Rot-Grüne Sparpläne: Das Gejammer der Lobbyisten
Der Chor der Sankt-Florianer wird immer größer. Die Bundesregierung muss sparen, Subventionen kürzen, den Haushalt sanieren, investieren, entbürokratisieren, fordern die Lobbyisten. Aber - frei nach dem Prinzip des Feuerwehr-Heiligen - immer nur auf Kosten anderer. Bestandaufnahme der Regierungsschelte an einem ganz normalen Werktag.
Hamburg - Die Sprache des Lobbyisten ist mit deftigem Vokabular gespickt.
"Bankrott", "Panik", "kein Tabu", "Enteignung", tönt es aus den einschlägigen Kreisen, die sich Gehör verschaffen wollen, wenn es ums Eingemachte in der Finanzpolitik geht. Die mächtige Gesundheitsindustrie macht gerade Pause, jetzt sind andere an der Reihe, die ihre Pfründe sichern wollen.
Einer, der quasi schon von Amts wegen immer weiß, wie alles besser gemacht werden muss, ist der Präsident des Bundesverbands der Industrie (BDI), Michael Rogowski. "Wenn wir die Talfahrt Richtung fünf Millionen Arbeitslose stoppen wollen, brauchen wir eine Wende in der Wirtschaftspolitik", fordert er. Die Steuerpläne der Regierung würden die Unternehmen 40 Milliarden Euro bis 2006 kosten. Unerwähnt lässt er, dass vor allem die Großindustrie in den vergangen Jahren massiv entlastet wurden.
Lieber widmet er sich seinem Lieblingsgegner: "Die Gewerkschaften müssten doch begreifen, dass weniger Staat und mehr Eigeninitiative für alle besser ist. Auf dem jetzigen Holzweg laufen wir direkt in den Bankrott der sozialen Sicherungssysteme."
Die Gewerkschaftsposition: Ordentlich Schulden machen
Das sieht sein Widersacher von der IG Metall, Klaus Zwickel, genauso. Jetzt müssten "die starken Schultern und die Unternehmen mehr belastet" werden, ist allerdings seine Schlussfolgerung. Daher dürfe eine Vermögensteuer kein Tabu bleiben.
Außerdem müsse der Staat ordentlich Schulden machen, um - Keynesianismus pur - die Konjunktur wieder anspringen zu lassen. "Offensive Finanz- und Beschäftigungspolitik" nennt er das alte Rezept aus dem Baukasten gewerkschaftlicher Wirtschaftstheorie. Ein "stures Festhalten an einer rigiden Haushaltssanierung" sei falsch.
Beklagen würde sich Zwickel auch über die Eingriffe der Koalition, die Ernst-Otto Stüber empören. Im Koalitionsvertrag sei sie Lohnangleichung der ostdeutschen Beschäftigten bis 2007 festgeschrieben, stellte der Verhandlungsführer für die Kommunen bei den Tarifgesprächen im Öffentlichen Dienst und Bochumer Oberbürgermeister fest. Da solle sich die Politik fein raus halten, sagte der SPD-Mann, das sei Sache der Tarifpartner. Eine Angleichung sei keinesfalls drin: "Die Kassen sind leer."
"Das sauer verdiente Geld der Führungskräfte"
Zu viel Last verspürt der Präsident des Verbands Führungskräfte der deutschen Wirtschaft (ULA), Manfred Göbels. In einem offenen Brief an Kanzler Gerhard Schröder verrät er "in großer Besorgnis", wie arm seine rund 50.000 Mitglieder momentan dran sind. Ihr "sauer verdientes Geld ist wie das Einkommen anderer Arbeitnehmer auch", barmt er. Nur eben ein bisschen höher, "überdurchschnittlich", wie er das nennt.
Diese Leistungsträger dürften nicht unter dem "Vorwand der Abschaffung von Subventionen bzw. der Steuervereinfachungen" zu einer einseitigen Belastung von Fach- und Führungskräften führen". Das sei "ungerecht und zutiefst leistungsfeindlich". Deshalb müsse der Verband "zum zweiten Mal", wie es fast entschuldigend heißt, in der über fünfzigjährigen Geschichte auf der Straße gegen die Regierungspolitik demonstrieren.
Eine Steuer, die den ULA-Leuten aufstößt, ist die geplante Dienstwagensteuer von 1,5 statt bisher 1 Prozent. Die Anhebung, so berechneten die Fachleute in der Automobilindustrie rasch, würden die Branche "drei bis fünf Milliarden Euro" Umsatz kosten, sagt BMW-Vorstand Helmut Panke. Vermutlich habe die Anhebung sogar einen gegenläufigen Effekt, weil durch die Umsatzeinbußen eine halbe Milliarde Mehrwertsteuer verloren gingen.
"Teilenteignung" und "Abkassiermodell", schimpft Rüdiger Dorn, Präsident des Haus- und Eigentümerverbands, über die rot-grünen Pläne, Veräußerungsgewinne bei Immobilien zu besteuern. "Einmal mehr erweist sich die Bundesregierung als unfähig zu wirksamer Ausgabenbegrenzung und entschlossener Wachstumspolitik", dröhnte Dorn. "Die Bürger werden von Rot-Grün kaputt besteuert. Jedes Vertrauen in den von der Bundesregierung geforderten Aufbau einer privaten Altersvorsorge wird von ihr selber zerstört." Was künftig beim Immobilienverkauf an Steuer anfalle, hätte im Notfall der Altersvorsorge gedient, betonte Dorn.
Ähnlich argumentieren die Fachleute, die mit dem Geld anderer Leute Geld machen. Gertrud Traud, Leiterin Aktienstrategie bei der Bankgesellschaft Berlin, sagte, sie sei enttäuscht von den Plänen der Regierung, Gewinne aus Aktien mit 15 Prozent zu besteuern. Ob das die Finanzmärkte belastet, "hängt davon ab, wie sauer die Anleger sind und ob es zu einer Panik kommt".
Der Bundesverband Investment und Asset Mangement (BVI) klagt geschäftsfördernd darüber, dass die Motivation der Bürger zur privaten Altersvorsorge erheblich gemindert werde, wenn die Aktiengewinnbesteuerung kommt. Deshalb müsse es für die private Vorsorge Steuerfreiheit geben.
Die Rentenpläne der Bundesregierung haben es auch Beamtenbund-Chef Erhard Geyer angetan. Den Vorschlag von Sozialministerin Ulla Schmidt, Beamte in die Rentenkasse einzahlen zu lassen, nennt er den "üblichen Populismus all derer, die keine Ahnung vom System haben". Beamte hätten in ihrer aktiven Zeit abgesenkte Bezüge, um die Versorgung im Ruhestand zu finanzieren. Abgesenkt im Vergleich zu wem oder was, sagt er nicht.
Sankt Florians Prinzip lautet: Beschütz mein Haus, zünd andere an. Geyers neudeutsche Interpretation: "Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, hier ein Veränderung vorzunehmen."