Spray gegen Anthrax-Bakterien entwickelt
Wissenschaftler am Wiener AKH haben einen Spray zum Schutz vor Anthrax-Bakterien entwickelt. Nach Aussage der Forscher tötet der Spray die Bakterien sofort und hat keine Nebenwirkungen. Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck warnte allerdings in einer Aussendung bereits vor überhöhten Erwartungen an das Mittel.
Seitens der Experten des Allgemeinen Krankenhauses und des Staatssekretariats werde "bedauert", dass hier eine Erwartungshaltung entstanden sei, die noch nicht verifiziert werden konnte, heißt es in der Aussendung.
Es gebe "vielversprechenden Ergebnissen", ein endgültiger Beweis der Wirksamkeit liege aber noch nicht vor.
Zunächst hatte sich Waneck im ORF Radio sehr optimistisch gegeben: "Wenn sich hier unsere Hoffungen bestätigen, und es besteht begründeter Anlass dazu, ist das ein epochale Erfindung in der gegenwärtigen Situation." Er hatte auch bereits davon gesprochen, das Mittel den USA anzubieten.
Spray vernichtet Erreger in wenigen Sekunden
Der Spray wurde ursprünglich für die Ölindustrie entwickelt, um Bohrrohre vor mikrobiellem Wachstum zu schützen. Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus wird er angeblich bereits seit einigen Monaten zur Vernichtung von Bakterien eingesetzt.
Wenn der Spray sämtliche Bakterien vernichtet, warum nicht auch das Anthrax-Bakterium? Diese Frage stellte sich Apostolos Georgopoulos von den mikrobiologischen Laboratorien im AKH.
Er testete gemeinsam mit dem Grazer Labor für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene die Wirkung des Sprays auf das Milzbrand-Bakterium. Das Ergebnis: Der Spray vernichtet innerhalb weniger Sekunden den gefährlichen Erreger.
Erste Tests: Sporen werden eliminiert
"Praxisnahe haben wir getrocknete und pulverisierte Bacillus-anthracis-Sporen in Briefkuverts gegeben und haben mit dem Mittel gesprüht. Wie die ersten Ergebnisse zeigen, werden die Sporen nach der Behandlung mit dem neuen Produkt tatsächlich eliminiert", erläutert Georgopoulos.
Allerdings hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen, wenn es um die Frage nach dem Wirkstoff geht, den das Mittel enthält. Auch die Herstellerfirma wird derzeit noch geheim gehalten.
Bacillus anthracis unter dem Mikroskop Bacillus anthracis
Der Milzbrand-Erreger Bacillus anthracis ist ein Sporen bildendes Bakterium, das sehr widerstandsfähig ist. Die Fähigkeit, Sporen zu bilden, und deren Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen tragen dazu bei, dass der Erreger sehr lange überdauern kann. Bis heute darf zum Beispiel die schottische Insel Guida nicht betreten werden: Während des Zweiten Weltkrieges wurden dort von britischen Soldaten erste Versuche mit dem Erreger zur Entwicklung biologischer Waffen vorgenommen. Die Insel ist nach wie vor militärisches Sperrgebiet. Milzbrand-Erreger können über Hautwunden, durch das Einatmen von Sporen und durch die Aufnahme über Nahrungsmittel krank machen.
Bisher noch keine langfristigen Versuche
Auf Anthrax getestet wurde das Mittel am Grazer Institut für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene. Im Labor zeigte sich, dass das Bakterium eine halbe Stunde nach dem Besprühen nicht mehr virulent war.
Laut dem Grazer Primar Athanasios Bogiatzis wurden die Sporen 48 Stunden später noch einmal kontrolliert. Das Ergebnis: es seien tatsächlich alle abgetötet worden.
Bisher gab es nur Antibiotika gegen das Anthrax-Bakterium, die mehrere Anwendungen erfordern. Der neue Wirkstoff vernichtet sofort und kann deshalb zur schnellen Desinfektion eingesetzt werden.
Desinfektionsmittel ohne Nebenwirkungen
"Hier handelt es sich um kein Antibiotikum. Es ist ein Polymer, das entweder alles oder nichts tötet an Bakterien. Es ist also kein Antibiotikum, sondern ein Desinfektionsmittel", erklärt Georgopoulos.
Natürlich sei es kein Ersatz für Antibiotika, stellt der AKH-Experte klar, sondern für "prophylaktische Maßnahmen" eine der besten Substanzen, die heute zur Verfügung stehen. Denn die Substanz besitze im Vergleich zu den vorhandenen Desinfektionsmitteln keine Toxizität.
Anwendung beim Menschen möglich
Keine Nebenwirkungen also, das heißt: Es wäre auch zur Behandlung von Menschen einsetzbar. Allerdings bedarf die therapeutische Anwendung noch eines Zulassungsverfahrens nach dem Arzneimittelgesetz.
Wie lange diese Tests dauern, ist ungewiss. Gesundheitsstaatsekretär Reinhart Waneck hatte zunächst im ORF Radio ein beschleunigtes Verfahren zugesichert.
In der Aussendung erklärte er später, man hoffe, "dass sich die Vermutungen bestätigen und ein Mittel gefunden wurde, mit dem Milzbrandbakterien wirksam bekämpft werden können." Bis zur endgültigen Bestätigung werde man allerdings noch einige Zeit warten müssen.
Milzbrand
Milzbrand ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die vor allem in warmen Gegenden auftritt und meist Huftiere wie Schweine, Rinder und Ziegen befällt. Die Krankheit überträgt sich üblicherweise nur auf Menschen, die sehr engen Kontakt mit Tieren oder Tierprodukten wie Häuten, Fleisch, Wolle oder Milch haben.
Man kennt drei Formen:
1. Hautmilzbrand: Ein bis drei Tage nach der Ansteckung entwickelt sich an der Eintrittstelle des Keimes eine Pustel, die unter Narbenbildung abheilt.
2. Durch Einatmen des Erregers entsteht der Lungenmilzbrand, der wie eine Lungenentzündung verläuft.
3. Beim Darmmilzbrand gelangt der Bazillus über die Nahrung in den Körper.
Bei allen drei Formen kann sich die Infektion unbehandelt auf die Lymphbahnen ausbreiten und Fieber, Schwellung und eine brandige Verfärbung der Milz hervorrufen. Diese Milzbrandsepsis führt oft zum Tod. Behandlung mit Antibiotika ist nötig.
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Spray für das österreichische Bundesheer?
Im Radio hatte der Statssekretär zuvor angekündigt, das österreichische Bundesheer solle den Spray schon nächste Woche für Einsätze zur Verfügung haben.
Bei Anthrax-Alarm Evakuierung nicht mehr nötig?
Die praktische Anwendung würde im Ablauf so wie bisher bleiben: Zuerst müsste eine Probe der verdächtigen Substanz entnommen werden, damit man sie später auch beweisen kann - eine Desinfektion könnte dann an Ort und Stelle durchgeführt werden, was den Aufwand beim Einsatz nach einem Anthrax-Alarm deutlich verringern würde. Das bedeutet, dass man bei Anthrax-Verdacht nicht mehr evakuieren müsste.
Tests in Hochsicherheitslabors laufen noch
Der Spray wird derzeit noch in Hochsicherheitslabors getestet. Laut Aussendung werden die Untersuchungsreihen in Zusammenarbeit zwischen dem Klinischen Institut für Hygiene der Universität Wien, der Klinischen Abteilung für Infektionen und Chemotherapie und externen Partnern durchgeführt.
Hersteller fahren Produktion hoch
Die Herstellerfirma, die derzeit noch geheim gehalten wird, soll nach ersten Angaben die Produktionskapazitäten in den nächsten Tagen schon auf mehrere Tonnen hochfahren. Der Name des Anti-Anthrax-Sprays steht noch nicht fest. Laborname derzeit: +g1.
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