang nur halbherzig nachvollzogen. Der Vergleichsindex MSCI Hongkong legte beispielsweise um lediglich rund 15 Prozent zu - während die Kurse in Japan um rund 50 Prozent kletterten.
"Vor wenigen Jahren waren die Unternehmen in China noch viel zu hoch bewertet, das hat sich mittlerweile korrigiert", erklärt Fondsmanager Ehrhardt. "Seither ist das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 70 auf durchschnittlich 15 gefallen." Erst jetzt entdeckten die Investoren daher allmählich die chinesischen Aktienmärkte. "Zudem hat bislang die strenge Reglementierung die Börsenentwicklung ausgebremst. Aber das wird allmählich besser", so Ehrhardt.
So könnte Chinas Börsen der Aufschwung erst noch bevorstehen, den die Wirtschaft insgesamt bereits seit einigen Jahren erlebt. "Interessierte Anleger sollten sich dabei aber an China- oder Hongkong-Fonds halten", so Ehrhardt. "Denn interessant sind dort besonders Mid-Caps, die man hier gar nicht kennt."
Indien
Im Vergleich zum Boom der chinesischen Wirtschaft verblasst die Entwicklung im südlichen Nachbarstaat Indien ein wenig. Dabei fallen die Zahlen kaum weniger spektakulär aus. "Indien dürfte in den kommenden Jahren jeweils zwischen 6 und 9 Prozent Wachstum erleben", erwartet Goldman-Sachs-Volkswirt O'Neill. Damit würde sich das bisherige Wachstumstempo weitgehend fortsetzen.
"Möglicherweise müssen wir unsere Prognosen sogar noch einmal anheben." Denn entscheidend sei, so O'Neill, ob es Indien schafft, stärker als bisher ausländische Investitionen anzuziehen. "2006 wollen wir die Marke von zehn Milliarden Dollar erreichen", sagte der indische Handelsminister Kamal Nath jüngst der "Wirtschaftswoche". Das wäre doppelt so viel wie noch 2004.
"Es scheint manchmal, als seien die Inder etwas neidisch, dass China derzeit so viele Direktinvestitionen anlockt", so Ökonom O'Neill. Dabei erzielt der Subkontinent schon mit einem Bruchteil der Auslandsinvestitionen ein kaum geringeres Wirtschaftswachstum als China. "Indien hat das Potenzial zur drittgrößten Wirtschaft der Welt zu wachsen."
Im Gegensatz zum großen Nachbarn China zog die Börse in Indien bislang mit: Der in Mumbai (Bombay) notierte Aktienindex Sensex hat 2005 rund ein Drittel an Wert gewonnen - und zählt damit zu den erfolgreichsten Handelsplätzen der Welt.
Darin allerdings sieht Fondsmanager Ehrhardt ein Risiko. "Indien ist jetzt beim KGV, gerechnet für 2006, mindestens 20 Prozent teurer als Deutschland", warnt der Experte. "In einem Land, das zwar ein tolles Wachstum hat, aber ansonsten große Probleme, ist die künftige Entwicklung deshalb unsicher." Indiens Infrastruktur sei nach wie vor unterentwickelt, die Inflationsgefahr groß, so die Kritik.
Hinzu kommt die Gefahr, konstatieren auch die Strategen bei Goldman Sachs, dass sich das Gewinnwachstum abschwächt. Die Bewertung der Unternehmen könnte dadurch noch weiter steigen. Trotz anhaltenden Wirtschaftswachstums dürfte das Land so nicht aus dem Schatten Chinas heraustreten.
Russland
Durch wirtschaftliche Erfolgsmeldungen ist das flächenmäßig größte Land der Welt in der Vergangenheit eher selten aufgefallen. Der Yukos-Skandal oder der Gasstreit mit der Ukraine beherrschten die Schlagzeilen - und warfen ein bisweilen beunruhigendes Licht auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft. "Von den vier BRIC-Staaten war Russland immer jener, um den ich mir die meisten Sorgen gemacht habe", sagt Volkswirt O'Neill.
Politische Gründe spielten für ihn dabei nicht einmal eine große Rolle. "Die Wachstumsentwicklung ist immer noch stark abhängig von hohen Rohstoffpreisen", argumentiert O'Neill. "Russland muss sich auf Dauer stark verändern, um diese Abhängigkeit zu verringern." Angesichts der anhaltend hohen Preise traut er Russland jedoch trotzdem 6 bis 7 Prozent Wachstum pro Jahr zu.
Fondsmanager Ehrhardt ist optimistischer: "Natürlich ist Russland ein sehr einseitiger Markt. Die Öl- und Gaspreise dürfen nicht stark fallen", so der Experte. "Aber die Produktionskapazitäten sind derzeit ausgelastet wie noch nie. Um die Preise stark zu drücken bräuchte es schon eine weltweite Rezession." Durch den riesigen Rohstoffhunger der Boomländer China und Indien profitiere Russland von deren Wachstum. "Russland hat in zwei Jahren voraussichtlich keine Staatsschulden mehr und schon jetzt den zweithöchsten Handelsbilanzüberschuss der Welt - nach Deutschland."
Diese Entwicklung schlägt sich auch an der Börse nieder. 2005 kletterte der Moskauer Aktienindex RTS um gut 50 Prozent - und erzielte Rekordhoch um Rekordhoch. Seit Anfang Januar hat er weitere 16 Prozent dazu gewonnen. Es sind freilich vor allem die Öl-Papiere, die auch ausländische Investoren zunehmend an Russlands Aktienmärkte ziehen. Von einer regelrechten "Welle von Geld", die auf das Land zurolle, ist da die Rede. Solange nur das Ölgeschäft boomt. Dieses Risiko bleibt bestehen. "Ich mache mir deshalb auch künftig um Russland mehr Sorgen als um die anderen BRIC-Staaten", so O'Neill.
Brasilien
Ganz anders urteilt der Goldman-Sachs-Chefvolkswirt dagegen über den wichtigsten Wachstumsmarkt Südamerikas. "Interessanterweise ist Brasilien das Land, das meine Kunden meist besonders skeptisch betrachten", berichtet O'Neill. "Ich selbst sehe Brasilien dagegen sehr entspannt."
Denn sein größtes Problem habe das Land mittlerweile gut im Griff: "In den vergangenen 30 Jahren resultierten Brasiliens größte Fehler aus der Hyperinflation", erklärt O'Neill. "Mittlerweile haben sie politische Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen sie die Inflation unter Kontrolle halten können." Nun könnten endlich die tatsächlichen wirtschaftlichen Stärken des Landes zur Geltung kommen.
Und die liegen im Bereich der Rohstoffe. Brasiliens Wirtschaft profitiert von den immens gestiegenen Weltmarktpreisen für Agrarrohstoffe, vor allem aber für Eisenerz. Die brasilianische Ölversorgung ist zudem relativ unabhängig von Importen, das Land entwickelt sich mittlerweile sogar zum Öl-Exporteur.
Dennoch hält das Wirtschaftswachstum des Amazonas-Staates dem Vergleich mit den übrigen BRIC-Ländern nicht stand: Rund 3 Prozent betrug es im vergangenen Jahr, auf ähnlichem Niveau erwarten es die Ökonomen auch künftig. Die Aktienkurse haben sich deutlich rasanter entwickelt. Seit Mitte 2002 hat sich der Bovespa-Index in Sao Paulo gut verdreifacht - und in den vergangenen Wochen immer wieder Rekordstände erklommen.
Das große Risiko, das auch das Wachstum bremst, liegt in Brasiliens Zinsen. "Mit derzeit etwa 17,5 Prozent liegen sie nach wie vor extrem hoch", sagt Fondsmanager Ehrhardt. Das macht das Land für ausländisches Kapital sehr attraktiv - aber gleichzeitig anfällig. "Denn entschließt sich die Notenbank zu Zinssenkungen, um die Konjunktur zu stärken, besteht die Gefahr einer Währungskrise." Denn dann ziehen die Ausländischen Investoren ihr Geld ab - und bringen das Land in Schieflage.
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