Biotech: Neue Präparate - doch woher kommt d. Geld

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EinsamerSam.:

Biotech: Neue Präparate - doch woher kommt d. Geld

 
05.06.05 11:14
Erfolgreich trotz einschränkender Gesetze

Biotech: Neue Präparate - doch woher kommt das Geld?

Deutsche Biotechnik ist trotz einschränkender Gesetze erfolgreicher denn je. Neue Präparate die kurz vor der Zulassung stehen, sorgen für Aufsehen. Das Problem ist die Finanzierung.

Franz kann nicht gehen wie andere Menschen. Er kann sich oft nur tänzelnd fortbewegen. Der 42-Jährige leidet an der seltenen Erbkrankheit Chorea Huntington, besser bekannt als Veitstanz, die meist im vierten Lebensjahrzehnt auftritt. Der Abbau von Nervenzellen im Gehirn führt zu Bewegungsstörungen und Demenz. Schon seit längerem lässt sich die Krankheit per Gentest diagnostizieren. Eine Behandlungsmethode gibt es jedoch nicht.

Noch nicht. Ein neues Medikament des Martinsrieder Biotech-Unternehmens Scil bewahrt die Nervenzellen im Gehirn vor dem schleichenden Tod. Das Medikament heißt Miraxion und durchläuft gerade in den USA und Europa das Zulassungsverfahren.

Miraxion ist nicht das einzige Medikament deutscher Biotech-Unternehmen, das kurz vor der Zulassung steht. Während die deutschen Stammzellforscher unter Gesetzen ächzen, die sie erheblich einschränken, zeigt die gesamte Biotech-Branche, wie sehr Forschung dem Patienten nützt. Noch nie in der jungen Geschichte der deutschen Biotechnologie standen so viele Wirkstoffe an der Schwelle zum Markt. Der Biotech-Report 2005 der Unternehmensberatung Ernst & Young listet alleine 47 Substanzen auf, deren Zulassung in Reichweite liegt. Das sind deutlich mehr als die 31 im Jahr zuvor – ein Beleg für den Aufwärtstrend.

So setzt das Münchner Biotech-Unternehmen Wilex große Hoffnung in seine Produktlinie aus sechs Substanzen. Davon sind drei in der letzten klinischen Phase. Am weitesten gediehen ist Rencarex, ein Medikament gegen Nierenzellkrebs. Jedes Jahr erkranken weltweit 180.000 Menschen an dieser Krebsart. Allein in den USA und Europa sterben jährlich rund 33.500 Patienten an dieser tückischen Krankheit. Die Standardtherapie ist die chirurgische Entfernung der befallenen Niere. Nach der Operation ist bislang keine weitere Behandlung mit Medikamenten zugelassen, obwohl rund 40 Prozent dieser Patienten innerhalb kurzer Zeit nach der Operation einen Rückfall erleiden und Metastasen entwickeln.

Rencarex hat in einer Phase-II-Studie an Patienten belegt, dass es wirksam und verträglich ist. „Die Ergebnisse lassen einen deutlichen Überlebensvorteil vermuten“, wie es Paul Bevan, Entwicklungschef bei Wilex, im Medizinerdeutsch formuliert. Die Patienten, die auf das neue Medikament ansprachen, lebten im Durchschnitt noch 39 Monate, fast viermal länger als Patienten, die das Präparat nicht bekamen.

Rencarex bringt durch einen raffinierten Mechanismus das körpereigene Abwehrsystem auf Trab. Der Wirkstoff ist ein speziell gebauter Antikörper, ein Eiweiß in Form eines Ypsilons. Zwei Arme des Ypsilons docken an der Krebszelle an und präsentieren sie dem körpereigenen Immunsystem als Feind. Die herbeigerufenen Killerzellen heften sich an den langen Arm des Ypsilons und zerstören die Krebszelle.

Seit Mitte des vergangenen Jahres testen 612 Patienten in 80 medizinischen Zentren in den USA, Frankreich, Deutschland und Russland in der abschließenden Phase-III-Untersuchung das Mittel. Die Studie soll Mitte 2006 beendet sein. Schon jetzt ist Wilex-Chef Olaf Wilhelm stolz: „Es ist uns als erstem deutschen Biotech-Unternehmen gelungen, einen eigenen Wirkstoff komplett durch die klinische Entwicklung zu bringen.“

Wilhelm hat noch weitere Kandidaten für neue Arzneien im Köcher. Mit 30 Millionen Euro aus einer privaten Finanzierungsrunde treibt er die klinische Entwicklung von WX-UK1 voran, einer Substanz, die bei Brustkrebs die Entstehung von Tochtergeschwülsten verhindern soll.

Hoffnungsträger und Hauptbetätigungsfeld der deutschen Biotechniker ist, so die Studie von Ernst & Young, nach wie vor die Krebsbekämpfung. Experten taxieren den Markt für entsprechende Mittel auf derzeit zwölf Milliarden Dollar pro Jahr. Da die Gefahr, an Krebs zu erkranken, mit zunehmendem Alter steigt, wird die Zahl der Patienten in den alternden Industriegesellschaften weiter zunehmen.

In jüngster Zeit richtet sich der Forscherfokus zusätzlich auf Wirkstoffe gegen Alzheimer, Parkinson, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten. Auch hier steigt, wie bei Krebs, mit zunehmendem Alter das Risiko. „Die Wissenschaftler verstehen die molekularen Zusammenhänge etwa bei Alzheimer oder bei schmerzhaften rheumatischen Entzündungen mittlerweile besser. Daraus ergeben sich Ansatzpunkte für neue Wirkstoffe“, sagt Siegfried Bialojan, Biotechnikexperte bei Ernst & Young.

Manchmal reicht es für eine Innovation, bekannte Wirkstoffe in neuer Form zu verabreichen. Etwa mit den Transfersomen des Münchner Biotechnikunternehmens Idea: Sie transportieren Wirkstoffe durch die Haut in den Körper statt per Spritze oder Tablette. Ein Schmerzmittel ist bereits in der letzten Phase der klinischen Prüfung, weitere Medikamente sollen folgen.

„Viele Biotech-Unternehmen füllen mit ihren Arzneimitteln die Pipeline der Pharmakonzerne über Kooperationen“, sagt Julia Schüler, Biotech-Expertin bei Ernst & Young. Der Umsatz der Branche in Deutschland kletterte zwar auf mehr als eine Milliarde Euro. Doch der Vergleich zu den USA mit 46 Milliarden Dollar Umsatz zeigt, wie groß der Nachholbedarf ist. „Wir haben in Deutschland 20 Jahre später mit Biotech angefangen, deshalb fehlen hier noch die großen Unternehmen wie Amgen oder Genentech in den USA“, sagt Schüler.

Auf Umsatz mit einem neuen Präparat hoffen auch bald die Manager von Scil. Für Menschen, deren Kiefer verschlissen oder von Krebs zerstört ist, gibt es Hilfe. Die Scil-Forscher haben sich nicht nur mit dem Veitstanz beschäftigt, sondern auch mit einem Pulver, das den Kieferknochen höchst effektiv zum Wachstum anregt, sodass Zahnimplantate Halt finden. Das Material könnte auch dem Heer von Parodontose-Kranken helfen, deren fortschreitende Zahnfleischentzündung dazu führt, dass sich der Kieferknochen allmählich zurückbildet und schließlich die Zähne ausfallen.

Das neue Pulver mit dem Entwicklungsnamen MD05 besteht aus einem bewährten Knochenersatzmaterial, dem Tricalciumphosphat (TCP), das von Scil mit einem Knochenwachstumsfaktor, dem Protein rhGDF-5, beschichtet wird. Der Trick dabei: Scil ist es mit einer speziellen Technik gelungen, das hilfreiche Protein fest an die Oberflächen der winzigen Keramikpartikel zu binden.

Kurz bevor das Pulver in die entzündeten Zahn- und Knochentaschen gefüllt wird, muss es mit einer Flüssigkeit „angeteigt“ werden, wie Scil-Manager Rüdiger Jankowsky sich ausdrückt. Dadurch löst sich der Wachstumsfaktor vom Trägermaterial, wandert in den Knochen und regt diesen zum Wachstum an.

Obwohl die deutschen Biotech-Unternehmen inzwischen eine ganze Reihe aussichtsreicher Präparate im Test haben, gebe es in Deutschland immer noch ein grundlegendes Problem, sagt Alexander Olek, Chef des von ihm gegründeten Berliner Biotechnikunternehmens Epigenomics (WirtschaftsWoche 16/2005): „Die Finanzierung.“ Anders als in den USA seien selbst die institutionellen Anleger hier zu Lande extrem zögerlich. Gerade in den späten und teuren Entwicklungsphasen haben die Biotechs aber hohen Geldbedarf.

Der eben in den Vorstand der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie gewählte 35-Jährige lässt deshalb nie eine Gelegenheit aus, Politikern und Entscheidern klar zu machen, dass kleinen Technologieunternehmen und deren Investoren gezielt mit steuerlichen Anreizen geholfen werden müsse. Stattdessen sei es schwieriger geworden, Verluste steuerlich geltend zu machen. „Beim Stopfen von Steuerlöchern sind wir mit überfahren worden“, klagt Olek.

Quelle: wiwo.de

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