Morningstar-Kommentar: Finanzielle Massenvernichtungswaffen von Kai Wiecking, morningstarfonds.de
Freitag 24. September 2004, 11:40 Uhr
So nannte Investor-Guru Warren Buffett einmal Derivate. Der amerikanische Hypothekengigant Fannie Mae besitzt ein unvorstellbares Arsenal dieser Waffen, und ist nun nicht zuletzt deswegen ins Straucheln geraten.
Die wenigsten hiesigen Anleger dürften wissen, dass der US-Markt für hypothekenverbriefte Anleihen mittlerweile wesentlich größer ist als jener für Staatsanleihen. Das Volumen umfasst schier unvorstellbare 3 Billionen US-Dollar, knapp ein Drittel davon kommt vom Marktführer Fannie Mae. Konkurrent Freddie Mac, ein ähnliches Unternehmen und die Nummer 2 am Markt, hatte unlängst Unregelmäßigkeiten in der Bilanzierung zugeben müssen, die Vorstandsmitglieder verloren darüber ihre Posten. Ähnliches droht nun bei Fannie Mae, zudem wurde eine Sammelklage gegen diverse Vorstandsmitlieder eingereicht.
Auf den ersten Blick ist es eigentlich ein simples Geschäft: Fannie Mae kauft auf dem Zweitmarkt private Hypothekenkredite auf und verkauft sie gebündelt als Anleihen. Dabei profitiert die Firma davon, dass sie eine Art halbstaatlichen Status hat und die Anleger –genaugenommen fälschlicherweise – davon ausgehen, dass die Anleihen staatlich garantiert sind. Das führt zu niedrigeren Kupons.
Jedoch hat sich bei Fannie Mae über die Jahre ein völlig undurchsichtiges Geflecht an Derivaten ins Portfolio eingeschlichen. Die Bilanzierung der damit verbundenen Risiken ist äußerst schwierig. Nun ist die zuständige US-Aufsichtsbehörde OFHEO in einem 2211-seitigen Bericht, der Mittwoch veröffentlicht wurde, zu dem Schluss gekommen, dass das Management bei Fannie Mae systematisch Bilanzen geschönt und Ausgaben versteckt hat, um die eigenen Bonusziele zu erreichen.
Dieser ungeheuerliche Vorgang hat auch Folgen für hiesige Fondsanleger. Investoren in weltweit oder in Amerika anlegenden Anleihenfonds etwa würden durch eine mittelfristig durchaus im Bereich des Möglichen liegende Herabstufung des Ratings getroffen. Und da Fannie Mae eine börsennotierte Gesellschaft ist, kommen auch Aktienfonds nicht ungeschoren davon.
In unserer europäischen Datenbank finden sich allein 218 Fonds der Kategorie Aktien Nordamerika Standardwerte, die aktuell Fannie Mae im Portfolio haben. Zwar liegt die durchschnittliche Größe der Position nur bei einem Prozent, aber einigen Fonds sind es fünf Prozent und mehr. Die in New York notierte Aktie verlor innerhalb von zwei Tagen rund acht Prozent ihres Wertes.
In Deutschland gibt es noch keinen nennenswerten Zweitmarkt für Hypotheken. Und nicht zuletzt angesichts des bislang eher branchen- denn anlegerfreundlichen Verhaltens der Aufsichtsbehörde Bafin, nicht zuletzt auch im weiter schwelenden Immobilienfondsskandal, hoffe ich, dass dies auch so bleibt.