Für alle Bob Dylan-Fans:Hier die Kritik
OPEN AIR / Bob Dylan in Schwäbisch Gmünd
Den Tambourine Man auf den Kopf gestellt
12000 Besucher wollten Bob Dylan bei seinem Freiluftkonzert in Schwäbisch Gmünd live erleben und feierten die 60-jährige Songwriter-Legende enthusiastisch. Neben wichtigen Liedern der Sechziger Jahre gab es einige der größten Hits zu hören, oft in erstaunlichen Versionen.
UDO EBERL
SCHWÄBISCH GMÜND· ¸¸Things Have Changed?'' Keine Frage, aber für den Publikumsmagneten Bob Dylan scheint die Zeit, zumindest was die Gunst der Fans angeht, stehen geblieben zu sein. 12000 Fans im Schwäbisch Gmünder Universitätspark wollten Dylan nicht verpassen, der kürzlich, am 24. Mai, 60 Jahre alt geworden ist. An Rente denkt dieser hörbar noch lange nicht, auch wenn die Konzertplakate mit der Aufschrift ¸¸Don't You Dare Miss It'' (Wagen Sie nicht, es zu verpassen) das Gefühl aufkommen lassen, man bekomme hier die letzte Chance, eine der größten lebenden Rocklegenden noch einmal live zu sehen.
Alles spielt mit, sogar das Wetter. Klar, wenn ein Gott der Rockmusik auf der Bühne steht, dann sind da höhere Mächte mit im Spiel. Nur der erste Song, Country pur, lässt Befürchtungen aufkommen. Wird das der Sound zum Barbecue? Lässt Robert Allen Zimmermann das Publikum soundmäßig im Regen stehen? Von wegen.
Dylan beruhigt die Menge, in der viele Fans die Songs bereits mitsangen, als sie druckfrisch auf Vinyl erschienen, mit dem ewig jungen ¸¸The Times they are A-Changin'''. Und mit dem Longsong ¸¸Desolation Row'', nicht nur für die härtesten Fans ein Meilenstein der Rockmusik, setzt er gleich noch einen drauf. Was für ein Text. Poesie, Lyrik. Als ¸¸The Thinking Man's Elvis'' hat Andy Warhol Dylan einst bezeichnet, das Fachblatt Sounds feierte ihn in den Sechzigern überschwänglich als ¸¸den Größten seit Shakespeare''. Lässt man sich in die Tiefen der verbalen Strudel hineinziehen, weiß man warum. Dylan trifft, ergreift ohne Schmalz. Einst war er das bissige und scharf formulierende Sprachrohr einer Generation, heute ist er mehr als ein Nostalgie-Opa, der den Fans die guten, alten Zeiten neu aufkocht.
Dylan reicht meist die akustische Gitarre, um Inhalte zu transportieren. Seine Mitstreiter, vier Studio-Cracks, hält er an der straffen Leine. Nichts da mit großen Extratouren. Sind ja auch nicht The Band oder die Heartbreakers. Der Chef, dessen Markenzeichen nicht nur die unerreicht nasale Stimme ist, soliert auf der Bluesharp. Lässig die Gitarre auf den Rücken gehängt, bläst er in die Mundharmonika, und die jammert und heult, dass es eine Freude ist.
Virtuosität? Fehlanzeige. Noch weniger beim Gitarrenspiel. Doch der Mann hat Stil, seinen Stil. Ein großer Songwriter, der Prioritäten setzt. ¸¸Don't Think Twice, It's All Right'': So ist das, und je später der Abend, desto bluesrockiger wird er, sogar ein wenig Roll darf zum Rock hinzukommen, beispielsweise im flotten ¸¸Leopard-Skin Pill-Box Hat''.
In vielstimmiger Harmonie
Im Finale lässt es der Meister richtig krachen, die Musiker drehen die Verzerrer auf. ¸¸Like a Rolling Stone'' in griffiger Version gibt es da zu hören. Oder den ¸¸Mr. Tambourine Man'', melodisch auf den Kopf gestellt und kräftig durchgeschüttelt. Macht nichts, das hält der Song schon aus, denkt sich Dylan, des Experimentierens nicht müde. Was Andere können - wessen Songs wurden schon so oft interpretiert wie die von Dylan? -, kann er schon lange. Da beruhigt es fast, dass ¸¸Blowin' in the Wind'' in vielstimmiger Harmonie über den Platz pfeift. Starke zweieinviertel Stunden geht das so. Die Fans machen sich mehr als zufrieden auf den Heimweg.
gruss verdi