Die Rallye der vergangenen Tage lässt viele Anleger wieder hoffen. Volker Borghoff, Leiter der Aktienstrategie von HSBC Trinkaus & Burkhardt in Düsseldorf, ist skeptisch. Er glaubt, dass die Aufwärtsdynamik zum Jahresende nachlassen wird.
mm.de: Herr Borghoff, in ihrer Studie "German Strategy Ideas" vom 8. Oktober zeigen Sie sich für die weitere Entwicklung am deutschen Aktienmarkt recht zuversichtlich und prognostizieren bis zum Jahresende einen Dax-Stand von 3200 Punkten. Den haben wir gerade heute erreicht.
Borghoff: Das ist richtig. Als wir die Studie verfassten, lag der Dax erst bei knapp 2700 Punkten. Ein derart dynamischer Anstieg ist im Hinblick auf die extreme Unterbewertung des Marktes Anfang Oktober nicht ungewöhnlich.
mm.de: Welche weitere Entwicklung erwarten Sie nun für die kommenden Wochen?
Borghoff: Unsere aktuelle Erwartung ist, dass wir im Verlauf des vierten Quartals weiter steigende Kurse sehen. Realistisch ist ein Niveau von 3400 bis 3600 Punkten.
mm.de: Worauf gründet sich Ihre Zuversicht?
Borghoff: Auslösendes Moment für unsere positive Bewertung Anfang Oktober war die Erwartung guter Ergebnisse in den USA. Diese sind in der Tat zum großen Teil sehr erfreulich ausgefallen. Außerdem haben wir für unsere Studie verschiedene Statistiken ausgewertet. Sie zeigen unter anderem, dass wir im Durchschnitt der letzten 14 Jahre im vierten Quartal jeweils eine Dax-Rendite von neun Prozent hatten.
Außerdem lässt sich feststellen, dass die fünf Baisse-Phasen in der Zeit seit 1990 alle im September/Oktober endeten. Diese Saison-Zyklik hat sich in diesem Jahr offenbar erneut bestätigt.
mm.de: Wie ist Ihre Erwartung für die ersten Monaten des kommenden Jahres?
Borghoff: Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung im kommenden Jahr etwas schwächer verläuft. Wir haben in vielen Bereichen immer noch Überkapazitäten und bis die abgebaut sind, kann es drei bis vier Jahre dauern. Die Gewinnentwicklung der Unternehmen wird daher weiter enttäuschen. Das sehen wir als sehr schwerwiegenden Faktor.
mm.de: Viele Marktexperten sind inzwischen schon deutlich optimistischer. Einige von ihnen sehen sogar einen neuen Bullenmarkt.
Borghoff: Wir sehen das anders, wir erwarten einen Bullenmarkt nur für das vierte Quartal 2002. In der Vergangenheit hatten viele Unternehmen einen erheblichen Preissetzungsspielraum, den sie nun nicht mehr haben.
Dazu kommt die Überinvestition in den neunziger Jahren, die dazu geführt hat, dass Kapazitäten zu stark ausgeweitet wurden. Außerdem gab und gibt es in vielen Bereichen wie Technik und Telekommunikation einen ruinösen Wettbewerb, der lange nachwirkt. All das drückt auf die Preise. Daher wird der kommende Zyklus anders aussehen als die Zyklen der letzten Jahre.
mm.de: Sie gehen also davon aus, dass wir derzeit nur eine temporäre Gegenbewegung nach oben sehen?
Borghoff: Richtig. Der Markt war kurzfristig zu pessimistisch, was die Gewinnentwicklung anging, vor allem in den USA. Das hatte die Kurse übertrieben stark unter Druck gesetzt. Ich glaube, wenn diese Übertreibung korrigiert worden ist, werden uns die fundamentalen Probleme - schwache Konjunktur und schwache Unternehmensergebnisse - wieder einholen.
mm.de: Wie bewerten Sie den Einfluss der aktuellen politischen Entwicklung?
Borghoff: Wir haben ja 1990/91 gesehen, dass der Markt nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait stark eingebrochen ist und als der Krieg im Januar 1991 begann, ging es wieder nach oben. Daher könnte man vermuten, dass es diesmal - falls es zu einem militärischen Schlagabtausch im Irak kommen sollte - ähnlich läuft.
Allerdings ist die Situation diesmal etwas anders, da die aktuellen Probleme deutlich vielschichtiger sind. Es gibt derzeit so viele Unwägbarkeiten in der geopolitischen Krise, dass man keine seriösen Prognosen treffen kann. Allerdings bin ich der Ansicht, dass die Märkte sich auf alle Eventualitäten eingestellt haben. Mit anderen Worten: Die Kurse haben kurzfristig so stark nachgegeben, dass ein Krieg an den Börsen gewissermaßen eingepreist ist.
mm.de: Wie sieht es auf bundespolitischer Ebene aus? Derzeit hört man ja jeden Tag neue Hiobsbotschaften aus Berlin ...
Borghoff: Auch dieser Faktor ist nach meiner Einschätzung schon in den Kursen enthalten, schließlich ging es in den Tagen nach der Bundestagswahl deutlich nach unten. Daraus folgt für mich: Der Investor hat relativ schnell erkannt, dass von dieser Regierung aus seiner Sicht nichts Positives zu erwarten ist und dass diese Legislaturperiode eigentlich nur noch schlimmer werden kann.
mm.de: Die großen Konzerne sehen das offenbar ähnlich, zumindest drohen sie bereits an, dass sie Deutschland verlassen wollen.
Borghoff: Das stimmt. Man darf allerdings nicht vergessen, dass viele dieser Unternehmen so global aufgestellt sind, dass sie sich diesen politischen Implikationen in Deutschland entziehen können. Anders ist es bei den Banken, die immer noch den Großteil ihres Geldes im Inland verdienen.
mm.de: Für die Versicherer sind Sie offenbar deutlich optimistischer, jedenfalls raten Sie in Ihrer Studie zum "Übergewichten" dieses Sektors. Was stimmt Sie so zuversichtlich für die Versicherungsbranche?
Borghoff: Zunächst muss man sagen, dass der Subindex Dax 100 Versicherungen von Anfang Juni bis Anfang Oktober fast 59 Prozent an Wert verloren hat. Dies entspricht einer relativen Performance von minus 30,6 Prozent.
Das hatte zweifellos mit den starken Kursverlusten an den Weltbörsen zu tun, die den Wert der umfangreichen Unternehmensbeteiligungen stark reduziert haben. Dieser Effekt dreht sich um, wenn die Finanzmärkte wieder zulegen. Außerdem darf man nicht vergessen, dass das operative Geschäft der Versicherungen nach wie vor gesund und infolge massiver Prämienerhöhungen in einigen Bereichen sehr rentabel ist.
mm.de: Den Bereich Handel und Konsum haben Sie dagegen von "Übergewichten" auf "neutral gewichten" herabgestuft. Warum?
Borghoff: Anfang August waren wir da noch zuversichtlicher, was vor allem mit der extrem niedrigen Bewertung und der vergleichsweise hohen Visibilität der Unternehmensgewinne zu tun hatte. Nun hat sich die Situation etwas geändert. Die Diskussion um weitere Steuererhöhungen, hohe Defizite in Kranken- und Rentenversicherung und ein Anstieg der (strukturellen) Arbeitslosigkeit werden den Konsum vermutlich stärker als bisher belasten.
Allerdings sind einzelne Werte wie Metro und KarstadtQuelle auf dem jetzigen niedrigen Stand dieser Negativfaktoren für uns durchaus interessant, weil deutlich unterbewertet. Aufstocken würden wir Adidas Salomon und Puma .
mm.de: Wenig Hoffnung haben Sie offenbar für den Bereich Maschinenbau, den Sie auf "Untergewichten" zurückgenommen haben.
Borghoff: Dafür gab es zwei Argumente. Das erste ist die Ifo-Erwartungskomponente, die in den ersten sechs Monaten des Jahres zu stark nach oben gegangen war. Daher erwarten wir hier eine größere Korrektur, was Industrietitel traditionell belastet. Das zweite Argument sind die schwachen Aktienkurse auf breiter Front, die dazu führen, dass auch die Entscheider in den großen Konzernen sich derzeit mit Investitionen sehr zurückhalten, wenn die Aktie des eigenen Unternehmens zu stark gefallen ist.
Dazu kommt die schwache Auftragslage im Inlandsgeschäft und Risiken im Export. Fazit: Wir rechnen nicht damit, dass bei einer Trendwende am Aktienmarkt diese Titel im Blickpunkt der Investoren stehen.
mm.de: Herr Borghoff, in ihrer Studie "German Strategy Ideas" vom 8. Oktober zeigen Sie sich für die weitere Entwicklung am deutschen Aktienmarkt recht zuversichtlich und prognostizieren bis zum Jahresende einen Dax-Stand von 3200 Punkten. Den haben wir gerade heute erreicht.
Borghoff: Das ist richtig. Als wir die Studie verfassten, lag der Dax erst bei knapp 2700 Punkten. Ein derart dynamischer Anstieg ist im Hinblick auf die extreme Unterbewertung des Marktes Anfang Oktober nicht ungewöhnlich.
mm.de: Welche weitere Entwicklung erwarten Sie nun für die kommenden Wochen?
Borghoff: Unsere aktuelle Erwartung ist, dass wir im Verlauf des vierten Quartals weiter steigende Kurse sehen. Realistisch ist ein Niveau von 3400 bis 3600 Punkten.
mm.de: Worauf gründet sich Ihre Zuversicht?
Borghoff: Auslösendes Moment für unsere positive Bewertung Anfang Oktober war die Erwartung guter Ergebnisse in den USA. Diese sind in der Tat zum großen Teil sehr erfreulich ausgefallen. Außerdem haben wir für unsere Studie verschiedene Statistiken ausgewertet. Sie zeigen unter anderem, dass wir im Durchschnitt der letzten 14 Jahre im vierten Quartal jeweils eine Dax-Rendite von neun Prozent hatten.
Außerdem lässt sich feststellen, dass die fünf Baisse-Phasen in der Zeit seit 1990 alle im September/Oktober endeten. Diese Saison-Zyklik hat sich in diesem Jahr offenbar erneut bestätigt.
mm.de: Wie ist Ihre Erwartung für die ersten Monaten des kommenden Jahres?
Borghoff: Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung im kommenden Jahr etwas schwächer verläuft. Wir haben in vielen Bereichen immer noch Überkapazitäten und bis die abgebaut sind, kann es drei bis vier Jahre dauern. Die Gewinnentwicklung der Unternehmen wird daher weiter enttäuschen. Das sehen wir als sehr schwerwiegenden Faktor.
mm.de: Viele Marktexperten sind inzwischen schon deutlich optimistischer. Einige von ihnen sehen sogar einen neuen Bullenmarkt.
Borghoff: Wir sehen das anders, wir erwarten einen Bullenmarkt nur für das vierte Quartal 2002. In der Vergangenheit hatten viele Unternehmen einen erheblichen Preissetzungsspielraum, den sie nun nicht mehr haben.
Dazu kommt die Überinvestition in den neunziger Jahren, die dazu geführt hat, dass Kapazitäten zu stark ausgeweitet wurden. Außerdem gab und gibt es in vielen Bereichen wie Technik und Telekommunikation einen ruinösen Wettbewerb, der lange nachwirkt. All das drückt auf die Preise. Daher wird der kommende Zyklus anders aussehen als die Zyklen der letzten Jahre.
mm.de: Sie gehen also davon aus, dass wir derzeit nur eine temporäre Gegenbewegung nach oben sehen?
Borghoff: Richtig. Der Markt war kurzfristig zu pessimistisch, was die Gewinnentwicklung anging, vor allem in den USA. Das hatte die Kurse übertrieben stark unter Druck gesetzt. Ich glaube, wenn diese Übertreibung korrigiert worden ist, werden uns die fundamentalen Probleme - schwache Konjunktur und schwache Unternehmensergebnisse - wieder einholen.
mm.de: Wie bewerten Sie den Einfluss der aktuellen politischen Entwicklung?
Borghoff: Wir haben ja 1990/91 gesehen, dass der Markt nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait stark eingebrochen ist und als der Krieg im Januar 1991 begann, ging es wieder nach oben. Daher könnte man vermuten, dass es diesmal - falls es zu einem militärischen Schlagabtausch im Irak kommen sollte - ähnlich läuft.
Allerdings ist die Situation diesmal etwas anders, da die aktuellen Probleme deutlich vielschichtiger sind. Es gibt derzeit so viele Unwägbarkeiten in der geopolitischen Krise, dass man keine seriösen Prognosen treffen kann. Allerdings bin ich der Ansicht, dass die Märkte sich auf alle Eventualitäten eingestellt haben. Mit anderen Worten: Die Kurse haben kurzfristig so stark nachgegeben, dass ein Krieg an den Börsen gewissermaßen eingepreist ist.
mm.de: Wie sieht es auf bundespolitischer Ebene aus? Derzeit hört man ja jeden Tag neue Hiobsbotschaften aus Berlin ...
Borghoff: Auch dieser Faktor ist nach meiner Einschätzung schon in den Kursen enthalten, schließlich ging es in den Tagen nach der Bundestagswahl deutlich nach unten. Daraus folgt für mich: Der Investor hat relativ schnell erkannt, dass von dieser Regierung aus seiner Sicht nichts Positives zu erwarten ist und dass diese Legislaturperiode eigentlich nur noch schlimmer werden kann.
mm.de: Die großen Konzerne sehen das offenbar ähnlich, zumindest drohen sie bereits an, dass sie Deutschland verlassen wollen.
Borghoff: Das stimmt. Man darf allerdings nicht vergessen, dass viele dieser Unternehmen so global aufgestellt sind, dass sie sich diesen politischen Implikationen in Deutschland entziehen können. Anders ist es bei den Banken, die immer noch den Großteil ihres Geldes im Inland verdienen.
mm.de: Für die Versicherer sind Sie offenbar deutlich optimistischer, jedenfalls raten Sie in Ihrer Studie zum "Übergewichten" dieses Sektors. Was stimmt Sie so zuversichtlich für die Versicherungsbranche?
Borghoff: Zunächst muss man sagen, dass der Subindex Dax 100 Versicherungen von Anfang Juni bis Anfang Oktober fast 59 Prozent an Wert verloren hat. Dies entspricht einer relativen Performance von minus 30,6 Prozent.
Das hatte zweifellos mit den starken Kursverlusten an den Weltbörsen zu tun, die den Wert der umfangreichen Unternehmensbeteiligungen stark reduziert haben. Dieser Effekt dreht sich um, wenn die Finanzmärkte wieder zulegen. Außerdem darf man nicht vergessen, dass das operative Geschäft der Versicherungen nach wie vor gesund und infolge massiver Prämienerhöhungen in einigen Bereichen sehr rentabel ist.
mm.de: Den Bereich Handel und Konsum haben Sie dagegen von "Übergewichten" auf "neutral gewichten" herabgestuft. Warum?
Borghoff: Anfang August waren wir da noch zuversichtlicher, was vor allem mit der extrem niedrigen Bewertung und der vergleichsweise hohen Visibilität der Unternehmensgewinne zu tun hatte. Nun hat sich die Situation etwas geändert. Die Diskussion um weitere Steuererhöhungen, hohe Defizite in Kranken- und Rentenversicherung und ein Anstieg der (strukturellen) Arbeitslosigkeit werden den Konsum vermutlich stärker als bisher belasten.
Allerdings sind einzelne Werte wie Metro und KarstadtQuelle auf dem jetzigen niedrigen Stand dieser Negativfaktoren für uns durchaus interessant, weil deutlich unterbewertet. Aufstocken würden wir Adidas Salomon und Puma .
mm.de: Wenig Hoffnung haben Sie offenbar für den Bereich Maschinenbau, den Sie auf "Untergewichten" zurückgenommen haben.
Borghoff: Dafür gab es zwei Argumente. Das erste ist die Ifo-Erwartungskomponente, die in den ersten sechs Monaten des Jahres zu stark nach oben gegangen war. Daher erwarten wir hier eine größere Korrektur, was Industrietitel traditionell belastet. Das zweite Argument sind die schwachen Aktienkurse auf breiter Front, die dazu führen, dass auch die Entscheider in den großen Konzernen sich derzeit mit Investitionen sehr zurückhalten, wenn die Aktie des eigenen Unternehmens zu stark gefallen ist.
Dazu kommt die schwache Auftragslage im Inlandsgeschäft und Risiken im Export. Fazit: Wir rechnen nicht damit, dass bei einer Trendwende am Aktienmarkt diese Titel im Blickpunkt der Investoren stehen.