FTD, 3.8.06 - Leitartikel
AOL - Bin ich schon draußen?
AOL war einmal ein Internetpionier. Wie kein zweites Unternehmen nahm es Millionen Menschen an die Hand und führte sie gegen Geld in die wundersame weite Welt des Netzes.
So brachte AOL erst Amerika online, dann Europa. Und diejenigen, die von AOL ins World Wide Web geführt wurden, staunten, wie einfach im Internet doch alles ist: "Bin ich schon drin?"
Doch die Zeit des Staunens ist seit Jahren vorbei. Der radikale Strategiewechsel vom kostenpflichtigen Online-Service-Provider hin zum kostenlosen, weil allein werbefinanzierten Internetportal, den AOL am Mittwoch eingeleitet hat, ist daher eine logische, alternativlose Umstellung. Dieser Schritt des Onlinepioniers beschließt gleichsam endgültig das Anfangskapitel des Volksmediums Internet.
Die Laien bewegen sich heute mit großer Selbstverständlichkeit durch die virtuelle Welt. Sie brauchen niemanden mehr, der sie führt, und wissen genau, wo sie E-Mail-Konten, die sie früher bei AOL einkauften, umsonst bekommen. In den vergangenen drei Jahren verlor AOL ein Drittel seiner Abonnenten. Auch die spektakuläre Übernahme des US-Medienriesen Time Warner auf dem Höhepunkt der New-Economy-Welle brachte nicht die erhofften Synergien zwischen Online- und Filmgeschäft. Die Frage, die AOL sich mit Blick auf das Internet inzwischen stellen muss, lautet: "Bin ich schon draußen?"
Wer heute im Netz so gut verdienen will wie AOL vor ein paar Jahren, braucht ein komplett anderes Geschäftsmodell. Er muss - wie Google oder Yahoo - auf einem Portal möglichst viele Dienste anbieten: E-Mail, Suchfunktion, Information, Chatforen, Musik- und Videodownloads. So locken Yahoo, Google oder Microsoft täglich viele Millionen auf ihre Seiten und erzielen entsprechend hohe Preise für Onlinewerbung.
Auf diesem Markt ist durchaus Platz für ein weiteres zentrales Portal, das AOL trotz schwindender Kundenzahlen auf Grund seiner Größe wäre. Selbst in den USA macht Onlinewerbung erst gut zehn Prozent der Gesamtausgaben für Werbung aus - das lässt viel Raum für Wachstum.
Und trotzdem ist AOLs Strategiewechsel ein riskantes Manöver. Denn ob er zum richtigen Zeitpunkt kommt, wird sich erst in einem oder zwei Jahren erweisen: Ist jetzt der Moment, in dem AOL auf seine bisherige Haupteinnahmequelle - die Abo-Gebühren - verzichten und das dadurch entstehende Finanzierungsloch schon größtenteils durch Werbung füllen kann?
Neben dieser Unwägbarkeit hat AOL ein anderes, noch größeres Problem: Es muss wegkommen vom Image des Internet-Dinos. AOL gilt als altbacken und uncool. Erst wenn dieses Image korrigiert ist, wird der Konzern den Sprung aus der Internet-Urgeschichte in die Jetztzeit geschafft haben.
KOMMENTAR: Das waren noch Zeiten, als AOL am Höhepunkt des Dot.com-Booms Time-Warner schluckte. Inzwischen hat Time-Warner den Namen des Internet-Dinos wieder schamhaft aus seinem Firmennamen (zwischenzeitlich "AOL-Time-Warner") gestrichen und firmiert an der US-Börse unter dem alten Kürzel TWX - zumindest beim Tickersymbol ist AOL definitiv "draußen". - A.L.
AOL - Bin ich schon draußen?
AOL war einmal ein Internetpionier. Wie kein zweites Unternehmen nahm es Millionen Menschen an die Hand und führte sie gegen Geld in die wundersame weite Welt des Netzes.
So brachte AOL erst Amerika online, dann Europa. Und diejenigen, die von AOL ins World Wide Web geführt wurden, staunten, wie einfach im Internet doch alles ist: "Bin ich schon drin?"
Doch die Zeit des Staunens ist seit Jahren vorbei. Der radikale Strategiewechsel vom kostenpflichtigen Online-Service-Provider hin zum kostenlosen, weil allein werbefinanzierten Internetportal, den AOL am Mittwoch eingeleitet hat, ist daher eine logische, alternativlose Umstellung. Dieser Schritt des Onlinepioniers beschließt gleichsam endgültig das Anfangskapitel des Volksmediums Internet.
Die Laien bewegen sich heute mit großer Selbstverständlichkeit durch die virtuelle Welt. Sie brauchen niemanden mehr, der sie führt, und wissen genau, wo sie E-Mail-Konten, die sie früher bei AOL einkauften, umsonst bekommen. In den vergangenen drei Jahren verlor AOL ein Drittel seiner Abonnenten. Auch die spektakuläre Übernahme des US-Medienriesen Time Warner auf dem Höhepunkt der New-Economy-Welle brachte nicht die erhofften Synergien zwischen Online- und Filmgeschäft. Die Frage, die AOL sich mit Blick auf das Internet inzwischen stellen muss, lautet: "Bin ich schon draußen?"
Wer heute im Netz so gut verdienen will wie AOL vor ein paar Jahren, braucht ein komplett anderes Geschäftsmodell. Er muss - wie Google oder Yahoo - auf einem Portal möglichst viele Dienste anbieten: E-Mail, Suchfunktion, Information, Chatforen, Musik- und Videodownloads. So locken Yahoo, Google oder Microsoft täglich viele Millionen auf ihre Seiten und erzielen entsprechend hohe Preise für Onlinewerbung.
Auf diesem Markt ist durchaus Platz für ein weiteres zentrales Portal, das AOL trotz schwindender Kundenzahlen auf Grund seiner Größe wäre. Selbst in den USA macht Onlinewerbung erst gut zehn Prozent der Gesamtausgaben für Werbung aus - das lässt viel Raum für Wachstum.
Und trotzdem ist AOLs Strategiewechsel ein riskantes Manöver. Denn ob er zum richtigen Zeitpunkt kommt, wird sich erst in einem oder zwei Jahren erweisen: Ist jetzt der Moment, in dem AOL auf seine bisherige Haupteinnahmequelle - die Abo-Gebühren - verzichten und das dadurch entstehende Finanzierungsloch schon größtenteils durch Werbung füllen kann?
Neben dieser Unwägbarkeit hat AOL ein anderes, noch größeres Problem: Es muss wegkommen vom Image des Internet-Dinos. AOL gilt als altbacken und uncool. Erst wenn dieses Image korrigiert ist, wird der Konzern den Sprung aus der Internet-Urgeschichte in die Jetztzeit geschafft haben.
KOMMENTAR: Das waren noch Zeiten, als AOL am Höhepunkt des Dot.com-Booms Time-Warner schluckte. Inzwischen hat Time-Warner den Namen des Internet-Dinos wieder schamhaft aus seinem Firmennamen (zwischenzeitlich "AOL-Time-Warner") gestrichen und firmiert an der US-Börse unter dem alten Kürzel TWX - zumindest beim Tickersymbol ist AOL definitiv "draußen". - A.L.