“Anti-Aids-Gel” erhöht HIV-Übertragungsrisiko – Abbruch zweier PräventionsstudienDonnerstag, 1. Februar 2007
Genf - Das Mikrobizid Zellulosesulfat, ein lokal zu applizierendes Gel, hat in einer großen randomisierten kontrollierten Studie, Frauen aus Hochendemieregionen in Afrika nicht vor HIV-Infektionen geschützt, sondern das Übertragungsrisiko sogar noch erhöht. Daraufhin wurde die Studie und eine weitere Studie mit dem gleichen Mittel abgebrochen.
Es handelt sich um den zweiten Rückschlag bei dem Versuch, den vielen gefährdeten Frauen aus ärmeren Ländern eine Möglichkeit zur HIV-Prävention an die Hand zu geben, wenn die Partner sich weigern, ein Kondom zu benutzen. Bereits im Jahr 2000 war eine randomisierte kontrollierte Studie in mehreren schwarzafrikanischen Ländern und Thailand gescheitert. Damals wurde das Mikrobizid Nonoxynol-9 bei Prostituierten getestet. Doch statt die Frauen vor HIV zu schützen, wurde die Serokonversionsrate fast verdoppelt (Lancet 2002; 360: 971-77). Seither warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Frauen vor der Anwendung von Nonoxynol-9. Allenfalls Frauen mit niedrigem HIV-Risiko könnten Nonoxynol-9 als Option zur Schwangerschaftsverhütung benutzen, was aber nicht die sicherste Verhütungsmethode ist.
Die anderen Studien zur HIV-Prävention mit Mikrobiziden wurden fortgesetzt. Sie erfreuten sich zuletzt einer großzügigen Unterstützung der Bill and Melinda Gates Foundation. Das Sponsorehepaar äußerte sich auf dem letzten Aids-Kongress geradezu euphorisch zu den Möglichkeiten, die HIV-Epidemie in Afrika und Asien durch die Verwendung von Zellulosesulfat zu stoppen. Dieses von Polydex Pharmaceuticals in Toronto entwickelte Mittel (Ushercell®) schien ideal zu sein, da es gegen HIV und andere venerische Erreger wie Herpes, Neisseria gonorrhoeae und Chlamydien wirksam war, andererseits aber die normale vaginale Flora nicht störte.
Doch was in präklinischen Studien im Tierversuch (J Androl 2002; 23: 426-38) gelingt, ist im komplexen Umfeld menschlichen Sexualverhaltens nicht unbedingt erfolgreich, auch wenn, wie im Fall von Zellulosesulfat elf kleinere Phase-I-Studien mit mehr als 500 Teilnehmerinnen viel versprechende Ergebnisse geliefert hatten. Die jetzt gestoppte Studie war der erste Versuch, die HIV-präventive Wirkung von Zellulosesulfat in einer größeren randomisierten kontrollierten Studie zu prüfen.
An der vom Contraceptive Research and Development Programme (CONRAD), einer Non-Profit-Forschungsorganisation in Arlington/Virginia initiierten Studie beteiligten sich 1.333 Frauen aus Benin, Südafrika und Uganda, alles Länder mit einer hohen HIV-Prävalenz und einer überwiegend heterosexuellen Verbreitung des HI-Virus. Die Teilnehmerinnen wurden auf die Anwendung eines Gels mit Zellulosesulfat oder eines Gels mit Placebo randomisiert. Allen Frauen, die sich während der Studie infizierten, wurde eine antiretrovirale Studie angeboten, in der Hoffnung, dass dies im Zellulosesulfat-Arm der Studie seltener als unter Placebo der Fall sein würde.
Das Gegenteil war der Fall. Unter den Anwenderinnen von Zellulosesulfat stieg das HIV-Übertragungsrisiko und das Independent Data Monitoring Committee empfahl nach einer Zwischenauswertung dringend einen vorzeitigen Abbruch der Studie. Einzelheiten zu den Ergebnissen werden nicht in den Pressemitteilungen mitgeteilt und auch zu den möglichen Gründen für das höhere Risiko scheint es noch keine Erklärung zu geben. Bei Nonoxynol-9 vermutet man heute übrigens, dass eine erhöhte Rate von vaginalen Läsionen die HIV-Übertragung begünstigt hat.
Sicherheitshalber wurde eine zweite Studie abgebrochen, welche die Forschungsorganisation Family Health International in Nigeria durchführte. Hier gab es zwar keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko. Es war jedoch das gleiche Mittel wie in der CONRAD-Studie eingesetzt. Die Studien mit drei weiteren Mikrobiziden werden fortgesetzt. Es handelt sich um Pro 2000® von Indevus Pharmaceuticals, BufferGel® von ReProtect und Carraguard® von Population Council. © rme/aerzteblatt.de