Aus der FTD vom 16.7.2001
Die Old Economy geht AOL ins Netz
Von Oliver Fischer, Hamburg
Opel, Nestlé, Philips - ganz und gar nicht internettypisch klingen die Unternehmen, mit denen AOL Time Warner jetzt Marketingkooperationen angestoßen hat.
Ende der vergangenen Woche verkündete der weltweit führende Internet- und Medienkonzern, dass er seine Kunden künftig online mit Friskies-Katzenfutter von Nestlé sowie mit Rasierern, Haartrocknern und Kaffeemaschinen des niederländischen Philips-Konzerns versorgen will. Zuvor hatte AOL Deutschland eine Zusammenarbeit mit dem Autohersteller Opel bekannt gegeben - in Fortsetzung eines US-Deals zwischen AOL Time Warner und der Opel-Mutter GM.
Die in der traditionellen Wirtschaft verwurzelten Partner versuchen mit Hilfe der relativ jungen Internetmarke AOL ihr biederes Image aufzufrischen. Vor allem versprechen sie sich neue Kunden. Immerhin verfügt der Provider nach eigenen Angaben weltweit über mehr als 30 Millionen Nutzer. Von denen sollen 70 Prozent einen Hamster, eine Katze oder ein anderes Haustier besitzen - daher lag es für den US-Ableger des Schweizer Nestlé-Konzerns nahe, sich mit dem Medienriesen zusammenzutun. Die Produktinformationen und Tierpflege-Tipps von Friskies tauchen künftig in den "Haus und Heim"-Kanälen von AOL auf. Überdies erscheinen sie auf konzerneigenen Plattformen wie Compuserve und Digital City.
Opel im neuen Gewand
Die GM-Tochter Opel wird ihr bislang erfolgloses Webangebot überarbeiten und bei den deutschen Ablegern von Compuserve, Netscape und im klassischen AOL-Dienst präsentieren. Der Autobauer will den Internetnutzern seine gediegene Marke überdies näher bringen, indem er allerlei Spielereien im Netz platziert, etwa einen "Car-Configurator", mit dem sich virtuelle Automodelle zusammenbauen lassen. AOL-Partner Philips hat besonders ehrgeizige Pläne. Der Hersteller von Verbraucherelektronik und Haushaltsgeräten belässt es nicht dabei, ein paar Millionen AOL-Kunden per Internet mit Produktinformationen zu berieseln. Das Marketingpaket von Philips und AOL Time Warner umfasst zusätzlich die Präsenz in konzerneigenen Medien wie der Nachrichtensendergruppe CNN sowie den Magazinen "Time" und "Fortune".
Philips will mit Hilfe des Deals vor allem in den USA bekannter und beliebter werden. Während die Niederländer dort nur eine schwache Stellung einnehmen, ist AOL in den USA Marktführer. Für AOL Time Warner bringen die Marketingdeals in erster Linie viel Geld. Philips beispielsweise lässt sich die Marketing-Promotion durch den Medienmulti binnen drei Jahren bis zu 100 Mio. $ kosten, schätzen Insider.
Geschäft auf Gegenseitigkeit
Gleichzeitig kann AOL aber auch sein eigenes Image korrigieren und die Stellung in Regionen ausbauen, in denen es schwach ist. Das Unternehmen macht lediglich 17 Prozent seiner Umsätze außerhalb des US-Heimatmarktes, und Chairman Stephen Case hat kürzlich gefordert, dass sich dieser Anteil binnen einer Dekade auf 50 Prozent erhöhen soll.
Philips könnte AOL dabei helfen, im europäischen Markt zuzulegen. Immerhin hat Philips-Chef Gerard Kleisterlee den Amerikanern zugesichert, ihnen in Europa neue Abonnenten zuzuführen. Zudem will Philips gemeinsam mit seinem neuen Partner Produkte und Services entwickeln, die künftig das Internet mit dem Fernsehen verbinden.
Aber auch das bodenständige Image von Philips dürfte dem AOL-Dienst in Europa von Nutzen sein. Internetmarken werden in europäischen Ländern häufig schief angesehen, erläutert Hansjörg Zimmermann, Geschäftsführer der Internetagentur "Die Argonauten" in München. Älteren Personen sind die virtuellen Gebilde seit jeher nicht geheuer, jüngere fühlen sich durch die Crashs an den Börsen und im realen Geschäftsleben abgeschreckt.
Der Anschein von Beständigkeit
Sobald sich eine Internetfirma jedoch mit einer gestandenen Marke zusammentut, fällt von deren Image etwas auf sie ab. Gerade leicht angestaubte Marken wie Philips, Opel oder auch Nestlé dürften AOL zu einem Ruf von Beständigkeit und Solidität verhelfen. Agenturchef Zimmermann glaubt, dass künftig noch zahlreiche Allianzen zwischen Internetfirmen und Traditionsmarken geknüpft werden. Diverse AOL-Rivalen haben auch bereits mit Traditionsfirmen Allianzen gebildet, Yahoo beispielsweise kooperiert mit Ford.
AOL ist jedoch bei der Akquisition namhafter Partner in einer vergleichsweise günstigen Position. Der Mutterkonzern AOL Time Warner gebietet über zahlreiche Medien und Inhalteproduzenten, mit denen er potenziellen Partnern die Zusammenarbeit schmackhaft machen kann. Überdies investiert AOL in Ländern wie Deutschland seit Jahren mehr Geld als andere Provider und Portale, um sich als Volksmarke zu etablieren. So hatte Boris Becker bereits für AOL Reklame gemacht, als er noch im trauten Kreise seiner Familie hauste. Und Hamburger Fußballfans fahren künftig nicht mehr ins Volksparkstadion. Sie feiern in der "AOL Arena".
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Große Happen
Deal
In der vergangenen Woche verkündeten Nestlé USA und AOL Time Warner, dass der Medienkonzern die Tiernahrungsmarke Friskies von Nestlé promoten will. Gleichzeitig gab AOL Time Warner einen schätzungsweise 100 Mio. $ schweren Deal mit Philips bekannt. Die AOL-Partner erhoffen sich von den Kooperationen einen Zuwachs an Kunden sowie positive Auswirkungen auf ihr Image. AOL profitiert von hohen Einnahmen und kann ebenfalls auf einen günstigen Imagetransfer hoffen.
© 2001 Financial Times Deutschland
Die Old Economy geht AOL ins Netz
Von Oliver Fischer, Hamburg
Opel, Nestlé, Philips - ganz und gar nicht internettypisch klingen die Unternehmen, mit denen AOL Time Warner jetzt Marketingkooperationen angestoßen hat.
Ende der vergangenen Woche verkündete der weltweit führende Internet- und Medienkonzern, dass er seine Kunden künftig online mit Friskies-Katzenfutter von Nestlé sowie mit Rasierern, Haartrocknern und Kaffeemaschinen des niederländischen Philips-Konzerns versorgen will. Zuvor hatte AOL Deutschland eine Zusammenarbeit mit dem Autohersteller Opel bekannt gegeben - in Fortsetzung eines US-Deals zwischen AOL Time Warner und der Opel-Mutter GM.
Die in der traditionellen Wirtschaft verwurzelten Partner versuchen mit Hilfe der relativ jungen Internetmarke AOL ihr biederes Image aufzufrischen. Vor allem versprechen sie sich neue Kunden. Immerhin verfügt der Provider nach eigenen Angaben weltweit über mehr als 30 Millionen Nutzer. Von denen sollen 70 Prozent einen Hamster, eine Katze oder ein anderes Haustier besitzen - daher lag es für den US-Ableger des Schweizer Nestlé-Konzerns nahe, sich mit dem Medienriesen zusammenzutun. Die Produktinformationen und Tierpflege-Tipps von Friskies tauchen künftig in den "Haus und Heim"-Kanälen von AOL auf. Überdies erscheinen sie auf konzerneigenen Plattformen wie Compuserve und Digital City.
Opel im neuen Gewand
Die GM-Tochter Opel wird ihr bislang erfolgloses Webangebot überarbeiten und bei den deutschen Ablegern von Compuserve, Netscape und im klassischen AOL-Dienst präsentieren. Der Autobauer will den Internetnutzern seine gediegene Marke überdies näher bringen, indem er allerlei Spielereien im Netz platziert, etwa einen "Car-Configurator", mit dem sich virtuelle Automodelle zusammenbauen lassen. AOL-Partner Philips hat besonders ehrgeizige Pläne. Der Hersteller von Verbraucherelektronik und Haushaltsgeräten belässt es nicht dabei, ein paar Millionen AOL-Kunden per Internet mit Produktinformationen zu berieseln. Das Marketingpaket von Philips und AOL Time Warner umfasst zusätzlich die Präsenz in konzerneigenen Medien wie der Nachrichtensendergruppe CNN sowie den Magazinen "Time" und "Fortune".
Philips will mit Hilfe des Deals vor allem in den USA bekannter und beliebter werden. Während die Niederländer dort nur eine schwache Stellung einnehmen, ist AOL in den USA Marktführer. Für AOL Time Warner bringen die Marketingdeals in erster Linie viel Geld. Philips beispielsweise lässt sich die Marketing-Promotion durch den Medienmulti binnen drei Jahren bis zu 100 Mio. $ kosten, schätzen Insider.
Geschäft auf Gegenseitigkeit
Gleichzeitig kann AOL aber auch sein eigenes Image korrigieren und die Stellung in Regionen ausbauen, in denen es schwach ist. Das Unternehmen macht lediglich 17 Prozent seiner Umsätze außerhalb des US-Heimatmarktes, und Chairman Stephen Case hat kürzlich gefordert, dass sich dieser Anteil binnen einer Dekade auf 50 Prozent erhöhen soll.
Philips könnte AOL dabei helfen, im europäischen Markt zuzulegen. Immerhin hat Philips-Chef Gerard Kleisterlee den Amerikanern zugesichert, ihnen in Europa neue Abonnenten zuzuführen. Zudem will Philips gemeinsam mit seinem neuen Partner Produkte und Services entwickeln, die künftig das Internet mit dem Fernsehen verbinden.
Aber auch das bodenständige Image von Philips dürfte dem AOL-Dienst in Europa von Nutzen sein. Internetmarken werden in europäischen Ländern häufig schief angesehen, erläutert Hansjörg Zimmermann, Geschäftsführer der Internetagentur "Die Argonauten" in München. Älteren Personen sind die virtuellen Gebilde seit jeher nicht geheuer, jüngere fühlen sich durch die Crashs an den Börsen und im realen Geschäftsleben abgeschreckt.
Der Anschein von Beständigkeit
Sobald sich eine Internetfirma jedoch mit einer gestandenen Marke zusammentut, fällt von deren Image etwas auf sie ab. Gerade leicht angestaubte Marken wie Philips, Opel oder auch Nestlé dürften AOL zu einem Ruf von Beständigkeit und Solidität verhelfen. Agenturchef Zimmermann glaubt, dass künftig noch zahlreiche Allianzen zwischen Internetfirmen und Traditionsmarken geknüpft werden. Diverse AOL-Rivalen haben auch bereits mit Traditionsfirmen Allianzen gebildet, Yahoo beispielsweise kooperiert mit Ford.
AOL ist jedoch bei der Akquisition namhafter Partner in einer vergleichsweise günstigen Position. Der Mutterkonzern AOL Time Warner gebietet über zahlreiche Medien und Inhalteproduzenten, mit denen er potenziellen Partnern die Zusammenarbeit schmackhaft machen kann. Überdies investiert AOL in Ländern wie Deutschland seit Jahren mehr Geld als andere Provider und Portale, um sich als Volksmarke zu etablieren. So hatte Boris Becker bereits für AOL Reklame gemacht, als er noch im trauten Kreise seiner Familie hauste. Und Hamburger Fußballfans fahren künftig nicht mehr ins Volksparkstadion. Sie feiern in der "AOL Arena".
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Große Happen
Deal
In der vergangenen Woche verkündeten Nestlé USA und AOL Time Warner, dass der Medienkonzern die Tiernahrungsmarke Friskies von Nestlé promoten will. Gleichzeitig gab AOL Time Warner einen schätzungsweise 100 Mio. $ schweren Deal mit Philips bekannt. Die AOL-Partner erhoffen sich von den Kooperationen einen Zuwachs an Kunden sowie positive Auswirkungen auf ihr Image. AOL profitiert von hohen Einnahmen und kann ebenfalls auf einen günstigen Imagetransfer hoffen.
© 2001 Financial Times Deutschland