Engelbert Hörmannsdorfer:
Nostradamus - oder doch besser Kondratieff?
Nach den Terror-Anschlägen vom 11. September sprang in den Internet-Suchmaschinen ein Begriff ganz nach oben in die Hitliste: Nostradamus. Die Menschen suchten Hinweise, ob sich in den Versen des Sehers aus dem 16. Jahrhundert dieses Unglück herauslesen lässt - und wie es danach möglicherweise weitergeht. Den esoterischen Interpreten hat es vor allem der 97. Vers angetan: »Fünf & vierzig Grad der Himmel wird brennen/Feuer nähert sich der grossen neuen Stadt/Drauf wird umherliegende grosse Flamme hochspringen/Wenn man die Normannen prüfen wollen wird.« Nun ja, Manhatten liegt am 40. Breitengrad. Und etwas zukunftsweisendes gibt es anschliessend auch nicht.
Bislang haben sich gottlob nur einzelne in diversen Internet-Diskussionsboards von einer Nostradamus-Hysterie anstecken lassen. Und so lange Kommentatoren im Börsenfernsehen auch noch nicht die Astrologie zu Rate ziehen, so lange ist die Vernunft an den Börsen noch nicht völlig verloren.
Wer sich indes tatsächlich dafür interessiert, wie es in den nächsten Jahren weitergehen könnte - und nicht nur in den nächsten Wochen und Monaten -, für den lohnt sich ein Blick in das Buch »Der sechste Kondratieff« allemal. Der Russe Nicolai Kondratieff entwickelte bereits 1926 seine Theorie der »langen Wellen«, auch »Kondratieff-Zyklen« genannt. Inhalt: Wirtschaftliche Entwicklungen sind nicht allein durch das Auftreten vorübergehender Konjunkturschwankungen gekennzeichnet. Auch lange Phasen von Aufschwung und Rezession kehren regelmässig wieder. In einem Abstand von 40 bis 60 Jahren, so Kondratieffs Theorie, durchlaufen marktwirtschaftlich organisierte Länder entscheidende Reorganisationsprozesse. Auslöser solcher Langzeitzyklen sind immer so genannten Basisinnovationen.
Ich möchte Ihnen jetzt hier nicht seine gesamte Theorie darlegen, das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Entscheidend ist indes: Nach seiner Meinung sind wir jetzt am Ende des fünften Zyklus angelangt, und der sechste müsste nun langsam beginnen. Im 5. Kondratieff ging es um Information und deren Verbreitung. Der Russe sah schon am Anfang des letzten Jahrhunderst damit sozusagen Computer und Internet voraus. Doch die Wachstumsgrenze dieses Informationsmarktes ist nahezu erreicht, der Einsatz modernster Technologien in den Betrieben bringt nur noch geringe Wettbewerbsvorteile. Alle Firmen haben die gleichen Computer und die gleichen Internet-Anschlüsse. Im dritten Quartal ist der PC-Markt weltweit eingebrochen. 30,7 Mio. Personal Computer wurden von Anfang Juli bis Ende September rund um den Globus ausgeliefert, das sich 11,6% weniger als im vergleichbaren Vorjahresquartal (Quelle: Marktforschungsinstitut Gartner Dataquest; andere Marktforscher kommen zu ähnlichen Ergebnissen). Die klassischen Wettbewerbsfaktoren wie Kapital und Fachkenntnisse verlieren ebenfalls an Bedeutung: Kapital steht weltweit zur Verfügung, und die Fachkompetenzen von Japanern, Europäern und Amerikanern in der Informatik sind nahezu gleich.
Die letzte Phase eines Kondratieff-Zyklus wird üblicherweise von einer Krise begleitet, möglicherweise sogar von einer Rezession. Und ein neuer Zyklus startet - wie schon oben angemerkt - mit einer so genannten Basisinnovation. Eine solche hatten wir in der Tat in diesem Jahr: die Entschlüsselung der DNA. Sie wird eine vollkommen neue Form der Biotechnologie ermöglichen. Interessanterweise korreliert dies extrem mit den Prognosen des russischen Forschers: Nach seiner Meinung wird der 6. Kondratieff vom Thema Gesundheit dominiert. Artverwandte Themen wie Umweltmarkt, Biotechnologie allgemein, optische Technologien und vor allem alternative Energiequellen (wie Solarenergie) gehören hier nach meiner Ansicht in den gleichen Korb. All diese aufkommenden Märkte haben einen gemeinsamen Nenner: Gesundheit. Schon jetzt sind Marktforschern zufolge zwei Drittel der Menschen in den hochentwickelten Ländern bereit, mehr Geld für ihre Gesundheit auszugeben. Hier gibt es eine angestaute Nachfrage.
Aber noch ist es nicht so weit, dass die Märkte deswegen explodieren. Auch die Digitaltechnik von Konrad Zuse - die Basisinnovation der Computertechnik - brauchte rund zehn Jahre, bis sie vermarktungsreif war. Und noch mal 50 Jahre später fackelte sie ein Feuerwerk ab in Form von PC-Absatzrekorden und der Entstehung des Internet. Wenn also Kondratieff Recht hat, und wir in der ersten Phase eines langfristigen Trendwechsels (»Grandsupercycle«) stehen, dann besteht auch die Möglichkeit, dass die Börse derzeit - und vermutlich noch die nächsten Jahre - die Kursausschläge der letzten Jahrzehnte korrigieren könnte. Selbst charttechnisch liesse sich so etwas konstruieren. Wenn Sie sich den Dax über die letzten Jahre und Jahrzehnte genau anschauen, könnten Sie mit etwas Fantasie erkennen, dass wir zuletzt ein Hoch um die 6.000 Punkte in 1998 hatten, und ein Hoch bei 8.000 Punkten im Jahr 2000. Nun könnte noch ein weitere Hochpunkt zwischen 5.500 und 6.000 Zählern in 2001 oder 2002 denkbar sein. Träfe dies ein, dann wäre eine Baisse über viele Jahre vorstellbar - bis aus der Basisinnovation (DNA-Entschlüsselung) vermarktungsfähige Produkte und neue Märkte entstehen.
Nun, ganz so weit ist es noch nicht. Die IT-Industrie wird weiterhin bestehen und Innovationen hervorbringen. Aber die Glitzerwelt der Technologie büsst zweifelsohne derzeit an Anziehungskraft ein. Viel wahrscheinlicher ist eher, dass der Technologiezyklus, der der IT-Branche innewohnt, durch einen weiteren ergänzt, aber nicht ersetzt wird. Wie auch immer: Mit und ohne Kondratieff spielen die Märkte derzeit die Erholungskarte - und das heisst zumindest mittelfristig weiter freundliche Kurse.
Engelbert Hörmannsdorfer
Nostradamus - oder doch besser Kondratieff?
Nach den Terror-Anschlägen vom 11. September sprang in den Internet-Suchmaschinen ein Begriff ganz nach oben in die Hitliste: Nostradamus. Die Menschen suchten Hinweise, ob sich in den Versen des Sehers aus dem 16. Jahrhundert dieses Unglück herauslesen lässt - und wie es danach möglicherweise weitergeht. Den esoterischen Interpreten hat es vor allem der 97. Vers angetan: »Fünf & vierzig Grad der Himmel wird brennen/Feuer nähert sich der grossen neuen Stadt/Drauf wird umherliegende grosse Flamme hochspringen/Wenn man die Normannen prüfen wollen wird.« Nun ja, Manhatten liegt am 40. Breitengrad. Und etwas zukunftsweisendes gibt es anschliessend auch nicht.
Bislang haben sich gottlob nur einzelne in diversen Internet-Diskussionsboards von einer Nostradamus-Hysterie anstecken lassen. Und so lange Kommentatoren im Börsenfernsehen auch noch nicht die Astrologie zu Rate ziehen, so lange ist die Vernunft an den Börsen noch nicht völlig verloren.
Wer sich indes tatsächlich dafür interessiert, wie es in den nächsten Jahren weitergehen könnte - und nicht nur in den nächsten Wochen und Monaten -, für den lohnt sich ein Blick in das Buch »Der sechste Kondratieff« allemal. Der Russe Nicolai Kondratieff entwickelte bereits 1926 seine Theorie der »langen Wellen«, auch »Kondratieff-Zyklen« genannt. Inhalt: Wirtschaftliche Entwicklungen sind nicht allein durch das Auftreten vorübergehender Konjunkturschwankungen gekennzeichnet. Auch lange Phasen von Aufschwung und Rezession kehren regelmässig wieder. In einem Abstand von 40 bis 60 Jahren, so Kondratieffs Theorie, durchlaufen marktwirtschaftlich organisierte Länder entscheidende Reorganisationsprozesse. Auslöser solcher Langzeitzyklen sind immer so genannten Basisinnovationen.
Ich möchte Ihnen jetzt hier nicht seine gesamte Theorie darlegen, das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Entscheidend ist indes: Nach seiner Meinung sind wir jetzt am Ende des fünften Zyklus angelangt, und der sechste müsste nun langsam beginnen. Im 5. Kondratieff ging es um Information und deren Verbreitung. Der Russe sah schon am Anfang des letzten Jahrhunderst damit sozusagen Computer und Internet voraus. Doch die Wachstumsgrenze dieses Informationsmarktes ist nahezu erreicht, der Einsatz modernster Technologien in den Betrieben bringt nur noch geringe Wettbewerbsvorteile. Alle Firmen haben die gleichen Computer und die gleichen Internet-Anschlüsse. Im dritten Quartal ist der PC-Markt weltweit eingebrochen. 30,7 Mio. Personal Computer wurden von Anfang Juli bis Ende September rund um den Globus ausgeliefert, das sich 11,6% weniger als im vergleichbaren Vorjahresquartal (Quelle: Marktforschungsinstitut Gartner Dataquest; andere Marktforscher kommen zu ähnlichen Ergebnissen). Die klassischen Wettbewerbsfaktoren wie Kapital und Fachkenntnisse verlieren ebenfalls an Bedeutung: Kapital steht weltweit zur Verfügung, und die Fachkompetenzen von Japanern, Europäern und Amerikanern in der Informatik sind nahezu gleich.
Die letzte Phase eines Kondratieff-Zyklus wird üblicherweise von einer Krise begleitet, möglicherweise sogar von einer Rezession. Und ein neuer Zyklus startet - wie schon oben angemerkt - mit einer so genannten Basisinnovation. Eine solche hatten wir in der Tat in diesem Jahr: die Entschlüsselung der DNA. Sie wird eine vollkommen neue Form der Biotechnologie ermöglichen. Interessanterweise korreliert dies extrem mit den Prognosen des russischen Forschers: Nach seiner Meinung wird der 6. Kondratieff vom Thema Gesundheit dominiert. Artverwandte Themen wie Umweltmarkt, Biotechnologie allgemein, optische Technologien und vor allem alternative Energiequellen (wie Solarenergie) gehören hier nach meiner Ansicht in den gleichen Korb. All diese aufkommenden Märkte haben einen gemeinsamen Nenner: Gesundheit. Schon jetzt sind Marktforschern zufolge zwei Drittel der Menschen in den hochentwickelten Ländern bereit, mehr Geld für ihre Gesundheit auszugeben. Hier gibt es eine angestaute Nachfrage.
Aber noch ist es nicht so weit, dass die Märkte deswegen explodieren. Auch die Digitaltechnik von Konrad Zuse - die Basisinnovation der Computertechnik - brauchte rund zehn Jahre, bis sie vermarktungsreif war. Und noch mal 50 Jahre später fackelte sie ein Feuerwerk ab in Form von PC-Absatzrekorden und der Entstehung des Internet. Wenn also Kondratieff Recht hat, und wir in der ersten Phase eines langfristigen Trendwechsels (»Grandsupercycle«) stehen, dann besteht auch die Möglichkeit, dass die Börse derzeit - und vermutlich noch die nächsten Jahre - die Kursausschläge der letzten Jahrzehnte korrigieren könnte. Selbst charttechnisch liesse sich so etwas konstruieren. Wenn Sie sich den Dax über die letzten Jahre und Jahrzehnte genau anschauen, könnten Sie mit etwas Fantasie erkennen, dass wir zuletzt ein Hoch um die 6.000 Punkte in 1998 hatten, und ein Hoch bei 8.000 Punkten im Jahr 2000. Nun könnte noch ein weitere Hochpunkt zwischen 5.500 und 6.000 Zählern in 2001 oder 2002 denkbar sein. Träfe dies ein, dann wäre eine Baisse über viele Jahre vorstellbar - bis aus der Basisinnovation (DNA-Entschlüsselung) vermarktungsfähige Produkte und neue Märkte entstehen.
Nun, ganz so weit ist es noch nicht. Die IT-Industrie wird weiterhin bestehen und Innovationen hervorbringen. Aber die Glitzerwelt der Technologie büsst zweifelsohne derzeit an Anziehungskraft ein. Viel wahrscheinlicher ist eher, dass der Technologiezyklus, der der IT-Branche innewohnt, durch einen weiteren ergänzt, aber nicht ersetzt wird. Wie auch immer: Mit und ohne Kondratieff spielen die Märkte derzeit die Erholungskarte - und das heisst zumindest mittelfristig weiter freundliche Kurse.
Engelbert Hörmannsdorfer